Nie mehr Alfred - Susann Carius - E-Book

Nie mehr Alfred E-Book

Susann Carius

4,9

Beschreibung

Pauline lebt als geschiedene Frau ihren neuen Lebensabschnitt glücklich und zufrieden. Ihr Exmann Alfred hat sie wegen der viel jüngeren Charlotte verlassen. Die Enttäuschung darüber ist längst Vergangenheit. Als sie erfährt, dass er verstorben ist, glaubt sie, ihn nun endlich für immer los zu haben. Doch das ist ein Trugschluss. Als Pauline bemerkt, dass in ihrer Umgebung ungewöhnliche Dinge passieren, wird ihr klar, dass ihr Alfred doch nicht ganz so tot ist, wie sie geglaubt hat. Eine ungewöhnliche und spannende Odyssee beginnt.

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Seitenzahl: 261

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Der Weg

Kapitel 1

Es war an einem grauen Novembertag. Ich stand am offenen Grab und der Regen prasselte wie kurze Trommelschläge auf den Sarg. Ich hielt den Schirm in meiner rechten Hand und war überfordert, mit der linken eine Schippe Sand auf Alfreds neues Zuhause zu werfen. Ein älterer Herr, der direkt hinter mir stand, hatte Mitleid mit mir und hielt meinen Schirm. Der Sand klatschte auf den Sarg und am liebsten hätte ich laut gelacht. Das hat er nun davon, der Alfred. Der Mann, mit dem ich fast 25 Jahre verheiratet war.

An einem Sonntagabend klingelte das Telefon und es wurde wieder aufgelegt. Das wiederholte sich jeden Abend um die gleiche Zeit. Nur Alfred bemerkte das nicht. Er war sogar zum Fremdgehen zu blöd. Nach Wochen stand dann diese Frau vor der Tür. Ich schätzte sie um die 20, lange blonde Haare, rosafarbener Lippenstift, blauer Lidschatten. Ich wusste gleich, dass sie zu meinem Alfred wollte. Am nächsten Tag warf ich ihn aus dem Haus und er zog bei seiner blonden Charlotte ein. Was wollte die von einem 55-jährigen Mann? Alfred erklärte mir dann später, dass er ihr Geborgenheit und Liebe geben konnte, die sie bei jüngeren Männern nicht fand. Ich glaube, es war eher Geld und ein schwarzes Zweisitzer Cabrio. Alfred verdiente als Ingenieur nicht schlecht und das erkannte auch die kleine Charly, wie er sie nannte.

Nun war er tot! Beim Vögeln erlitt er einen Herzinfarkt. Seine Charlotte war sehr traurig darüber und ich froh, ihn endgültig los zu sein. Keine Anrufe, keine überraschenden Besuche und keine Bettelei um eine Tasse Kaffee. Der arme Alfred. Er war dann doch nicht so glücklich mit seiner Charly. Sie war ihm zu anstrengend. Wie oft habe ich ihn mir weit weg gewünscht. Ich hätte nie gedacht, dass mir dieser Wunsch auf diese Art und Weise erfüllt werden würde.

Auf dem Weg zu meinem Auto fühlte ich mich sichtlich erleichtert und konnte endlich meine Gesichtszüge wieder entspannen. Wer sieht schon gerne eine lachende Frau am offenen Grab ihres gerade verstorbenen Ex-Mannes?

Kurz vor meinem Auto rief jemand zaghaft meinen Namen.

»Pauline, ich muss Sie...«

Ich drehte mich um und sah eine schluchzende Charlotte. Sie konnte kaum reden und ihr grelles Make-up, das sie bei der Beerdigung ihres Geliebten trug, hinterließ hässliche Spuren auf ihren Wangen. Der viel zu kurze Rock mit den schwarzen Strümpfen und den High-Heels erinnerte eher an eine Prostituierte, als an eine trauernde Witwe.

Weinte sie nun um Alfred oder eher um seinen schwarzen Flitzer? Ich hatte sogar Mitleid mit dieser Frau und nahm sie kurz in den Arm. Wie ein Häufchen Elend hing sie an meinem Hals.

»Ich werde nicht ohne ihn leben können. Warum hat er mir das nur angetan?« Ich rollte mit den Augen, was sie Gott sei Dank nicht sehen konnte.

»Natürlich kannst du ohne ihn leben, du wirst es müssen. Wir alle werden es müssen.« Ich verkniff mir ein Lachen. Sie löste sich aus meiner Umarmung und sah mich fragend an.

»Du wirst ihn auch vermissen?«

»Ich glaube nicht, Charlotte. Er war schon so weit weg von mir und ich wünsche ihm, dass er nun in einer besseren Welt ist.«

Sie schnäuzte sich die Nase und nahm meine Hand. »Ja, das hoffe ich auch. Vielleicht sehen wir uns irgendwann alle wieder.«

»Nein«, schrie es in mir auf. Diesen Dreckskerl möchte ich nie wieder sehen. Soll er doch in der Hölle schmoren. Wir verabschiedeten uns und ich fuhr nach Hause.

