Nie mehr Stress mit meinem jagenden Hund - Alexandra Wischall-Wagner - E-Book

Nie mehr Stress mit meinem jagenden Hund E-Book

Alexandra Wischall-Wagner

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Beschreibung

Es gibt kaum einen Hund, der nicht in irgendeiner Weise Jagdverhalten zeigt. Schmetterlinge, Vögel, Schatten - ab und zu geht mit unseren Vierbeinern das Wilde durch. Viele Menschen sind sich der Veranlagung ihres Tieres gar nicht bewusst, stöhnen aber über die daraus entstandenen Flausen. Bello zieht im Wald wie verrückt an der Leine? Der Nachbar beschwert sich wegen seiner dauergehetzten Katze? Das muss nicht sein. Der Ratgeber von Alexandra Wischall-Wagner vereint aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und praxiserprobte Tipps, wie man die Veranlagung des Hundes geschickt umlenken kann. Probleme in der Welpenzeit sind ebenso Thema wie geeignete Auslastungsideen und Beschäftigungsmöglichkeiten für den jagdbegeisterten Hund.

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Seitenzahl: 286

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Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Anita Zellner

Lektorat: jvr media, München

Bildredaktion: Petra Ender

Korrektorat: Annette Baldszuhn

Covergestaltung: ki36 Editorial Design, München, Bettina Stickel

eBook-Herstellung: Viktoriia Kaznovetska

ISBN 978-3-8338-8429-0

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: Trio Bildarchiv

Illustrationen: Shutterstock

Fotos: Adobe Stock; Anna Auerbach; Getty Images; Tanja Hofer; Julia Machan; Mauritius; Stocksy; Tierfotoagentur; Bildarchiv

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-8429 06_2022_02

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Tipps in diesem Buch basieren auf den Erfahrungen der Verfasserin. Sie wurden von ihr nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Weder Autorin noch Verlag können jedoch für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

VORWORT

Jagdaffine Hunde spielen schon seit langer Zeit eine wichtige Rolle in meinem Leben. Was vor gut fünfzehn Jahren mit meiner »wadelschnappenden« Hütehündin Cleo begann und mich danach zur apportierbegeisterten Labrador-Hündin Zoe führte, fand in meinen Langhaar-Weimaranern Linus und Newton seine Vollendung. Ich war einfach hin und weg von der Willenskraft, Schönheit und Arbeitsfreude dieser Jagdhunde! Sie waren es letztlich, die meine Leidenschaft für die Jagd so richtig entfachten, und bis heute begleiten mich die beiden in Wald und Flur.

Jagdhunde, meine große Liebe!

Was Jagdhunde mit Körper und Geist zu leisten vermögen, ist für uns Menschen oft schier unvorstellbar. Frei nach dem Motto »Jagd ohne Hund ist Schund« liegt mir die moderne Ausbildung der Hunde für die Jagd ebenso am Herzen wie die Auslastung der Talente jener, die sich nicht in Jägerhand befinden.

In Deutschland und Österreich sind vor allem Vorstehhunde wie der Deutsch Kurzhaar, Vizsla oder Weimaraner populär. Im Durchschnitt besitzen rund elf Prozent aller deutschen Jäger einen Hund, wobei dies in jedem vierten Jägerhaushalt ein Vorstehhund ist, dicht gefolgt von Teckeln (zwölf Prozent), Retrievern (zehn Prozent) und Terriern (acht Prozent). Die entsprechenden österreichischen Verbände konnten mir dazu leider keine Zahlen bereitstellen. Und wie viele Jäger gibt es in Europa? Laut einer Statistik des Deutschen Jagdverbandes (DJV) ist ihre Anzahl in Frankreich am höchsten, gefolgt von Spanien und Italien. Kein Wunder also, dass sich auch französische, spanische und italienische Jagdhunde großer Beliebtheit erfreuen.

Talente mit Schattenseiten

Die besondere Ausstrahlung und Geschichte dieser Rassen fasziniert natürlich auch Hundefreunde, die mit der Jagd nichts oder nur wenig am Hut haben. Häufig wird dann aber verdrängt, dass herausragende Jagdtalente – zu ihnen zählen unter Umständen auch Hüte- und Herdenschutzhunde und deren Mischlinge – eben auch ihre Schattenseiten haben: Der gemeine Jagdhund, der seine Rassebeschreibung akribisch genau gelesen hat, wird in der Stadt Tauben verfolgen, Omas Blumenbeete umgraben oder Onkel Ottos preisgekröntem Kaninchen hinterherhetzen – und dadurch unangenehm auffallen. Damit das Jagdverhalten Ihres Tieres nicht zur Dauerbelastung für Beruf und Familie wird, sind daher vor allem drei Dinge unverzichtbar: Verständnis bzw. Bildung, Management und Umorientierung. Aber dazu später mehr.

