Never Trust Me - Freya Miles - E-Book

Never Trust Me E-Book

Freya Miles

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Beschreibung

Sie haben sich geliebt, waren das Traumpaar der Schule, bis Chad Walker alles zerstörte. Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit Amber Stone ihren Ex-Freund Chad zuletzt gesehen hat. Der große Footballstar, der Frauenheld, der Mann, der ihr einst das Herz brach. Fünfzehn Jahre, in denen die sonst so toughe Ärztin viel zu viel Zeit daran verschwendet hat, diesen Mann für sein Verhalten zu hassen. Doch all die aufgestaute Wut scheint nicht auszureichen, als Chad wegen einer schlimmen Sportverletzung ausgerechnet in die Klinik eingeliefert wird, in der Amber arbeitet. Sie will dieses Herzklopfen nicht zulassen. Sie will nicht, dass er wieder diese alten Gefühle in ihr auslöst, doch bei einem Blick in seine Augen gerät Ambers Welt ins Wanken. Allerdings scheint der Mann, der dort vor ihr steht und sie um Hilfe bittet, nichts mehr mit dem fröhlichen und ausgelassenen Jungen zu tun zu haben, den sie einst so geliebt hat. Das Buch enthält keine detaillierten Spielszenen - es handelt sich um einen Liebesroman! Abgeschlossener Einzelband

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(N) EVER TRUST ME

FREYA MILES

Copyright © Freya Miles 2020

Freya Miles c/o TEXTWERKSTATT

Sabrina Cremer, Körfken 80, 44227 Dortmund

[email protected]

Cover: Shutterstock

Lektorat: Textwerkstatt - Sabrina Cremer

Korrektorat: Nicole Bauer, Sabrina Grabowski

Umschlaggestaltung: NK Design (Nadine Kapp) Kontakt: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Eine Vervielfältigung oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren gestattet. Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Markennamen und Lieder werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Örtliche Begebenheiten wurden teilweise dem Storyverlauf angepasst. Alle Markennamen und Warenzeichen, die in dieser Geschichte verwendet werden, sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.

INHALT

Klappentext

Prolog

1. Amber

2. Chad

3. Amber

4. Chad

5. Amber

6. Chad

7. Amber

8. Chad

9. Amber

10. Chad

11. Amber

12. Chad

13. Amber

14. Chad

15. Amber

16. Chad

17. Amber

18. Chad

19. Amber

20. Chad

21. Amber

22. Chad

23. Amber

24. Chad

25. Amber

26. Chad

27. Amber

28. Chad

29. Amber

30. Chad

31. Amber

32. Chad

33. Amber

34. Chad

Bonusmaterial

Über den Autor

KLAPPENTEXT

Sie haben sich geliebt, waren das Traumpaar der Schule, bis Chad Walker alles zerstörte.

Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit Amber Stone ihren Ex-Freund Chad zuletzt gesehen hat. Der große Footballstar, der Frauenheld, der Mann, der ihr einst das Herz brach.

Fünfzehn Jahre, in denen die sonst so toughe Ärztin viel zu viel Zeit daran verschwendet hat, diesen Mann für sein Verhalten zu hassen.

Doch all die aufgestaute Wut scheint nicht auszureichen, als Chad wegen einer schlimmen Sportverletzung ausgerechnet in die Klinik eingeliefert wird, in der Amber arbeitet.

Sie will dieses Herzklopfen nicht zulassen. Sie will nicht, dass er wieder diese alten Gefühle in ihr auslöst, doch bei einem Blick in seine Augen, gerät Ambers Welt ins Wanken.

Allerdings scheint der Mann, der dort vor ihr steht und sie um Hilfe bittet, nichts mehr mit dem fröhlichen und ausgelassenen Jungen zu tun zu haben, den sie einst so geliebt hat.

PROLOG

Die Welt des Ruhms ist glitzernd. Sie ist elektrisierend. Voller Power. Du lebst – ohne Rücksicht auf Verluste. Ohne den Blick zurück. Ohne einen konkreten Plan.

Gewinnen ist das Ziel.

Besser sein ist das Bestreben.

Du denkst nicht daran, was passieren könnte, denn du willst einfach immer mehr.

Immer weiter.

Immer höher.

Bis zu dem Moment, an dem alles endet.

Der Moment, an dem du auf dem Boden aufschlägst und weißt, dass es vorbei ist.

Du willst kämpfen.

Du willst es allen zeigen.

Gewinnen!

Wieder aufstehen!

Weitermachen!

Dich nicht geschlagen geben.

Doch du kannst es nicht.

Die Kraft ist weg.

Der Erfolg ist vorbei.

In einem Augenblick, einem Wimpernschlag ist alles vorbei.

Nach vorne schauen.

Neue Pläne machen.

Wieder anfangen.

Es ist unmöglich, denn die Zeit des Ruhms hat dir alles genommen.

Wer sind deine Freunde? Partys? Drogen? Geld? Alkohol? Schnelle Autos? Frauen?

Du kannst dir die Gesundheit nicht zurückkaufen. Den Film nicht zurückspulen. Nicht rückgängig machen, welche Entscheidungen du getroffen hast. Auch wenn sie schon fünfzehn Jahre zurückliegen.

Jahre voller Ruhm, voller Geld, voller Macht und Erfolg. Doch vor allem voller Einsamkeit.

Stille, die dir die Luft zum Atmen raubt.

Menschen, die aus deinem Leben verschwinden, weil sie sich nicht mehr in deinem Erfolg sonnen können.

All die Freunde.

All die Partys.

Alles ist verloren.

Wer bist du, wenn dein Lebensinhalt fehlt?

Wer soll dich auffangen, wenn dort niemand mehr ist, dem du vertrauen kannst?

Wer wird die Scherben zusammensetzen, die von deinem Leben noch übriggeblieben sind?

Wenn du alles verloren hast ... warum bist du dann überhaupt noch hier?

1

AMBER

»Doktor Stone, Mann nach Sturz aus dem Fenster. Er wurde auf dem Gartenzaun aufgespießt.« Ich richtete mich in dem kleinen, unbequemen Bett auf, welches mir im Bereitschaftszimmer des Krankenhauses zur Verfügung stand, und glaubte für einige Sekunden daran, einen schlechten Traum gehabt zu haben.

Das Licht war eingeschaltet.

Die Tür stand offen.

Nein, es war kein schlechter Traum, sondern der ganz normale Wahnsinn hier im Sankt-Bethys-Krankenhaus in Pittsburgh.

Ich schwang meinen müden Körper aus dem Bett, zog meinen Arztkittel über und band mir meine langen schwarzen Haare schnell zu einem Pferdeschwanz zusammen, bevor ich in meine Schuhe schlüpfte und nur wenige Sekunden später in der Notaufnahme stand.

An manchen Tagen war es mir selbst ein Rätsel, wie ich es schaffte, so zu funktionieren. Alles in mir schrie danach, mich wieder hinzulegen, doch mein Verstand lief bereits auf Hochtouren und ging alle möglichen Szenarien durch, damit ich möglichst gewappnet war für das, was dort gleich vermutlich auf meinem Tisch landete.

Wobei, wirklich wappnen konnte man sich für dieses Chaos eigentlich nie.

»Ach du scheiße!«, hörte ich bereits jemanden sagen, als das Opfer in die Notaufnahme gebracht wurde und nur wenige Sekunden später konnte ich sehen, wieso. Ein beachtliches Stück Zaun hatte den Mann aufgespießt. Das würde ein interessanter Fall werden.

Sechs Stunden später ließ ich mich vollkommen erschöpft auf die große Couch meines Appartements fallen und dachte erst gar nicht daran, mich in die Küche zu stellen, um mir etwas zu kochen. Dafür war ich viel zu erledigt. Wofür gab es Lieferdienste, wenn nicht für Momente wie diese?

Ich würde jetzt etwas Schönes essen, mir ein Glas Wein genehmigen und mich danach in ein heißes Schaumbad legen. Nach sechsunddreißig Stunden mit wirklich sehr wenigen und sehr kurzen Ruhepausen, kamen mir die vierundzwanzig Stunden, die nun vor mir lagen, bevor ich wieder zum Dienst musste, vor, wie ein Sechser im Lotto.

Der Job konnte zwischenzeitlich wirklich hart sein, doch das änderte nichts daran, dass ich ihn liebte. Mit jeder Pore meines Körpers.

