Neuer Nachbar - neue Liebe? - Gina Wilkins - E-Book

Neuer Nachbar - neue Liebe? E-Book

GINA WILKINS

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Beschreibung

EIN NACHBAR FÜR GEWISSE STUNDEN

Dieser Traum aus Chiffon … sie muss ihn haben … Wie in Trance kauft Paige ein Brautkleid. Einziges Problem: Weit und breit ist kein Ehemann in Sicht. Nicht einmal eine Affäre! Kaum hat Paige beschlossen, das zu ändern, da steigt ein Fremder zu ihr in den Lift: groß, breitschultrig und unfassbar männlich - ihr neuer Nachbar Gabe. Der erste Besuch in seinem Penthouse führt zu wilden Küssen, der zweite zu einem heißen Strip. Ganz klar: Ihre Körper sind füreinander geschaffen. Doch wieso verbirgt Gabe sein halbes Leben vor ihr - so wie sie ihm ihr kleines Geheimnis verschweigt?

DER NACHBAR, DER MICH KÜSSTE

Sechs Monate dauert die wunderbare Freundschaft zwischen Nicole und ihrem Nachbarn Joel Brannon schon! Über alles können sie reden: ihren Job als Polizistin oder wie es war, als er vor fünf Jahren seine Frau verlor. Doch dann begleitet Nicole den Mann von nebenan zu einem Klassentreffen - Dinner und Party inklusive. Als sie zusammen tanzen, ist von Freundschaft nichts mehr zu spüren. Die pure Leidenschaft übermannt sie, und sie küssen sich stürmisch! Wenn Nicole bloß wüsste, ob Joel für eine neue Liebe bereit ist, oder ob sein Herz noch für seine verstorbene Frau schlägt …

MÄRCHENHAFTE NÄCHTE IN DER TOSKANA

Wie ein Märchenprinz erscheint Sarahs neuer Nachbar genau zum richtigen Zeitpunkt. Lorenzo rettet sie vor dem Unwetter, das die toskanische Finca, in der sie Unterschlupf gesucht hat, zu zerstören droht. In seinem prunkvollen Palazzo kommt Sarah zur Ruhe - und findet in Lorenzos Armen die Hoffnung auf die wahre Liebe: Zögernd genießt sie die liebevollen Aufmerksamkeiten des vermögenden Regisseurs, bis eine bittere Erkenntnis ihr Märchen zerstört: Lorenzo flirtet nicht aus Herzenswärme mir ihr - sie hütet unwissend einen Schatz, den er unbedingt in seinen Besitz bringen will …

PHOEBES GEHEIMNIS

Wer hätte gedacht, dass der neue Nachbar zum Verlieben ist? Wyatts Küsse schmecken so süß, und bei jeder seiner Berührungen fängt Phoebes Haut fast Feuer! Doch sie darf ihrer Sehnsucht nicht nachgeben: Sie hat Pläne für die Zukunft. Und in denen ist kein Platz für Wyatt!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 800

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ally Blake, Gina Wilkins, India Grey, Kara Lennox

Neuer Nachbar - neue Liebe?

Ally Blake

Ein Nachbar für gewisse Stunden

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Ally Blake Originaltitel: „The Secret Wedding Dress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 102014 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Anke Brockmeyer

Abbildungen: Hot Damn Stock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733700591

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Paige Danforth glaubte nicht an die große Liebe.

Es war einzig und allein ein Zeichen ihrer Freundschaft zu Mae, dass sie an diesem nebligen Wintermorgen bibbernd neben ihrer besten Freundin vor einem heruntergekommenen Lagerhaus in Collingwood, Melbourne, stand – und das nur, damit Mae sich ein Brautkleid kaufen konnte.

Hochzeitskleid-Ausverkauf! Mehr als 1000 Kleider, neu und gebraucht, bis zu 90 % reduziert! stand auf dem gewaltigen pinkfarbenen Werbebanner, das schlaff an dem braunen Backsteingebäude herabhing. Die Schlange der Wartenden wand sich um den halben Block. Paige betrachtete sie und fragte sich, ob auch nur eine der Frauen erkannte, wie albern dieser Massenandrang eigentlich war. Doch alle schienen wie besessen von der Idee zu heiraten. Vermutlich war jede von ihnen davon überzeugt, dass ausgerechnet sie in ihrer Ehe glücklich werden würde – bis ans Ende ihrer Tage.

„Die Tür hat sich bewegt“, flüsterte Mae und griff so fest nach Paiges Arm, dass diese zusammenfuhr.

Paige wickelte sich ihren dicken Wollschal ein weiteres Mal um den Hals und stampfte mit den Füßen auf den Asphalt, um sich warm zu halten. „Das bildest du dir nur ein.“

„Sie hat vibriert. Als ob jemand von innen aufschließt.“ Wie ein Lauffeuer verbreitete sich Maes Beobachtung in der Warteschlange, und Paige wurde von den vorwärtsdrängenden Frauen beinahe beiseitegeschubst.

„Immer locker bleiben!“, sagte sie und löste sich aus der Umklammerung ihrer Freundin, ohne die Menschenmenge aus den Augen zu lassen. „Warte einfach ab. Du wirst das Kleid deiner Träume finden. Eins steht jedenfalls fest: Wenn du es hier und heute nicht entdeckst, unter tausend Brautkleidern, dann ist dir nicht zu helfen.“

Mae hielt inne und sah sie entsetzt an. „Mit dieser Bemerkung hast du dein Anrecht als Trauzeugin eigentlich verwirkt.“

„Sag, dass du das ernst meinst“, bat Paige hoffnungsvoll.

Mae lachte. Aber nur einen Augenblick lang. Dann begann sie, auf der Stelle zu tänzeln wie ein Preisboxer beim Aufwärmen. Ihr rotes Haar, das sie normalerweise wild und ungebändigt trug, war heute zum Pferdeschwanz gebunden, und sie schaute entschlossen drein. Diesen Blick hatte Mae seit jenem Moment perfektioniert, als ihr Freund ihr den Heiratsantrag gemacht hatte.

Mit einem Mal öffneten sich die alten Flügeltüren, und eine warme, süßliche Wolke aus Kampfer und Lavendel strömte aus dem Inneren.

Eine müde wirkende Frau in Jeans und einem T-Shirt von der Farbe des Werbebanners über ihr baute sich im Eingang auf und rief: „Kein Feilschen! Keine Rückgabe! Kein Umtausch! Keine anderen Größen verfügbar!“ Niemand nahm Notiz von ihr. Stattdessen drängten die Frauen ins Gebäude hinein, als hätte die Verkäuferin versprochen, dass Superstar Hugh Jackman die hundert ersten von ihnen mit einer Gratis-Rückenmassage verwöhnen würde. „Heiliger Strohsack“, stammelte Mae fasziniert, als sie sich in der Lagerhalle umsah.

„Ziemlich schicke Strohsäcke“, murmelte Paige, die wider Willen beeindruckt war.

Perlenkorsetts, romantisch geraffte Ärmel, tiefe Ausschnitte. Designerkleider. Konfektionsware. Second-Hand-Kleider. Ausschussware. Alles radikal reduziert. Und jedes Kleid war heute zu haben. Nur heute.

„Vorwärts!“, schrie Mae und lief schnurstracks auf den ersten Kleiderständer zu.

Paige drückte sich in eine Ecke nahe dem Ausgang. Sie winkte mit ihrem Mobiltelefon. „Ich bin gleich hier drüben, falls du mich brauchst!“

Mae streckte kurz die Hand zum Gruß hoch, dann war sie verschwunden.

Und nun erlebte Paige eine unverhoffte Lehrstunde in weiblicher Psychologie. Neben ihr schrie eine elegante Enddreißigerin wie ein Teenager auf, als sie das Kleid ihrer Träume fand. Eine Dame im Kostüm mit akkurat aufgestecktem Haarknoten und Brille erlitt einen Tobsuchtsanfall und stampfte wie ein trotziges Kind mit den Füßen auf, als ihr klar wurde, dass ein Modell nicht in ihre Größe erhältlich war.