Der Mittelweg als Königsweg

Wie viel Erziehung, Training und Auslastung ein Hund wirklich braucht, ist heutzutage ein oft emotional und kontrovers diskutiertes Thema: Während manche so lange warten, bis ihr Vierbeiner freiwillig vom Bein eines Rehs ablässt, erlauben andere ihrem Hund nicht einmal den kleinsten scheuen Seitenblick Richtung Wildnis. Für mich persönlich ist der Mittelweg der Königsweg, und der muss vor allem zum jeweiligen Mensch-Hund-Team passen. Auch wenn die persönlichen Charakterzüge unserer Hunde wahrgenommen und gefördert werden sollten, gibt es einen Aspekt, für den ein guter und spielerisch eingeübter Gehorsam unerlässlich ist, und das ist der Faktor Sicherheit! Und damit meine ich nicht nur Ihre und die Sicherheit Ihres Hundes, sondern auch die aller anderen Lebewesen – egal, ob es sich dabei um Radfahrer im Wald, rennende Kinder oder spielende Rehkitze handelt.

»Ich war einfach hin und weg von der Willenskraft, Schönheit und Arbeitsfreude dieser Tiere.«

Natürlich könnte man jetzt wieder stundenlang diskutieren, wo Training beginnt und wo es endet. Auch die Art und Weise, wie man Hunden etwas beibringt, und ob man es »üben«, »tun« oder besser »trainieren« nennen sollte, könnte akribisch auseinandergenommen werden. Ist es aus ethischer Sicht überhaupt vertretbar, ein anderes Lebewesen zu erziehen bzw. zu »verziehen«? Auch hier gibt es unterschiedliche Standpunkte.

»Sie werden feststellen, wie viel Freude gutes Training macht und wie viel Selbstwirksamkeit Sie dabei erfahren können.«

Wie Sie diesen Ratgeber nutzen

Während im Internet und in unzähligen Online-Hundeforen lang und breit (und meist ergebnislos bzw. in die falsche Richtung) über diese Themen debattiert wird, soll in diesem Buch deutlich werden, dass im Zusammenleben mit Ihrem Hund vor allem eines zählt: Sicherheit und Respekt im Umgang miteinander. Niemand möchte einen Vierbeiner vor ein Auto laufen sehen oder tagelang hoffen und bangen, dass das entlaufene Tier endlich wieder nach Hause kommt. Wildtiere schätzen es nicht, wenn ihnen ein aus dem Maul schäumender Hund am Hintern klebt, und auch Jäger freuen sich nicht über den Anblick eines zu Tode gehetzten Wildtieres.

Vor allem in der zweiten Hälfte des Buches werden Sie feststellen, wie viel Freude gutes Training macht und wie viel Selbstwirksamkeit Sie dabei erfahren können. Vorab will ich Ihnen aber einiges über die Geschichte der Jagdhunde und die Entwicklung der wichtigsten Rassen erzählen und Ihnen zudem ein paar Grundlagen der Lerntheorie vermitteln. Im Anschluss folgt dann eine Vielzahl an weiterführenden Übungen und Anleitungen, die ich an die jeweiligen Lebensabschnitte Ihres jagdbegeisterten Vierbeiners angepasst und entsprechend gegliedert habe.

Ein Buch, zwei Leidenschaften

Profitieren können Sie dabei hoffentlich auch von meinem Know-how aus der Humanpsychologie und den psychologischen Kniffen, die ich Ihnen immer wieder an die Hand geben möchte. Verweise werden Ihnen dabei helfen, quer zu lesen, so Sie Ihren Hund nicht schon im Welpenalter adoptiert haben.

Zudem präsentieren Ihnen die zahlreichen Tipp- und Infokästen sowie die Rubrik »Frage & Antwort« interessante Fakten, Hintergründe und praktische Beispiele aus meinem Trainingsalltag, die Ihnen weiterhelfen oder Sie hoffentlich zumindest ein wenig amüsieren werden. Nicht zuletzt richtet sich dieses Buch auch an Profis und Jäger – oder alle, die es werden wollen. Auch für sie habe ich etliche Tipps zusammengestellt.

