Munkel Trogg: Der kleinste Riese der Welt - Janet Foxley - E-Book

Munkel Trogg: Der kleinste Riese der Welt E-Book

Janet Foxley

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Beschreibung

Eine spannende, mit viel Humor erzählte Geschichte für Kinder ab 8 Jahren über einen zu klein geratenen Riesen, der auszieht, die Welt der Menschen zu entdecken – und zum Helden wird. Riesen sind groß. Normalerweise. Aber Munkel Trogg ist klein. Alle machen sich lustig über ihn, weil er nur so groß ist wie ein Mensch. Deshalb will Munkel wissen, wie Menschen so sind. Heimlich macht er sich auf den Weg. Und damit beginnt ein großes Abenteuer. Ein wunderbarer Roman um den kleinsten Riesen der Welt mit einem Herz aus Gold

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Janet Foxley

Munkel Trogg

Der kleinste Riese der Welt

Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier

Mit Bildern von Steve Wells

Fischer e-books

1. Kapitel

»Ma!«, kreischte Munkel. »Raubauz hält mich schon wieder kopfüber!«

Munkel versuchte sich dem Griff seines Bruders zu entwinden.

»Ma!«, schrie er gellend und schaukelte hin und her. Wenn Raubauz ihn noch eine Minute länger mit dem Kopf nach unten baumeln ließ, würde er sich übergeben.

An der Felswand, im Schein von Ma Troggs Feuer, bewegten sich die Schatten eines überlebensgroßen Raubauz und eines viel zu kleinen Munkel, der hilflos in Raubauz’ Hand zappelte. Im Alter von zehn Jahren waren die meisten Riesen fast ausgewachsen und standen auf eigenen Füßen. Doch Munkel war von ausgewachsen weit entfernt, und stehen konnte er im Moment schon gar nicht. Raubauz hatte ihn fest an den Knöcheln gepackt. Es wäre alles nur halb so schlimm, wenn Raubauz sein älterer Bruder gewesen wäre, doch er war jünger – drei ganze Jahre jünger!

Gut, dass Pa Trogg noch nicht zu Hause war. Er ergriff immer für Raubauz Partei. Raubauz war ein Sohn, auf den ein Riese stolz sein konnte.

Ma, eine hübsche Riesin mit einer gefälligen Anzahl borstiger Warzen, schaute durch die Dampfschwaden über ihrem Kochkessel.

»Raubauz!«, brüllte sie. »Stell deinen Bruder hin! Und zwar sofort!«

»Aber du hast doch gesagt, ich soll bis zum Frühstück mit ihm spielen.«

»Ja, aber ich habe nicht gemeint, dass du ihn als Spielzeug benutzen sollst.«

»Es gefällt ihm doch«, sagte Raubauz. »Oder etwa nicht, Munkel?«

»Nein, überhaupt nicht!«, japste Munkel.

»Oh. Na, gut, Munkel, ’tschuldigung.« Raubauz ließ seinen Bruder so rasch fallen, wie er ihn aufgehoben hatte.

Munkel war zwar klein, aber wenigstens gelenkig. Er machte, kaum dass Raubauz ihn losgelassen hatte, in der Luft einen Salto und landete auf dem Po und nicht auf dem Kopf.

Weh tat es trotzdem.

Denn andere Riesen hatten jede Menge Speckrollen und wären weich gefallen, doch Munkel war nur Haut und Knochen.

Aber er sah nicht schlecht aus. Er hatte eine wunderschöne graue, mit haarigen Warzen übersäte Haut, buschige Brauen sowie die fleischige Nase von Pa und die Glupschaugen und schiefen Zähne von Ma.

Nur seine Größe, die war falsch. Für einen Riesen war er einfach zu klein. Wie hatte er sich bemüht, so zu sein wie die anderen, doch jetzt lief die Zeit ab. Am übernächsten Tag war seine Schulabschlussprüfung, das Gigantur. Dann musste er sich eine Arbeit suchen. Aber für welche war er geeignet? Als Prüfungsfächer hatte er lediglich Drachenkunde und Kleinlingswesen – das waren die einzigen, für die man keine Riesenkräfte brauchte –, und er wusste, dass er in beiden nur mäßig abschneiden würde.