Seit meiner Scheidung lebte ich in einer Zweietagenwohnung am Stadtrand. Raus aus der Stadt und vor allen Dingen nicht Alfred und seiner Charly begegnen. Das war mein Ansinnen in den Anfangszeiten unserer Trennung. Ich fühlte mich wohl und im Sommer konnte ich sogar mit dem Rad zur Buchhandlung fahren, in der ich nun schon seit 25 Jahren arbeitete. Ich hängte meinen Mantel an die Garderobe und ließ mich auf das Sofa sinken. Der Ex war beerdigt und ich hatte für alle Zeiten meine Ruhe. Diesen inneren Frieden wollte ich mit einem Gläschen Wein besiegeln. Ich raffte mich noch einmal auf und lief zum Kühlschrank. Ein kurzer kalter Hauch streifte meine Wange. Ich drehte mich erschrocken um, aber da war niemand. Ich lief ins Wohnzimmer zurück, um zu sehen, ob vielleicht ein Fenster offen stand. Nichts dergleichen. Vielleicht war ich einfach übermüdet. Nachdem ich mein Glas mit Wein gefüllt hatte, ließ ich mich erneut auf dem Sofa nieder und griff zur Fernbedienung. Ich schaltete von einem Programm zum anderen, aber nichts interessierte mich. Ich warf die Fernbedingung in den Sessel und in diesem Augenblick hatte ich den Eindruck, dass sie jemand zurechtrückte. Ich rieb mir die Augen und gab meiner Müdigkeit die Schuld. Die Beerdigung hatte mich wohl doch mehr mitgenommen, als mir lieb war. Ich starrte in einem fort auf die Fernbedingung, aber sie bewegte sich nicht. Wieso sollte sie auch?

Ich rief meine Freundin Katharina an, weil ich Angst hatte, den Verstand zu verlieren.

»Hallo Katha, stör ich dich?«

»Nein, gar nicht. Ich wollte dich heute auch noch anrufen. Wie war es auf der Beerdigung?«

»Nass, kühl und totenstill«, antwortete ich sarkastisch.

»Ich habe nichts anderes von dir erwartet. Wie geht es der Witwe?« »Meinst du jetzt Charlotte oder mich?«

»Wenn du mich so fragst, Pauline, dann erzähl mir, wie es beiden geht.«

»Charlotte war zutiefst betrübt und hat ihre Tränen an meiner Schulter getrocknet. Mir geht es sehr gut, weil ich endlich weiß, dass dieser verdammte Dreckskerl nicht mehr unter uns weilt.«

Genau in dem Moment, als ich das sagte, spürte ich wieder diesen seltsamen Windhauch in meinem Gesicht. Ich erstarrte kurz, drehte mich dann in Sekundenschnelle um, aber da war nichts. »Pauline, bist du noch da?«

»Ja. Ich glaube ich bin heute etwas übermüdet und werde früh zu Bett gehen. Ich melde mich morgen noch mal.«

Ich wartete nicht bis Katharina mir antworten konnte und beendete das Gespräch.

Mein Körper war angespannt und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich nahm mir vor, ein Bad zu nehmen. Das half mir bisher in außergewöhnlichen Situationen immer. Aber was war außergewöhnlich? Auf dem Weg ins Bad fiel plötzlich mein Mantel vom Kleiderhaken. Ich erschrak mich so, dass ich laut aufschrie.

»Wer ist da?«, rief ich ins Leere. Keine Antwort. Woher sollte sie auch kommen. Ich war allein in meiner Wohnung. Im Bad schloss ich die Tür hinter mir ab und setzte mich auf den Badewannenrand. Hier fühlte ich mich sicher. Ich ließ Wasser ein, wählte ein Cremebad mit Kokosduft, warf meine Kleider auf einen Stuhl und glitt langsam in die Wanne. Das warme Wasser umspülte meinen Körper und ich empfand es als eine Wohltat, als sich meine Muskeln langsam entspannten. Ich schloss die Augen und schlief ein. Als ich nach einer gefühlten Stunde wieder wach wurde, war das Wasser bereits kalt geworden. Ich sah auf den Stuhl, auf den ich meine Kleider gelegt hatte. Sie lagen ordentlich zusammengelegt da. Aber nicht von mir! Ich stieg hektisch aus der Wanne. Die Badezimmertür war noch immer abgeschlossen. Ich schlüpfte schnell in meine Kleider, rief Katharina erneut an und bat für diese Nacht um Asyl. Ich konnte zwar auch dort nicht schlafen, fühlte mich aber trotzdem sicherer. Von meinen Erlebnissen erzählte ich Katha nichts.