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch – ganz bewusst und ohne Wertung – auf den Gebrauch geschlechtergerechter Formulierungen verzichtet. Es gibt also keine Gendersternchen, Schrägstriche oder dergleichen im Schriftbild, denn das sorgt vor allem in Sachbüchern oft für Verwirrung. Selbstverständlich richten sich aber sämtliche Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörter in den nachfolgenden Texten gleichermaßen an Frauen, Männer und alle, die sich keinem dieser Geschlechter zuordnen.

Jetzt wünsche ich viel Freude beim Lesen und Ihrem jagdlich begeisterten Hund wie auch Ihnen viel Erfolg und ein lachendes Gesicht während des Trainings.

Viel Spaß mit Ihrem Liebling

Mag. Alexandra Wischall-Wagner

ERZIEHUNG UND TRAINING Grundlagen

Wunderbar, Sie haben sich also für einen Jagdhund entschieden! Bevor Sie mit ihm trainieren, spielen und durch die Natur streifen, sollten Sie einige Dinge wissen und beachten.

FASZINATION JAGDHUND

Darwins kaiserliche Jäger

Die Fähigkeiten und die Eleganz von Jagdhunden faszinieren uns Menschen seit jeher. In modernen Zeiten bringt diese Begeisterung aber auch Herausforderungen mit sich.

»Schau dir den Blick deines Hundes an: Kannst du immer noch behaupten, er hätte keine Seele?«

VICTOR HUGO

Kein anderes Lebewesen begleitet den Menschen nun schon so lange und so intensiv wie der Hund. Wie und warum er sich vom Wildtier zum Haushund entwickelt hat, dazu gibt es viele unterschiedliche Theorien, die als Erklärung vor allem die Grundbedürfnisse nach Schutz, Nahrung und sozialem Kontakt heranziehen. Diese Bedürfnisse existierten auf beiden Seiten, also bei Mensch und Hund, und spielten bei dieser Evolution mutmaßlich eine wichtige Rolle.

Von der Vorstellung, dass frühe, weibliche Menschen verwaiste Wolfswelpen aus Mitleid adoptiert haben könnten, um sie dann – wie ihre eigenen Kinder – zu säugen und großzuziehen, ist man heute aber abgerückt. Unumstritten ist jedoch die Tatsache, dass der moderne Hund ursprünglich vom Wolf abstammt, genauso wie der Mensch im Affen seinen Urvater findet. Darüber hinaus gibt es eine Theorie, die besagt, dass Wolf und Hund einen gemeinsamen, allerdings längst ausgestorbenen Ahnen haben.

WIE HUND UND MENSCH ZUM TEAM WURDEN

Bei archäologischen Arbeiten in Kasachstan wurde 1975 in einer Höhle ein Schädel ausgegraben, der hundetypische Merkmale (unter anderem eine kürzere Schnauze als die des Wolfs) aufweist. Experten schätzen, dass die Skelettreste 33 000 Jahre alt sind. Der Fund gilt somit als ein sehr sicherer Beweis dafür, dass die Domestikation des Hundes – also seine Entwicklung vom Wildtier zum Haustier – damals schon begonnen hatte. In einer Höhle in Südfrankreich wiederum haben Wissenschaftler die rund 25 000 Jahre alten Abdrücke von Hundepfoten und gleich daneben die Fußabdrücke eines etwa zehnjährigen Jungen entdeckt. Die Pfotenabdrücke des Tieres ähneln dabei denen eines heutigen Schäferhundes.

Bekannt ist auch, dass die Evolution des Hundes Hunderttausende Jahre gedauert hat und dass die meisten der Vierbeiner, die wir heute halten, mit Wölfen genauso viel oder wenig gemeinsam haben wie wir mit den Urmenschen der Steinzeit. Rein evolutionstheoretisch betrachtet, wäre es denkbar, dass unsere Vorfahren die in ihren Augen hübschesten und zahmsten Exemplare früher Hunde bevorzugt gefüttert, verpaart und somit schlussendlich bereits gezüchtet haben. Weniger interessierte oder gar aggressive Tiere profitierten wohl eher nicht von dieser Sonderbehandlung, und so kam es bereits zur Selektion.

