Neue Zeit - Hermann Lenz - E-Book

Neue Zeit E-Book

Hermann Lenz

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Beschreibung

Peter Handke, der den »neben draußen« schreibenden Autor Hermann Lenz in den siebziger Jahren dem Publikum bekannt machte, hielt »Neue Zeit« für »poetischen Geschichtsunterricht«. Die »Neue Zeit«, die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, ist für Hermann Lenz‘ Alter Ego Eugen Rapp eine Zeit der Ausgrenzung, des äußeren Zwangs. Der Münchner Kunstgeschichtsstudent, schon bald verlobt mit Hanne Trautwein, muss 1940 als Soldat zunächst den »Frankreichfeldzug« mitmachen, danach wird er nach Russland kommandiert. Ihn rettet allein sein stoisches Verhalten: nur das zu tun, was ihm ausdrücklich befohlen wird. »Neue Zeit«, 1975 zum ersten Mal erschienen, zählt zu den fesselnden Büchern innerhalb der Lenz'schen »Biographie des 20.Jahrhunderts«. Diese Ausgabe wird ergänzt durch bisher unbekannte Dokumente aus dem Nachlass von Hermann Lenz: Seine Verlobte und er haben sich während der zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft zahlreiche Briefe geschrieben: Eine Auswahl daraus, vorgenommen von Peter Hamm, beschließt den Band. So wird das Romangeschehen in ein neues, persönliches, authentischen Licht gerückt.

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Mit Neue Zeit, 1975 zum ersten Mal erschienen, wurde Hermann Lenz einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Die »neue Zeit«, die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, ist für Hermann Lenz' Alter ego Eugen Rapp geprägt durch Ausgrenzung, äußeren Zwang, Tod und Kampf ums Überleben. Der Münchner Kunstgeschichtsstudent, schon bald verlobt mit der aus einer jüdischen Familie stammenden Hanne Trautwein, muß 1940 als Soldat zunächst den »Frankreichfeldzug« mitmachen, danach wird er nach Rußland kommandiert. Ihn rettet allein sein stoisches Verhalten: nur das zu tun, was ihm ausdrücklich befohlen wird.

Neue Zeit zählt zu den fesselnden Büchern innerhalb der Lenzschen »Biographie des 20. Jahrhunderts«.

 Die vorliegende Ausgabe wird ergänzt durch bisher unbekannte Dokumente aus dem Nachlaß von Hermann Lenz: Seine Verlobte und er haben zwischen 1937 und 1945 einen intensiven Briefwechsel geführt. Eine Auswahl, vorgenommen von Peter Hamm, beschließt den Band. So wird das Romangeschehen durch persönliche Dokumente in ein authentisches Licht gerückt.

Hermann Lenz, geboren am 26. Februar 1913 in Stuttgart, starb am 12. Mai 1998 in München. 1946 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, lebte er bis 1975 in Stuttgart, danach, bis zu seinem Tod, in München. Sein Dasein als Schriftsteller hat er in den Romanen mit seinem Alterego Eugen Rapp erzählt: Der erste Band, Verlassene Zimmer, erschien 1966, der letzte, Freunde, 1997. Neue Zeit

Hermann

LENZ

NEUE

ZEIT

Roman

Mit einem Anhang:

Briefe von Hermann und

eBook Insel Verlag Berlin 2013

© Insel Verlag 1976, 2013

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

ERSTER TEIL

Die Stadt wiedersehen, wo das Siegestor im Nebel näherrückte, das Siegestor, dessen Erzmedaillons die Marmorflanken schwärzten, weil über sie der Regen hundert Jahre lang herabgeflossen war. Dahinter regten sich die gelben Pappeln, schon fast ausgekämmt.

Wie früher umstanden Staketenzäune die Vorgärten der Schackstraße rechter und linker Hand, und immer noch war die Schackstraße kaum belebt, weshalb er dachte: bilde dir ein, man schriebe das Jahr neunzehnhundertsieben … obwohl vor dreißig Jahren jener Sessel bei Baronesse Vellberg nicht so abgewetzt wie heut gewesen wäre, sein Sammet aber schon zu jener Zeit die Farbe von trockenen Gräsern gehabt hätte; denn er entsann sich nun, als er wieder nach München kam, des Sessels, hoffte, daß er wieder in das Zimmer jener Baronesse einziehen könne, das im Hause Nummer sechs gelegen war, wo, ebenfalls wie vor drei Jahren, eine Tafel mit der Aufschrift ›Zimmer zu vermieten‹ hinterm Gitter der Haustüre und oben im dritten Stock am Fenster steckte; die Aufschrift hatte gotische Buchstaben.