Alles nur wegen eines Kleides, das sie nur einmal im Leben tragen würden, dachte Paige fassungslos. Und das zu einer Zeremonie, die ihnen ein unhaltbares Versprechen abverlangte. Was für ein Wahnsinn. Paige war zwar nie verheiratet gewesen, doch nach ihrer Lebenserfahrung war ein Hochzeitstag vor allem der Auftakt zu Streit und Zank, unheilvoller Umklammerung und bitterer Enttäuschung. Und am Ende blieb nichts als Reue und das Gefühl, Jahre seines Lebens verschenkt zu haben. Da war es doch besser, sich selbst zu lieben und zu ehren, fand Paige. All das Leid, nur um sich einmal im Leben wie eine Prinzessin kleiden zu dürfen – das war das Ganze einfach nicht wert.

Die Wogen von Haarspray und Parfüm mischten sich so unerträglich mit dem Kampfer- und Lavendelgeruch, dass Paige es vermied, durch die Nase zu atmen. Sie hielt ihr Handy fest in der Hand und betete, Mae möge anrufen.

Mae. Ihre beste Freundin. Ihre Verbündete. Schon seit Ewigkeiten waren sie füreinander da. Seit ihre Eltern sich zur gleichen Zeit hatten scheiden lassen, hatte sie beide die Überzeugung verbunden, dass die große Liebe nichts als eine gemeine Lüge war, in die Welt gesetzt von Juwelieren und Blumenhändlern.

Doch Mae hatte das alles in dem Augenblick vergessen, als sie Clint getroffen hatte. Paige musste schlucken. Sie wünschte Mae alles Glück der Welt. Wirklich. Und gleichzeitig krampfte sich ihr Magen zusammen, wenn sie daran dachte, dass ihre Freundin nun tatsächlich heiraten wollte.

Sie versuchte, sich abzulenken. Als Verkaufsleiterin eines Anbieters für Luxus-Einrichtungsstoffe, der sich Ménage à Moi nannte, war sie immer auf der Suche nach neuen Kulissen, um ihre Produkte für den Katalog fotogen in Szene zu setzen. Und obwohl dieses Lagerhaus hier recht schäbig war, fand Paige das bröckelnde Mauerwerk auch irgendwie romantisch.

Nicht für den nächsten Katalog. Dessen Motive sollten in Brasilien fotografiert werden, wenn alles gut ging. So viel Geld hatte man bei Ménage à Moi noch nie für ein Fotoshooting ausgegeben, doch Paige wusste einfach, dass es das wert sein würde. Sie hatte ein Konzept ausgearbeitet, das ihren Boss überzeugen musste. Und dann würde sie mitfliegen nach Brasilien. Sie konnte die Abwechslung wirklich gebrauchen …

Unwillig schüttelte sie den Kopf. Nicht sie, Paige, brauchte die Ablenkung, sondern die Marke. Ihr selbst ging es ja gut. Alles glänzend. Wenn sie nur bald aus diesem Lagerhaus herauskam.

Sie atmete durch den Mund ein, kniff ein Auge zu und stellte sich die gewaltigen nackten Fenster mit wehenden tiefblauen Chiffon-Vorhängen vor. Das dumpfe Mauerwerk würde wunderbar im Kontrast zu dem brasilianisch inspirierten Dekor der neuen Saison mit seinen leuchtenden Farben stehen.

Staubkörner tanzten im Sonnenlicht der Halle, und Paiges Blick folgte ihnen zu einem Ständer voller Kleider, die allesamt so ausladend waren, dass keines von ihnen durch den Mittelgang einer Kirche passen würde.

Sie wollte gerade wegschauen, da sah sie zwischen Rüschen und Volants etwas schimmern. Champagnerfarbene Seide. Glänzende Perlen. Hauchfeine Spitze. Eine zarte, transparente Schleppe. Das musste ein Traum von einem Kleid sein.

Paige wollte eben darauf zugehen, da verschwand das Objekt ihrer Begierde hinter dem schwarzen Mantel einer Kundin, die fieberhaft ein Kleid nach dem anderen in Augenschein nahm.

Paige hielt die Luft an. Und ihr Herz schien für einen Moment auszusetzen. Ihr wurde fast schwindlig, und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Die andere Frau ging einen Schritt weiter und gab den Blick auf das Kleid wieder frei. Paige atmete tief durch. Und ohne nachzudenken, ging sie zu dem Ständer und zog es hervor. Ihre Hände glitten über den Stoff. Der Schnitt war wie für sie geschaffen: ein tiefer V-Ausschnitt, mit Perlen besetzte Spitze am schmal geschnittenen Oberteil, ein weit schwingender Rock, der wogte, als ob er ein Eigenleben besäße. Paiges Herz klopfte schneller.

„Wow“, vernahm sie eine Stimme hinter sich. „Das ist aber süß.“

Süß? Das war alles, was die fremde Frau zu diesem perfekten Werk zu sagen hatte? Paiges Hände zitterten. Und dann sagte sie einen Satz, den sie nie im Leben von sich erwartet hätte. „Dieses Hochzeitskleid gehört mir.“

„Paige!“

Paige blickte auf. Sie saß auf einem Stuhl in der Nähe des Eingangs und sah Mae auf sich zukommen.

„Ich versuche schon seit zwanzig Minuten, dich anzurufen!“

Paige holte ihr Handy aus der Tasche. Sie hatte kein Läuten gehört. Doch es stimmte. Stunden waren vergangen.

Aufgeregt deutete Mae auf den schweren blütenweißen Kleidersack über ihrem Arm. „Ein voller Erfolg! Ich wollte es dir zeigen, aber ich konnte dich nicht finden. Und dann war da diese dünne Brünette, die ebenfalls hinter diesem Kleid her war wie eine hungrige Hyäne. Also habe ich es gleich auf der Verkaufsfläche anprobiert, weil keine Kabine frei war. Es ist so unglaublich scharf.“

Mae hielt inne, als sie die Tasche mit dem pinkfarbenen Emblem des Geschäftes sah, die auf Paiges Beinen ruhte. „Hast du ein Brautjungfernkleid gefunden?“

Paige schluckte und schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und zeigte nur mit zitternden Fingern in Richtung der Hochzeitskleider.

„Oh. Du nimmst ein Kleid mit für ein Shooting? Habt ihr eine Hochzeitsausgabe geplant?“

Da war sie. Die perfekte Ausrede. Dieses unerschwingliche Kleid war für die Arbeit. Also war es sogar von der Steuer absetzbar und würde ihre Hypothekenrate gar nicht so sehr belasten. Doch Paige fehlten noch immer die Worte.

Mae sah sie überrascht an. Dann lachte sie laut auf. „Und ich dachte, ich sei die Einzige, die Frustkäufe macht, wenn es eine Weile keinen Mann in ihrem Leben gibt.“

Endlich fand Paige ihre Stimme wieder. „Was soll denn das heißen?“

Mae stützte die freie Hand in ihre Hüfte. „Na, sag mir schnell, ohne nachzudenken, wann du das letzte Mal mit jemandem ausgegangen bist.“

Paige öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Es war viele Wochen her. Vielleicht sogar Monate. Aber darüber wollte sie sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Es gab sicher einen besseren Grund dafür, warum sie dieses Kleid gekauft hatte.

„Du musst dir endlich mal wieder einen Mann angeln.“ Mae hakte sich bei Paige unter und zog sie hoch. „Aber jetzt nichts wie raus hier! Bevor ich hier bei all dem Gestank nach Bräunungsspray und Verzweiflung noch ohnmächtig werde.“

Paige stand im Aufzug des Botany-Apartmenthauses im Hafenviertel von New Quay und starrte auf die schwarz-weißen Fliesen der Lobby, auf die üppige schwarze Tapete mit Paisleymuster, die Türrahmen, die im Sonnenlicht silbrig schimmerten. Sechs riesige Kronleuchter verliehen der Eingangshalle einen edlen Glanz. Jetzt musste die Fahrstuhltür nur noch zugehen.