Warum sich Mensch und Hund überhaupt annäherten, bleibt aber ein Rätsel, das man auch nur schwer lösen kann, wenn man nicht selbst dabei gewesen ist. Selbstverständlich konnten auch die frühen Hunde diese Entwicklung mit beeinflussen, denn nicht alle waren zutraulich oder wagten sich überhaupt ins Blickfeld des Menschen.

Wann und warum wurden wilde Hunde zu Haustieren? Forscher gehen davon aus, dass Zwei- und Vierbeiner schon zu Urzeiten gemeinsam jagen gingen und so die Domestizierung des Hundes vorangetrieben wurde.

Kooperation bei der Jagd – lernen durch Beobachtung

Unstrittig ist, dass beide Spezies später eine ganz besondere Bindung eingegangen sind. Mensch und Hund studieren sich seit Jahrtausenden gegenseitig, und das vor allem in einem, nämlich ihrem Jagdverhalten. Einige Wissenschaftler pochen darauf, dass der frühe Mensch Wölfe beobachtet hat, um seine eigenen Jagdstrategien zu perfektionieren. Was unseren Vorfahren dabei besonders aufgefallen sein soll, war die Kooperation, also die Strategien, mit denen sich die Wölfe im Rudel gegenseitig ihre Beute freispielten und diese am Ende auch gemeinsam erlegten. Wer jetzt allerdings denkt, nur der Urmensch habe den Wolf beobachtet, irrt: Archäologische Aufzeichnungen – zu ihnen zählt auch der bereits erwähnte Schädel, der im kasachischen Altai gefunden wurde – legen nahe, dass vor gut 30 000 Jahren sogenannte »Protodogs« auftauchten, die es damals schon verstanden, ihr Jagdverhalten durch die Beobachtung des Homo sapiens zu verbessern.

Als recht unwahrscheinlich gilt hingegen, dass unsere Vorfahren gemeinsam mit Wölfen auf die Jagd gingen. Denn anders als Hunde, wie man heute weiß, bauen Wölfe keine engere Bindung zum Menschen auf. Wer jemals ein Wolfsrudel bei der Jagd beobachtet hat, kann erahnen, wie unwahrscheinlich es ist, nach erfolgtem Schlagen der Beute ein Stückchen Wild von einem Wolf geschenkt zu bekommen. Kaum jemand, der sein Leben schätzt, würde sich in die Nähe so eines Rudels wagen – geschweige denn einen der Wölfe bitten, ihm einen Happen abzugeben.

Auf Beutezug mit Raben und Falken

Mit anderen Tierarten kooperieren Wölfe interessanterweise sehr wohl bei der Jagd: 2010 beobachteten Forscher, dass etwa Raben und Wölfe echte Teamplayer sind und sich sogar gegenseitig in der Nähe ihres Nachwuchses dulden. Machen sich die Wölfe mit tiefem Magenknurren auf die Beine, schwingen sich auch die Raben in die Lüfte und rufen den Vierbeinern gekonnt zu, wo sich gerade Wild aufhält. Als Dank für ihre Dienste dürfen sich die Vögel über Reste der erlegten Beute freuen. Studien in Südamerika ergaben, dass sich auch die dort lebenden Aplomadofalken mit den Mähnenwölfen zusammentun: Vom Wildhund aufgescheuchte Hühnervögel werden so etwa von den Falken im Flug abgefangen.

Nachdem sich der Mensch aber eher selten mit Knochen und anderen Resten von Wildtieren zufriedengibt, ist er für den Wolf in der Nahrungskette wohl eher ein Konkurrent als ein Partner. Und trotzdem: Das Interesse von Kaniden, mit anderen Individuen auf Beutezug zu gehen, könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass sich auch frühe Hunde dem Menschen auf der Jagd angeschlossen haben.

Gut zu wissen
Mehr Jagderfolg mit Hunden

Frühe Hunde werden oft auch »Protodogs« genannt und unterscheiden sich in Schädelform und Zahnstruktur vom Wolf. Wissenschaftler schätzen, dass ihre Geschichte zwischen 15 000 und 40 000 in die Vergangenheit zurückreicht. Eine Studie aus dem Jahr 2004 unterstützt zudem die Annahme, dass die gemeinsame Jagd von Menschen und Protodogs die Evolution des Hundes vom Wild- zum Haustier vorangetrieben hat: In Finnland wurden Gruppen beobachtet, die mit und ohne ursprüngliche und nicht gesondert ausgebildete Hunde auf Elchjagd gingen. Die Jagd mit den Vierbeinern brachte schlussendlich fast 60 Prozent mehr Erfolg als ohne diese.