Am nächsten Morgen verließ ich ohne Frühstück die Wohnung meiner Freundin. Mir war der Appetit vergangen. Als ich in meinem Auto saß und losfuhr, bemerkte ich zwei CDs, die auf dem Beifahrersitz lagen. Waren sie mir nicht gestern Abend in aller Hektik, als ich zu Katha fuhr, unter den Sitz gerutscht? Hatte ich sie nicht liegen lassen und wollte sie heute Morgen in meinem Handschuhfach deponieren?

»Ja.« Wieso sagte ich plötzlich ja? Ich war allein im Auto. Aber es hatte jemand meinen Namen gesagt und ganz spontan, ohne große Überlegungen, gab ich Antwort. Ich schaute in den Rückspiegel und was ich da sah, ließ mich so erschrecken, dass ich eine Vollbremsung machte. Gott sei Dank war kein Auto vor und hinter mir. Mein Herz klopfte vor Aufregung und Angst bis zum Hals. Erneut schaute ich vorsichtig in den Rückspiegel. Nichts. Ich riss die Autotür auf, stieg aus und lief um den Wagen herum. Nichts. Mir war klar, dass ich so langsam den Verstand verlor. Das, was ich da vor wenigen Minuten im Rückspiegel sah, war Alfreds Gesicht. Bei dem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut. Was sollte ich jetzt tun? »Der liegt doch drei Meter unter der Erde und raubt mir nicht mehr den Nerv«. So dachte ich jedenfalls. Konnte er noch nicht einmal im Tod Ruhe geben? Vielleicht war mein Unterbewusstsein noch immer mit ihm verbunden. Dies musste ich umgehend unterbinden. Aber wie? Ich versuchte mich selbst zu beruhigen und setzte mich wieder in mein Auto. Ich fuhr, ohne einmal in den Rückspiegel zu sehen, zur Buchhandlung.

»Wie siehst du denn aus Pauline?«, fragte mich meine Kollegin Adriane. »Du bist so blass, als seist du einem Geist begegnet.«

Wenn ich nicht so angespannt gewesen wäre, hätte ich in diesem Moment sogar lachen müssen. Vielleicht bin ich ja wirklich einem Geist begegnet. Aber auch mit Adriana konnte ich nicht darüber reden. Es war eine neue Lieferung von Kinderbüchern gekommen und die mussten zuerst ausgepackt werden. Ich übernahm diese Aufgabe gerne, denn so konnte ich in Ruhe über die letzten Tage nachdenken.

Beim Verstauen der Bücher fiel plötzlich ein Buch auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Regal. Ich schreckte zusammen und machte mich auf den Weg dahin. Beim Aufheben des Buches überkam mich erneut die Panik. Es hatte den Titel »Auch tot wirst du mich nicht los!« Es war zwar eine lustige Erzählung, aber in diesem Moment war mir nicht zum Lachen zumute. Ich setzte mich auf einen Stuhl und hielt das Buch zitternd in meinen Händen. Adriana bemerkte das und kam besorgt auf mich zu. »Was ist heute Morgen nur los mit dir. Möchtest du nach Hause gehen, bist du krank?«

»Nein, es geht schon.«

Zu Hause hätte ich auch keine Ruhe gefunden. Ich musste mit jemandem darüber reden. Aber mit wem?

Wem soll man erzählen, dass der tote Ex-Mann plötzlich im Rückspiegel eines Autos erscheint und Bücher aus dem Regal fallen lässt? Das hört sich an wie aus einem Kinofilm. Das glaubt mir kein Mensch. Oder vielleicht doch? Es gab da aus der Schulzeit noch meinen schwulen Freund Konrad. Wir trafen uns einmal im Monat. Er erzählte mir über seine neuen Liebschaften und wollte von mir wissen, welche esoterischen Bücher neu auf dem Markt sind. Er interessierte sich für das Übersinnliche und alles, was der Mensch mit seinem klaren Verstand nicht erfassen kann. Ich musste so schnell wie möglich Kontakt zu ihm aufnehmen.

In meiner Mittagspause rief ich ihn an und er lud mich nach der Arbeit zum Essen ein. Der Rest des Tages verlief für mich normal und ich hatte keine Ex-Alfred-Visionen mehr.

Konrad war ein liebenswerter Mann, gerade 50 geworden und er trug seine gleichmäßig ergrauten, schulterlangen Haare zu einem Pferdeschwanz. In seinen schwarzen Jeans und dem schwarzen Sakko erinnerte er mich immer wieder an einen sehr bekannten Modedesigner. Konrad war zurzeit mal wieder Single und ständig auf der Suche nach der großen Liebe. Schwule Freunde sind für Frauen etwas Besonderes. Man kann ihnen vertrauen, sich an ihrer Schulter ausweinen und mit ihnen auf der Couch lümmeln. Und vor allem mit der Gewissheit, dass sie keine Annäherungsversuche starten. Außerdem kann man ihnen von endlich losgewordenen toten Ex-Ehemännern berichten, die anscheinend, auch nach dem Tod, ihren Ex-Ehefrauen auf die Nerven fallen.