Hatte Mae recht? Hatte Paige dieses Kleid gekauft, weil sich schon lange rein gar nichts getan hatte in ihrem Liebesleben? Ein Frustkauf? Vielleicht. Denn obwohl sie nicht vorhatte, es Mae mit dem Heiraten jemals gleichzutun: Paige mochte Männer. Sie mochte ihren Duft, ihre Art zu denken und das prickelnde Gefühl des Begehrens. Sie mochte Männer, die das Format hatten, einen Anzug zu tragen. Männer, die hart arbeiteten, so wie sie selbst, die im Restaurant gern die Rechnung übernahmen und die sich nichts als gute, unterhaltsame Gesellschaft wünschten. Jene Art Männer, für die Melbournes Barszene bekannt war.

Wo waren all diese Männer bloß?

War es ihr Fehler? Hatte ihr die Arbeit in letzter Zeit die Energie geraubt? Oder hatte sie einfach genug davon, immer den gleichen Typ Mann kennenzulernen? Vielleicht genügten ihr ja mittlerweile schon die Wiederholungen der Gilmore Girls im Fernsehen.

Seufzend hängte sie sich den schweren Kleidersack über den Arm, ballte und streckte die verkrampfte Hand, die den Beutel bisher gehalten hatte, und wartete darauf, dass sich die Fahrstuhltür endlich schloss. Bei diesem Lift konnte das ein bisschen länger dauern.

Der Aufzug hatte seinen ganz eigenen Charakter – und der war zutiefst abscheulich. Er fuhr zwar rauf oder runter, doch er richtete sich nie danach, welche Etagentaste man gerade gedrückt hatte. Es hatte nichts genützt, Sam, den Hausmeister, darauf anzusetzen. Und es hatte auch nicht geholfen, hin und wieder kräftig gegen die Fahrstuhltür zu treten. Vielleicht sollte sie statt des Aufzugs einfach mal Sam treten.

Doch gerade jetzt konnte sie nichts tun als warten. Und sich mit dem Gedanken trösten, dass ein widerspenstiger Lift angesichts ihres traumhaften Apartments im achten Stock doch ein geringes Übel war.

Sie war in einem riesigen, überfüllten Haus mit Rüschengardinen aufgewachsen, in dem es nach Reinigungsmittel und Trockenblumen roch. Als sie die schicken, großzügig geschnittenen Botany-Apartments zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie das Gefühl, als könne sie endlich frei atmen.

Sie schloss die Augen und dachte an ihre schlichte Einrichtung im Stil der Zwanzigerjahre, an die Aussicht auf die Stadt, die beiden großen Zimmer. Eines war ihr Schlafzimmer, das andere ihr Büro und hin und wieder Maes Gästezimmer, wenn diese zu viel getrunken hatte. Doch das war lange schon nicht mehr vorgekommen. Genau gesagt, seit Clint ihr den Heiratsantrag gemacht hatte.

Paige schüttelte den Kopf, als müsse sie eine lästige Fliege loswerden. Der Fahrstuhl war jedenfalls nebensächlich, wenn man das große Ganze betrachtete. Außer gerade in diesem Moment, in dem sie schwer bepackt in ihre Wohnung wollte.

Während sie ihre schmerzende Schulter rieb, dachte Paige nach. Wenn Männermangel wirklich der Grund dafür war, dass sie sich ein Brautkleid gekauft hatte, dann musste sie etwas unternehmen. Und zwar schnell. Wer wusste, was sie sonst als Nächstes tun würde? Einen Ring kaufen? Einen Ballsaal mieten? Sich selbst einen Antrag mit einem Flugzeug in die Luft malen lassen?

Während sich ihr Rücken unter dem Gewicht der Tasche zu krümmen begann, flüsterte Paige: „Ich schwöre, mich dem nächsten Mann, der mich anlächelt, hinzugeben. Er kann mich vorher zum Abendessen einladen. Oder ich kann ihm einen Kaffee kaufen. Oder wir teilen uns ein Wasser aus dem Automaten. Mir egal. Aber ich brauche einen Mann, und zwar schnell.“

Eine Unendlichkeit später schlossen sich endlich die Fahrstuhltüren. Vor Erleichterung hätte sie beinahe geheult. Bis sich in letzter Sekunde eine Hand in den winzigen Spalt schob.

„Bitte warten Sie“, tönte eine tiefe männliche Stimme von draußen.

Ne-i-i-n! dachte Paige. Wenn sich die Türen erst wieder öffneten, ginge die Warterei von vorne los, und sie musste diesen Kleidersack noch länger schleppen.

„Nein?“, fragte die Stimme fast ungläubig, und Paige wurde blass, als ihr klar wurde, dass sie laut gedacht haben musste. So etwas kam wohl vor, wenn man seit Jahren allein lebte und es gewohnt war, Selbstgespräche zu führen.

Sie hatte nur den Hauch eines schlechten Gewissens, als sie auf den „Tür zu“-Knopf einschlug. Mehrfach.

Doch wem auch immer die kräftigen braunen Männerfinger gehörten, er hatte offenbar andere Pläne. Mit brachialer Gewalt wurden die Türen auseinandergedrückt. Und dann sah Paige die Silhouette des Fremden. Sein großer, breiter Körper versperrte ihr komplett den Blick ins Foyer. Er sah sie nicht an, sondern starrte mit gesenktem Kopf und gerunzelter Stirn auf das schicke Smartphone in seiner freien Hand.

Er hatte etwas an sich, das Paige instinktiv zurückweichen ließ. Dunkle Locken fielen über den Kragen einer schokoladenbraunen Lederjacke. Unter den Jeans zeichneten sich muskulöse Beine ab. Seine Stiefel waren abgewetzt und riesig. Er sah aus wie ein Pirat. Wie ein wunderschöner, gefährlicher Pirat.

Die Ruhe, die sie gerade noch verspürt hatte, war wie weggefegt. Ihre Wangen wurden rot, und ein heißer Wirbel begann sich in ihr zu drehen. Hui. Hatte sie sich nicht gerade noch daran erinnert, wie es war zu begehren? Dieser Kerl hier füllte ihre Erinnerung in Sekundenschnelle mit Leben.

Und eine heisere Stimme in ihr flehte stumm: Bitte. Lächle mich an.

Sie musste laut husten vor Verwirrung. Einen solchen Typen hatte sie nicht im Sinn gehabt, als sie sich einen Mann gewünscht hatte. Sie suchte jemanden, mit dem sie umgehen konnte, mit dem sie sich wohlfühlte. Dieser Mann dagegen hatte Schultern, die ihr den Atem raubten, Haar, so dicht, dass kein Kamm es bändigen konnte, Hände, die Aufzugtüren bezwangen. Sie betrachtete sein Gesicht mit den dunklen Augen unter schweren Lidern und einem Dreitagebart. Wow. Das war nicht komfortabel. Das war einfach zu viel.

Die perfekt geschwungenen Lippen des Fremden verzogen sich zu einem Schmunzeln, als sie ihn anstarrte. Sie zuckte zusammen.

Oh, Gott, dachte Paige. Er hat mich erwischt. Ihre Wangen brannten vor Scham.

„Danke fürs Warten.“ Die Stimme des Fremden klang so verführerisch, dass sie nur dem Teufel gehören konnte.

„Gerne doch“, antwortete Paige und blickte kurz zu ihm hoch. Gerade lange genug, um sein spöttisches Stirnrunzeln zu bemerken. Offensichtlich war ihm völlig klar, dass sie versucht hatte, den Aufzug vor seiner Nase losfahren zu lassen.

Paige schwieg betreten und machte sich so klein wie möglich. Je eher er ausstieg, desto besser.

Der Lift war eng. Dieser Mann schien den ganzen Raum einzunehmen. Jedes Mal, wenn er einatmete und sein Brustkorb sich weitete, bekam Paige eine Gänsehaut.

„Welche Etage?“, fragte er.

„Acht“, antwortete sie mit heiserer Stimme und wies auf den leuchtenden Knopf.

Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. Um seine Mundwinkel zuckte es.

Paige hielt den Atem an. Nein, er lächelte nicht. Nicht richtig.

„Langer Flug“, sagte er, und seine dunkle Stimme hallte durch den Lift und vibrierte in ihren Beinen. Er hob eine seiner Schultern, um seine Laptoptasche zurechtzurücken. „Ich bin noch gar nicht ganz wieder da.“

Paige wollte sich lieber nicht vorstellen, wie er wirkte, wenn er vollkommen präsent war.

Als er sich vorbeugte, um den Knopf zu drücken, der die Türen schloss, durchfuhr Paige ein Schauer. Er verströmte einen würzigen Duft von Leder, frisch geschlagenem Holz und salziger Meeresluft. Unfassbar männlich.

Draußen war es tiefster Winter, doch Paige brach der Schweiß aus. Unruhig löste sie ihren Schal und versuchte, an Eis zu denken und an Schneeballschlachten. Doch etwas in ihr ließ sie spüren, dass jeglicher Widerstand zwecklos war.

Er knurrte, als der Aufzug sich nicht rührte. Endlich fand Paige wieder Worte. „Oh, nein, nein“, sagte sie. „Den Knopfdruck können Sie sich sparen. Der Lift hier hat seinen eigenen Willen. Er fährt grundsätzlich in die Richtung, die ihm gefällt, ohne Rücksicht auf …“

Mit dem schlechten Timing, das diesen Fahrstuhl auszeichnete, schlossen sich die Türen, und nach einem kurzen Ruck setzte sich der Aufzug in Bewegung. Paige blickte ungläubig auf die Anzeige über der Tür. Es ging tatsächlich nach oben.

„Was haben Sie gesagt?“, fragte der Fremde.

Paige sah ihn an und erkannte, dass er sich erneut auf ihre Kosten lustig machte. Beinahe lächelte er.

Gut, also ihr Versprechen vorhin … Das war wirklich nicht wörtlich zu nehmen. Wenn nun ein pickeliger 16-Jähriger auf einem Skateboard sie angelächelt hätte? Oder der bärtige Obdachlose mit der Ratte auf der Schulter, der den Möwen immer hinterherbrüllte? Offensichtlich musste sie ihr Gelöbnis noch genauer abfassen.

Sie zuckte mit den Schultern. „Der Fahrstuhl hat es auf mich abgesehen. Aber auf Sie scheint er zu hören. Haben Sie Interesse, Aufzugführer zu werden? Ich würde Sie aus eigener Tasche bezahlen.“

Der Fremde sah sie mit einem Mal freundlich an. Freundlich und mit Wärme, so kam es ihr vor. Und er lächelte.

„Danke für das Angebot, aber ich muss ablehnen“, sagte er.

Hatte er sich ihr genähert? Oder nur sein Gewicht verlagert? Der Fahrstuhl erschien Paige plötzlich noch winziger. Ihre Nackenhaare stellten sich auf.

„Na dann. Den Versuch war’s wert.“

Sein Lächeln wurde weicher, und Paige wandte sich der Aufzugsanzeige zu. Im Schneckentempo bewegten sie sich nach oben.

„Wohnen Sie hier?“, fragte der Fremde.

Paige nickte und biss sich auf die Lippen, damit diese nicht anfingen zu zittern. Seine samtene Stimme hallte in ihr nach.

„Dann verstehe ich Ihre Beziehung zu dem Lift.“

Sie konnte nicht anders, sie musste ihn wieder ansehen. Und erwartete dabei in seinem Blick unwillkürlich das gleiche leise Misstrauen zu lesen, mit dem Sam, der Hausmeister, sie immer ansah, wenn sie sich über etwas beschwerte. Doch der Mann ließ seinen Blick über ihr Haar, ihren Nacken wandern, pausierte kurz an ihrem Mund, bevor er ihr wieder direkt in die Augen sah.

Sie holte tief Luft und atmete wieder den würzigen Duft ein, der von ihm ausging. Vielleicht bildete sie sich diesen Geruch ja gar nicht ein. Vielleicht war er ja wirklich ein Pilot/Holzfäller/Seemann. Es war zumindest nicht ganz ausgeschlossen.

„Am Anfang war es nichts Ernstes“, sagte sie. „Er verpasste nur hin und wieder ein Stockwerk. Doch jetzt passiert das unentwegt. Ich drücke den Knopf und weiß, es macht keinen Unterschied. Aber ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben, dass er sich eines Tages wieder wie ein normaler Lift benimmt.“

„Wie spannend“, sagte er mit einem Glitzern in den Augen. „Ein Konflikt zwischen zwei starken Willen. Wie in einem Film mit Doris Day und Rock Hudson.“ Er blickte auf die computergesteuerte Anzeigetafel. „Mit einem Schuss Science Fiction.“

Paige lachte laut auf und wunderte sich über sich selbst. Sie stand völlig neben sich. Sie konnte den Blick nicht von ihm lassen. Er hatte dunkle Augen, in denen man sich rettungslos verlieren konnte. Hätte der Aufzug plötzlich die Filmmusik von Bettgeflüster gesummt – dem Film, auf den er zweifellos anspielte –, sie hätte es nicht bemerkt.

Solch eine Reaktion konnte sie sich nur durch die Flaute in ihrem Liebesleben erklären. Er war so gar nicht ihr Typ. Sie stand sonst eher auf Männer, die klar und einfach waren. Berechenbar für sie. Männer, mit denen sie zu ihren Bedingungen ausging: drei Nächte die Woche, getrennte Rechnungen, keine idealistischen Versprechungen. Ganz wie sie wollte.

Dieser Fremde war eine miserable Besetzung für eine solch kontrollierte Affäre. Er schien ihr undurchschaubar, mysteriös und – heiß. Schon jetzt konnte sie kaum klar denken. Sie hätte am liebsten augenblicklich ihr Gesicht in seinem Nacken vergraben, um seinen Duft einzuatmen.

Dieser Mann war ein einziges Risiko, das immerhin war ihr klar. Andererseits … Wenn sie wieder ausgehen wollte, musste sie irgendwo anfangen. Und da stand er, schön, sexy und augenscheinlich auch an ihr interessiert.

Sie reichte ihm die Hand. „Paige Danforth. Achter Stock.“

„Gabe Hamilton. Im zwölften.“

Sie hatte nicht darauf geachtet, welchen Knopf er gedrückt hatte. Das Penthouse war unbewohnt, seit sie in das Haus eingezogen war. Was bedeutete … „Sie sind kein Besucher.“

„Kein Besucher.“ Zwei Worte, die sie mehr in Aufregung versetzten, als ihr lieb war. Er schlief vier Stockwerke über ihr!

„Haben Sie das Penthouse gemietet?“, fragte sie.

„Nein, es gehört mir“, antwortete er lächelnd.

Paige nickte wie beiläufig, doch zwischen den Zeilen sprachen sie schon längst nicht mehr über Besitzverhältnisse. „Ich hab gar nicht mitbekommen, dass es verkauft worden ist.“

„Ist es nicht. Ich war auf Reisen. Und nun bin ich wieder hier.“ Er sah sie beinahe erwartungsfroh an, und ihr wurde immer heißer.

Paige war kurz davor, etwas Unüberlegtes zu tun. Doch da klingelte der Lift, und die Türen öffneten sich.

„Verstehe“, murmelte sie und erkannte ihr Stockwerk an der gepunkteten silbernen Tapete von Ménage à Moi. Zeit auszusteigen.

Als sie sich an Gabe vorbeidrückte, streiften ihre Fingerspitzen eine seiner Hände. Ganz leicht und nur für einen Augenblick. Während sie den Lift verließ, konnte sie sich nicht beherrschen, sich noch einmal umzudrehen. Sie war kurz davor, ihn auf einen Kaffee in ihre Wohnung einzuladen. Oder ihm Melbourne zu zeigen. Oder sich andere Ausreden auszudenken, die ihn in ihr Bett brachten.