DER JAGDHUND IM SPIEGEL DER GESCHICHTE

Erste zuverlässige Darstellungen von Hunden, die bei der Jagd zum Einsatz kamen, findet man bereits in den Hochkulturen der Antike. Im Nibelungenlied werden Jagdhunde literarisch erwähnt, ja sogar die Ausdrücke »Spürhund«, »Leithund« und »Bracke« fallen hier bereits. Bracken sind seit jeher für ihre besonders feinen Nasen und ihre ausgezeichnete Fährtenarbeit bekannt. Sie orientieren sich sehr sicher im Gelände und sind auch mutig, wenn es darum geht, das Wild in die Enge bzw. in eine für den Jäger günstige Position zu treiben. Bekannte heutige Vertreter sind die Brandlbracke, die Tiroler Bracke, die Deutsche Bracke und noch viele mehr. Bracken sollen »spurlaut« Geruch aufnehmen, also nur dann bellen, wenn sie eine Fährte aufgenommen haben. Danach wird das Wild gehetzt und schließlich gestellt.

Einige der Wasserspeier am Wiener Stephansdom sind in Form von Jagdhunden gestaltet. Karl der Große und später Kaiser Maximilian I. von Österreich – um hier nur zwei Namen historischer Berühmtheiten zu nennen – waren bereits im frühen und späten Mittelalter als Liebhaber von Jagdhunden bekannt, und im 16. Jahrhundert finden sich zunehmend Maler und Bildhauer, die Jagdszenen mit Hunden auf das Kunstvollste verewigen. Seinerzeit wurden in ganz Europa sogenannte »Rüdenhäuser« errichtet, herrschaftliche Schlösser, in denen die Hunde des Adels untergebracht und versorgt wurden. Die Wiener Rüdengasse und der sogenannte »Hundsturm« sind nur Beispiele von Orten, an denen diese Häuser standen. Ob auch der Name der bayerischen Marktgemeinde Rüdenhausen im Landkreis Kitzingen ursprünglich auf so ein fürstliches Domizil für Jagdhunde zurückgeht, ist nicht gesichert.

»Im Barock jagte man nicht nur, man zelebrierte das Aufspüren, Verfolgen und Erlegen von Wild voller Überschwang.«

ALEXANDRA WISCHALL-WAGNER

Feinsinnige Spezialisten

Erste Darstellungen eines Hühnerhundes – heute unter dem Namen »Pointer« bekannt – gibt es im 17. Jahrhundert. Auch Frankreich und England entdeckten in dieser Zeit ihre Liebe zur Zucht. Vorstehhunde wurden seit jeher gerne auf der Jagd nach Vögeln eingesetzt, häufig gemeinsam mit Falken. Diese Hunde wollen Wild mit ihren Augen und Nasen orten: Erschnuppertes Wild wird dem Jäger durch das Heben eines Laufes (Vorstehen) angezeigt. Dabei verharrt der Hund so lange regungslos in Position, bis es zur Schussabgabe kommt. Im Idealfall wird das erlegte Wild zügig apportiert, also zum Jäger zurückgebracht; angeschossene Tiere sollen schnell und verlässlich nachgesucht werden. Unter den Vorstehhunden sind gegenwärtig vor allem der Magyar Vizsla, Setter, Weimaraner und der Deutsch Kurzhaar weit verbreitet. Aber auch italienische oder französische Vorstehhunde wie der Spinone Italiano oder der Braque Français erfreuen sich großer Beliebtheit.

Vorstehhunde wie der ungarische Magyar Vizsla sind bis heute sehr beliebt. Früher wurde diese Rasse vor allem für die Jagd auf Vögel eingesetzt.

Schweißtreibende Fährtenarbeit

Mit Erfindung der oft noch sehr ungenau treffenden Schusswaffen im 18. Jahrhundert wurde der Einsatz brauchbarer Schweißhunde immer wichtiger. Zu ihnen zählen etwa der Gebirgsschweißhund oder der italienische Segugio. Als »Schweiß« bezeichnet man in der Jägersprache das Blut gejagter Tiere, das natürlich in vielen Fällen auch dann zu Boden tropft, wenn diese nur einen Streifschuss abbekommen haben. Bei geschulten Schweißhunden sind Geruchssinn, Willenskraft und Ausdauer so stark ausgeprägt, dass sie angeschossenes Wild auch noch viele Stunden nach einer Verletzung und über große Distanzen hinweg aufspüren und stellen können.