Ich hätte innerhalb des Krankenhauses schon so manches Mal wechseln können. Ein Job als Oberärztin auf einer normalen Station. Ja, manchmal spielte ich sogar mit dem Gedanken, das Krankenhausleben ganz hinter mir zu lassen und eine eigene Praxis zu eröffnen, doch dann gab es Fälle wie den aufgespießten Mann in der letzten Nacht und all die Gedanken an einen ruhigeren Job waren verflogen. Ich liebte den Adrenalinkick, wenn ein neuer Notfall reinkam. Ich liebte die Abwechslung und die täglichen neuen Herausforderungen. Außerdem war ich gerade erst vierunddreißig geworden und somit fit genug für den stressigen Dienst.

Da ich sowieso niemals heiraten oder Kinder bekommen würde, lagen noch so viele Jahre in meinem Job vor mir, dass ich mich später noch immer für etwas Ruhigeres bewerben konnte. Ärzte, die ihren Dienst in der Notaufnahme verrichtet hatten und dann noch über so viele Jahre, waren schließlich immer und überall gerne gesehen. Wer verfügte auch sonst über ein so breit gefächertes Know-how?

Während ich auf meine Pizza mit extra viel Käse wartete, schaltete ich meinen Fernseher ein, wobei ich sofort laut aufstöhnen musste, als ich den Mann sah, dem ich die ganze Schuld an meiner privaten Misere gab. Was, wenn man bedachte, dass unsere Geschichte so viele Jahre zurücklag, absolut lächerlich war.

Trotzdem war es leichter, Chad die Schuld an meiner Einsamkeit zu geben, als mich mit den wahren Gründen auseinanderzusetzen.

Meinen Arbeitszeiten, meinen Eigenheiten, meinen hohen Ansprüchen ...

Chad grinste in die Kamera, verschwitzt, die schwarzen Haare zerzaust, die Grübchen noch immer so ausgeprägt wie damals. Seine blauen Augen starrten mich aus dem TV heraus an, während er über den Triumph seiner Footballmannschaft sprach.

Ich schaltete sofort um. So wie ich es immer tat, wenn etwas über ihn berichtet wurde, sein Team spielte, oder er, wie jetzt, ein Interview gab. Der große, tolle Frauenheld Chad Walker.

In meinen Augen war er nicht mehr und nicht weniger als ein riesiges Arschloch. Und das seit mittlerweile fünfzehn Jahren. Er hatte mich verarscht, mich belogen und betrogen, während ich ihm haltlos verfallen war.

Für mich war er meine erste große Liebe gewesen. Eine Liebe, die man sein ganzes Leben lang nie wieder vergisst, doch für ihn schien ich nur eine von vielen gewesen zu sein. Auch wenn ich mir jahrelang etwas anderes eingeredet hatte.

Chad war schon immer dieser Junge mit dem gewissen Extra gewesen. Der Charmeur. Der, der mit seinen blauen Augen und den Grübchen reihenweise Frauenherzen schmelzen ließ. Und dann war er auch noch Quarterback des Footballteams geworden, womit er sich endgültig zum begehrtesten Jungen unserer Schule etabliert hatte.

Und ausgerechnet der Junge war es gewesen, der mein Herz stahl. Und das alles noch bevor er zu diesem Kerl wurde, mit dem plötzlich alle befreundet sein wollten.

Wir waren gerade einmal zarte vierzehn Jahre alt gewesen, als er eines Tages vor meiner Tür stand und mich fragte, ob ich mit ihm spazieren gehen wollte – und ich sagte Ja. Von diesem Tag an gingen wir gemeinsam durchs Leben. Wie Pech und Schwefel. Wir waren ein eingespieltes Team und niemals hätte ich gedacht, dass etwas zwischen uns kommen könnte.

Vom ersten Moment an hatte ich ihn geliebt, auch wenn Liebe mit vierzehn wahrscheinlich noch etwas ganz anderes bedeutete als im Erwachsenenalter. Doch diese Verbundenheit und das blinde Vertrauen zwischen uns, all diese Dinge waren echt.

Chad war immer da gewesen, egal, wie hektisch sein Leben zwischen dem ganzen Footballtraining und der Schule auch war. Fast fünf Jahre lang hatte uns nichts trennen können. Bis Chad eines Tages wieder vor meiner Tür stand und sich für immer von mir verabschiedete.

Er war nicht allein gekommen, sondern mit Cynthia Bradford. Seiner neuen Freundin, mit der er mich wohl schon mehrere Monate lang hintergangen hatte.

Ich war so dumm gewesen. So naiv. So verliebt ...

Als er weg war, hatte es sich für mich angefühlt, als wäre mir das schlagende Herz aus der Brust gerissen worden. Ich dachte nicht gerne zurück an die Zeit danach. Voller Trauer, Schmerz und Hass. Einen Hass, den ich bis heute nicht überwunden hatte. All die schönen, vertrauten Stunden. Unser erster Kuss. Unser erstes Mal. Unsere Zukunftspläne. Chad hatte alles einfach für diese dumme Kuh weggeworfen.

Zum damaligen Zeitpunkt war bereits klar gewesen, dass ihm eine große Karriere als Profifootballer bevorstand, weshalb er in jeder freien Sekunde trainierte und die Zeit, die wir miteinander verbrachten, immer weniger wurde. Und dennoch schien er es geschafft zu haben, in all dieser kaum vorhandenen Zeit eine Affäre mit dieser Frau unterzubringen.

Ich hatte mich an einem College in Pittsburgh beworben, um ihm nah sein zu können, während er für das hiesige Footballteam spielen sollte, doch soweit war es nie gekommen.

Ich war alleine in Pittsburgh gelandet und Chad hatte seine Karriere in Los Angeles gestartet. Eine Karriere, die so viele sportliche Highlights umfasste, dass er mittlerweile der bestbezahlte Quarterback der Liga war. Trotz allem, was je zwischen uns vorgefallen war, gönnte ich ihm all den Erfolg und das Geld aus tiefstem Herzen.

Schließlich kannte ich den wahren Chad Walker. Den Jungen, der oft mit kaputten Jeanshosen und ohne Essen in der Schule auftauchte, weil seine Eltern das Geld versoffen hatten.

Er kam aus einem höllischen Elternhaus, weshalb wir uns immer nur bei mir aufgehalten hatten. Für ihn war meine Familie auch seine Familie gewesen. Menschen, die für ihn da waren. Die ihn unterstützten. Gott, was hatte mein Dad alles für ihn getan!

Er war mit ihm zu Trainingseinheiten gefahren, hatte mit den Talentscouts geredet und einige gute Deals rausgeschlagen. Und zum Dank brach der Mistkerl seiner Tochter das Herz.

Meinen Vater hatte unsere Trennung damals genauso hart getroffen wie mich. Zumindest war er seitdem gar nicht gut auf ihn zu sprechen, der sich auch nie wieder bei unserer Familie gemeldet hatte.

Noch heute feuerte mein Vater aus Prinzip jede Mannschaft an, die gegen Chads Team spielte und dafür sorgte, dass er nicht gewann.

Ich seufzte, da mich erst das Klingeln des Pizzaboten aus meinen Gedanken riss. Fünfzehn Jahre war das alles nun her und ich verschwendete immer noch viel zu viele Gedanken an diesen verdammten Kerl.

Wir hatten uns damals geschworen, für immer zusammen durchs Leben zu gehen. Wir wollten sogar heiraten, sobald wir einundzwanzig waren. Mit allem, was dazugehörte. Dann war er weg. Und mit ihm all meine Träume und Zukunftspläne.

Doch das Schlimmste, was Chad mir genommen hatte, war die Fähigkeit, einem Menschen vertrauen zu können. Ich hätte ihm mein Leben anvertraut, doch er hatte alles mit Füßen getreten.

Durch ihn war ein wichtiger Teil in mir zerbrochen und jetzt, nach all den Jahren, war ich mir sicher, dass ich ihn auch nie wieder reparieren konnte.

Wenigstens hatte ich meinen Traum durchgezogen und war Ärztin geworden. Der Job erfüllte mich bei Weitem genug und entschädigte für mein fehlendes Privatleben.

Ich hätte so oder so keine Zeit für eine Beziehung.

Genau das und meinen Hass auf Chad Walker betete ich mir immer weiter vor, während ich die Flasche Wein mit in die Badewanne nahm und dort einfach weitertrank.