Dann gähnte er.

Und auf einmal kam ihr in den Sinn, dass das Glitzern in seinen Augen wahrscheinlich nur die Auswirkungen des Jetlags waren und kein Zeichen dafür, dass sie ihn brennend interessierte. So wie er sie.

Sie errötete wieder.

Bitte, flehte sie den Aufzug innerlich an, während sie Gabe gegenüberstand. Geh schon zu. Nur dieses eine Mal. Geh zu.

Und der Lift erhörte sie. Die beiden großen silbernen Türen schlossen sich langsam, und Gabe verschwand dahinter. Bis er mit der Hand eine der Türen aufhielt.

„Bis bald, Paige Danforth vom achten Stock“, sagte er, bevor er die Hand wieder zurückzog.

Und ehe sich die Türen endgültig schlossen, lächelte er sie an. Ein dunkles, gefährliches Lächeln, das viel versprach. Ein Lächeln, das die Hormone in ihrem Innern tanzen ließ.

Und dann war er fort.

Paige stand im Flur und atmete tief durch.

Das leichte Summen des Lifts brachte sie zurück in die Wirklichkeit, und sie sah ihr Spiegelbild in den schimmernden Aufzugtüren. Und das Bild des riesigen weißen Kleidersacks, der über ihrem rechten Arm hing. Sie hatte ihn vollkommen vergessen – obwohl sich ihre Hand anfühlte, als sei sie abgestorben.

In Spiegelschrift starrte sie die pinkfarbene Aufschrift „Hochzeitskleid-Schlussverkauf!“ an.

2. KAPITEL

„Verdammt“, zischte Gabe die dunkle Holzvertäfelung des Aufzugs an, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Dann fuhr er sich übers Handgelenk, das nach der flüchtigen Berührung seiner neuen Nachbarin noch immer kribbelte.

Endlos hatte er vorhin am Zoll gewartet, auf der Fahrt vom Flughafen das graue, nasse Melbourne betrachtet und die Bäume, die sich im Winterwind bogen, der von der Port Phillip-Bucht aufs Land wehte. Vor dem Hauseingang hatte er sich frierend gedulden müssen, bis der Taxifahrer endlich seine Kreditkarte eingelesen hatte. Und während all dieser Zeit seit der Landung hatte Gabe vergeblich versucht, etwas zu entdecken, das ihn auch nur eine Minute länger in Melbourne halten würde.

Und dann tauchte plötzlich diese Nachbarin auf, mit Augen, so blau wie ein klarer Winterhimmel, unendlich langen Beinen und so elegant zerzausten blonden Haaren, dass sie selbst Hitchcock wieder zum Leben erwecken könnten. Sie wirkte sogar genauso widerspenstig wie Hitchcocks Blondinen. Er würde sich in Acht nehmen müssen.

Unsinn. Träumerei. Gleich nachdem er den Vertrag unterschrieben hätte, den sein Geschäftspartner Nate ihm in Melbourne vorlegen wollte, würde er schon wieder in einem Taxi zum Flughafen sitzen. Daran konnte die zufällige Begegnung mit einer schönen Frau nichts ändern.

Gabe schüttelte sich leicht, vergrub die Hände tief in den Jackentaschen, schloss die Augen und lehnte sich gegen die Liftwand. Er versuchte, die Erinnerungen daran zu verdrängen, was damals geschehen war, als er aus Melbourne weggegangen war. Und nur um sich abzulenken, dachte er wieder an die coole Blondine.

Wie sie an ihrer vollen Unterlippe geknabbert hatte – als ob sie so gut schmeckte, dass sie sich selbst nicht widerstehen konnte. Und ihr Duft hatte den Aufzug erfüllt, so süß, intensiv und köstlich, dass ihm vor Verlangen ganz anders geworden war. Einen Moment lang hatte ihr Blick gewirkt, als sei Gabe ihr lästig, ihm nächsten, als wolle sie ihn auf der Stelle vernaschen.

„Wow“, entfuhr es ihm. Erstaunt riss er die Augen auf. Ganz plötzlich hockte er breitbeinig da und musste sich an der hüfthohen Reling des Lifts festhalten. Der Aufzug hatte geruckt. Oder etwa nicht? Nun fühlte sich wieder alles ganz ruhig an.

Jetlag, dachte er. Oder Vertigo. Er grinste. Anscheinend bekam er Hitchcock nicht mehr aus dem Kopf. Der Mann war kein Dummkopf gewesen und hatte offensichtlich große Angst vor Blondinen gehabt. Nicht grundlos, fand Gabe. Wenn eine Frau nach Ärger aussah, dann gab es ihn meistens auch. Und Gabe war geradeheraus und ehrlich. Mit schwierigen Frauen konnte er nichts anfangen.

Er stand wieder auf und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Er brauchte Schlaf, das war klar. Vergangene Woche hatte er sein maßgefertigtes Doppelbett aus Südamerika hierher verschiffen lassen. Das Geschäft dort war abgeschlossen, er wusste nicht, ob und wann er zurückkehren würde. Jetzt aber freute er sich auf zwölf Stunden Schlaf in seinem eigenen Bett.

Zuhause bedeutete für viele ein eigenes Heim. Manche dachten an ihre Familie. Für Gabe war sein Zuhause dort, wo seine Arbeit war. Und wann immer er Wind von einer außergewöhnlichen Geschäftsidee bekam und hörte, dass jemand gesucht wurde, der mutig investierte, ging er dorthin – und schickte sein Bett vor. Mitsamt dem Kissen, das so flach und abgenutzt war, dass er es eigentlich kaum mehr spürte, und der Matratze, die eingelegen und ausgesprochen bequem war.

Sekunden bevor er im Stehen eingeschlafen wäre, öffnete sich die Aufzugstür in seiner Etage. Gähnend suchte Gabe nach den Schlüsseln zu dem Penthouse, das er noch nie betreten hatte. Eigentlich hatte er es nur gekauft, damit Nate ihm nicht mehr in den Ohren lag, er müsse am Hauptsitz ihrer Firma eine Wohnung haben.

Er stand in der offenen Tür. Verglichen mit den einfachen Hotelzimmern der vergangenen Monate war dieses Apartment gigantisch. Es nahm das komplette obere Stockwerk des Gebäudes ein. Und doch wirkte es düster und wenig einladend mit seinen dunklen Farben und der bodentiefen Fensterfront, die einen Blick in das trübe Nass draußen bot.

„Nein, Gabe“, sagte er vor dem Fenster zu seinem Spiegelbild. „Du bist definitiv nicht mehr in Rio.“

Er ließ die Taschen von der Schulter gleiten und legte sie auf dem einzigen Möbelstück im Wohnzimmer ab, einer L-förmigen schwarzen Couch in der Mitte des Raums. Und dann erklang es laut: „Hehehe!“

Jetlag und Schwindel waren wie weggeblasen. Gabe drehte sich blitzschnell um, das Herz pochend, die Hände zu Fäusten geballt – und sah einen Mann auf seiner Couch liegen.

„Nate“, stieß Gabe hervor und stützte sich auf die Knie, um wieder zu Atem zu kommen. „Du hast mich zu Tode erschreckt.“

Sein bester Freund und Geschäftspartner setzte sich auf, die Haare vom Schlaf zerzaust. „Ich wollte sichergehen, dass du gut angekommen bist.“

„Wohl eher, dass ich überhaupt gekommen bin.“ Gabe streckte sich wieder. „Bitte sag, dass du meinen Kühlschrank mit Essen gefüllt hast.“

„Sorry. Aber es gibt Donuts. Dort auf der Anrichte.“

Gabe warf auf dem Weg zur Küchenzeile einen Blick auf die vertraute Donut-Packung und öffnete mit vager Hoffnung den gewaltigen Kühlschrank. Nichts, nur die Gebrauchsanleitung. Das Gerät war anscheinend noch nicht einmal angeschlossen. Es lief ihm kalt den Rücken herunter. Wenn selbst das nicht fertig war … Ihn beschlich eine böse Vorahnung.

