Mythen der Monster 2: Die Rache der Götter - Katherine Marsh - E-Book

Mythen der Monster 2: Die Rache der Götter E-Book

Katherine Marsh

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Beschreibung

Abenteuerliche Neuinterpretation griechischer Mythen! Ava startet in ihr zweites Jahr an der Accademia del Forte, der Schule für Nachkommen der griechischen Monster. Nachdem sie die Wahrheit über ihre Vorfahrin Medusa herausbekommen hat, will sie unbedingt auch die Geschichten der anderen Monster ans Licht bringen. Doch dabei muss sie sich unbedingt vor dem tyrannischen Schulleiter Perseus in Acht nehmen. Leichter gesagt als getan! Als er ihre Freundin Layla auf die Vampirinsel verbannt, bleibt Ava keine Wahl: Sie muss Layla retten. Und dabei müssen sie und ihre Freunde nicht nur gegen Götter kämpfen, sondern auch gegen gefährliche Dämonen …  »Gute und spannende Unterhaltung für Lesende ab zehn Jahren, Allgemeinbildung inklusive!« tz Tolles Setting: Magisches Internat in Venedig!

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Katherine Marsh

Mythen der Monster Die Rache der Götter

Aus dem Englischen von Jennifer Michalski

Ava startet in ihr zweites Jahr an der Accademia del Forte, der Schule für Nachkommen der griechischen Monster. Nachdem sie die Wahrheit über ihre Vorfahrin Medusa herausbekommen hat, will sie unbedingt auch die Geschichten der anderen Monster ans Licht bringen. Doch dabei muss sie sich unbedingt vor dem tyrannischen Schulleiter Perseus in Acht nehmen. Leichter gesagt als getan!

Als er ihre Freundin Layla auf die Vampirinsel verbannt, bleibt Ava keine Wahl: Sie muss Layla retten. Und dabei müssen sie und ihre Freunde nicht nur gegen Götter kämpfen, sondern auch gegen gefährliche Dämonen …

Eine abenteuerliche Neuinterpretation griechischer Mythen!

Wohin soll es gehen?

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  Danksagung

  Viten

Für meine Tochter, Natalia Eleanor Marsh Barnes – bleib immer die Heldin deiner eigenen Geschichte.

1

Das Timing für ihren Absprung hätte Ava Baldwin nicht schlechter wählen können.

Sie rannte ihrer Mom und ihrem Bruder Jax voraus, um als Erste an Bord der Gondel zu gehen. Auf diesen Booten gelangte man traditionell zu Beginn eines neuen Schuljahres zur Accademia del Forte, dem von den olympischen Gottheiten geführten Internat für die Nachkommen mythologischer Monster.

Ava freute sich auf die Schule, weil sie dort endlich wieder mit Layla, Fia und Arnold – ihren besten Freundinnen und ihrem besten Freund – zusammen sein würde. Nachdem ihre Freundinnen zu Hause in den USA sie vor Beginn der siebten Klasse für vermeintlich coolere Leute hatten sitzen lassen, hatte Ava hier einen neuen Freundeskreis gefunden, dem sie trauen konnte und dem es nichts ausmachte, dass sie von der Furcht einflößenden Gorgone Medusa abstammte. Sie hatten schließlich alle irgendwelche Monsterkräfte geerbt und wussten, wie es sich anfühlte, anders zu sein. Und das Beste war: Ava konnte in ihrer Gegenwart ganz sie selbst sein.

Voller Selbstbewusstsein sprang Ava mit Anlauf über den schmalen Spalt Wasser zwischen Anlegestelle und Gondel. Rums! Sie knallte noch mit dem Kopf gegen den Schiffsrumpf, ehe sie mit einem Platsch im Wasser landete. Als sie wieder auftauchte, pochte ihre Stirn. Das wurde bestimmt ein ordentliches Hörnchen. Über ihr erschien ein wettergegerbtes Gesicht.

»Signorina, sta bene?«, fragte der Gondoliere. Seine Mundwinkel zuckten, als würde er ein Lachen unterdrücken.

Mit Tränen in den Augen nickte Ava. »Bene«, antwortete sie. Gut.

Dabei war es ihr eigentlich superpeinlich. Sie war sich so sicher gewesen, es zu schaffen. Mit überraschend viel Kraft für einen so alten Mann hievte der Gondoliere sie aus dem Wasser und lenkte das Boot mit dem Ruder näher an den Anleger. Ihre Mom kletterte neben ihr in die Gondel und betastete sacht ihre Stirn. »Was war das denn?«

»Hab die Entfernung unterschätzt. Autsch! Nicht.«

Ihre Mom zog die Hand zurück. »Das gibt eine fiese Beule.«

Auf keinen Fall würde Ava die achte Klasse – oder den zweiten Grad, wie man an der Accademia sagte – so entstellt anfangen! Im Sommer war sie ein paar Zentimeter gewachsen und genau so wollte sie sich den anderen jetzt auch präsentieren, nicht mit einer Beule am Kopf. Zusammen mit Layla hatte sie sich sogar einen Partnerlook für den ersten Tag überlegt: Häkeltop, Jeans und weiße Sneaker.

»Kriegst du das wieder hin?«, fragte sie Jax.