»Wir können nicht länger auf Pa warten, sonst kommt ihr zu spät zur Schule«, sagte Ma und schaufelte klebrige graue Pampe in Holznäpfe. »Kommt, ihr zwei beide, und esst euren Pilzschleim.«

Geräuschvoll stellte sie einen großen Napf für Raubauz und einen viel kleineren für Munkel auf den niedrigen Steintisch. Sie gab ihrem Ältesten schon lange nicht mehr so viel wie dem Zweitgeborenen. Selbst sein Appetit war winzig.

Sie schnallte sich Pumpels Babykorb vom Rücken und setzte sie in den Kinderstuhl am Tisch. Pumpel griff nach ihrer Lederflasche und trank glucksend. Man sah förmlich, wie sie wuchs.

Munkel seufzte. Das Leben war ungerecht. Er kletterte auf sein mit Adlerfarn ausgestopftes Kissen – nur damit saß er hoch genug, um an den Tisch zu kommen –, und Ma und Raubauz nahmen auf dem nackten Felsboden Platz. Er fischte die dicksten Pilzschleimklümpchen heraus und legte sie zum Kaltwerden nebeneinander auf die Tischplatte. Raubauz dagegen schlang wie Pa den kochend heißen Inhalt seines Napfs mit einem langen gierigen Haps herunter.

Raubauz war sehr begabt. In Metallarbeit war er schon der Beste der ganzen Schule. Er wusste genau, was er werden wollte, wenn er groß war: Chef der Waffenschmiede im Zeughaus des Königs. Es gab nichts über Speere und Streitäxte, das er nicht wusste. Ma und Pa fanden Raubauz toll.

»Nachschlag!«, verlangte er jetzt.

»Erst wenn Pa gegessen hat«, sagte Ma, stand auf und lugte in den Kessel. »Falls dann noch was übrig ist.«

Raubauz warf seinen Napf auf den Tisch. »Es ist gemein von Pa, die ganze Nacht wegzubleiben. Wenn er nicht bald nach Hause kommt, muss ich hungrig zur Schule gehen.«

Munkel und Ma schauten sich an.

»Ihm ist schon nichts passiert«, beruhigte Munkel seine Ma. »Er ist der beste Jäger in Rumpelberg.«

Ma biss sich auf die Unterlippe. »Aber Jagen ist nicht dasselbe wie Rauben, meinst du nicht auch?«, sagte sie. »Ein Schaf von einem Kleinlingsbauernhof zu stehlen ist schon was anderes, als einen Dachs mit dem Spieß zu erlegen. Was, wenn er einem Kleinling mit einem mörderischen Zauberstock begegnet?«

Pumpel schleuderte ihre leere Flasche zu Boden und fing laut an zu greinen. Sie bekam sofort eine zweite Portion. Es war auch schwer, ihr etwas abzuschlagen, denn sie war so hübsch wie eine Kröte.

»Das ist gemein«, meckerte Raubauz. »Warum kriegt sie einen Nachschlag und ich nicht?«

»Raubauz –«, sagte Ma streng, doch weiter kam sie nicht, denn in dem Moment knallte die Tür ihres unterirdischen Heims, und Pa kam mit einem Sack über der Schulter in die Küche gestampft. In seinem langen, fettigen Haar hatten sich abgebrochene Zweige und Laub verfangen; aus einer Wunde in einem seiner haarigen Arme tropfte Blut.

»Was ist passiert?«, rief Ma und verband seinen Arm sofort mit einer Handvoll staubiger Spinnweben.

»Mach kein Theater, Frau. Es ist nichts. Bloß ein Kratzer. Ich musste eine Abkürzung durchs Dickicht nehmen.«

Pa warf seinen Sack neben dem Feuer zu Boden. Etwas Schafsförmiges war nicht darin.