Ich brauchte niemanden um Erlaubnis fragen und bis ich wieder zum Dienst musste, vergingen noch so viele Stunden, dass ich mich ruhig volllaufen lassen konnte.

Nur der Grund dafür passte mir nicht.

Diese blauen Augen. Diese Grübchen. Ich wusste noch immer, wie er schmeckte, wie er roch, wie sich seine Finger auf meinem Körper anfühlten.

Fünfzehn Jahre und kein Ende in Sicht.

Ich hasste ihn. Ich würde ihn immer hassen, diesen verdammten Mistkerl.

Auch in fünfundzwanzig Jahren noch.

Es war nur leider verdammt erbärmlich, dass ich nun wegen ihm diese Flasche Wein in mich schüttete und wieder einmal alldem hinterher trauerte, was wir hatten. Denn genau das tat ich. Auch wenn ich es mir nie eingestehen wollte.

In meinen Augen hasste ich Chad Walker. Ich hasste alles an ihm. Alles, was er je getan hatte, alles, was er tat und alles, was er je tun würde.

Aus Prinzip.

Verdammt, ich brauchte zwar keinen Freund an meiner Seite, aber definitiv mal wieder einen One-Night-Stand. Ich war schließlich eine Frau mit Bedürfnissen. Bedürfnisse, die ich gerade wieder spürte, doch ich würde mich jetzt hier in der Badewanne nicht meinen Fantasien hingeben.

Nicht, solange meine Gedanken noch immer bei Chad hingen.

Ich hasste ihn.

Fertig.

2

CHAD

»Fuck yeah!«, rief ich, als ich zum Rest meines Teams in die Umkleidekabine kam und wir uns alle nach und nach um den Hals fielen. Es war ein verdammt gutes Spiel gewesen, was man auch an dem haushohen Sieg erkennen konnte.

»Wir haben sie fertiggemacht! Wir haben sie dominiert«, sagte ich und ließ mich feiern. Das Gewinnen, dieser Moment, wenn du alles erreichst, wofür du jeden Tag so hart arbeitest, es war wie ein Kick. Ein Rausch, den ich brauchte. So oft wie möglich.

Ich lebte für diesen Sport, für den Erfolg, für den Ruhm und die Ehre, ein solches Team anführen zu dürfen. Wir waren ein verdammt eingeschworener Haufen und wenn es mit uns so weitergehen würde, dann stand dem Superbowl nichts mehr im Wege.

Es wäre mein drittes Mal bei diesem absoluten Megaevent der Spitzenklasse, auf das wirklich alle gleichermaßen hinfieberten. Wenn, ja wenn wir es denn schaffen würden und meine verdammte Schulter durchhielt.

Ein Gedanken, den ich schnell zur Seite schob, denn ich wollte den heutigen Triumph genießen. Ich wollte feiern und mich treiben lassen, ohne dunkle Gedanken.

Als ich am nächsten Tag aufwachte, war es bereits Mittag. Wir hatten es ordentlich knallen lassen. Sogar so sehr, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnerte, wie ich in mein Hotelzimmer gekommen war.

Genauso wenig kannte ich den Namen der dunkelhaarigen Schönheit, die mich mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen musterte.

»Hey«, sagte sie, was ich erwiderte. Ich konnte mich kein bisschen mehr an diese Frau erinnern, doch das war nicht das erste Mal, dass mir so etwas passierte.

Nach den Spielen war ich meist so überdreht, dass ich schnell mal alles um mich herum vergaß und die Kontrolle verlor. So, wie es wohl auch gestern der Fall gewesen war. Bourbon und Schmerztabletten sei Dank.

»Ich bin Claudia, aber daran wirst du dich vermutlich nicht mehr erinnern. Ich wollte wenigstens bleiben, um dir meinen Namen zu sagen. Das fühlt sich ein bisschen besser an, als rein gar nicht mehr in deinem Gedächtnis zu sein«, sagte sie, was mich zum Lächeln brachte.

»Es war eine ziemlich lange und heiße Nacht«, gab ich zurück, obwohl ich wirklich keinerlei Erinnerungen mehr daran hatte.

»Das war es wohl. Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast.«

»Du bist eine Augenweide«, machte ich ihr ein Kompliment, das sie rot werden ließ. Mir wurde oft nachgesagt, ein kompletter Frauenheld zu sein. Ein Ruf, auf den ich nicht sonderlich scharf war, mit dem ich allerdings lebte. Es war schlichtweg Blödsinn. Ich hatte nicht in jeder Stadt ein Mädchen, so wie viele andere meiner Teamkollegen und die One-Night-Stands häuften sich auch erst, seitdem ich ... ach egal. Ich hatte kein Problem, sondern alles unter Kontrolle. Es waren nur vorübergehende Ausrutscher.

Claudia verabschiedete sich, nachdem ich uns Frühstück aufs Zimmer kommen lassen hatte, und ließ mich alleine zurück. Es dauerte noch zwei Stunden, bevor wir zum Flughafen aufbrechen würden. Zwei Stunden, in denen ich genug Zeit hatte, meine Schulter zu behandeln, damit ich meinen Koffer gleich tragen konnte.

Das Spiel gestern war nicht gut für meine lädierte Schulter gewesen, die mir heute wirklich Probleme machte.

Ich wusste, dass mich die Teamärzte rausnehmen würden, wenn ich ihnen von meinen Schmerzen erzählte, weshalb ich mich lieber mit Tabletten selbst medikamentierte. Eine vollkommen falsche Vorgehensweise, denn das Problem schien eher schlimmer zu werden als besser. Doch mindestens das nächste Spiel wollte ich einfach nicht verpassen. Danach würde ich genug Zeit haben, mich in Behandlung zu begeben, damit ich pünktlich zum Superbowl wieder fit war und bis dahin würde es so gehen. Es musste so gehen.

»Walker, verdammt noch mal. Dass du dein Hotelzimmer gestern Nacht noch gefunden hast, war auch nur der sexy Brünette zu verdanken, was?« Kurt Benning, mein bester Freund im Team, schlug mir spielerisch auf die Schulter, wobei ich mich zusammenreißen musste, um unter dem Schmerz keine Reaktion zu zeigen.

»Was denn, was denn? Ihr saht doch alle nicht besser aus.«

»Als wenn du dich noch daran erinnern könntest.«

»Das muss ich nicht, um zu wissen, dass es genauso war. Ich kenne euch doch. Das reicht vollkommen. Sind wir alle wieder vollzählig oder hat sich einer die Lampen so sehr ausgeknipst, dass er noch nicht wieder hier ist?«

»Alle vollzählig. Du warst der Vollste von uns allen.«

»Ich bin der Quarterback. Es ist also so etwas wie das mir angeborene Recht.«

»Genau wie all die anderen Privilegien, ja?« Kurt lachte, während wir zusammen zu dem bereitstehenden Bus gingen, der uns zum Flughafen brachte. Im Bus war die Stimmung ausgelassen, trotz des ein oder anderen verkaterten Gesichts.

»Ihr wisst, dass das eine Ausnahme war und ich das nur gutheißen kann, weil es eine längere Spielpause gibt!«, hielt der Coach noch einmal eine Ansprache, auf die wir schon alle gewartet hatten. Wir waren Profisportler, natürlich konnten wir uns nicht immer sang- und klanglos volllaufen lassen. Aber es gab Tage und Siege, so wie gestern, da mussten wir uns einfach selbst feiern.

Die nächsten Tage würde ich meinen Arm schonen können, was mir Hoffnung für das Spiel am übernächsten Samstag gab. Zuhause in meinem riesigen Haus in Los Angeles stand mir ein Team aus Physiotherapeuten zur Verfügung, die ich mit einer üblen Schweigepflichtsvereinbarung versehen hatte, sodass mein Team nichts von alldem mitbekam, was bei mir gerade los war. Sie sollten sich auf den nächsten Sieg konzentrieren. Wenn sie sich jetzt allerdings Gedanken über eine Verletzung ihres Quarterbacks machen mussten, dann konnte sich das nur negativ auswirken.

Am Flughafen von L.A. herrschte wie immer ein reges Fantreiben. Ein weiterer Aspekt dieses Jobs, den ich verdammt noch mal liebte. Mit den Fans zu reden, ihre Bewunderung zu sehen, das gab mir Auftrieb. Und so nahm ich mir heute extra viel Zeit, um für Fotos zu posieren und Autogramme zu schreiben. Ich wollte mich wieder gut fühlen. Nicht gehandicapt durch den verdammten Zustand meiner Schulter.