»Klar, null problemo.« Vorsichtig stieg er ihr gegenüber in den Bug und löste eine Sicherheitsnadel von seinem Rucksack.

Sofort ließ Avas Anspannung nach. Seit Jax sie letztes Jahr in der Unterwelt mit seinen gorgonischen Heilkräften vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, behandelte er sie viel weniger herablassend als vorher. Aber bevor sie sich bei ihm bedanken konnte, flüsterte ihre Mom: »Wartet, bis wir auf dem Schulgelände sind. Ihr solltet eure Kräfte nicht hier einsetzen. Sonst bekommen die Gottheiten es noch mit.«

»Aber wenn ich so an der Schule ankomme, kriegen es alle mit!«, protestierte Ava.

»Mom, ist doch keine große Sache«, meinte Jax. »Ich piekse mir nur schnell in den Finger und schmiere ihr einen Tropfen Blut auf die Stirn.«

»Das ist das Risiko nicht wert. Habt Geduld«, widersprach ihre Mom.

Ava schnaubte frustriert. Letztes Jahr hatte sie herausgefunden, dass Medusa, ihre Vorfahrin, eigentlich gar nicht das männerverachtende Monster war, für das sie gehalten wurde, sondern eine Göttin, die Frauen und Mädchen beschützte. Das hatte ihre Mom dazu inspiriert, wieder als Beraterin für misshandelte Frauen zu arbeiten. Außerdem trug sie ihre Locken jetzt öfter so wie Ava – offen und ungezähmt – und hatte gelernt, Nein zu sagen, sogar zu den Eltern beim Ferienschwimmen, die immer automatisch annahmen, dass sie die Fahrgemeinschaften organisierte. Avas Dad wusste nach wie vor nichts über das Familiengeheimnis – zu seiner eigenen Sicherheit. Was er aber wusste: Wenn er seinen Anteil beim Kochen und Wäschewaschen nicht erledigte, konnte er sich auf eine Schimpftirade gefasst machen. Doch so mutig ihre Mom Sterblichen gegenüber auch geworden war, ihre Furcht vor den olympischen Gottheiten hatte sie nicht überwunden, vor allem nicht, wenn es um Ava ging.

»Du übertreibst total«, motzte Ava.

Ihre Mom sah sie streng an. »Ich bin nur vorsichtig. Zeus und seine Brüder haben dich zwar wieder an die Accademia eingeladen, aber sie werden jeden Vorwand nutzen, dich für die Aktion letztes Jahr zu bestrafen.«

Obwohl Ava dafür fast von der Schule geflogen wäre, war sie stolz darauf, mit ihren Freundinnen und Freunden den Gottheiten getrotzt, die geheime Geschichte von Medusas göttlicher Abstammung zusammengepuzzelt und ihre Vorfahrin damit gerettet zu haben. »Darauf lasse ich es ankommen.«

»Untersteh dich!«, sagte ihre Mom. »Hör mir mal gut zu …«

»Jax, mach schon«, drängte Ava.

»Du wartest, Jax«, sagte ihre Mom scharf.

»Sonst was? Verwandelst du ihn in eine Statue?«, entgegnete Ava.

»Okay, da halte ich mich raus.« Jax befestigte die Sicherheitsnadel wieder an seinem Rucksack.

»Andiamo? Wir fahren?«, unterbrach sie der Gondoliere mit einem Lächeln. Offenbar verstand er nicht genug Englisch, um zu merken, dass hier eine Gorgonenfamilie kurz vor einem gefährlichen Streit stand.

»Sì«, erwiderte ihre Mom kurz angebunden.

Der alte Mann, gekleidet in der klassischen Gondolieri-Tracht mit einem gestreiften Oberteil, einer schwarzen Hose und einem Strohhut mit Band, verlagerte sein Gewicht auf das Ruder, und die Gondel reihte sich in den Spätsommerverkehr von Venedigs Hauptwasserstraße, dem Canal Grande, ein. Ava wusste, dass sie zu weit gegangen war. Ihre Mom hatte die Augen geschlossen und atmete zur Beruhigung tief ein und aus, wie sie es auch ihr beigebracht hatte. Eigentlich hätte Ava sich entschuldigen müssen. Stattdessen schaute sie dem Gondoliere dabei zu, wie er sie meisterhaft um Wasserbusse, Frachtschiffe, Wassertaxis, Müllboote, die Wasserpolizei und andere Gondeln herummanövrierte – manchmal mit einem Abstand von nur wenigen Zentimetern zum nächsten Rumpf.

Schließlich öffnete ihre Mom die Augen wieder. »Ava«, sagte sie sanft und beugte sich zu ihr. »Ich finde es toll, dass du Medusa letztes Jahr zur Freiheit verholfen hast. Aber wir leben immer noch in der Welt der olympischen Gottheiten und Mr Orion ist nicht mehr da, um dich zu beschützen.«

»Hast du denn gehört, wer der neue Schulleiter wird?«, fragte Jax.