»Hast du keins erwischt?«, fragte Ma bang.

»Doch, natürlich. Aber ich hab’s gleich zum Palast gebracht.«

»Komisch, dass dem König jedes Jahr Schaf als Geburtstagsessen nicht langweilig wird«, sagte Raubauz. »Du hättest ihm zur Abwechslung mal einen Kleinling bringen sollen.«

»Raubauz!«, sagte Pa streng. »Das ist nicht witzig.« Er schnappte sich Mas Kessel gleich vom Feuer und setzte ihn mit Schwung an den Mund.

»Ich wollte einen Nachschlag!«, brüllte Raubauz.

»Pech gehabt«, sagte Pa. »Da lernst du vielleicht, keine schlechten Scherze zu machen.«

Vor vielen hundert Jahren hatten die Riesen Kleinlinge als Sklaven gehalten und manchmal auch gegessen. Doch dann erfanden die Kleinlinge die mörderischen Zauberstöcke und wehrten sich, und die Riesen mussten sich verstecken. Jetzt lebten sie tief im Rumpelberg. In die alten Bergwerksstollen im Inneren hatten sie eine ganze Stadt gebaut.

»Das war kein Scherz«, sagte Raubauz. »Ich finde, wir sollten Kleinlinge jagen.«

»Raubauz!«, rief Ma.

»Lass bloß niemanden hören, was du da sagst«, murmelte Pa, und als er sich die Schlubberlippen am Arm abwischte, bekam er den Mund voll Spinnwebverband. »Sonst wirst du ins Verlies geworfen.«

»Ich meine ja nicht, wir sollten sie zu jeder Mahlzeit essen«, sagte Raubauz. »Jedenfalls nicht so viele, dass sie es merken würden. Nur einmal im Jahr, zum Geburtstag des Königs.«

Pa zupfte sich Spinnwebfetzchen aus dem Bart und aß sie zusammen mit den Resten des Pilzschleims. »Wie du sehr wohl weißt, Raubauz Trogg, ist Kleinlinge entführen schon lange, lange gesetzlich verboten. Es ist zu riskant.«

»Hast du heute Nacht zu viel riskiert?«, fragte Ma stirnrunzelnd. »Musstest du vielleicht deshalb die Abkürzung durch das Dickicht nehmen?«

Pa zuckte die Achseln. »Es war nicht schwieriger als der Geburtstagsraub vom letzten Jahr. Ein Hund hat gebellt, aber weit weg.«

»Und bist du auch durchs Moor nach Hause gerannt, damit die Hunde deine Spur nicht verfolgen konnten?«

»Das mache ich immer.« Pa zog seine Schnürschuhe aus und leerte sie in Mas Kochkessel.

Raubauz spinxte in Pas Sack. »Schon wieder Tauben«, sagte er angewidert. »Mal gerade genug für einen hohlen Zahn.«

Für Munkel war eine Taube eine volle Mahlzeit. Und sein Frühstück schaffte er nun auch nicht ganz. »Hier, Raubauz«, sagte er, »iss den Rest von meinem Pilzschleim.«

»Das ist ja kaum ein Mundvoll«, sagte sein Bruder verächtlich. »Egal, ich muss mich beeilen. Ich muss vor der Schule noch Titan treffen.«

»Titan Strotz ist in Munkels Klasse«, sagte Ma. »Warum willst du dich mit dem treffen?« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und verstreute Zweighaarnadeln in alle Richtungen. Pumpel packte eine und kaute darauf herum.

»Raubauz möchte in Titans Bande, Ma«, sagte Munkel.

Die Rüpelrabauken waren die härteste Bande in Rumpelberg und hatten die gewagtesten Aufnahmerituale. Trampel Stampf war aufgenommen worden, nachdem er mitten in der Nacht den Stadtgong geschlagen und die königliche Familie geweckt hatte. Es ging sogar das Gerücht um, dass jemand versucht hatte, König Gedankenarms Krone zu stehlen.