Die Physiotherapeuten hatten vor gar nicht allzu langer Zeit darauf hingewiesen, dass ich bereits starke Verschleißerscheinungen hatte, aber ob diese dafür verantwortlich waren, mir solche Schmerzen zu verursachen?

Vielleicht war es auch einfach nur eine Zerrung. Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten so viel trainiert wie selten, um für diese Saison in Bestform zu sein. Man konnte sagen, dass ich den Erfolg witterte. Ich spürte einfach, dass wir Großes erreichen konnten, denn wir waren so gut wie noch nie in eine Spielzeit gestartet.

Deshalb erwartete der Coach Höchstleistungen von jedem einzelnen, aber natürlich besonders von seinem Quarterback. Leistungen, die ich nicht mehr so einfach bringen konnte wie als Zwanzigjähriger.

Für den Profisport galt ich mittlerweile schon als altes Eisen mit meinen vierunddreißig Jahren. Irgendwann musste ich mir Gedanken übers Aufhören machen, schon alleine meiner Schulter zuliebe, doch bis jetzt war ich bereit, zu kämpfen, mich durchzubeißen und alles zu geben.

Football war mein Leben, dafür hatte ich alles aufgegeben und komplett neu angefangen. Ich hatte nichts als diesen Sport. Nichts als den Kick, den ich jedes Mal verspürte, wenn ich vor die Menge trat. Wenn ich das alles verlieren würde, dann war ich ebenfalls verloren.

In meinem Haus angekommen, schaltete ich die Stereoanlage an und riss die Balkontür auf, um den frischen Wind hereinzulassen. Mein Haus befand sich in erster Strandlage, sodass ich einen vollkommen ungetrübten Blick auf das Meer hatte.

Ich liebte und hasste es, hier zu sein!

Mit einem Kaffee setzte ich mich in die große Lounge-Ecke und genoss für einige Minuten einfach nur den Ausblick. Ich hatte nun eine ganze Woche Zeit, die Seele baumeln zu lassen. Etwas, das mir nicht gut lag. Ich mochte es nicht, ohne Gesellschaft zu sein.

Wahrscheinlich würde ich schon morgen wieder ein paar von meinen Freunden einladen oder irgendwo feiern gehen. Länger hielt ich es bekanntlich nie alleine aus.

Der einzige Besuch, der mich heute noch erwarten würde, war nicht von schöner Natur, denn das Team aus Physiotherapeuten hatte mit Sicherheit keine überschäumend guten Nachrichten für mich.

Ich musste abwarten und mich langsam, aber sicher mit dem Gedanken anfreunden, dass ich ein neues Leben starten musste. Ich brauchte einen Plan, denn wenn der Football nicht mehr mein Leben wäre, würde das Alleinsein mich wahrscheinlich schneller verschlucken, als mir lieb war.

Dieser verdammte Gedanke machte mir Angst, denn ich wusste, dass ich mich selbst verlieren würde. Nach außen hin gab ich immer den Sunnyboy. Der gut gelaunte Quarterback, der alles unter Kontrolle hatte und für jeden Spaß zu haben war, doch keiner der Jungs wusste, wie es wirklich in mir aussah. Wie sehr ich die Stille hasste, die Einsamkeit, die Zeit mit meinen eigenen Gedanken.

Nach jedem Spiel fiel ich in dieses unendlich tiefe Loch. Vom Freudentaumel, den hysterischen Fans, dem Rummel zurück in das einsame Hotelzimmer. Es war die Stille, die mich erdrückte. Jedes Mal ein bisschen mehr. Es sei denn, ich ließ sie erst gar nicht zu und betrank mich besinnungslos. So wie gestern. Es war nicht der erste Ausrutscher gewesen in der letzten Zeit. Vor allem nicht, seitdem mir immer mehr bewusst wurde, dass mein Körper nicht mehr das leisten konnte, was er leisten musste.

Ich spürte, wie meine Zeit langsam ablief, doch ich versuchte, mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen und mich gegen diese Gewissheit zu wehren. Wer war ich denn ohne Football? Klar, in der Welt des Sports würde ich durch meine Leistungen noch lange in Erinnerung bleiben, doch was nützte mir das? Was für ein Leben sollte ich führen, wenn ich nicht mehr der gefeierte Held auf dem Platz war? Wenn meine Mannschaft mich nicht mehr brauchte und nicht mehr auf mich zählte?

Die Jungs waren meine Familie, Football mein Leben.

Es war nicht so, als würde ich aufhören, um mich auf ein Leben mit meiner Familie zu konzentrieren. Es gab niemanden! Absolut niemanden.

Fuck – ich war gerade erst hier angekommen und schon hielt ich es kaum noch aus. Was würde ich jetzt dafür geben, den Kaffee gegen einen guten Bourbon einzutauschen?

Er würde mir dabei helfen, meine Gedanken auszulöschen. Vor allem in Kombination mit den Schmerztabletten, die ich heute bereits geschluckt hatte.

Ich musste damit aufhören und die Zügel wieder strammer ziehen, wenn ich nicht die Kontrolle über das alles hier verlieren wollte.

Meine Eltern waren elendige Säufer gewesen und ich befand mich gerade auf einem verdammt schmalen Grat, denn ich stand definitiv kurz davor, ebenfalls die Kontrolle zu verlieren.

3

AMBER

»Dein Leben ist armselig!« Ich weitete die Augen bei den Worten von Louise, einer der Krankenschwestern, mit denen ich fast immer Dienst hatte. Wir waren über die Jahre zu weit mehr geworden als Arbeitskolleginnen.

»Bitte was hast du gerade gesagt?«, fragte ich, während sie auflachte.

»Na ja, du bist Ärztin. Du bist die schlauste Person, die ich kenne. Du bist unglaublich tough, lässt dir von keinem in dein Leben reinreden und dann erzählst du mir, dass du deine freie Zeit damit verbracht hast, dich alleine in der Badewanne volllaufen zu lassen und Fast Food in dich reinzuschieben? Du brauchst ein Hobby. Oder besser noch einen Kerl. Ich meine, sieh dich doch mal an. Mit deinen langen Beinen, deiner perfekten Figur und deinen Rehaugen. Von den voluminösen, unfassbar splisslosen Haaren mal ganz zu schweigen. Du bist perfekt. Vielleicht zu perfekt für die Männerwelt, denn irgendwie scheinst du sie ja einzuschüchtern. Anders kann man sich einfach nicht erklären, dass du immer noch Single bist.«

»Ich bin Single, weil ich diesen verdammten Job vor Jahren angenommen habe und mich seitdem immer nur hier aufhalte. Ich bin mit diesem Krankenhaus verheiratet. Was soll ich machen?«

»Weniger arbeiten und dich mehr auf dich selbst konzentrieren. Wenn du irgendwann faltig bist und in Rente gehen musst, dann willst du doch wohl nicht als alte Jungfer alleine mit vierzig Katzen in deinem Appartement sitzen, oder?«

»Ich hasse Katzen und das Kapitel Jungfer habe ich schon vor einigen Jahren hinter mir gelassen.«

»Ja, daran erinnerst du dich so gut, weil es bestimmt das letzte Mal war, dass du ordentlich gevögelt wurdest.« Ich konnte nicht fassen, was sie dort gerade gesagt hatte, doch das war Louise. Sie sprach immer aus, was sie dachte. Egal wie unangebracht es vielleicht auch war.

»Ich hatte One-Night-Stands. Nicht, dass es dich etwas angehen würde, aber nein, es war nicht das letzte Mal, dass mich ein Mann ordentlich gevögelt hat. Gott, so verdammt trostlos ist mein Leben jetzt auch nicht.«

»Aber schon sehr, sehr trostlos. Das musst du wohl zugeben.«

»Solange du mich hier weiter unterhältst, geht es eigentlich. Aber wir könnten wirklich nach der Arbeit mal wieder was trinken gehen. Ist viel zu lange her.«

»Sag mir wann und ich bin dabei. Mit dir ziehe ich doch immer gerne um die Häuser.« Ich lächelte und blickte Louise hinterher, die so verdammt gut darin war, mir einen Spiegel vorzuhalten, wie wohl kein anderer Mensch auf dieser Erde. Ich mochte sie wirklich sehr für ihre Offenheit und dafür, dass sie mir ab und an zeigte, wo es langging.