Ihre Mom schüttelte den Kopf. »Die Gottheiten haben nur angekündigt, ihn zu Beginn des Schuljahrs vorzustellen. Aber egal, wer es ist, er wird es euch garantiert schwerer machen als Mr Orion. Macht bloß keinen Ärger.«

Ava konnte nicht an sich halten. »Du tust so, als hätten wir ­einen Feueralarm ausgelöst oder die Waschräume demoliert, statt aufzudecken, dass die Gottheiten sich gegen Frauen verschworen und die Geschichte manipuliert haben.«

Ihre Mom schaute sich besorgt um, aber der Gondoliere pfiff eine Melodie und außer ihm konnte sie niemand hören. »Was ihr letztes Jahr getan habt, war sehr mutig«, sagte sie leise. »Aber wir haben keine Ahnung, wo Medusa sich momentan befindet und ob sie ihre schützende Hand über dich hält.«

»Nur zur Information: Ich wollte mich dieses Jahr eh mehr auf meine Noten konzentrieren«, meinte ihr Bruder. »Ich will ja am Ende auf ein gutes College gehen.«

Ava verdrehte die Augen. Jax war zwar nicht mehr ganz so nervig, aber er war immer noch … Jax.

Doch ihre Mom sah nicht ihn an, sondern Ava. »Die Gottheiten möchten ihr Image als ›die Guten‹ nicht aufs Spiel setzen. Außerdem wollen sie Rache und haben einige Asse im Ärmel. Ich weiß, du bist genauso mutig wie Medusa, Ava, aber du musst auch so vernünftig sein wie sie.«

Ava sah die fest zusammengepressten Lippen ihrer Mom und die Angst in ihren braunen Augen. »Mach dir keine Sorgen. Ich bin vorsichtig.«

Ihre Mom seufzte erleichtert. »Du verstehst es also.«

Ava lächelte ihr beruhigend zu, hatte aber gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. Vor ihrem Abschied hatte Medusa ihr gesagt, es sei ihre Bestimmung, »anderen sogenannten Monstern dabei zu helfen, ihre wahre Geschichte herauszufinden und ihre Identität zu ergründen«. Deswegen hatte sie im Sommer angefangen, die griechischen Mythen über Monster zu recherchieren und zu prüfen, worin sich die Versionen ein und derselben Geschichte unterschieden. Allerdings waren sie alle aus der Perspektive der olympischen Gottheiten erzählt – oder deren Lieblingshelden, wie Odysseus oder Perseus –, daher würde sie tiefer graben müssen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Klar wollte sie das so schlau und vorsichtig anstellen wie möglich, aber jeglichem Ärger aus dem Weg zu gehen, würde schwer werden.

Ein Zungenschnalzen riss Ava aus ihren Gedanken. Der Gondoliere deutete auf einen marmornen Palazzo, den venezianischen Palast, der die Accademia del Forte beherbergte. »Qui?«, fragte er. Hier?

»Sì, signore«, erwiderte ihre Mutter.

»Wer ist das denn?«, rief Jax, den Blick auf die Steinveranda geheftet.

Ava wirbelte herum, um zu sehen, von wem er sprach. Vor dem Gebäude tummelten sich viele Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern, aber ihr war sofort klar, wen Jax meinte: ein großes Mädchen – wesentlich größer noch als Ava – mit einem schönen olivfarbenen Teint. Ihre langen rotbraunen Haare glänzten in der Sonne und sie trug ähnliche Kleidung wie Ava – allerdings wirkte sie an ihr ganz anders. Das weiße Häkeltop war weder zu kurz noch zu lang und bildete einen perfekten Kontrast zu dem schmalen Streifen gebräunter Haut an ihrer schlanken Taille. Die Sneaker waren makellos weiß und die Jeans saß im perfekten Baggy-Style. Ihr Lächeln strahlte Selbstbewusstsein aus, als wüsste sie, dass sie umwerfend aussah. Ava fuhr unbewusst mit der Zunge über ihre Zahnspange.

»Bestimmt eine Sirene«, sagte ihre Mom.

Wahrscheinlich hatte sie recht, so verzückt, wie Jax sie anstarrte.

»Ich habe sie noch nie gesehen«, hauchte er.

»Sicher?«, fragte ihre Mom. »Sie winkt euch nämlich zu.«

Überrascht stellte Ava fest, dass das stimmte. Die Sirene hüpfte auf und ab und schwenkte die Arme, den Blick auf ihre Gondel gerichtet. Jax wurde rot und winkte zurück.

»Na, dann werden die Nymphonies dieses Jahr wohl doch ein paar Karten verkaufen«, sagte Avas Mom.

Die Nymphonies waren die A-cappella-Band, die aus den Nachkommen der Sirenen bestand. Laut Layla, Avas Zimmernachbarin vom letzten Jahr, drehte das Publikum bei ihren Darbietungen immer völlig durch, und das nur, weil sie so viele Liebeslieder sangen.

Das Mädchen auf der Veranda rief etwas, das verdächtig nach »Ava« klang.

War das irgendein Trick? Hatte sie mehr Monster-DNA als die anderen Sirenen und stärkere Kräfte? Brachte sie alle dazu, zu denken, sie würde speziell ihnen zuwinken und ihren Namen rufen?

Wieder ertönte ein »Ava!«. Diesmal hörte Jax es offenbar auch.

»Sie kennt dich.« Er stutzte. »Moment mal, ist das …? Nein, das kann nicht …«

Ava klappte der Mund auf. »Doch.«

Sie kannte die Stimme der Sirene.