»Ach, die Burschen haben einfach nur Spaß miteinander«, sagte Pa zu Ma, die besorgt dreinsah. »Schließlich ist Titan Strotz der Anführer. Da können seine Freunde so schlimm nicht sein.«

»Na ja …«, begann Munkel, besann sich aber eines Besseren. Titan Strotz war der übelste Schläger der Schule und machte Munkel das Leben zur Hölle. Doch Munkel wollte Ma nicht weiter beunruhigen. »Mach dir keinen Kopf, sie nehmen Raubauz sowieso nicht.«

»Und ob sie mich nehmen!« Raubauz warf Munkel einen wütenden Blick zu und stürmte zur Tür.

»Warte auf mich!«, schrie Munkel, schnappte sich eines von Mas Eichelmehlbrötchen zum Mittagessen und rannte hinter seinem Bruder her. Wenn er mit ihm zusammen ging, wurde er vielleicht nicht gepiesackt, bis er in den Klassenraum kam.

»Passt auf euch auf«, rief Ma.

»Ja«, rief Munkel zurück, aber wie konnte er auf sich aufpassen, da er so viel kleiner war als alle anderen? Eigentlich war es nicht richtig, dass er Ma immer noch Sorgen bereitete, obwohl sie zwei jüngere Kinder hatte, um die sie sich kümmern musste.

»Du hättest Ma nicht von den Rüpelrabauken erzählen sollen«, schimpfte Raubauz, als er mit großen Schritten an den Wachdrachenställen vorbei in den von Fackeln erhellten Tunnel ging.

Munkel hastete neben ihm her. »Einige Jungs aus der Bande, die in meiner Klasse sind, haben tierischen Ärger gekriegt«, erzählte er Raubauz. »Klopsig Ochs war einen Monat lang im Verlies, nachdem Titan zu ihm gesagt hat, er würde es nie wagen, einen brennenden Pfeil durch ein Palastfenster zu schießen.«

»Gut, aber ich komme nicht ins Verlies«, sagte Raubauz. »So dumm bin ich nicht. Los, Munkel, kannst du nicht schneller laufen?«

Munkel fiel in leichten Trab, und bald traten sie aus dem schummrigen Tunnel in das diesige Tageslicht des Kraters.

Der Krater war ein riesiges Freiluftgelände in der Mitte des Rumpelberges; er hatte die Form einer Schüssel und war der einzige Ort in der Stadt, der zum Himmel hin offen war. Die Riesen benutzten ihn als Spiel- und Marktplatz, als Park und Theater. Alle Hauptstraßentunnel mündeten in den Krater, und die wichtigsten Gebäude, wie zum Beispiel Läden, Bierhallen, die Schule und der Königspalast, waren in seine Wand hineingebaut. Der Rauch aus den Behausungen und Werkstätten im Inneren des Berges drang aus Spalten in dieser Wand nach draußen und verschmolz mit der Wolke, die immer über dem Krater schwebte und die Riesen und ihre Wachdrachen vor den Kleinlingen in der Stadt am Fuße des Berges verbarg.

Plötzlich spürte Munkel, wie zwei gewaltige Hände ihn packten und in die Luft hoben.

»Erwischt!«

Es war Titan. Er hatte ihnen aufgelauert.

»Hol das Seil aus meiner Tasche«, befahl er Raubauz.

Raubauz zögerte.

Titan hob seine dichten, buschigen Augenbrauen. »Na, willst du nun Mitglied der Rüpelrabauken werden oder nicht?«

»Aber er ist mein Bru–«

»Was bist du für ein Hänfterling, Raubauz Trogg«, höhnte Titan, der auch Schulsprecher war.

Das war zu viel für Munkel. Ihn zu quälen war eine Sache, aber seinen jüngeren Bruder zu verhöhnen eine ganz andere, auch wenn der jüngere Bruder doppelt so groß war wie er. Munkel nahm all seine Kraft zusammen und schlug Titan seinen Schulranzen mitten ins Gesicht. Der Schlag saß. Ein dicker, fetter Pickel auf Titans Nasenspitze platzte. Blut und Eiter spritzten heraus. Ein spektakulärer Anblick.