Er ging hinauf und hörte, nachdem er geläutet hatte, die schnell hackenden Schritte der Baronesse und wie die Messingklappe hinterm gläsernen Türauge klickte, bevor sie öffnete, und er bemerkte, daß auch ihre runzelige Oberlippe noch dieselbe war. Es dehnte sich der dunkle Flur mit hohen Schränken, und sie sagte: »Sie haben doch schon mal bei mir gewohnt.« – »Dann kennen Sie mich also noch?« – »Natürlich«, antwortete sie, als wundere sie sich, und führte ihn zur Glaswand mit der nachgiebigen Klinke an der gedämpft klirrenden Türe, hinter der, wie früher, ein kindlicher Engel aus Raffaels Sixtinischer Madonna auf einem Pastellbild schwärmerisch nach oben blickte und der Schreibsekretär wie ehemals am Fenster stand.

Es fehlte nur der Sessel, und er sagte: »Ich vermisse Ihren Sessel. Sie hatten damals einen mit hellgrünem Plüsch; der war so breit; der hat mir so gefallen.«

Sie sagte, daß er im anderen Zimmer stehe, und später trug er ihn hinüber, weil der Mieter des anderen Zimmers damit einverstanden war. Sein eiserner Ofen rauchte, wurde aber schon am nächsten Vormittag geputzt; weshalb ihm nichts mehr fehlte, weil sogar der Klosettdeckel, ein bequemer und aus Eschenholz, sich nicht verändert hatte; sauber und ein bißchen rauh gescheuert, erwartete er ihn in dieser alten Wohnung. Und auch im Café Stefanie war es noch derselbe, wo alle dunklen Marmortische weiß geädert waren und die Kellnerin, die große mit dem dichten Haar, in dessen Blond sich ein paar helle Fäden eingewoben hatten, noch so elegant zerstreut wie früher aussah; wobei er wieder dachte, vielleicht habe sie ihre zerstreute Eleganz bei einem Maler als Modell gelernt.

Im Speiselokal ›Ceres‹ wußte die ältere Dame immer noch, was er gern aß (einen Gemüsescheiterhaufen für fünfundvierzig Pfennig), und ihr Gesicht war ebenso pferdähnlich und ein bißchen bärtig wie vor Zeiten, freilich bloß in den Mundwinkeln, wo weiße Härchen kaum auffielen. Als er zu ihr sagte: »Ja, ich war drei Jahre weg«, wunderte sie sich, weil das nun auch schon wieder lange her war.

Verschoben aber hatte es sich trotzdem, auch wenn die Marmortischchen im Café, die Möbel der Baronesse Vellberg, die Türklinken, die Trottoirs, ja auch die Häuser dieselben geblieben waren, in der Universität immer noch zwei gefesselte Sklaven aus Gips ihre muskulösen Schultern reckten und hinter ihnen das Messingschloß so laut aufschnappte wie zuvor. Und er ging hinein und wurde angemeldet beim Professor, einem schweren Mann, der aus den Augenwinkeln guckte, ein blinzelnder Eberkopf. – »Ich weiß ja nicht, wie Sie arbeiten …« sagte der. Und nach einer Schweigepause: »In Heidelberg muß es im Seminar unerfreulich gewesen sein.« – »Jawohl.« Mehr darfst du nicht erzählen, und Schweigen fällt dir sowieso nicht schwer … Und er erinnerte sich an die Unterschrift dieses Professors, deren tz tief nach unten zuckte (du kannst dir daran die Hand blutig reißen); und der Hakenkreuzwimpel am Volkswagen des Professors war so rot wie jeder andere. Trotzdem sprach er im Kolleg öfter über seinen Lehrer Adolf Goldschmidt, einen Juden; weshalb es nicht sein konnte, daß der meinte … Und also war der Wimpel mit dem Hakenkreuz für den Professor nur … Ja, was denn eigentlich?

Du weißt es nicht und kennst dich in dem Mann nicht aus, der dich immerhin aufgenommen hat ins Seminar, und du kannst froh sein … Und wieder saß er, während er von dem Professor wegging, gedankenweise im Café Schafheutle zu Heidelberg, wo Wieland, sein Freund und ein Student wie er, lächelnd, ein Zuckerstück in seinen Kaffee hatte fallen lassen, bevor er ihm mitteilte, Eugens Professor sei entlassen worden. Und später hatte der Professor (Grauerbach war sein Name) in der Hauptstraße zu ihm gesagt: »Jetzt müssen Sie sich einen andern Doktor-Vater suchen.« Lang und hager stand er da, nickte und war am Ende gar ein bißchen froh, daß er so glimpflich weggekommen war als ein älterer Herr, der noch zwei unmündige Kinder hatte; vielleicht, daß seine Frau und ihn die beiden unmündigen Kinder schützten, denn ohne Kinder mit einer Jüdin verheiratet zu sein, dürfte sich düsterer auswirken … Und du gedenkst der beiden Kinder, eines Mädchens, eines Buben, wie sie vor dir stehen, nachdem du Grauerbachs Mantel mit dem Pelz nach außen angezogen und einen Wattebart umgehängt hattest, in seine Skistiefel geschlüpft warst, und heute noch kommt's dir so vor, als ob du den Weihnachtsmann damals allzu schwäbisch, allzu räß und mürrisch gespielt hättest … Das Mädchen, die Manon, war nah am Weinen, wäh

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