Mit großen Schritten ging er auf die gewaltigen Flügeltüren zu, die zum Schlafzimmer führten, und riss sie auf.

Kein Bett.

Er fluchte leise und rieb sich wütend den Nacken.

Nate klopfte ihm lachend auf die Schulter. „Deine Couch sieht toll aus, ist aber überhaupt nicht gemütlich.“

„Das scheint dir aber nichts ausgemacht zu haben“, knurrte Gabe.

„Ein Nickerchen kann ich überall machen. Ein Vorteil, den chronische Schlaflosigkeit mit sich bringt.“

Gabe zog die Schlafzimmertüren entschlossen zu, um nicht länger in den leeren Raum blicken zu müssen.

„Hotel?“

„Bei dem Gedanken an die Kälte da draußen wird mir ganz anders.“

Nate grinste. „Gut, ich habe gesehen, dass du wirklich hier bist, also kann ich nach Hause gehen. Bis Montag im Büro. Du weißt doch noch, wo es ist?“

Gabe starrte ihn einfach nur an.

Nate schnippte mit den Fingern, als er an der Tür angelangt war. „Hätte ich fast vergessen. Freitagabend feierst du Hauseinweihung.“

Gabe schüttelte den Kopf. Freitag würde er schon längst weg sein. Oder?

„Zu spät für eine Absage“, meinte Nate. „Schon organisiert. Alex und die alte Clique von der Uni kommen. Einige Kunden. Ein paar schicke Frauen, die ich gerade beim Spaziergang auf der Promenade kennengelernt habe …“

„Nate …“

„Hey, ich bin so froh, dass du hier bist. Fast hätte ich Flugblätter verteilt.“

Und damit ging er und ließ Gabe in seiner dunklen, kalten, leeren Wohnung zurück. Allein. Der Nebel der Port-Phillip-Bucht zog unaufhaltsam heran wie all die schlechten Erinnerungen. Es war nicht ausgeschlossen, dass er eine ganze Woche bleiben musste in dieser Stadt …

Fröstelnd schnappte Gabe sich die Fernbedienung der Klimaanlage und regelte die Temperatur hoch.

In einem Wandschrank fand er Bettwäsche. Gedankenverloren stand er wenig später im Türrahmen seines Schlafzimmers und betrachtete mit düsterem Blick den leeren Raum. Er zog sich aus, stapelte ein paar Decken übereinander, schnappte sich ein für sein Empfinden viel zu wuchtiges Kopfkissen und legte sich auf den Fußboden. Im nächsten Moment war er auch schon eingeschlafen.

Und er träumte.

Von einer kühlen, weiblichen Hand, die ihm den Nacken streichelte, während er ein tolles rotes Cabrio auf einer steilen Küstenstraße irgendwo im Süden Frankreichs steuerte. Als sie an einem Aussichtspunkt hielten, glitt die blonde Besitzerin dieser Hand auf seinen Schoß. Er spürte ihren süßen, sinnlichen Duft und nur Sekunden später ihre Zunge an seiner … Gabe lächelte im Traum und wusste, dass da selbst Hitchcock neidisch geworden wäre.

Am gleichen Abend, in der Brasserie an der Promenade von New Quay, erstickte Maes Verlobter Clint beinahe an seinem Essen, als Mae ihm von Paiges Einkauf berichtete. Ein Kellner musste Erste Hilfe leisten. In dem gut besuchten Restaurant wurde Clints Rettung lebhaft verfolgt und schließlich mit einem wohlwollenden Applaus bedacht. Paige versteckte ihr Gesicht hinter beiden Händen. Am liebsten hätte sie sich unter den Tisch verkrochen.

„Also, gestern Abend haben wir dich noch betrunken ins Taxi gesetzt. Was ist seitdem aus deiner ‚Ich heirate nie im Leben‘-Philosophie geworden? Hat der Taxifahrer dich verzaubert?“, wollte Clint wissen, als er sich wieder erholt hatte.

Paige sah ihn nur wortlos an. Clint hob kapitulierend die Hände und wandte sich wieder seinem Handy zu.

Sie hatte keine Lust, ihm zu sagen, dass sich an ihrer Einstellung zum Heiraten absolut nichts geändert hatte. Doch sie verschwieg ebenso, dass sie tatsächlich verzaubert worden war. Nicht im Taxi, sondern im Aufzug. Von einem großen, dunklen und höchst attraktiven Mann, der ihre Fantasie ziemlich auf Touren gebracht hatte.

Sie legte sich ihre Hände auf den Bauch, wo sie die Vibration von Gabes Stimme noch immer zu spüren glaubte.

Und wieder musste sie an die leuchtend weiße Tasche mit der pinkfarbenen Aufschrift denken, die nun außen an ihrem Kleiderschrank hing.

Gabe Hamilton schien nicht gerade wählerisch zu sein, wenn er mit einer Frau flirtete, die ihr Hochzeitskleid über dem Arm trug. In Paiges Augen war das ein kaum verzeihlicher Charakterfehler. Treue war für sie das A und O. Übrigens nicht nur in Liebesdingen. Seit der Grundschule hatte sie die gleiche beste Freundin. Seit dem Uniabschluss arbeitete sie für die gleiche Firma. Und ohne mit der Wimper zu zucken, fuhr sie 20 Minuten durch die Stadt, nur um ihr Lieblings-Thaigericht zum Mitnehmen zu bestellen.

Paige hatte erlebt, wie die Untreue ihres Vaters ihre Mutter zurückgelassen hatte: gedemütigt und zerstört.

Als sie Maes Stimme hörte, kehrte sie ins Hier und Jetzt zurück: „Na, jetzt wird’s interessant.“

Clint blickte hoch, fand aber nichts von Interesse und nutzte die Gelegenheit, sich ein Rippchen von Maes Teller zu stibitzen.

Paige drehte sich neugierig um, und ihr Herz setzte für einen Moment aus, als sie Mr Groß, Dunkel und Attraktiv im Restaurant erblickte. Er stand in der Mitte des Raums, breitbeinig, und wärmte sich die Hände am offenen Feuer.

„Schau nur, wie er dasteht“, sagte Mae mit einem Knurren.

Als ob er an schweren Seegang gewöhnt ist, dachte Paige und versuchte, nicht hinzugucken. Doch es gelang ihr nicht. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden und sah, wie er sein Handy aus der Innentasche seiner Jacke zog und dabei den Blick auf eine sehr breite Brust preisgab. Paige war sich nicht sicher, was sie mehr antörnte – der Streifen sonnengebräunter Haut, der kurz unter dem verwaschenen T-Shirt aufblitzte, oder das rhythmische Tippen auf dem Handy.

Auf einmal schaute er hoch.

„Runter!“ Paige kauerte sich auf ihrem Stuhl zusammen, bis sie halb unter dem Tisch verschwunden war. Ihre Freunde blickten sie mit offenem Mund an.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte Mae.

Ganz langsam straffte Paige wieder den Rücken, bis sie wieder aufrecht dasaß. Ohne sich umzugucken, flüsterte sie: „Ich kenne diesen Mann.“

„Wer ist das?“, wollte Mae sofort wissen.

„Gabe Hamilton. Er ist über mir eingezogen. Wir haben uns heute Früh im Lift kennengelernt.“

„Unnnnnnd?“, fragte Mae und hüpfte erwartungsvoll auf ihrem Sitz herum.

„Beruhig dich. Du regst dich wegen nichts auf. Ich hab versucht, die Fahrstuhltür direkt vor seiner Nase zu schließen. Das hat er mitbekommen und ist trotzdem noch eingestiegen. Es war alles sehr … peinlich.“

Mae grinste, und Paige bemerkte plötzlich, dass auch sie selbst unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. Sie warf die Hände in die Luft. „Okay, er sieht verdammt gut aus. Und er riecht, als käme er gerade aus dem Wald, aus seiner eigenen Blockhütte. Und vielleicht haben wir ein bisschen geflirtet.“ Als die Freundin anfing zu klatschen, schüttelte Paige den Kopf. „Nichts da. Verstehst du nicht: Das war gestern, direkt nachdem du mich abgesetzt hattest.“ Beschwörend sah sie Mae an, ehe sie langsam weitersprach. „Ich hatte das Hochzeitskleid dabei.“

„Aber du hast doch sicher erklärt …?“

„Wie denn? Vielleicht so: Also, heißer Fremder, sehen Sie dieses brandneue Hochzeitskleid? Hat nichts zu bedeuten. Ich bin frei und zu haben und gehöre Ihnen, falls das Interesse gegenseitig ist.“

„Bei mir hätte das gezogen“, schloss Clint bedächtig.