Nur war es keine Sirene. Es war Layla.

2

»Ich hatte keine Ahnung, dass sie sich auch so verwandeln kann«, sagte Jax.

Ava ging es genauso. Layla war eine Empusa, eine gestaltwandelnde Vampirin, die im Dienst der Göttin Hekate stand. Empusen konnten viele Formen annehmen, um ihre flammenden Haare und die nicht zueinanderpassenden Beine – eins aus Erz, das andere das eines Esels – zu tarnen. Ihr Lieblingszeitvertreib war es, in Gestalt schöner junger Frauen arme junge Männer in ihre Fänge zu locken und ihr Blut zu trinken. Layla hatte Ava aber schon bei ihrer ersten Begegnung erzählt, dass sie das Vampir-Gen nicht geerbt hatte. Sie war sogar Veganerin. Aber seit Layla letztes Jahr ihre Fähigkeit perfektioniert hatte, konnte sie jeden und jede verkörpern, selbst die Gottheiten.

Aktuell schien Layla allerdings niemand Bestimmtes zu verkörpern – außer vielleicht das hübscheste Mädchen, das Ava je gesehen hatte. Sie wirkte zwei Jahre älter, wie eine erfolgreiche sechzehnjährige Influencerin, die ohne Probleme allen an der Accademia ein bisschen Blut, einen veganen Burger oder irgendwas anderes, worauf sie gerade Hunger hatte, abquatschen konnte.

Warum hatte Layla ihr nichts von ihrem Sommer-Glow-up erzählt? Der abgesprochene Partnerlook war ein Fehler gewesen. Ava klebte das Häkeltop klatschnass am Körper, als hätte sie sich in einem Fischnetz verheddert, und ihre triefenden Locken kräuselten sich wild. Von der wohl fettesten Beule der Welt auf ihrer Stirn wollte sie gar nicht erst anfangen.

Als der Gondoliere das Boot an der Verandatreppe andocken ließ, beugte Ava sich zu Jax und flüsterte ihm ins Ohr: »So, das ist nah genug. Bring mein Gesicht wieder in Ordnung.«

»Was?« Er starrte immer noch Layla an.

»Mein Gesicht!«, brüllte Ava.

»Zieh dir erst mal trockene Sachen an. Wir treffen uns vor den Waschräumen im Erdgeschoss.«

Ehe Ava ihn aufhalten konnte, schnappte er sich seinen Koffer, sprang aus der Gondel und rannte die Stufen hoch. »Bis dann, Mom!«, rief er.

»Ist das sein Ernst?!«, empörte sich Ava.

»Lauf schnell rein. Es merkt schon niemand«, meinte ihre Mom.

»Ja, klar«, erwiderte Ava sarkastisch. Offenbar erinnerte ihre Mom sich nicht daran, wie das Leben als Dreizehnjährige war. Alle würden es merken.

Ihre Mom zupfte an Avas Locken. »Beule hin oder her, du bist wunderschön, Ava. Ich hab dich lieb.«

»Ich dich auch, Mom«, sagte Ava etwas besänftigt.

Ihr Gepäck hatte der Gondoliere schon auf die Veranda gehoben. Lächelnd reichte er ihr die runzelige Hand. Eigentlich wollte sie sie nicht annehmen, aber sie hatte zu große Angst, ein zweites Mal auszurutschen, und das auch noch vor so vielen Menschen. Also griff sie zu. Seine Hand war klamm. »Grazie. Danke.« Schnell hüpfte sie an Land.

»Tschüss, Mom.« Sie hievte ihren Koffer hoch und senkte den Blick, damit niemand sie auf ihre Beule ansprach.

»Denk dran«, rief ihre Mom ihr hinterher, »Augen auf, bevor du springst!«

Zum Glück war der Mädchenwaschraum leer, bis auf eine Toilettenkabine, die von einem Paar schwarzer Chucks besetzt war. Ava zog sich um und hielt ihre Sneaker gerade unter den Handtrockner, als die Kabinentür geöffnet wurde. Heraus trat Cassie, eine Nachfahrin des Schlangenwesens Python, des Wächters des Orakels von Delphi. Nachdem sie den Sommer wegen eines Ferienkurses zum Großteil in einer griechischen Höhle verbracht hatte, war sie noch blasser geworden. Ihre schwarzen Haare waren so lang, dass sie bis zu der kleinen Plastikkugel in ihren Händen reichten. Ava machte sich schon auf eine Weissagung von ihr gefasst, aber statt in Trance zu versinken, legte Cassie nur neugierig den Kopf schief.