Sie holte mich aus meinem Schneckenhaus, ging mit mir aus und zeigte mir wenigstens zwischendurch mal das wahre Leben abseits des Krankenhausalltags.

Jetzt musste ich nur noch einen freien Tag finden, was vermutlich nicht so einfach werden würde. Ich hatte bereits von meinem Chefarzt erfahren, dass wir wieder einmal unterbesetzt waren und dass daher jeder mehr arbeiten musste.

Ich konnte mich nicht an einen Zustand erinnern, an dem dieses Krankenhaus nicht unterbesetzt war, doch was nützte es, diesen Punkt zu erwähnen? Es änderte ja doch nichts.

Keiner konnte sich gute Ärzte aus den Rippen schneiden und viele zogen die ruhigeren Berufe der Notaufnahme einfach vor.

Etwas, das ich niemandem verübeln konnte, so wie der Tag bis jetzt verlaufen war. Zwei Schussverletzungen, eine Stichverletzung. An manchen Tagen könnte man meinen, dort draußen auf den Straßen herrsche Krieg.

»Ich habe eine Idee und laut Schichtplan wird sie passen«, sagte Louise wenige Stunden später stolz. »Wie wäre es, wenn wir, statt essen zu gehen oder um die Häuser zu ziehen, zum Football gehen? Am Samstag kommen die L.A. Panthers nach Pittsburgh und ich würde wirklich viel dafür geben, Chad Walker einmal live zu sehen.«

Mir gefror das Blut in den Adern, als sie seinen Namen aussprach. Dieser Vorschlag konnte doch nicht ihr Ernst sein. Andererseits, woher sollte sie es wissen?

Ich hatte noch nie mit ihr darüber gesprochen, weshalb ich mich so sehr zuhause einigelte und wer dafür verantwortlich war, dass ich es nicht schaffte, einem Mann zu vertrauen.

»Auf gar keinen Fall«, sagte ich und schüttelte entschieden den Kopf.

»Ach komm schon. Mir zuliebe. Wir essen Popcorn, trinken Bier und ...«

»Nein, Louise. Das ist das Letzte, wohin ich gehen werde!«, stellte ich klar und ging einfach. Er kam in die Stadt.

Ich hasste diese Situation.

Jedes Mal aufs Neue.

Obwohl es mit Sicherheit komplett albern war. Schließlich kam er zum Football spielen her und würde mir garantiert nicht beim Einkaufen über den Weg laufen ... Und was anderes machte ich in meiner Freizeit ja kaum. Wobei, so oft wie der Lieferdienst im Moment an meiner Tür klingelte, kaufte ich auch nur noch selten ein.

Gut, dass meine Figur seit Jahren so beständig war, ohne, dass ich etwas dafür tun musste. Hätte ich eine andere Veranlagung, dann würde ich bestimmt schon zweihundert Kilo wiegen.

Chad kam in die Stadt.

Eine gute Gelegenheit, weitere Überstunden zu machen. Ganz freiwillig. Damit ich auch bloß nicht an ihn denken musste, wenn er in meiner Nähe war.

»Aber Amber, ich hab doch schon die Karten gekauft.«

»Dann wünsche ich dir viel Glück dabei, eine Begleitung zu finden, und ganz viel Spaß beim Spiel. Ich muss eh arbeiten.«

»Laut Dienstplan hast du frei und ...«

»Und genau das werde ich jetzt ändern. Ich muss definitiv am Wochenende arbeiten.«

»Muss ich das verstehen, Amber? Ich meine du bist doch eh schon viel zu viel hier und dann ...«

»Nein, musst du nicht«, sagte ich und zwinkerte ihr zu. Louise kannte mich gut genug, um mich nicht für vollkommen abgedreht zu halten.

Gott sei Dank.

Zwanzig Minuten später hatte ich mich erfolgreich in den Dienstplan fürs Wochenende eintragen lassen, sodass mein nächstes freies Wochenende in weite Ferne gerückt war. Hauptsache ich hatte etwas zu tun und konnte nicht an diesen Mann denken.

»Doktor Stone, ein Notfall.« Ich lächelte bei den Worten, die mir den Tag immer versüßten. Obwohl es perfide war, denn für den Menschen, der hier gerade eingeliefert wurde, gab es keinen Grund zu lachen.

Ich hoffte inständig, dass ich in der Lage sein würde, ihm zu helfen. Ein fünfundzwanzigjähriger Mann mit einer Schussverletzung.

Es würde ein langer Tag werden ...

4

CHAD

»Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann gefällt mir das, was ich sehe, überhaupt nicht.« Ed, mein Physiotherapeut, ließ meinen Arm sinken und musterte mich mit einem kritischen Blick. »Wie viele Schmerztabletten schluckst du am Tag? Du weißt, dass die Dinger abhängig machen können, oder?«

»So dramatisch ist es auch nicht.«

»Ach nein? Für einen Büroangestellten wäre es nicht dramatisch. Für einen Quarterback allerdings ...«

»Ich weiß. Und ich weiß auch, dass ich etwas ändern muss. Das werde ich. Aber erst nach dem Spiel nächste Woche. Danach könnt ihr mich meinetwegen ein, zwei Wochen ruhigstellen. Meinetwegen auch bis zum Superbowl, aber das Spiel in der nächsten Woche ist richtungsweisend. Wenn wir das gewinnen, dann sind wir on top.«

»Ich kann es dir so oder so nicht ausreden. Ich will nur, dass du dir darüber im Klaren bist, dass du den Zustand deiner Schulter wahrscheinlich noch verschlimmerst. Du musst zu einem Spezialisten gehen, Aufnahmen machen lassen, verstehst du? Ich bin nur ein Physiotherapeut. Ich kann nicht von außen feststellen, was dort drin los ist, aber irgendwas stimmt ganz und gar nicht und das solltest du mittlerweile auch bemerkt haben.«

»Natürlich habe ich das bemerkt. Ich bin ja nicht dumm.«

»Du verhältst dich aber dumm!« Ich weitete die Augen bei Eds Worten. Normalerweise war ich es gewohnt, dass mir Honig ums Maul geschmiert wurde. »Du bist Profisportler, Mann! Du brauchst diese Schulter noch, sonst kannst du deine Karriere auch gleich beenden. Schließlich bist du keine zwanzig mehr.«

»Danke, dass du mich daran erinnerst«, erwiderte ich wütend.

»Irgendwer muss es ja tun. Du scheinst jedenfalls nicht klar denken zu können. Scheiß auf dieses Spiel in Pittsburgh und lass dich untersuchen, sonst könnte es das letzte Mal sein, dass du als Quarterback aufläufst. Verstanden?«

»Sonnenklar. Aber ich werde dieses eine Spiel durchziehen. Danach sehen wir weiter.«

»Dann müssen wir jetzt zusehen, dass wir deine Schulter so gut wie möglich in ihre Beweglichkeit zurückbekommen. Sonst wirst du deinem Team mehr Schaden zufügen, als dass du ihm nützen wirst.«

Und so arbeitete Ed jeden verdammten Tag mit mir, wobei ich an manchen Tagen das Gefühl hatte, alles würde alles nur noch schlimmer werden statt besser. In meiner Schulter war irgendwas kaputtgegangen oder verschlissen, wer wusste das schon so genau. Ich konnte nur hoffen, dass es sich schnell wieder reparieren lassen konnte. Wenn ich den Superbowl verpassen würde ...

Freitags vor dem Spiel fand ich mich pünktlich zum Training ein, wo ich mich deutlich zurücknahm, um meine Schulter so weit wie möglich zu schonen. Zu sehr, denn es fiel nicht nur meinem Trainer, sondern auch der Mannschaft auf. Doch es war für mich nicht die Zeit, um ihnen allen reinen Wein einzuschenken. Wir mussten erst dieses Spiel gewinnen. Danach würde ich mit ihnen reden.

Durch all die Physiotherapie war ich in meiner freien Zeit so gut eingespannt gewesen, dass ich die verdammte Einsamkeit, die ich so sehr hasste, nicht einmal wirklich wahrgenommen hatte. Deshalb war es auch nicht zu der wohl von allen erwarteten Party bei mir gekommen.