Ich fieberte dem Abend entgegen, um mich endlich mit Konrad über meine Erlebnisse auszutauschen.

Wir trafen uns beim Italiener. Konrad war bereits da. Freudestrahlend umarmte er mich. »Wie schön dich zu sehen, Pauline. Ich habe uns schon eine Flasche von dem guten Weißen aus San Gimignano bestellt.« »Das ist schön Konrad. Ich glaube, den brauche ich jetzt auch.«

»Was ist passiert? Du klangst am Telefon so aufgeregt.«

Der Kellner brachte den Weißwein. Als er ihn einschenkte, hatte ich den Eindruck, dass mich jemand beobachtete. Ich blickte in den großen Spiegel hinter der Theke und sah Alfred.

Ich schrie laut. »Nein, bitte nicht.«

Der Ober erschrak und meinte, er solle mir keinen Wein mehr einschenken. Ich entschuldigte mich und er verließ verwirrt unseren Tisch.

Konrad schaute mich stirnrunzelnd an. »Pauline, was ist los?«

Ich trank zuerst aus meinem Glas, denn mein Mund war inzwischen sehr trocken geworden.

»Konrad, glaubst du an ein Leben nach dem Tod?«

»Ja, aber das weißt du doch.«

»Lass es mich anders formulieren. Glaubst du, dass die Seele nach dem Tod keine Ruhe findet und noch auf der Erde herumgeistert?« Ich hörte mich selbst reden und konnte nicht fassen, was für Absurditäten aus meinem Munde kamen. »Ja, auch das glaube ich, liebe Pauline. Ich kann mir vorstellen, dass es eine sogenannte Zwischenwelt gibt. Die Seele findet keine Ruhe, weil sie ihre Aufgaben auf der Erde noch nicht erfüllt hat.«

Ich schluckte. Was sollte Alfred noch zu erledigen haben? Vielleicht wollte er den Geschlechtsakt mit seiner Charly bis zum Ende vollziehen. Leider war ihm das durch den eingetretenen Herzinfarkt nicht gelungen. Aber was wollte er dann bei mir? Sex mit Sicherheit nicht. Das war dem guten Alfred doch viel zu anstrengend. Obwohl er immer auf dem Rücken lag und sich gar nicht bewegen musste. Idiot!

»Pauline, wo bist du mit deinen Gedanken? Hörst du mir noch zu?«

»Entschuldige Konrad. Ich muss dir etwas erzählen, aber bitte halte mich nicht für verrückt.«

»Wieso sollte ich? Ist es so schlimm?«

»Ich sehe in den letzten Tagen Alfred. Gerade vor ein paar Minuten im Spiegel hinter der Theke. Zu Hause passieren Dinge, die ich nicht erklären kann. In der Buchhandlung fiel ein Buch aus dem Regal mit dem Titel »Auch tot wirst du mich nicht los.« » Bin ich verrückt, Konrad?«

Konrad schluckte. Er trank etwas schneller an seinem Wein und stellte das Glas so heftig auf den Tisch zurück, dass der Stiel abbrach. Der Kellner kam sofort mit einem neuen und ich war gespannt auf Konrads Antwort.

»Pauline, das ist phantastisch. Endlich bekomme ich einen Beweis für das, was ich schon immer wusste.«

Ich schaute ihn ungläubig an. »Was wusstest du?«

»Dass die Seele, die nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt, Kontakt zu den Lebenden sucht.«

Ich verzog den Mund und war mit seiner Antwort nicht zufrieden.

»Ist er jetzt da?« fragte Konrad und schaute sich verstohlen im Restaurant um.

»Nein«, gab ich ihm etwas gereizt zur Antwort. »Und wie krieg ich ihn wieder los?«

»Du musst auch versuchen Kontakt zu ihm aufzunehmen. Vielleicht muss er dir noch etwas sagen.«

»Mir was sagen? Er soll mich in Ruhe lassen. Ich dachte, dass mit seinem Tod die Ära Alfred beendet sei. Ich möchte mit diesem Idioten nichts mehr zu tun haben. Weder lebend, tot, und erst recht nicht als Geist!«

»Wenn du ihn loshaben willst, Pauline, dann gib ihm die Chance, etwas zu bereinigen.«

Jetzt musste ich laut lachen. »Ich ihm eine Chance geben? Er hat zu Lebzeiten alle Chancen vertan und was ich dir noch sagen möchte, er sitzt gerade am Nebentisch.«

Konrad schaute sich nervös um. »Wo? Rechts oder links?«

Ich zeigte nach links. Konrad wurde immer hektischer. »Ich kann ihn nicht sehen.«

»Das habe ich mir schon gedacht«, gab ich ihm zynisch zur Antwort.

»Wie sieht er aus Pauline?«

»Wie immer! Schlecht! Zu kleine Brille und Halbglatze. Das Toupet ist ihm wohl auf der Fahrt in die Hölle verbrannt. Und dann diese schrecklichen dunkelbraunen Cordhosen.«

Ich wand mich vor Widerwillen ab und spürte, dass ich innerlich viel ruhiger wurde. Ich sprach über ihn, als lebe er noch.