»Was ist mit deinem Gesicht passiert?«

»Bin gestolpert. Nichts Dramatisches«, sagte Ava. »Ist das … ein Magic 8 Ball?«

»Genau! Ich versuche, die Trefferquote meiner Vorhersagen zu erhöhen.«

»Bist du sicher, dass ein Magic 8 Ball da hilft?«

Cassie schüttelte die Kugel und las die Worte, die auf dem Dreieck ins Fenster schwebten. »›Don’t count on it.‹ Die letzte Antwort darauf war positiver.«

»Ist das nicht alles nur Zufall?«, fragte Ava. »Dein Vorfahre hat das Orakel von Delphi bewacht, Cassie. An deiner Stelle würde ich mir selbst vertrauen. Deine Prophezeiungen über mich haben letztes Jahr hundertprozentig gestimmt. Hast du welche für das kommende?«

Cassie wiegte bedächtig den Kopf. »Ich glaube nicht …«

Aber schon rollten ihre Augen zurück. Der Magic 8 Ball knallte auf den Boden. Mit schriller Gruselstimme sang sie:

»So mächtig deine Augen sind,

o Medusas Kind,

Götter wollen dich lieber blind.«

Ava stockte der Atem. »Blind, sagst du? Bist du sicher?«

Cassie antwortete nicht. Ihr Blick war immer noch nach oben gerichtet. Aber das Fenster des Magic 8 Ball zeigte zu Ava und das Dreieck versprach: »It is decidedly so.«

Ihr wurde es eng in der Brust, bis sie an ihre eigenen Worte denken musste, nämlich dass sie der Kugel nicht trauen würde. Aber auch wenn sie an ein Spielzeug, das die Zukunft vorhersagte, nicht glaubte, so glaubte sie doch an Cassie. Und falls es der Racheplan der Gottheiten war, sie mit Blindheit zu schlagen, dann war er verteufelt gut. Wenn Ava niemanden mehr anschauen konnte, konnte sie auch niemanden mehr erstarren lassen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, von nichts als Schwärze umgeben zu sein, die Gesichter ihrer Familie, Freundinnen und Freunde nur noch aus der Erinnerung abrufen zu können und ihre Mom nie wiederzusehen. Sich selbst nie wiederzusehen.

»Gibt es eine Möglichkeit, das zu verhindern?«, fragte sie Cassie.

Aber ehe die etwas erwidern konnte, ging die Tür zum Waschraum auf und herein schlenderten Avas Rivalinnen aus dem Schwimmteam, die Seeungeheuer Morgan und Anahita. Cassies Augen rollten wieder nach vorn. »Ich hoffe, ich darf dieses Jahr Einführung ins Wahrsagen belegen«, sagte sie, jetzt mit normaler Stimme.

Als Anahita und Morgan sie bemerkten, blieben sie stehen.

»Cassie!« Morgan klatschte mit vorgetäuschter Freude in die Hände. »Lass mich raten: Du hast Gorgo-Girl gerade prophezeit, dass sie ein ganz tolles Jahr vor sich hat. Tja, damit liegst du wieder mal falsch.«

»Ich bin keine Gorgone«, zischte Ava durch zusammengebissene Zähne. »Ich bin eine Göttin.«

Die beiden warfen sich einen Blick zu und brachen in schallendes Gelächter aus.

»Deine Vampirfreundin wirkt vielleicht wie eine Göttin, du allerdings bist noch hässlicher geworden«, erwiderte Morgan.

»Was ist das für ein Ei auf deiner Stirn?«, fragte Anahita. »Brütest du eine Schlange aus?«

Ava betrachtete die violette Schwellung im Spiegel. Jetzt, da ihr das Blut in den Kopf schoss, sah es noch schlimmer aus. Sie war nicht hässlich, das wusste sie, trotzdem versetzten Morgans und Anahitas Worte ihr einen Stich. Sie war im Sommer ein Stück gewachsen und hatte sich einen Auftritt wie den von Layla gewünscht. Alle sollten sie bewundern und endlich die Göttin in ihr sehen, die sie war. Aber wie unrealistisch war das, wenn die ganze Welt ihre Vorfahrin nach wie vor für ein abscheuliches Monster hielt? Womöglich würden die Leute sich immer vor ihr fürchten und ekeln, egal wie sehr sie sich anstrengte.

Heftig blinzelnd drängte sie sich mit ihrem Koffer an den beiden vorbei aus dem Waschraum. So hatte sie sich den ersten Tag nicht vorgestellt.

3

»Hey, Ava, hier drüben!«, rief eine vertraute Stimme.

Sofort blieb Ava stehen. Das war ihre beste Freundin. »Fia!«

Fia rannte über den Flur, gefolgt von Jax, Layla und Arnold. Beruhigend, dass wenigstens sie noch genauso aussah wie vorher, mit ihren kurzen orangefarbenen Haaren und den vielen Piercings. Ava ließ den Koffer los und umarmte sie stürmisch.

Sie drückten sich fest, bis Fia sich von ihr löste und ihre Beule begutachtete. »Jax hat es uns schon erzählt.«

Jetzt flossen Avas zurückgehaltene Tränen doch.

Fia musterte sie besorgt. »Tut es weh?«

Layla legte ihr eine Hand auf die Schulter. Unter normalen Umständen wäre das tröstlich gewesen, aber neben ihrer ehemaligen Zimmernachbarin, die sie mittlerweile um mindestens zehn Zentimeter überragte, kam sie sich vor wie ein weinerliches Kleinkind. Dass Ava im Sommer sogar über ihr Ziel von einem Meter fünfzig hinausgeschossen war, schien jetzt kaum der Rede wert zu sein.

Offenbar wirkte Ava noch unglücklicher als zuvor, denn sofort öffnete Jax eine seiner Sicherheitsnadeln. »Ich hab doch gesagt, ich bring das in Ordnung«, murmelte er etwas genervt.