Mae knuffte ihn in die Seite. Er grinste, wandte sich wieder seinem Handy zu und tat, als würde er nicht lauschen.

„Das ist alles deine Schuld. Ich habe nur mit ihm geflirtet, weil du meintest, es gebe zu wenige Männer in meinem Leben.“

Mae sah sie an, als sei sie verrückt geworden. „Erzähl mir nichts. Wenn der Hausmeister zufällig aufgetaucht wäre, hättest du dem auch schöne Augen gemacht? Wer’s glaubt.“

Nun verstand Paige gar nichts mehr. Gerade von Mae hatte sie Verständnis erwartet für ihre Abneigung unverlässlichen Typen gegenüber. Zumindest von der alten Mae, deren Vater ebenfalls ständig fremdgegangen war, genau wie Paiges eigener. Die verlobte Mae hingegen war durch ihre Verliebtheit wie geblendet.

Gerne hätte Paige ihrer Freundin das gesagt. Stattdessen griff sie nach ihrem Cocktailglas und nahm einen großen Schluck.

„Das Ganze ist wahrscheinlich sowieso unwichtig“, stöhnte Mae leise auf. „Dieser Mann kommt aus einer anderen Dimension. Solche Männer haben Nuklearphysikerinnen zur Freundin, die in ihrer Freizeit modeln. Oder er ist schwul.“

„Nicht schwul“, widersprach Paige und erinnerte sich daran, wie er sie mit seinem Blick taxiert hatte. Wie er ihr während der Fahrt unmerklich näher gekommen war. Jetlag hin oder her, es hatte gefunkt zwischen ihnen. Sie holte tief Luft. „Ist aber auch egal. Ein Mann, der mit einer Frau flirtet, die ein Hochzeitskleid über dem Arm trägt, gehört kastriert.“

„Das sagst du ihm am besten selbst, meine Liebe“, sagte Mae begeistert. „Denn er kommt geradewegs auf uns zu.“

Gabe hatte gerade gehen wollen, als er sie entdeckte.

Gut, zuerst hatte er ihre Begleitung mit den roten Locken gesehen, der es anscheinend nichts ausmachte, dabei erwischt zu werden, wie sie ihn anstarrte. Und gleich darauf erkannte er seine schöne neue Nachbarin, die sich in ihrem Sitz versteckte. Wenn sie ihm lächelnd zugewinkt hätte, wäre er vielleicht einfach nach Hause gegangen. Doch die Tatsache, dass die Frau, die er hatte geflissentlich übersehen wollen, ihn ihrerseits ignorierte, löste seinen Jagdinstinkt aus, und auf einmal fand er sich an ihrem Tisch wieder.

„Die Dame aus dem achten Stock“, sagte er schlicht und legte seine Hand auf ihre Stuhllehne.

Mit einem kühlen Lächeln drehte sie sich zu ihm um und zog die Augenbrauen hoch. Doch als er in ihre tiefblauen Augen blickte, fiel es ihm auf einmal schwer zu atmen.

Verdammter Hitchcock, dachte er, als er sich nun wieder an seinen Traum erinnerte – wie ihre Haare seine Brust gekitzelt hatten, als sie ihn im Cabrio verwöhnt hatte. Es war nur ein Traum gewesen, doch das spielte jetzt keine Rolle. „Das mit dem ‚bis bald‘ hatte ich nicht so wörtlich gemeint.“

„Könnte uns häufiger passieren, wir leben nun mal im selben Gebäude“, gab sie spitz zurück.

„Was für ein Glück.“ Er schenkte ihr jenes spezielle Lächeln, von dem er wusste, dass es bei Frauen fast immer wirkte. Ihre Augen strahlten, doch er sah auch, wie sie die Finger in die Tischkante krallte. Sie wirkte unendlich kompliziert. Ärger war programmiert.

Und dennoch lachte er sie nur noch breiter an.

Vielleicht war es ja die Herausforderung. Oder die Erinnerung an seinen Traum. Oder die Tatsache, dass er plötzlich etwas Zeit hatte und diese nicht mit Nachdenken verbringen wollte. Was es auch war, als Gabe in ihre unglaublich blauen Augen schaute, wusste er, dass er sie wollte.

Ein lautes Räuspern brachte die beiden wieder zurück in die Realität.

„Gabe Hamilton, meine Freundin Mae und ihr Verlobter Clint“, stellte Paige vor.

Mae streckte sich quer über den Tisch, um ihm ausgiebig die Hände zu schütteln. „Ich habe gehört, Sie waren gerade im Ausland?“

Als der Tisch wackelte und Mae erschrocken das Gesicht verzog, war Gabe klar, dass sie unter dem Tisch getreten worden war. Die Blondine hatte wohl mit ihren Freunden über ihn geredet. Vielleicht war es ja einfacher, sie zu erobern, als er erwartet hatte. Seltsamerweise machte das die Sache nicht langweiliger, im Gegenteil.

Er schnappte sich einen Stuhl vom Nachbartisch und ließ sich neben Paige nieder, die so tat, als sei der Teller vor ihr auf einmal hochinteressant.

„Brasilien“, antwortete er Mae leichthin, während Paige neben ihm stocksteif dasaß. „Ich komme gerade zurück aus Brasilien.“

„Im Ernst?“, fragte Mae. „Paige, hast du das gehört? Gabe war in Brasilien.“

Paige starrte ihre Freundin an. „Danke, Mae. Ich habe es gehört.“

Mae stützte ihre Wange auf die Hand und hakte nach. „Und, bleiben Sie jetzt hier?“

„Nein“, gab er zurück. Natürlich würde er ihnen nicht beichten, dass er lieber bis zum Kinn in einem Fluss voller Piranhas wäre als in Melbourne. „Bin nur für ein paar Tage geschäftlich hier.“

„Schade“, meinte Mae. Paige schwieg, ihren Blick fest auf einen unsichtbaren Punkt irgendwo im Raum geheftet, bis Mae hinzufügte: „Paige fährt total auf Brasilien ab.“

„Ach, wirklich.“

Bei dem Klang seiner tiefen Stimme zuckte Paige zusammen und sah ihn endlich an.

Er lächelte. Was für Augen, dachte er. Unter ihrem kühlen Gebaren verbarg sie, was in ihr brodelte, da war er sich plötzlich sicher. Ihr Atem ging im gleichen Rhythmus wie sein eigener. Am liebsten hätte er sie sofort, vor allen anderen, leidenschaftlich geküsst. Er legte seine Hand erneut auf ihre Stuhllehne und spürte, wie nah seine Finger ihrer Schulter waren. Paige atmete tief ein und drückte ihren Rücken durch, um von ihm abzurücken.

„Ja, wirklich“, bestätigte Mae fröhlich. „Sie hat die letzten Monate sogar versucht, ihren Boss zu überreden, die Fotos für den Sommerkatalog dort zu machen.“

„Tatsächlich?“, fragte Gabe und riss sich von Paiges Anblick los. „Was macht Paige denn beruflich?“

„Ich bin Verkaufsleiterin eines Einrichtungshauses“, antwortete Paige mit kühler, rauchiger Stimme.

Oh, Mann, das wird ein Spaß, frohlockte Gabe insgeheim.