Im Barock jagte man nicht nur, man zelebrierte das Aufspüren, Verfolgen und Erlegen von Wild – wie eben typisch für diese Zeit – voller Überschwang. Die Jagd wandelte sich immer mehr von einer Notwendigkeit hin zum gesellschaftlichen Event privilegierter Eliten, bei dem man zeigte, was man hatte. Und dazu zählten eben nicht nur Ausrüstung und Kleidung, sondern auch die Begleithunde. Neben dem eingangs erwähnten Schweißhund spielten in dieser Zeit auch sogenannte Bauhunde eine immer wichtigere Rolle, denn die in Erdhöhlen lebenden Dachse und Füchse wurden im 18. Jahrhundert bevorzugt bejagt. Begehrt war neben dem Fleisch und Körperfett vor allem das prächtige Fell dieser Tiere.

Zu den bekanntesten Bauhunden zählt der Dackel, auch Dachshund oder Teckel genannt, der bis heute als hervorragender Jagdbegleiter gilt. Er möchte nach Wild stöbern, es zur Flucht oder zum Anhalten bringen und es gegebenenfalls nach dem Schuss auf der Fährte suchen. Diese Leidenschaft teilen auch seine Kollegen, etwa der Foxterrier, der Deutsche Jagdterrier oder der Parson Russell Terrier. Obwohl Bauhunde gerne stöbern, zählen sie nicht offiziell zur Gruppe der Stöberhunde. Hier findet man heute unter anderem den Deutschen Wachtelhund, den Springer Spaniel oder den Cocker Spaniel. Diese Vierbeiner durchforsten mit Inbrunst das Dickicht, gehen Fährten und apportieren kleineres Wild.

Gut zu wissen
Darwin, Aristoteles und die Zucht

Jagdhunde sind talentierte Jäger, keine Frage. Die anmutigen Tiere standen in den Adelshäusern aber auch als Prestigeobjekte hoch im Kurs und wurden durch die Zucht immer weiter optimiert. Befeuert wurde diese Entwicklung vom britischen Naturwissenschaftler Charles Darwin (1809–1882) und seiner Erkenntnis, dass sich die Eigenschaften biologischer Arten durch gezielte Auswahl und Vermehrung über Generationen hinweg verbessern können.

Darwin wurde vor allem durch seine Theorie der »natürlichen Selektion« bekannt, dennoch erwies sich seine Idee, die fittesten Individuen bewusst zu verpaaren, zugleich als nützlicher Ansatz für die Zucht. Auch wenn bereits Aristoteles in der Antike über 500 Tierarten in acht Klassen einteilte, so war es doch Darwin, der die Kynologie – also die Lehre von der Zucht, Dressur und Krankheit der Hunde – in Europa entscheidend beeinflusst hat. Er war es, der die intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten von Hunden als Erster mit denen des Menschen verglich.

Bauhunde wie der kleine Dackel sind so kräftig und gleichzeitig schlank und wendig, dass sie in die unterirdischen Höhlen von Dachsen und Füchsen eindringen können.

Retriever, Beagle und andere Jagdprofis

Im 19. Jahrhundert wurde die Kunst des Apportierens immer mehr geschätzt. Bis heute sind vor allem in Spanien, Frankreich und Portugal sogenannte Wasserhunde populär. Zu dieser Gruppe von Jagdhunden zählt auch der italienische Lagotto Romagnolo, der in Norditalien immer noch gern zur Trüffelsuche eingesetzt wird. In vielen anderen Ländern wurden Wasserhunde aber mittlerweile durch Apportierhunde wie den Labrador Retriever oder den Nova Scotia Duck Tolling Retriever verdrängt. Als Vorfahre der heutigen Retriever – aber auch des Neufundländers – gilt übrigens der bereits ausgestorbene St. John’s Hund. Er wurde ab dem 16. Jahrhundert in Neufundland dazu eingesetzt, Fische zu fangen und Netze wieder einzubringen. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Rasse nach England exportiert und dort für den Adel und seine Jagdveranstaltungen weiter gezüchtet.

Laufhunde sind imstande, Wild über weite Strecken zu verfolgen, und werden vor allem bei Meutejagden, also der Jagd mit vielen Hunden, eingesetzt. Während beispielsweise der Beagle ein Vertreter der kleinen Laufhunde ist, wird der Griffon den großen zugerechnet. Bracken sind den Laufhunden im Wesentlichen sehr ähnlich.