»Jau – uul!«, schrie Titan. »Das zahl ich dir heim, du Wicht. Den habe ich für die Puffigste-Pickel-Sonderattraktion am Geburtstag des Königs gezüchtet. Her mit dem Seil, Raubauz, und zwar JETZT!«

»Ähm … Also …«, stotterte Raubauz.

Titan warf Munkel zu Boden, stellte sich mit einem seiner Quadratlatschen auf ihn, um ihn dort festzuhalten, und zerrte das Seil, dick wie ein Tau, selbst heraus. Dann schob er das eine Ende durch Munkels Gürtel, verknotete es und fing an, Munkel immer im Kreis herum durch die Luft zu schleudern, bis sich das Seil um Munkel gewickelt hatte.

Munkel kniff die Augen zusammen und wartete darauf, dass Titan losließ und er wegflog. Doch bevor er quer über den Krater schoss, ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch. Titan hielt abrupt inne, und Munkel schoss in den Staub, wo er liegen blieb.

Der Schulgong hatte ihn gerettet.

»Ich muss gehen, Munkel«, sagte Raubauz. »Wenn ich wieder zu spät zu Drachenkunde komme, kriege ich Ärger mit Herrn Schlagus.« Er warf Munkel noch einen mitleidigen Blick zu und rannte durch den Krater.

Titan boxte Munkel zum Abschied in die Rippen und lief hinter Raubauz her. Munkel, der hilflos wie ein gedünsteter Dachs zusammengebunden auf dem Rücken lag, schnappte nach Luft. Er wusste, warum Titan es eilig hatte.

Normalerweise scherten sich Jungen wie Titan nicht darum, ob sie zu spät kamen. Normalerweise spielte Munkel auch lieber in seinem Versteck im Wald außerhalb von Rumpelberg, als dass er zur Schule ging. Aber heute war nichts normal. Heute fand der Ausflug für die Schulabgänger statt, und die ganze Klasse freute sich schon seit Wochen darauf – Munkel am allermeisten.

Sie gingen nämlich in die Kleinlingswelt!

2. Kapitel

Bis Munkel das Seil aufgedröselt hatte und an der Schule ankam, war es zu spät und die Eingangstür verschlossen. Während er noch überlegte, wie er an die Klinke kommen sollte, wurde die Tür von einer hilfreichen Hand von innen geöffnet.

Frau Fitpo, die Lehrerin für Kleinlingswesen, rümpfte ihre Hakennase und schaute ihn böse an. »Und wer, bitte schön, bist du?«, fragte sie streng.

Munkel spürte, wie er puterrot im Gesicht wurde. Seine Klassenkameraden, die sich um Frau Fitpo scharten, grinsten.

»Ich, Frau Fitpo, Munkel Trogg.«

»Nanu, stimmt. Weißt du, du bist so lange nicht zum Unterricht erschienen, dass ich ganz vergessen habe, wie du aussiehst.«

Die Kinder kicherten. Sie fanden es immer toll, wenn sich die Lehrer über Munkel lustig machten, und die Lehrer machten sich, wenn Munkel überhaupt einmal zur Schule kam, stets über ihn lustig. Kein Wunder, dass Frau Fitpo ihn lange nicht zu Gesicht bekommen hatte.

Nun konnten es die Schüler gar nicht abwarten loszumarschieren. Sie schubsten und drängelten und schoben die Lehrerin regelrecht vor sich her.

Munkel wurde von Titans Schulranzen zu Boden geschlagen. Die Zwillinge Kolossa und Walküre stolperten über ihn und Klopsig Ochs trat auf ihn. Als er endlich aufstehen konnte, waren die anderen schon so weit voraus, dass er rennen musste, um sie einzuholen. Und um dann mit ihnen Schritt zu halten, musste er natürlich weiter rennen.