»Jetzt ist er wieder weg, Konrad.« Dieses Mal hatte ich den Eindruck, dass er länger blieb. Seltsam. Vielleicht wollte er mir doch etwas sagen.

»Glaubst du ich bin verrückt?«, fragte ich Konrad abermals, der vor lauter Aufregung den Rest der Flasche leergetrunken hatte.

»Nein, das bist du nicht. Aber rede mit sonst niemandem über diese Erscheinungen. Wer wird dir schon glauben, dass du einen Toten siehst?«

Ich gab ihm Recht. Den Rest des Abends verbrachte ich mit Konrad allein, ohne Alfred.

Am nächsten Tag stand ich sehr lange vor dem Regal mit der esoterischen Literatur. Nichts konnte mich überzeugen. Ich hatte schon einige Spielfilme über dieses Phänomen gesehen und mich darüber amüsiert. Dass es mich einmal selbst betreffen würde, das war zu viel. Obwohl, einen James Dean oder einen Gary Grant würde ich wahrscheinlich eher willkommen heißen.

»Pauline, bist du frei?«, rief Adriane. »Diese Dame hätte gerne ein Buch für eine Vierjährige.«

Ich drehte mich um und sah ein kleines Mädchen mit geflochtenen Zöpfen. Sie saß auf dem kleinen roten Stuhl in der Kinderecke. Ich ging auf die Dame zu. Die Kleine war wohl ihre Enkelin.

»Emma, mit wem erzählst du denn schon wieder?«, fragte sie und gleichzeitig sagte sie zu mir. »Emma hat eine blühende Fantasie. Sie denkt sich Märchenfiguren aus und unterhält sich mit ihnen.«

Ich lief zu dem kleinen Mädchen und fragte vorsichtig: »Wie sieht denn die Person aus, mit der du erzählst?« Sie schaute mich mit großen Augen an. »Es ist ein hässlicher Mann mit Brille und wenig Haaren, aber er ist sehr lieb.« Ich musste lachen. Wieder der Frau zugewandt, sah ich aus dem Augenwinkel heraus, dass Alfred fröhlich hin und her hüpfte. Er erinnerte mich in diesem Moment an einen kleinen Jungen.

Am Abend rief ich Konrad an und berichtete ihm über mein neustes Erlebnis. Am liebsten wäre er sofort bei mir eingezogen, um nichts zu verpassen.

»Ich werde alles aufschreiben, Pauline. Wer weiß? Vielleicht gibt das mal einen Bestseller.«

»Das glaube ich kaum. Alfred ist eher der Loser-Typ.«

Ich versprach Konrad, ihn auf dem Laufenden zu halten. Wir verabredeten uns fürs Wochenende und er bat mich, ihn im Gästezimmer übernachten zu lassen. Mein esoterischer Freund. Seine Liebschaften wurden zur Nebensache. All seine Aufmerksamkeit galt Alfred.

Nachdem ich das Gespräch beendet hatte, lief ich zur Küche, um mir einen frischen Tee aufzubrühen. Diese trostlosen Novemberabende waren prädestiniert, um eingehüllt in einer warmen Decke auf dem Sofa zu liegen. Dazu gehörten für mich eine Tasse Tee und eine Tafel Schokolade.

Als ich ins Wohnzimmer zurück lief, lag diese bereits auf dem Tisch. Aber ich hatte sie nicht dort hingelegt.

»Alfred, bist du da?« Ich kam mir schon blöd vor, diese Frage zu stellen. Aber mir fielen Konrads Worte ein, dass ich versuchen sollte mit Alfred Kontakt aufzunehmen. Es passierte nichts.

»Danke für die Schokolade«, hörte ich mich sagen. »Setz dich doch zu mir.» Ich schüttelte mit dem Kopf und kam mir lächerlich vor. Doch plötzlich war er da. Ich erschrak zuerst, aber dann nahm diese Situation Normalität an. Er saß mir gegenüber, als hätte er nie woanders gesessen.

»Hallo Pauline, wie geht es dir?«

Ich grinste in mich hinein und wagte nicht die gleiche Frage an ihn zu stellen.

»Es geht mir ganz gut, das siehst du doch.«

»Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist«, antwortete er mir. »Aber irgendetwas zieht mich immer wieder zu dir.«

»Ich kann dir sagen, was passiert ist, Alfred. Du hast mich mit einer viel Jüngeren betrogen und bist beim Vögeln unter ihren Händen weggestorben. Das ist passiert Alfred.«

Verschwunden war er.

Ich stand auf und schrie in den leeren Raum. »Das ist typisch. Wenn dir irgendetwas nicht passt, dann verschwindest du. Ich habe dich nicht gerufen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du hier bei mir noch was zu erledigen hast. Ich bin fertig mit dir, Alfred, hörst du? Fertig! Also lass mich in Zukunft in Ruhe.»