»Das ist es nicht«, erwiderte Ava. Sie hätte Layla gern gefragt, warum sie plötzlich so groß war und so wow aussah, aber sie standen immer noch vor dem Mädchenwaschraum. Jeden Moment konnten Anahita und Morgan dort herausgerauscht kommen. Ava wollte nicht, dass sie sie so aufgewühlt sahen und gleich wieder auf ihr rumhackten. »Ist die Bibliothek offen?«

In der Bibliothek am Ende des Gangs stand ihnen eine Sammlung von Olymp-geprüften Büchern über griechische und römische Mythologie zur Verfügung sowie Pergamentpapier und Schriftrollen. Fia hatte letztes Jahr im Zuge einer Strafarbeit von Ms Klio, der Muse der Geschichtsschreibung, alles aufgeräumt.

»Egal, ich hab den Schlüssel noch«, sagte Fia.

In dem achteckigen Raum der Bibliothek waren die Bücher nach zwei verschiedenen Systemen alphabetisch sortiert: auf der einen Seite nach Gottheiten und Helden, auf der anderen nach Monstern. Ms Klio wählte sie sorgfältig aus; Bücher oder Aufzeichnungen, die Kritik an Zeus und seinen Brüdern übten, wurden ausgemustert. Obwohl Ava die Zensur schlimm fand, beruhigte sie der typische muffige Geruch von altem Papier. Kaum hatte Fia die Tür hinter ihnen geschlossen, berichtete Ava von Cassies Prophezeiung.

»Entspann dich«, meinte Jax. »Falls die Gottheiten dir wirklich was tun und du blind wirst, heile ich dich einfach wieder. So …« Er stach sich in den Finger und tupfte ihr einen Blutstropfen auf die Stirn. »Weg ist die Beule.«

Ava drückte auf die Stelle. Es tat nicht mal mehr weh.

»Brauchen Sie Hilfe, rufen Sie Dr. Baldwin!«, sagte Layla anerkennend.

Dass sie ihn so feierte, nervte Ava, obwohl Jax’ Kraft wirklich ziemlich cool war. Ihr Bruder wurde rot, versuchte es aber mit einem Achselzucken zu überspielen. »Keine große Sache.«

»Die Gottheiten wissen aber von deinen Heilkräften«, antwortete Ava, bevor er noch mehr Anerkennung erntete. »Wenn sie mir die Sehkraft rauben, dann auf eine Art, die du nicht rückgängig machen kannst.«

Fia nickte. »Zum Beispiel, indem sie deine Augen verstecken.«

»Fia!« Jax verzog das Gesicht.

Sie zuckte mit den Achseln. »Was denn? Ich bin nur realistisch. Hat Zeus nicht auch Lamia die Augen geklaut?«

»Nein, er hat ihr die Kraft verliehen, sie rauszunehmen«, widersprach Ava.

»Ach ja, stimmt.«

»Worüber redet ihr?«, fragte Layla.

»Och, nur über eins von diesen aufbauenden Familienmärchen, frei nach einer Idee der griechischen Gottheiten«, antwortete Fia unschuldig.

»Lamia war eine nordafrikanische Königin«, erklärte Ava. »Zeus hatte eine Affäre mit ihr. Dann hat Hera davon erfahren, ihre Kinder gekidnappt und Lamia in ein Monster verwandelt, dem es nach Kinderblut dürstet. Damit sie überhaupt einschlafen und die Gesichter ihrer vermissten Kinder für eine kurze Zeit vergessen konnte, hat Zeus ihr die Möglichkeit gegeben, sich die Augen rauszunehmen.«

»Wie rücksichtsvoll von ihm«, meinte Fia. »Aber hätte es nicht auch eine Tasse Kamillentee getan? Was ich eigentlich damit sagen wollte: Es wäre nicht das erste Mal, dass die Gottheiten andere Leute, die sich mit ihnen anlegen, erblinden lassen. Denkt nur mal an Teiresias, Anchises oder sogar Mr Orion …«

Jax stöhnte auf. »Heißt das, dieses Jahr müssen wir Avas Augen suchen, so wie letztes Jahr deine Stimme?«

»Da vergeht mir echt der Appetit«, sagte Arnold.

»Kann nicht sein!«, riefen Fia und Layla im Chor.

Ava fühlte sich zwar hundeelend, musste aber trotzdem lächeln. Obwohl Arnold ihnen im Sommer aus seiner Heimatstadt Toronto mehrere Selfies mit Pommes und Cheeseburgern geschickt hatte, war er nach wie vor spindeldürr. Vielleicht, weil er so schnell gewachsen war. Wobei er für eine Harpyie bestimmt noch im Normbereich der Wachstumskurve lag.

Die krasseste Veränderung hatte trotzdem Layla hingelegt, nicht nur, was ihre Figur betraf. Aus nächster Nähe war sie nun noch hübscher, als würde sie einen Filter benutzen. Die haselnussbraunen Augen unter den geschwungenen schwarzen Wimpern wirkten riesig, die Brauen waren perfekt gebogen und sie hatte die makelloseste, strahlendste Haut, die Ava je zu Gesicht bekommen hatte.

»Was ist mit dir eigentlich passiert?«, fragte Ava sie. »Du siehst so …«

»… unglaublich aus«, ergänzte Jax.