Eine Tatsache, auf die mich mein Team heute natürlich sofort ansprach. Sie hakten sogar nach, ob es eine Frau in meinem Leben gab, die mich von der Party abgehalten hatte, doch das konnte ich nur mit einem müden Lächeln beantworten.

Es würde niemals eine Frau in meinem Leben geben. Ich hatte mich für die Karriere entschieden und dafür lebte ich. Eine Frau hatte definitiv keinen Platz zwischen all den Trainingseinheiten, meinen Werbeaufträgen und den Gastkommentatorenjobs, die ich zwischendurch annahm. Ich war viel beschäftigt und das war auch gut so.

All diese Dinge waren potenzielle Jobs für den Moment, wenn ich nicht mehr arbeiten konnte.

Am Tag vor dem Spiel stieg ich planmäßig mit in den Flieger, erleichtert darüber, dass meine Schulter mich nach dem Training von gestern weitaus weniger belastet hatte, als gedacht.

Es war zu früh, um aufzuatmen, aber vielleicht würde man es ja doch mit etwas gezielter Physiotherapie wieder hinkriegen.

Im Flugzeug hing ich meinen Gedanken nach, wobei diese ausnahmsweise weder etwas mit meinem Karriereende oder der vermeintlichen Verletzung zu tun hatten, sondern mit Pittsburgh. Der Stadt, in der ich einst meine Laufbahn starten wollte. Alles war schon in trockenen Tüchern gewesen, meine Zukunft schien perfekt, doch dann kam das Angebot aus L.A., welches ich einfach nicht ausschlagen konnte.

Mir war bereits damals bewusst geworden, dass es eine Entscheidung für die Karriere und gegen mein Privatleben war.

Amber ...

Ich hatte lange nicht an meine erste und vielleicht auch einzige große Liebe gedacht. Die Frau, der ich einst das Herz gebrochen hatte, um meinen Karriereplänen nachzugehen. Was sie heute wohl machte? Ich wusste nur, dass sie damals wirklich nach Pittsburgh gezogen war, ihre Traumstadt. Sie hatte dort auch angefangen, Medizin zu studieren. Ob sie wirklich Ärztin geworden war? So wie ich Amber kannte, hatte sie das Studium mit Sicherheit durchgezogen und mit Bravour beendet.

Sie war immer so zielstrebig gewesen. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf setzte, dann zog sie es auch durch. Eine wirklich wunderbare Eigenschaft, der ich damals nicht im Weg stehen wollte.

Sie hatte ihre Träume, genau genommen hatten wir unsere gemeinsamen Träume, doch ich musste einen anderen Weg gehen, sonst wäre ich niemals dort angekommen, wo ich jetzt war.

Karriere oder Liebe.

Ob ich die Entscheidung je bereut hatte?

Oh ja, verdammt. Auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen wollte. Doch gerade jetzt, wo sich meine große Karriere dem Ende neigte, fragte ich mich zwischendurch, wie mein Leben wohl mit Amber verlaufen wäre. Ob wir eine Familie gegründet hätten nach der Hochzeit mit einundzwanzig, die wir uns geschworen hatten?

Wahrscheinlich war sie mittlerweile verheiratet und Mutter von wundervollen Kindern.

Ob sie immer noch so unglaublich gut aussah wie damals? Mit ihren langen schwarzen Haaren und den Rehaugen, denen ich nie widerstehen konnte.

Amber hatte immer zu mir gehalten, egal wie turbulent mein Leben auch gerade war. Sowohl von meiner familiären Seite aus wie auch von der Karriereseite. Sie und ihre Familie waren immer für mich dagewesen.

Ich war nicht stolz auf meinen Abgang damals, doch es war für uns alle das Beste gewesen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Denn darauf wäre es hinausgelaufen.

Unsere Liebe wäre stark genug gewesen, um eine Fernbeziehung zu überstehen, doch die Distanz zwischen Pittsburgh und Los Angeles ... Das wollte ich uns einfach nicht antun. Ebenso wenig, wie ich Amber zumuten wollte, immer nur die zweite Geige zu spielen. Das hatte sie nicht verdient.

»Chad, alles okay mit dir?«, fragte Kurt und musterte mich kritisch, während ich meine Kopfhörer abnahm.

»Was soll nicht okay sein?«

»Du wirkst so nachdenklich. Irgendwas, was ich wissen sollte?«

»Ich denke gerade an meine Sandkastenliebe zurück. Wir wollten damals zusammen nach Pittsburgh ziehen«, gab ich zu. Natürlich nicht zuletzt, um von meinen wahren Problemen abzulenken, die Kurt natürlich etwas angingen. Schließlich spielten wir im selben Team.

»Ach was. Es gab mal eine große Liebe in deinem Leben? Das fasse ich ja jetzt nicht. Ich dachte, du wärst schon immer der einsame Wolf gewesen.«

»Tja, falsch gedacht. Zumindest in meiner Jugend war ich ein geselliger Typ.«

»Das bist du auch heute noch, wenn es um Partys geht. Nur die Frauenwelt hat bei dir eher kurze Auftritte.«

»Wie bei den meisten von uns.« In unserem Team befanden sich bei Weitem mehr Singles als Männer, die eine Freundin oder gar eine Ehefrau hatten.

»Das kommt davon, weil der Quarterback es seinen Leuten so vorlebt.«

»Genau! Der verdammte Quarterback ist schuld«, erwiderte ich lachend.

»Also die wahre, große Liebe des Chad Walkers. Ich will alles über sie wissen. Lass mich raten. Head-Cheerleaderin und das beliebteste und begehrteste Mädchen der ganzen Schule?«

»Vollkommen falsch«, erwiderte ich und lächelte, als ich an Amber zurückdenken musste.

»Sie war keine Cheerleaderin und hatte mit dem ganzen Kram wirklich rein gar nichts am Hut. Sie war die schlauste Schülerin. Manche bezeichneten sie als Streberin, aber das war sie nicht. Sie war einfach klug und verstand es, ihren Weg zu gehen. Sie wollte Ärztin werden.«

»Die Streberin also? Wow, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.«

»Sie war die Hübscheste von allen, innerlich wie auch äußerlich. Ich habe damals wirklich gedacht, wir würden zusammen alt werden, denn das, was wir hatten, war einfach so unglaublich besonders.«

»Und dann? Ich meine, es ist augenscheinlich, dass ihr nicht zusammen alt geworden seid.«

»Dann kam das Angebot aus L.A., ich habe sie verlassen und mich meiner Karriere gewidmet. Nicht mehr und nicht weniger.«

»Wow – dafür, dass du von deiner ersten großen Liebe sprichst, war das Ende aber ziemlich abgefuckt.«

»Oh glaub mir, es war noch viel abgefuckter«, deutete ich an, ohne auf die wahre Geschichte einzugehen. Ich fühlte mich auch all die Jahre später noch immer schlecht bei dem Gedanken daran, was ich getan hatte, doch es war das Beste gewesen für uns alle.

»Lebt sie in Pittsburgh?«

»Kurt, ich habe keine Ahnung, wo sie lebt oder was sie macht und es ist mir auch egal. Die ganze Sache ist fünfzehn Jahre her. Es war nur Zufall, dass ich an sie gedacht habe, weil wir in diese verdammte Stadt fliegen.«

»Okay. Wenn du das sagst. Aber du weißt schon, dass es Social Media gibt und die Möglichkeit, Menschen zu finden, wenn man es will.«

»Ich will sie nicht finden. Ich will sie auch nicht wiedersehen. Das Thema ist lange abgeschlossen«, wiegelte ich ab. Wir hatten uns so lange Jahre nicht mehr gesehen, während unser Leben seinen Lauf genommen hatte.

Von der Person von damals war bei mir nicht mehr viel übrig geblieben und bei Amber sah es bestimmt ähnlich aus. Wenn wir uns jetzt noch einmal treffen würden, wäre das Ganze bestimmt wahnsinnig unangenehm. Oder wir würden in alten Erinnerungen schwelgen und uns damit verletzen. Ich musste nicht über die Träume nachdenken, die wir hatten und die sich nie erfüllen würden.

Dafür waren andere Dinge in Erfüllung gegangen, die ich mir nie zu träumen gewagt hatte. So spielte das Leben. Wir trafen Entscheidungen, wir gingen unseren Weg. Es war ein ewiger Kreislauf.