Ich setzte mich wütend auf das Sofa, riss das Papier von der Schokolade und stopfte sie Stück für Stück in mich hinein. In diesem Moment war mir sogar egal, ob meine Waage morgen mehr Kilos anzeigte. Mir war alles egal, Hauptsache Alfred ließ sich hier nicht mehr blicken.

Für diese Nacht hatte ich Ruhe, wurde aber dennoch am nächsten Morgen von diesem Quälgeist erneut belästigt. Er saß mit verschränkten Armen auf meiner Badezimmerkommode und grinste mich an. »Verschwinde aus dem Bad! Hier kann ich dich nicht gebrauchen.« Ich warf ein Handtuch nach ihm, aber es fiel sofort zu Boden. »Was bist du eigentlich und wie bewegst du dich fort?«, fragte ich dann neugierig.

»Durch Gedanken und Energie«, gab er mir zur Antwort.

»Aber wieso kann nur ich dich sehen?«

»Ich weiß es nicht, Pauline. Deswegen glaube ich ja, dass wir beide noch eine Rechnung offen haben.«

»Vielleicht wäre es an der Zeit, dass du dich bei mir entschuldigst.«

»Das glaube ich nicht«, gab er mir überheblich zur Antwort.

Ich nahm meine Bürste und schleuderte sie ihm entgegen. Aber auch diese flog durch ihn hindurch, als sei er gar nicht existent.

Ich begann ihn zu ignorieren, denn ich wollte nicht zu spät zur Arbeit kommen. Ich zog mich aus und stieg unter die Dusche. Alfred ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schaute mir belustigt zu.

»Deine Hüften sind runder geworden, meine Liebe und dein Po ist auch nicht mehr so straff.«

Ich platzte fast vor Wut. Wenn er in diesem Moment nicht schon tot gewesen wäre, hätte ich ihn erschlagen.

Selbst in der Buchhandlung wich er mir nicht von der Seite.

»Wie lange soll das so weitergehen? Kannst du dich nicht wenigstens auf der Arbeit von mir fern halten?«

»Was hast du gesagt, Pauline?«, fragte mich Adriane.

In diesem Moment wurde mir wieder bewusst, dass niemand Alfred sehen konnte. »Nichts, entschuldige, ich führe mal wieder Selbstgespräche.«

Ich warf Alfred einen wütenden Blick zu und ließ ihn stehen.

Bei den Kochbüchern entdeckte ich einen gut aussehenden Mann. Jeans, weißes Hemd, schwarzes Sakko, kurz geschnittene Haare. Sehr interessanter Typ. Ich schätzte ihn Mitte Vierzig oder sogar noch etwas jünger. Ich lief zu ihm hinüber. Als ich vor ihm stand, bemerkte ich erst, wie groß er war. »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte ich höflich. »Nein, danke. Ich möchte mich ein bisschen umsehen.« Er nahm ein Kochbuch aus dem Regal. »Wissen Sie, Kochen ist meine große Leidenschaft.« Dabei strahlte er mich mit seinen tiefblauen Augen an. Ich wurde ein wenig verlegen.

»Der ist zu jung für dich.« Alfred stand direkt neben ihm.

Ich versuchte ganz ruhig zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen. Alfred wiederum trieb es auf die Spitze.

»Vergiss dein Alter nicht, meine Gute. Du hast die Fünfzig bereits erreicht.»

»Halt den Mund!«, zischte ich zurück.

»Wie bitte?«, fragte mich mein Kunde entsetzt.

Immer wieder brachte mich Alfred in peinliche Situationen und so langsam kam ich in Erklärungsnot.

»Entschuldigen Sie, ich meinte natürlich nicht Sie. Das ist ein Buchtitel und...«

»Ein Buchtitel?«, unterbrach er mich erstaunt. »Davon habe ich noch nie etwas gehört?«

»Du bist eine schlechte Lügnerin«, mischte sich Alfred erneut ein. Ich versuchte ruhig zu bleiben und konzentrierte mich auf den attraktiven Mann.

»Wenn Sie hier nicht fündig werden, kann ich auch gerne im Computer nachschauen und Ihnen etwas bestellen.«

Taktik von mir. So erfuhr ich seine Adresse, inklusive Telefonnummer. Ganz zwanglos konnte ich ihn dann anrufen. Er interessierte sich dann tatsächlich für ein Kochbuch, welches wir nicht auf Lager hatten. Ich tippte seinen Namen in den PC ein und fragte nach seiner Telefonnummer. An der Vorwahl erkannte ich, dass er hier in der Stadt lebte. Er bedankte sich freundlich, verließ die Buchhandlung nicht, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen. Joshua Rosenbaum, sehr interessanter Name. Er klang so schön.