„Die Sommerkollektion ist brasilianisch, zumindest mutet sie so an.“ Dann fügte sie zögernd hinzu, als müsse sie sich zu der Frage überwinden: „Und was haben Sie in Brasilien gemacht?“

Paiges Frage war genau das, was er gebraucht hatte, um sich wieder zu fassen. Je weniger Menschen über seine Arbeit Bescheid wussten, umso besser, das hatte er schmerzlich erfahren müssen. „Diesmal ging’s um Kaffee“, log er. „Mögen Sie Kaffee?“

Dieser Blick. Damit konnte sie einen wirklich um den Verstand bringen, dachte Gabe. Zu allem Überfluss biss sie sich auch noch auf die Unterlippe, ehe sie antwortete: „Hängt ganz davon ab, wer ihn macht.“

Gabe fühlte einen Anflug von Schwindel. Vertigo, dachte er sich, definitiv Vertigo. Höhenangst. Hinter Hitchcocks Liebe zu Blondinen hatte zweifellos eine selbstquälerische Ader gesteckt. Doch Gabe war um keinen Deut besser. Warum ergriff er nicht einfach die Flucht, jetzt sofort?

„Und was genau?“, fragte Mae.

„Mmh?“

„Warum genau waren Sie in Brasilien? Bauen Sie die Bohnen an? Haben Sie eine Rösterei? Verkaufen Sie Kaffee?“

Gabe zögerte erneut. Das Geschäft in Brasilien. Er hatte alles genau geprüft, die Mitarbeiter kennengelernt, war sichergegangen, dass dort alles mit rechten Dingen zuging und profitabel war. Nichts und niemand konnte das jetzt ruinieren.

„Ich investiere in Kaffee. Genauer gesagt in eine Café-Kette.“

Doch zu spät. Paige hatte sein Zögern gespürt und ihre Knie von ihm abgewandt. Heiß und kalt. Bei dieser Frau kam er nicht hinterher.

Gabe überlegte, ob er aufgeben sollte. Doch wenn er sich erst einmal in etwas verbissen hatte, ließ er nicht so schnell locker. Hartnäckigkeit war seine größte Stärke. Deshalb ließ er nie ein Geschäft platzen. Sie konnte es nicht wissen, doch je länger sie ihn zappeln ließ, desto mehr wollte er sie.

Eine Stimme von der anderen Tischseite sagte: „Sind das diese kleinen Cafés mit nur einem Barista und seiner Kaffeemaschine?“

„Eben die.“

„Oh, wie spannend“, fand Mae. „Insider-Infos vom Investor persönlich.“

Gabe zuckte zusammen. Irgendwie wusste diese Dame genau, wie sie ihn aus der Fassung bringen konnte. „Ich glaube kaum, dass ich mit spannenden Geheiminformationen dienen kann“, sagte er beiläufig. Es war eindeutig Zeit für einen geordneten Rückzug. Er stand auf.

„Bleiben Sie doch“, bat Mae.

„Nein danke, lieber nicht. Ich muss noch meinen Schönheitsschlaf nachholen.“

Kurz blickte er zu Paige hinüber, um zu sehen, ob sein Verschwinden ihr etwas ausmachte. Ihre Haltung wirkte abweisend, doch ihre Augen sprachen eine andere Sprache. Sie schien ihn mit ihrem Blick auszuziehen, beginnend mit dem Reißverschluss seiner Jeans.

„Freitag gibt’s bei mir eine Einweihungsparty“, hörte er sich mit heiserer Stimme noch sagen. „Sie sind alle eingeladen.“

„Wir nehmen Sie beim Wort“, antwortete Mae.

Gabe reichte erst Mae zum Abschied die Hand, dann Clint. Paige hob er sich bis zuletzt auf.

„Paige“, sagte er und nahm ihre Hand. Er hatte sich geirrt in seinem Traum: Ihre Hand war nicht kühl, sondern so warm, als hätte Paige noch eben in der Sonne gelegen. Und ihre Augen … Als hätte seine Berührung ihre Beherrschung zunichtegemacht, sah er eine Leidenschaft in ihrem Blick aufflammen, die ihn bis ins Mark traf.

Verdammt.

Sie entzog sich seinem Händedruck und runzelte die Stirn, als sei sie sich nicht sicher, was gerade zwischen ihnen geschehen war. Er selbst war sich vollkommen sicher. Und er wollte mehr davon.

„Freitag“, wiederholte er fragend, bis sie schließlich nickte. Er winkte noch einmal, drehte sich um und ging. Sein Blut pulsierte schneller in seinen Adern, er hatte Schwierigkeiten hi­nauszufinden.

Auf kürzestem Wege ging er nach Hause. In sein riesiges leeres Schlafzimmer. Diesmal konnte er nicht einschlafen, als er schließlich auf dem harten Fußboden lag. Die Gedanken an seine Nachbarin machten die Lage nicht bequemer.

Er fragte sich, wie Paige wohl reagieren würde, wenn er sie jetzt um Obdach bat, mit seiner Schachtel Donuts unterm Arm und bekleidet mit nichts als Boxershorts und einem Lächeln auf den Lippen. Was ihn zurückhielt, war ihre Entschlossenheit, die Unnahbare zu spielen. Doch er hatte den Verdacht, dass es nicht viel brauchte, um sie ins Wanken zu bringen.

3. KAPITEL

Später am Abend lehnte sich Paige gegen die Wand des Aufzugs. Sie hatte den Knopf für den achten Stock gedrückt und hoffte, dass keine Überraschungen auf sie warteten.

Sobald sie die Augen schloss, war ihr die Erinnerung an Gabe Hamiltons Abschied präsent. Bei dem Gedanken an ihn, an seine langen Beine, die kräftigen Muskeln kribbelte ihre Haut am ganzen Körper. Wie elektrische Spannung, nur … heißer.

Wie es schien, hatte sie trotz all ihrer Vorsicht Gabe gegenüber eines unterschätzt– den Funken! Er war einfach da. In seinem direkten Blick. In der Art, wie er sie anlächelte. Gabe wusste, dass er umwerfend war, und sie zweifelte nicht daran, dass er keine Skrupel hatte, auf diesen Vorteil zu setzen, um zu bekommen, was er wollte. Und wenn sie sich nicht völlig irrte, dann wollte er sie.

Paige verschränkte die Beine und begann, an ihrem Daumen zu knabbern.

Auf Herzensbrecher hatte sie noch nie gestanden. Gut, sie verstand den Reiz. Das Verlangen, das Unzähmbare zu zähmen. Doch sie hatte mehrfach erlebt, welch eine emotionale Verwüstung ein Mann mit solch geballtem Charme anrichten konnte. Und obwohl sie nicht an ein Happy End in Liebesdingen glaubte, war sie entschlossen, niemals etwas anzufangen, das so eindeutig auf das Gegenteil hinauslaufen musste.

Unglücklicherweise war sie in letzter Zeit auch keinem netten, zurückhaltenden Mann begegnet, mit dem sie es hätte versuchen können. Nur kurz fragte sie sich, warum das so war. Doch schon wanderten ihre Gedanken wieder zurück zu Gabes schönen Händen und seinen noch schöneren Augen.

Sie straffte die Schultern, schüttelte sich leicht und ging im Lift auf und ab.

Die traurige Wahrheit war, dass sie schon mehr als genug nette Männer kennengelernt hatte, die sich später als Enttäuschung entpuppten. Wäre es nicht besser, einfach gar nichts mehr zu erwarten? Und sich stattdessen einmal völlig gehen zu lassen in einer heißen, sinnlichen Affäre?

Krampfhaft schloss sie die Augen.

Bei Gabe Hamilton deutete eigentlich nichts darauf hin, dass er sich als Enttäuschung erweisen könnte. Er schien wirklich an ihr interessiert. Und außerdem war er einfach umwerfend sexy. Geradezu einschüchternd, wie sie zugeben musste. Und nach eigenem Bekunden war er nur für eine Weile in der Stadt. Was für die Sache sprach. Sehr sogar. Sie wollte schließlich keine Beziehung. Nur mal wieder mit einem Mann ausgehen. Einen Kuss. Vielleicht ein bisschen mehr. Oder sehr viel mehr. Warum eigentlich nicht?

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