Das schaff ich nie, dachte er. Bis wir dort sind, bin ich fix und fertig. Pa hatte nämlich gesagt, der Weg durch den Wald zu der Felskuppe, von der aus man in sicherer Entfernung auf die Kleinlingsstadt hinabschauen konnte, sei sehr lang.

Doch Frau Fitpo befahl den Schülern schon anzuhalten, als sie den Krater noch nicht mal verlassen hatten. Vor einem Gebäude neben dem Königspalast mussten sie stehen bleiben. Wo der Palast aufhörte und das Gebäude anfing, war schwer zu erkennen. Deshalb hatte Munkel es wahrscheinlich noch nie richtig zur Kenntnis genommen. Frau Fitpo stieg die Treppe zu einer uralten Eichentür hoch und klopfte mit ihrem Lehrerknüppel darauf.

Dann drehte sie sich zur Klasse um und sagte: »Hört zu, Schulabgänger! Wenn wir hier gleich hineingehen, beachtet zweierlei: Erstens ist dieser Ausflug nicht zum Vergnügen da. In eurer Giganturprüfung geht es unter anderem um Dinge, die ihr heute seht, also passt genau auf!«

Alle fingen an durcheinanderzuschwatzen, doch Frau Fitpo brachte sie mit drohend geschwungenem Knüppel zur Ruhe.

»Zweitens vergesst nicht, dass alles, was ihr hier seht, Eigentum des Königs und das ganze Haus mit allergrößtem Respekt zu behandeln ist. Was heißt das, Titan?«

»Wir müssen mit allem supervorsichtig sein, Frau Fitpo.«

»So ist es, Titan, und was passiert mit denen, die das Eigentum des Königs nicht mit allergrößtem Respekt behandeln?«

»Ab ins Verlies, Frau Fitpo.«

»Richtig. So, wenn wir jetzt alle so weit sind …«

Noch einmal klopfte Frau Fitpo an die Tür. Dieses Mal quietschte der Riegel, das Schloss rasselte, und die Tür ging langsam und knarzend auf. Ein runzliger alter Riese stand darin. Die Haut hing ihm in welken Falten herunter, und sein Rücken war so weit gebeugt, dass sein Bart über den Boden schleifte. Mit einer Hand stützte er sich schwer auf einen Stock, mit der anderen hielt er sich ein Hörrohr ans Ohr.

»Das ist Dero Weistum, Der Ehrenwerte Biblos«, sagte Frau Fitpo, »nach der königlichen Familie die wichtigste Person in Rumpelberg. Er ist Weiser Mann des Großen Rats, Königlicher Herr des Museums und Hüter des Buchs.«

»Der Weise Mann ist der oberste Ratgeber des Königs«, erklärte der alte Riese, schob seinen Bart zur Seite und zeigte ihnen seine goldene Amtskette. »Wenn König Gedankenarm einen guten Gedanken braucht, dann ist es meine Aufgabe, ihm einen zu geben. Eine andere meiner Pflichten besteht darin, sein wunderbares Museum der Kleinlingswelt zu leiten.«

»Warum ist er so runzlig?«, fragte Walküre.

»Das kommt davon, wenn man zu viel denkt«, flüsterte Klopsig.

Die Kinder liefen die Treppe hinauf. Alle außer Munkel. Er war so enttäuscht, dass er ein Gefühl hatte, als habe ihm Frau Fitpo mit ihrem Knüppel auf den Kopf geschlagen.

Sie würden die Kleinlingswelt überhaupt nicht sehen! Sie würden nur durch ein muffiges altes Museum latschen. Als der Ausflug angekündigt worden war, hatte er offenbar gefehlt und später, als die anderen Kinder darüber sprachen, nicht richtig zugehört. Ach, es hatte sich überhaupt nicht gelohnt, heute zur Schule zu kommen.

Er überlegte schon, ob jemand bemerken würde, wenn er sich klammheimlich verdrückte, da fiel ihm das Gigantur ein. Vielleicht lernte er ja bei dem Museumsbesuch genauso viel, wie er in den versäumten Stunden im Kleinlingswesen gelernt hätte. Also besser, er blieb hier.