»Was ist das denn für ein Name?«

»Immer noch besser als Alfred Kramer.«

»Ist dir klar, Pauline, dass du vor meinen Augen mit einem fremden Mann geflirtet hast.«

Ich lachte laut auf. »Du bist tot Alfred und außerdem sind, bzw. waren wir geschieden. Hast du das vergessen? Warum beehrst du nicht deine kleine Charlotte? Sie würde sich mit Sicherheit mehr freuen als ich.«

»Aber es zieht mich zu dir und ich muss herausfinden, warum.«

Am Freitagabend stand Konrad mit einer Reisetasche bepackt vor meiner Tür. Er küsste mich links und rechts auf die Wange, streckte mir eine Flasche Weißwein entgegen und sah mich erwartungsvoll an.

»Ist er da?«

»Im Moment nicht. Darüber bin ich ganz froh. Er hat mich in den letzten Tagen genug belästigt. Wir müssen uns überlegen, wie wir ihn loswerden. Ich fühle mich ständig beobachtet.«

»Du kannst ihn nicht loswerden, Pauline. Er muss von selbst verschwinden. Frag ihn doch mal, ob er das Licht sieht.«

»Welches Licht?« Ich schaute Konrad verständnislos an.

»Das Licht, in das die verstorbenen Seelen gehen, um dann endlich ins Himmelreich zu fahren.«

Ich ließ mich auf das Sofa sinken. Das war mir alles zu viel.

»Konrad, bitte sei mir nicht böse, aber ich kann all dem nicht mehr folgen. Das scheint mir doch zu überdreht.«

»Wenn du möchtest, dass ich dir helfen soll, dann musst du dich auf mich einlassen. Sonst kommen wir keinen Schritt voran.«

Ich öffnete die Flasche Wein, um Konrad und mich für kurze Zeit auf andere Gedanken zu bringen. Da klingelte plötzlich das Telefon.

»Joshua Rosenbaum, spreche ich mit Pauline Sander?«

»Ja.«

»Erinnern Sie sich an mich?«

Ich wusste sofort, wer er war, aber ich wollte es nicht zugeben.

»Tut mir leid, im Moment sagt mir der Name nichts«, log ich ihn an.

»Ich war bei Ihnen in der Buchhandlung und hatte ein Buch bestellt. Es war bereits am nächsten Tag da, aber Sie haben mich vergessen anzurufen. Ihre Kollegin hat Ihre Aufgabe übernommen. Ich bat Sie um Ihre Telefonnummer und sie hat sie mir tatsächlich gegeben. Zur Strafe, weil Sie mich vergessen haben, wollte ich Sie nun zum Essen einladen.«

Ich schmunzelte. »Aber wir kennen uns doch gar nicht. Wieso sollte ich mit einem fremden Mann zum Essen gehen?«

»Wenn man jemand zum ersten Mal begegnet, ist man sich doch immer fremd.«

Er hatte Recht. Dieser schlagfertige, gut aussehende Mann.

»Sie haben mich überzeugt, Herr Rosenbaum. Ich gehe gerne mit Ihnen essen.«

»Wie wäre es morgen? Oder haben sie samstags Verpflichtungen?«

»Normalerweise nicht, aber morgen geht es leider nicht. Wie wäre es nächste Woche Samstag?« »Sehr gerne. Ich rufe Sie nochmal an und wir können alles Weitere besprechen. Schönes Wochenende.« Ich wünschte ihm das Gleiche.

»Du wirst nicht mit ihm ausgehen.« Alfred stand plötzlich vor mir und fauchte mich an.

»Ich mache was ich will und du hast mir schon lange nichts mehr zu sagen.«

Konrad erhob sich sekundenschnell von seinem Sessel und stellte sich neben mich. »Steht er jetzt vor dir?« »Ja, und ich könnte ihn umbringen.« Alfred lachte. »Da muss ich dich enttäuschen, ich bin bereits tot.«

Konrad wurde immer aufgeregter und fuchtelte mit den Händen wild hin und her. »Vielleicht spüre ich etwas Pauline, seine Aura oder irgendwelche Schwingungen.«

Die einzigen Schwingungen die ich spürte, waren zwei chaotische Männer, die mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven gingen.

Ich erinnerte mich an die Hochzeit mit Alfred. Ziemlich jung und unerfahren nahm ich seinen plumpen Heiratsantrag an. Er fiel weder auf die Knie noch stand er mit einem Strauß roter Rosen vor mir. Alfred war eher der pragmatische Typ. Er meinte, es wäre an der Zeit zu heiraten und ich stimmte emotionslos zu. Die Jahre von der Heirat bis zur Trennung erschienen mir wie eine Nulllinie auf einem EKG. Weder Höhen noch Tiefen, einfach nur langweilig, tot. Bei Gesprächen mit meiner besten Freundin Katharina fragte sie mich immer wieder, warum ich es so lange mit diesem Kerl ausgehalten hatte. Ich konnte ihr keine plausible Antwort darauf geben. Beschämend! Da verbrachte man so viele Jahre mit einem Mann und fragte sich am Ende nach dem warum? Ich erinnerte mich noch genau daran, als er aus unserer gemeinsamen Wohnung auszog. Er demontierte sogar die Feuermelder von der Decke, weil er sie irgendwann einmal bezahlt hatte. Das war mein Alfred. Da konnte ich wirklich froh sein, dass er mir nicht die Tapeten von den Wänden zerrte. Die hatte er nämlich auch bezahlt.