Unsere Wege hatten sich damals getrennt und ich hatte dafür gesorgt, dass Amber mich für immer hassen würde. Meine Entscheidung, mit der ich nun leben musste.

Ich war froh, als wir aus dem Flieger ausstiegen und ich mich dem Fanrummel widmen konnte, sowie abends dem Training, bei dem es wieder erstaunlich gut lief. Ich fühlte mich bereit für dieses Spiel. Bereit, alles zu geben, um es zu gewinnen.

Und genau mit dieser Einstellung betrat ich am nächsten Tag das Feld. Ich war gepusht von dem Adrenalin, das mich immer zu Höchstleistungen auflaufen ließ und verspürte keine Schmerzen.

All die Unsicherheiten mit meiner Schulter schienen verflogen. Ich fühlte mich gut. Verdammt gut! Und das ganz ohne Schmerzmittel. Das Adrenalin musste es beim Spiel richten, doch darauf konnte ich mich bei meinem Körper definitiv verlassen.

Ich wusste, wie viel auf dem Spiel stand und ich würde alles, ausnahmslos alles geben, um diesen Sieg zu holen. Die Massen auf den Rängen tobten und ich ließ mich mitreißen von den Fangesängen, den Sprechchören und der brodelnden Stimmung. Es war wie in einem Hexenkessel.

Gleich beim Spiel würde ich all meine Aggressionen rauslassen können, meine Wut darüber, dass mein Körper mich im Stich ließ.

Wir liefen auf das Feld und ich fühlte, wie das Adrenalin in meinem Körper pulsierte. Gott, wie sehr ich das liebte! Es war ein Kick, ein Rausch, der nie vergehen würde. Nicht, solange ich noch auf dem Spielfeld stand.

Mein Herz hämmerte in meiner Brust, während wir in Formation gingen. Ich würde dieses Spiel regieren, so wie ich es immer tat. Die Schmerzen in meiner Schulter, die trüben Gedanken, alles war vergessen.

Und dann geschah es ...

Wir waren mitten im Spiel und führten, wobei wir uns nicht darauf ausruhen konnten, denn der Vorsprung war viel zu gering. Ich hatte alles unter Kontrolle, war auf dem Weg zu einem weiteren Punkt, als Peter Griffin von der gegnerischen Mannschaft mit mir zusammenstieß. Ich spürte bereits unmittelbar vor dem Aufprall, dass dieser Sturz nicht gut ausgehen würde. Er konnte nicht gut ausgehen. Doch der Schmerz, der mich traf, war so viel schärfer, so viel intensiver, dass er mir die Luft zum Atmen nahm.

Ich versuchte, mich aufzurappeln. Ich wollte weiterspielen. Wir brauchten die Punkte, doch stattdessen verschwamm die Welt um mich herum. Ich hörte die Stimmen meiner Mitspieler. Ich sah, dass Kurt sich über mich beugte, doch alles war viel zu weit weg.

Mein Körper war in diesem einen Spielzug zertrümmert worden und ich würde nicht einfach so wieder aufstehen können, wie ich es sonst tat.

Mitspieler brüllten nach Sanitätern, während Kurts Hand blutverschmiert vor meinem Gesicht auftauchte.

Was auch immer geschehen war, ich brauchte einen Arzt.

5

AMBER

»Wir bekommen einen Notfall rein«, erklang der Satz, der mich am Tag so oft zwang, alles stehen und liegen zu lassen. Genau wie das Chicken Sandwich, auf das ich mich schon seit Stunden freute.

Ein Notfall war ein Notfall und zumeist konnten sie nicht warten, bis ich aufgegessen hatte.

»Vierunddreißigjähriger Footballspieler. Offene Fraktur des Schlüsselbeins. Verdacht auf Schulterbruch und gebrochenen Oberarmknochen sowie Handgelenksfraktur.« Ich weitete die Augen bei der Beschreibung, denn all diese Verletzungen allein waren schon schlimm genug für einen Footballer, aber alle zusammen ...

Mein Herz setzte allerdings erst aus, als ich den Mann auf der Liege sah. Er hatte die Augen geschlossen, doch ich erkannte ihn schon von Weitem.

Mein schlimmster Albtraum wurde wahr ... Chad trat zurück in mein Leben. Und dann auf diese Art und Weise. »Weiterhin Verdacht auf Gehirnerschütterung, da er das Bewusstsein bereits einige Male verloren hat.«

Gehirnerschütterung. Ich konnte mich noch an Chads erste Gehirnerschütterung erinnern, die er beim Football davongetragen hatte. Die ganze Nacht über war ich nicht von seinem Bett, oder besser gesagt von meinem Bett gewichen, da er wieder einmal bei uns übernachtet hatte. Meine Angst um ihn war damals so groß gewesen, dass ich sie noch heute spüren konnte.

Ich schüttelte mich leicht, denn es nützte Chad reichlich wenig, wenn ich in Erinnerungen versank, während er dringend meine Hilfe brauchte. Er war ein Patient, wie jeder andere auch und so musste ich ihn behandeln.

Ich schaltete in den Automatikmodus, während ich Befehle erteilte und Tests anordnete, doch meine Gefühle konnte ich dabei nicht so sehr abschalten, wie ich es mir wünschte.

Ein Blick auf die offene Fraktur an Chads Schulter ließ mich kurz erschaudern. Ich hatte schon so viel schlimmere Dinge gesehen, doch die Patienten waren stets Fremde für mich gewesen.

Chad war ebenfalls ein Fremder. Er war ein Mann, den ich einmal gekannt hatte, nicht mehr und nicht weniger. Unsere gemeinsame Vergangenheit lag schon viel zu lange zurück.

Ich war gerade im Begriff, sein Augenlid hochzuziehen, um mit meiner kleinen Taschenlampe hineinzuleuchten, als er langsam blinzelte.

Sein Blick ließ mich erstarren, denn seine Augen hatten sich verändert. Sie wirkten so dunkel und unergründlich.

»Amber?«, fragte er leise, was ich als gutes Zeichen in Bezug auf seine Gehirnerschütterung wertete.

»Welcher Tag ist heute?«

»Scheinbar nicht mein Glückstag.«

»Weißt du, was passiert ist?«

»Ich muss zurück aufs Feld.«

»Du musst in den OP, Chad. Deinen Arm hat es übel zugerichtet.«

»Du bist wirklich Ärztin geworden.«

»Chad, wir müssen uns auf die medizinischen Aspekte konzentrieren, okay? Du hast möglicherweise mehrere Frakturen und eine Gehirnerschütterung. Wir werden dich jetzt nach oben bringen und weitere Bilder anfertigen lassen, bevor du operiert wirst. Hast du das verstanden?«

Er nickte leicht, bevor er mir wieder direkt in die Augen sah.

»Amber, ich ...« Doch Chad konnte nicht weitersprechen, denn das Bett wurde bereits nach vorne gezogen, da er zum Röntgen und zum CT gebracht wurde. Ab da übernahmen die Chirurgen und Orthopäden. Meine Erstversorgung war erledigt.

»Tessa, ich bin im Bereitschaftszimmer«, rief ich der leitenden Oberschwester zu, die mich immer über die Notfälle informierte, und verließ den ganzen Trubel um mich herum, so schnell ich nur konnte. Im Bereitschaftszimmer schloss ich die Tür hinter mir und blicke hinab auf meine Hände, die unkontrolliert zitterten.

Chad ...

Ich versuchte, tief Luft zu holen, was allerdings in einem herzergreifenden Schluchzen endete. Ich wollte ihn nie wiedersehen und schon gar nicht so. Hoffentlich würden die Chirurgen ihn wieder hinkriegen, doch bei all den Verletzungen war es mehr als fraglich, ob er jemals wieder auf dem Feld stehen würde. Gerade auch in seinem Alter.

Auf jeden Fall würde er noch eine ganze Weile hier im Krankenhaus sein. Wahrscheinlich wäre jetzt die richtige Zeit, um sich endlich Urlaub zu nehmen. Ich schüttelte den Kopf über meine dummen Gedanken. Chad würde ein Zimmer auf der Privatstation dieses Krankenhauses bekommen und wir hatten keinerlei Berührungspunkte. Wenn ich ihm begegnen wollte, dann musste ich schon zu ihm gehen und das hatte ich ganz sicher nicht vor. Urlaub zu nehmen und vor ihm wegzurennen wäre wirklich lächerlich.