Sie warf ihrem Bruder einen vernichtenden Blick zu, aber Layla schien das Kompliment nicht weiter zu irritieren. »Danke! Ihr erinnert euch doch, dass ich letztes Jahr gelernt habe, wie ich mich kontrolliert in jede x-beliebige Person verwandeln kann? Na ja, im Sommer habe ich was Neues ausprobiert und mir erst mal ein paar Upgrades verpasst.«

»Der Sommer, als ich schön wurde, die Empusa-Fassung«, bemerkte Fia.

Layla lachte. »So in etwa. Zähne kriegt man übrigens durch eine Verwandlung viel schneller gerade als mit einer festen Zahnspange.«

»Hier ein weiterer toller Hack der Empusa-Influencerin Layla«, verkündete Fia.

Ava grinste, als hätte auch sie einen Riesenspaß. In Wahrheit fühlte sie sich unangenehm in die Zeit zurückversetzt, als ihre damaligen besten Freundinnen Isabelle und Evelyn auf einmal bei Sephora im Einkaufszentrum rumgehangen und sich ohne sie quasi neu erfunden hatten. Das war der Anfang vom Ende ihrer Freundschaft gewesen. »Warum hast du uns vorher nichts erzählt?«

Layla ließ ihre geraden weißen Zähne aufblitzen. »Es sollte eine Überraschung werden. Ich wusste ja, dass du mich am Outfit erkennst.«

Ava versuchte, fröhlich zu klingen, obwohl sie sich ärgerte. Was für eine Überraschung war das, wenn man die Freundin in den Schatten stellte? »Tja, das Styling-Duell hast du haushoch gewonnen.«

»Aber nur, weil du vorher einen Abflug gemacht hast«, sagte Fia. »Jetzt bist du wieder im Game.«

»Klar, ich gegen Supermodel Layla«, spottete Ava.

»Ach, hört doch auf«, meinte Layla, schien sich aber zu freuen.

»Kannst du dich trotzdem noch in andere Leute verwandeln?«, erkundigte sich Arnold.

»Wenn ich muss, ja. Aber jetzt, da ich meine Kraft unter Kontrolle habe, möchte ich gern so bleiben. Ich habe keine Lust mehr, jemand anderes darzustellen. Ich will die beste Version von mir selbst sein.«

»Und ich will die sehende Version von mir selbst sein«, versuchte Ava das Thema wieder auf das zu lenken, was ihr eventuell bevorstand. Sie wollte nicht mit offenen Augen – oder vielmehr blind – ins Unglück rennen.

»Vielleicht machen wir ja gerade aus einer Mücke einen Elefanten?«, warf Arnold ein. »Meistens sind Cassies Prophezeiungen Quatsch.«

Ava seufzte. »Nicht, wenn es um mich geht.«

»Auch die Gottheiten müssen sich an die Regeln der Accademia halten«, sagte Layla. »Solange du also nicht rausgeschmissen wirst, können sie dir nichts tun. Du darfst halt nur keine Tadel kassieren.«

Tadel wurden vom Schulleiter als Strafe für schlechtes Benehmen verteilt. Drei davon innerhalb eines Schuljahrs führten zum Rauswurf.

»Völlig abwegig, warum sollte das passieren?«, sagte Jax sarkastisch und schmunzelte. »Oh, warte, genau das ist ja letztes Jahr passiert. Ava hat sich quasi die Bezeichnung ›GOAT‹ in Sachen Tadel verdient. ›Greatest of All Time‹!«

»Soll das ein Witz sein?« Fia grinste schelmisch. »Der Ziegentitel ist ja wohl meiner!«

Als Nachfahrin der Chimära – teils Ziege, teils Schlange, teils Löwe – meinte sie das ebenso wörtlich wie im übertragenen Sinn.

»In der Schule vielleicht, aber außerhalb hat Ava wesentlich mehr Regeln gebrochen«, sagte Arnold.

Bevor Fia protestieren konnte, ertönte draußen ein Flötenton, laut genug, dass sie ihn bis in die Bibliothek hörten.

»Dieses Jahr sollte Ava sich zurückhalten, da sind wir uns hoffentlich alle einig«, meinte Layla. »Auch wenn natürlich viel davon abhängt, wer der neue Schulleiter wird. Bestimmt erfahren wir es gleich. Los, gehen wir …«

Schnellen Schrittes machten sie sich auf den Weg zur Veranda, wo etwas, das aussah wie ein riesiger Haarball, kräftig in eine Flöte blies. Durch die dichte Mähne und den Bart war der Mann darunter kaum zu erkennen. Neben ihm stand Ms Klio, das braune Haar wie immer zu einem strengen Dutt gebunden.

»Vielen Dank, Mr Pankovych«, sagte sie, als er eine Atempause einlegte.

Ava ließ sich von dem slawischen Namen nicht täuschen. Der Mann hatte Bocksbeine.

»Pan!«, riefen sie und Fia im selben Moment. Der Gott der Natur stieß ein wildes Heulen aus, das Ava und die anderen zusammenfahren ließ. Dann trabte er ins Gebäude.

»War das unser neuer Schulleiter?«, fragte Fia.