Konrad riss mich aus meinen Gedanken.

»Es wäre vielleicht besser, wenn du Charlotte mit einbeziehst.«

»Niemals!«, gab ich ihm entrüstet zur Antwort. »Ich war glücklich und froh, beide nie wieder zu sehen. Jetzt bin ich umgeben von meinem toten Ex-Mann und soll mir dessen Geliebte zur Freundin machen. Konrad, hältst du mich wirklich für so blöd?«

»Willst du ihn loswerden oder nicht?«, fragte er sauer.

»Gib mir die Garantie, dass ich ihn dann los bin.«

Konrad schüttelte mit dem Kopf. »Die Garantie kann ich dir nicht geben. Ich weiß es ja selbst nicht.« Somit war auch dieses Thema abgeschlossen.

Am nächsten Morgen saßen Konrad und ich beim Frühstück, als ich aus dem Wohnzimmer ein Wimmern hörte.

»Still Konrad, hörst du das auch?«

»Nein. Ist er wieder da?«

Ich stand auf und lief ins Wohnzimmer. Alfred saß auf dem Sofa und stieß unverständlich Laute aus. »Was ist los mit dir? Musst du denn ständig bei mir herumlungern?«

Er antworte mir nicht. Ich schrie ihn an. »Gib mir gefälligst Antwort, wenn ich mit dir rede!«

Konrad versuchte mich zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht.

Ich nahm eine Vase, die auf dem Tisch stand und warf sie nach Alfred. Natürlich fiel diese durch ihn durch und zerbrach auf dem Boden. Es war eine schöne Vase. Ein Geschenk von Katha.

Alfred verschwand und ließ mich mit meinem Gekreische allein.

Ich starrte wutentbrannt und fassungslos zu Konrad. »Dieser Idiot benimmt sich genau wie zu Zeiten unserer Ehe. Selbst im Tod bringt er mich zur Weißglut. Das muss aufhören Konrad. Hilf mir endlich.«

Konrad schüttelte mit dem Kopf. »Wenn ich nur wüsste wie? Ich war zwar zuerst anderer Meinung, aber es ist auf jeden Fall besser, wenn du Katharina, deine Kollegin Adriana und Charlotte einweihst. Dann kannst du dich freier bewegen, wenn Alfred wieder auftaucht.«

»Sie werden mir nicht glauben«, antwortete ich hoffnungslos.

Wir frühstückten zu Ende, obwohl mir mittlerweile der Appetit vergangen war.

Im Laufe des Vormittages richtete sich Konrad häuslich bei mir ein. Er zog ein Tarot Kartenspiel, eine Wünschelrute und einen Geigerzähler aus seiner Reisetasche. Ich traute meinen Augen nicht.

»Wofür bitte ist der Geigerzähler?« Konrad wirkte sehr beschäftigt und gab mir nur eine sehr kurze Antwort. »Zum Messen von Schwingungen.«

»Messen von Schwingungen?« fragte ich weiter. »Ich dachte, der Geigerzähler misst verstrahlte Personen oder Gegenstände?«

»Das auch, Pauline.«

Ich ließ ihn in Ruhe weiterarbeiten. Verstrahlt war Alfred ja schon immer. Dann konnte vielleicht doch der Geigerzähler helfen.

Mein Vertrauen zu Konrad verschwand aber gänzlich, als er mich bat, eine Tarot Karte zu ziehen. Ich überlegte, was das nun mit Alfred und dessen Gegenwart zu tun hatte.

Aber ich zog sie trotzdem und drehte sie um. »Der Gehängte« war zu lesen und ich gab die Karte Konrad. Er murmelte sich irgendwas Unverständliches in den Bart und lehnte sich besorgt zurück.

»Was ist los Konrad?«

»Hm, schwierig, schwierig. Das wird ein langer Weg.« Er strich sich über das Kinn und verdrehte die Augen. Ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben, weil er mich nicht aufklärte. Ich wurde in den letzten Tagen zunehmend aggressiver und das war allein Alfreds Schuld.

»Charly muss her«, sagte er plötzlich. »Ohne sie komme ich nicht weiter.«

Ich griff den Stapel mit den Tarot Karten und streute sie wild durchs Zimmer. Konrad wurde böse und schrie mich an. »Wenn du nicht tust, was ich dir sage, dann lasse ich dich mit deinem Alfred für den Rest deines Lebens allein. Willst du das?«

Das war das Letzte was ich wollte. Wenn es denn sein musste, damit Alfred endlich verschwand, bat ich auch Charlotte zu unserem Geistertreffen.