Seufzend kraxelte er die Stufen hinauf und gesellte sich zu seinen Klassenkameraden.

Der Weise Mann führte sie durch das Museum und zeigte ihnen Ausstellungsstücke, die die Riesen den Kleinlingen damals, als sie sie noch fingen, gestohlen hatten. Doch Munkel konnte nichts sehen, weil er ganz hinten, hinter den normal großen Kindern, stand.

»Und jetzt«, sagte der Ehrenwerte Biblos, »kommen wir zu dem Ausstellungsstück, an dem man erkennen kann, wie winzig die Kleinlinge wirklich sind.«

Munkel hörte, wie knarzend eine Tür aufging. Alle drängelten nach vorn.

»So«, sagte der Ehrenwerte Biblos, »was meint ihr, was das ist?«

»Babyklamotten?«, meinte Walküre.

»Nein«, erwiderte der Weise Mann. »Das ist die Kleidung eines erwachsenen Kleinlings, des letzten, der je gefangen wurde.«

»Ooooh!« Der Klasse verschlug es den Atem.

»In der Tat: Ooooh!«, befand auch der alte Riese. »Man kann sich schwerlich jemanden vorstellen, der so winzig ist, dass er das tragen kann, findet ihr nicht?«

»Munkel Trogg würde es passen, und es wäre ihm sogar noch viel zu groß«, lachte Titan.

»Munkel Trogg?«, sagte der Ehrenwerte Biblos. »Wo ist Munkel Trogg?«

»Ja, wo ist Munkel?«, fragte Frau Fitpo. »Fehlt er schon wieder?«

Im Allgemeinen fand Munkel es sicherer, in einer solchen Situation auf Tauchstation zu gehen, doch jetzt war er neugierig, was die anderen da sahen.

»Hier bin ich«, sagte er, so laut er konnte.

Alle Kinder drehten sich zu ihm um. Dann langten Hände nach ihm, packten ihn und bugsierten ihn über die Köpfe nach vorn. Das war zwar eine relativ grobe Fortbewegungsart, aber nicht so grob, wie wenn seine Mitschüler mit ihm spielten. Es dauerte auch nicht lang. Rasch wurde er durchgereicht und unsanft vor dem Ehrenwerten Biblos abgesetzt.

»Ein Erstklässler?«, rief der Weise Mann. »Dieser Besuch ist doch nur für Schulabgänger, Frau Fitpo.«

»Munkel Trogg ist ein Schulabgänger«, sagte Frau Fitpo. »Er geht seit fünf Jahren zur Schule, die vorgeschriebene Zeit. Sein jüngerer Bruder ist vollkommen normal.«

»Ach, du meine Güte«, sagte der Ehrenwerte Biblos und schaute Munkel an. »Du armer Knabe.«

Er zog einen Schemel heran und setzte sich darauf, um Munkel besser betrachten zu können.

»Deine Freunde haben recht«, sagte er. »Ich glaube, diese Kleidungsstücke würden dir passen. Probier sie an. Wenn wir jemanden darin sehen, bekommen wir alle ein besseres Bild von der äußeren Erscheinung eines Kleinlings.«

Munkel schälte sich bereitwillig aus seinem zerlumpten Wams. Er wollte liebend gern so tun, als sei er ein Kleinling! Wenn die Leute ihn besonders schlimm schikanierten, stellte er sich oft vor, dass er gar nicht nach Rumpelberg gehörte, sondern in Wirklichkeit ein Kleinling war, den die Feen gegen Mas und Pas echten Sohn vertauscht hatten. So was machten Feen ja. (Nur dass es keine Feen mehr gab. Sie waren vor Urzeiten zusammen mit den Zwergen und Elfen verschwunden.)

Das Hemd, das ihm der Ehrenwerte Biblos gab, war fast durchsichtig, so dünn war es. Aus Angst, den Stoff zu zerreißen, zog er es behutsam über den Kopf. Doch der Stoff war stärker, als er aussah.