»Sei nicht albern, Fia«, tadelte Ms Klio sie. »Mr Pankovych ist mit seinem Temperament nicht für eine Führungsposition geeignet. Unser neuer Schulleiter hingegen sehr wohl. Er hat eine Menge Erfahrung im Umgang mit, sagen wir, schwierigen Persönlichkeiten. Bitte folgt mir in den großen Saal. Dort werdet ihr ihn kennenlernen.« Ihr Blick blieb an Ava hängen. »Du wirst ihn sicherlich ebenso inspirierend finden wie ich.«

4

Die runden Holztische im großen Saal, an denen die Schülerinnen und Schüler normalerweise saßen, waren verschwunden. Dort befanden sich jetzt im Kreis angeordnete Steintribünen, die Ava an die Kampfarena für Gladiatoren im antiken Rom erinnerten.

»Sieht aus, als hätten sie das Kolosseum nachgebildet«, bemerkte sie.

»Hoffentlich ohne die Löwen«, sagte Layla.

Mr Heff oder Hephaistos, der Gott des Feuers und Leiter der Schulwerkstatt, wies zusammen mit Avas Schwimmtrainerin, der grünhaarigen Nereide Ms Doris, den Ankömmlingen ihre Plätze auf der Tribüne zu. Zale, Nachfahre eines Zyklopen und Lieblingsschüler der Olympier, saß im obersten Rang.

»War ja klar.« Arnold seufzte. »Wir dürfen wahrscheinlich nach ganz unten.«

»Zu den Löwen«, ergänzte Ava.

Fia presste die Lippen zusammen. »Finden wir’s raus.«

Sie zog Ava und Layla mit sich zu Mr Heff, den sie von allen Lehrkräften am liebsten mochte und der ihre Feuerspeikunst als Einziger zu schätzen wusste. Sie tippte ihm auf die Schulter.

Mr Heff drehte sich mit seinem Rollstuhl um. »Hallo, Fia«, begrüßte er sie herzlich. »Freust du dich schon auf Kreatives Gestalten dieses Jahr?«

»Aber so was von!«, erwiderte sie mit einem aufrichtigen Lächeln. »Dann kommt mein Feuer endlich mal zum Einsatz. Was soll die neue Sitzordnung?«

»Vorgabe des Schulleiters«, sagte Mr Heff. »Du und Layla sitzt in der dritten Reihe nebeneinander.«

»Und ich?«, fragte Ava, als Jax und Arnold sich den beiden schon anschließen wollten.

Mr Heff warf einen Blick auf seine Liste. »Dein Platz ist in der ersten Reihe, Ava, Nummer dreizehn genau in der Mitte.«

»Dann muss ich wahrscheinlich auch dahin«, meinte Jax.

Mr Heff schüttelte den Kopf. »Du und Arnold sitzt neben Layla und Fia.«

Ava gefiel das überhaupt nicht. »Warum bin ich ganz allein?«

»Ja, wieso darf Ava nicht mit uns kommen?«, erkundigte sich Fia.

»Ach, Mädchen.« Mr Heffs Tonfall klang teils genervt, teils amüsiert. »Hier ist niemand allein. Auch wenn es im ersten Moment so scheint. Und jetzt ab auf eure Plätze.«

»Sorry, Ava«, sagte Layla. »Das ist echt nicht fair.«

Auch nicht fair war, wie viele Augen auf Layla gerichtet waren (ganze hundert im Fall von Bo-Jing, einem Nachkömmling von Argus, Heras hundertäugigem Wächter). Aber Ava verlor kein Wort darüber. Sie wollte stark sein, nicht verbittert. Die Gottheiten sollten sehen, dass sie über dem stand, was sie ihr antaten.

»Kein Ding«, sagte sie daher. »Alles gut.«

Als sie sich jedoch in die entgegengesetzte Richtung aufmachte, bemerkte sie, dass noch jemand auf die vorderste Reihe zusteuerte. Anahita ließ sich mit ärgerlich gerunzelter Stirn auf einen Platz in der Mitte plumpsen. Ava zählte.

Nein, dachte sie. Das darf nicht wahr sein. Aber das war es. Sie saß direkt neben Anahita.

Widerwillig ging Ava zu ihr. Als sie neben ihr Platz nahm, machte Anahita große Augen. Sie war offenbar auch nicht begeistert über die Sitzordnung.

»Fangen wir an«, ergriff Ms Klio das Wort. »Nach reiflicher Überlegung hat das Schulleitungskomitee beschlossen, jemandem das Amt zu überlassen, der über umfassende Erfahrungen mit Leuten unserer sehr speziellen Art verfügt. Wir haben Glück, ihn bei uns willkommen heißen zu dürfen. Darf ich vorstellen: euer neuer Schulleiter!«

Ein großer Mann mit breitem Kreuz, blendend weißen Zähnen und einem Grübchen am Kinn kam lässig hereingeschlendert. Er trug eine kurze Tunika, die über einer Schulter zusammengehalten wurde, und auf seinem Kopf thronte ein Olivenkranz. Aber genau wie bei Mr Pankovych verrieten ihn seine Füße. Winzige weiße Flügel schmiegten sich an die Seiten seiner Sandalen.

Inhalt

Cover

Katherine Marsh: Mythen der Monster – Die Rache der Götter

Wohin soll es gehen?

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Katherine Marsh

Jennifer Michalski

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