Und doch spürte ich tief in meinem Inneren etwas, das ich verfluchte. Es waren die alten Gefühle, die sich zu Wort melden wollten.

Die Art und Weise, wie er mich angesehen und meinen Namen ausgesprochen hatte. So als wäre alles wie immer. Als wären nicht gerade fünfzehn Jahre vergangen, seitdem wir uns zuletzt gesehen hatten.

Seine Augen ... Sie waren noch immer wunderschön, doch das Funkeln in ihnen, diese unglaubliche Lebensfreude, vor der Chad damals nur so gestrotzt hatte, schien vollkommen verflogen zu sein. Vielleicht war es der Situation geschuldet. Er litt unter starken Schmerzen, natürlich konnte er in diesem Moment nicht aussehen wie der lebenslustige Junge, den ich kannte, doch dort war mehr ...

»Doktor Stone. Ein Notfall.« Gott sei Dank. Jetzt würde ich keine Zeit mehr haben, über Chad nachzudenken, sondern musste funktionieren. Ein Mann war bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Eine Menge Arbeit für mich in der Notaufnahme also.

Als ich endlich wieder ins Bereitschaftszimmer zurückkehren konnte, war es schon weit nach Mitternacht. Louise hatte mich einige Male angerufen und ich konnte mir bereits denken, warum. Sie wollte Neuigkeiten zu Chad haben, die ich ihr allerdings weder geben konnte noch durfte. Schließlich war er ein Patient und ich unterlag der Schweigepflicht.

In den nächsten Tagen würde das Krankenhaus mit Sicherheit einen wahren Ansturm von Reportern, Fans und Kamerateams erleben, denn schließlich wurde eine Berühmtheit wie Chad Walker hier nicht alle Tage behandelt.

Wahrscheinlich würde er sich aber auch so schnell wie möglich in eine teure Privatklinik verlegen lassen, wobei unser Chirurg, mein Kollege Andrew, zu den besten Orthopäden des Landes gehörte.

Ich legte mich in das Bett im Bereitschaftsraum und schloss die Augen, obwohl ich wusste, wie sinnlos es war. So oder so konnte ich hier nicht gut schlafen, mit der Gewissheit, jederzeit zu einem Notfall gerufen werden zu können, doch heute würde es vollkommen hoffnungslos sein.

Und so ertappte ich mich dabei, wie ich am Ende meiner Schicht Chads Namen in den Computer eingab, um seine digitale Krankenakte aufzurufen. Ich sah mir seine Scans an und seufzte, als ich las, dass er noch immer im OP war. Die gesamte Prozedur würde mit Sicherheit auch noch einige Stunden in Anspruch nehmen. Während die Fraktur im Handgelenk so verheilen würde, hatte es seine Schulter extrem schlimm zugerichtet. Das war keine Überraschung für mich, war es doch mit bloßem Auge auf der Liege in der Notaufnahme schon zu erkennen gewesen.

Ich sollte nach Hause gehen, den Tag hinter mir lassen und meine wenige freie Zeit genießen, bis ich wieder hier erscheinen musste, doch stattdessen nahm ich die Treppen nach oben in den vierten Stock, wo sich die OP-Säle befanden. Ich ging zur Observationstribüne, auf der einige Ärzte saßen, um sich die Operation anzusehen, und blickte hinab in den Saal.

»Wie sieht´s aus?«, fragte ich einen Kollegen, der mir eine kurze Übersicht über die Verletzungen gab.

Es wäre ein Wunder, wenn Chad jemals wieder auf dem Feld stehen würde. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es schon ein Wunder, wenn er seinen Arm überhaupt je wieder normal bewegen können würde.

Hoffentlich hatte er einen Plan B für seine weitere Zukunft. Ich wusste, dass Football ihm über alles ging. Sogar über unsere Liebe.

Wenn ihm diese Leidenschaft jetzt genommen wurde ...

Ich kannte Chad gut genug, um zu wissen, wie er mit Rückschlägen umging. Er war noch nie gut in solchen Sachen gewesen, war er es doch gewohnt, dass für ihn karrieretechnisch alles nach Plan lief. In seinem Privatleben war das durch seine Eltern natürlich eine vollkommen andere Sache gewesen.

Ich konnte mich noch zu gut daran erinnern, als er von einem Talentscout abgelehnt worden war. Hätte ich ihn nicht motiviert, würde er heute wohl immer noch auf der Couch sitzen und Chips in sich stopfen, statt einer der bestbezahlten Footballspieler der Gegenwart zu sein.

Chad brauchte jemanden, der ihn motivierte und aufrichtete. Hoffentlich hatte er eine Frau oder gute Freunde an seiner Seite, die ihn vor dem tiefen Fall bewahren würden.

Ich blickte in den OP-Saal und wollte gehen. Ich kämpfte wirklich so sehr mit mir. Ich wollte einfach nur weg von hier. Doch ich blieb.

Ich musste wissen, dass er die Operation gut überstanden hatte, sonst würde ich keine Ruhe finden. Ganz egal, ob ich den Menschen, der dort unten auf dem OP-Tisch lag, gar nicht mehr wirklich kannte. Ganz egal, ob ich mir jahrelang eingeredet hatte, ihn bis aufs Blut zu hassen.

Ich konnte nicht gehen. Und dafür verachtete ich mich selbst.

»Schon Wahnsinn, dass Andrew ausgerechnet einen solchen Top-Star operieren darf, oder? Die haben hier total die Welle gemacht und wollten irgendwelche Superspezialisten einfliegen lassen, doch Andrew konnte sie davon überzeugen, selbst der Beste zu sein.«

Ich lächelte bei den Worten meines Kollegen, denn ich konnte mir Andrew verdammt gut in dieser Situation vorstellen. Er hatte mehr Eier in der Hose, als gesund war, doch das liebte ich so an ihm. Er war ein netter Kerl, den ich vielleicht sogar ein wenig interessant fand. Doch ausgerechnet er war natürlich derjenige mit dem goldenen Ring am Finger und den zwei bezaubernden Kindern zuhause.

»Was ist die Prognose, wie lange dauert die OP voraussichtlich noch?«

»Wir alle hier rechnen mit zwei bis drei Stunden, aber du kannst natürlich auch etwas anderes wetten.«

Zwei bis drei Stunden. Danach würde ich immer noch genug Zeit haben, nach Hause zu fahren.

Und so saß ich hier auf diesem Sitz und sah dabei zu, wie einer meiner besten Kollegen versuchte, den Arm des Mannes zu retten, den ich einst so sehr geliebt hatte.

Ich gehörte nicht hierher, doch ich konnte auch nirgendwo anders sein.

6

CHAD

Verwirrt sah ich mich in dem sterilen Raum um, nachdem ich schon einige Male krampfhaft versucht hatte, richtig wach zu werden.

Wo zum Teufel war ich? Das musste eine verdammt heftige Nacht gewesen sein, so übel, wie ich mich fühlte. Ich drehte meinen Kopf in Richtung der Geräusche und sah die Maschine, auf der mein Herzschlag angezeigt wurde. Beinah zeitgleich schoss ein unmenschlicher Schmerz durch meine rechte obere Körperhälfte. Ich blickte nun zu dieser Seite, wobei mir die Bandage auffiel, in der mein Arm ruhte.

War doch etwas mit meiner Schulter?

Das Spiel.

Mein Ziel, diesen Touchdown-Pass zu werfen.

Der Gegenspieler.

Die unglaublichen Schmerzen.

Amber.

Ich war im Krankenhaus, nachdem es mich auf dem Platz verdammt schlimm erwischt hatte. Meine Erinnerungen kehrten langsam zurück und waren fast zu grauenhaft, um sie auszuhalten.

Ich wusste noch, dass sie von einer offenen Fraktur geredet hatten, doch irgendwie war ich immer und immer wieder in die Bewusstlosigkeit abgedriftet. Bis zu dem Moment, in dem ich in Ambers Augen geblickt hatte.

Ausgerechnet sie war meine Ärztin gewesen.

Nach all den Jahren ...

»Mister Walker, Sie sind ja wach«, stellte eine der Schwestern fest, als sie das Zimmer betrat. »Ich werde dem behandelnden Arzt Bescheid geben, damit er Sie über Ihre Verletzungen aufklärt und mit Ihnen die Schmerzbehandlung abstimmt.

---ENDE DER LESEPROBE---