Auch Hunde vom Doggentyp – die heute übrigens vor allem aufgrund ihrer Größe nicht mehr zu den gemeinen Jagdhunden zählen – erfreuten sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit und wurden zuhauf auf Bären losgelassen. Otto von Bismarck, der erste Kanzler des Deutschen Kaiserreichs, war dieser Rasse sein Leben lang verfallen. Die Methoden, mit denen diese Hunde damals ausgebildet wurden, waren jedoch barbarisch: Trainiert wurde mit jungen, eingefangenen Bären, und um die Hunde vor den gewaltigen Hieben ihrer Tatzen zu bewahren, mussten sie schwere, stachelige Schutzhalsungen tragen. Zudem kamen sogenannte »Storchengabeln« zum Einsatz, die den Doggen ins Gesicht stachen, sobald sie den Kopf senkten, um mit tiefer Nase zu suchen. Zu allem Übel wurden besonders motivierte Hunde auch noch absichtlich geblendet, damit sie sich nicht zu sehr von optischen Reizen ablenken ließen. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu grotesk, dass Hunde mit Sehbeeinträchtigung heute als Jagdgefährten oftmals nicht mehr infrage kommen und sofort ausgemustert werden.

Mit Wehmut ist an dieser Stelle anzumerken, dass einige Hundetrainer bis heute auf grausame Hilfsmittel wie Krallen- oder Elektroschockhalsbänder zurückgreifen. Das gilt insbesondere für die Ausbildung von Jagdhunden, denn sie gelten immer noch als sehr temperamentvoll und schwer erziehbar. Dabei gibt es mittlerweile eine Vielzahl tierschutzkonformer Methoden, die gewaltfrei sind und gleichzeitig zu besseren Lernerfolgen führen. Warum die sogenannte »Abrichtung mit Härte und Zwang« endlich einer Herangehensweise mit Verstand, Gefühl und Konsequenz weichen muss, wird in einem späteren Kapitel (>) noch genauer beleuchtet.

Vierbeiner und ihre Sprachbegabung

Nicht nur in Wald und Flur machte der frühe Hund eine gute Figur. Auch seine Fähigkeiten, Hab und Gut zu bewachen und zu beschützen, wurden nach und nach entdeckt, geschätzt und dann gefördert. Kein Wunder also, dass so die Bedeutung des Bellens immer wichtiger wurde. Weil es zur Gefahrenabwehr, aber natürlich auch zum Aufstöbern von Wild sinnvoll war, wurde dieses Merkmal – beim Hund, nicht jedoch beim Wolf – in der Evolution verankert. Jede und jeder, der heute über die beharrlichen Gesangsübungen seines Vierbeiners stöhnt, sollte sich also für die Sprachbegabung seines Tieres bei unseren Vorfahren, den frühen Menschen, bedanken.

Auffällig ist, dass nicht alle Hunde gleich stark und häufig bellen. Je ursprünglicher die Rasse geblieben ist, desto weniger sprechfreudig scheint sie zu sein. Während etwa der Weimaraner gut 35 verschiedene Laute von sich geben und ganze Arien tönen kann, ist der aus Zentralafrika stammende Basenji ein sehr verschwiegener Hundetyp. Ähnlich wie beim Bellen wurde auch der unterschiedliche Körperbau der frühen Hunde berücksichtigt, wenn es darum ging, den idealen Wegbegleiter zu finden. Schon damals benötigte man für die Hatz auf kleines Getier ebenso zarte, wendige Jagdpartner. Großes, schweres Wild wiederum wurde mit ebenso massigen Hunden erlegt. Es ist also gut erkennbar, dass die Auswahl von Hunden an ganz besondere Anforderungen gekoppelt war und die frühe Zucht dadurch bereits voll in die Gänge kam.

Der Hund in der Familie – weniger bekannte Rassen

Besonders Kinder sind oftmals begeistert vom knuffigen Erscheinungsbild eines Hüte- oder Herdenschutzhundes. Bei den Kleinen sehr beliebt sind aber auch große, doggenartige Hunderassen wie etwa der Landseer: Vom eng umschlungenen Kuscheln bis hin zur Idee, eine Runde auf ihnen zu reiten, wecken diese imposanten Vierbeiner so manchen Herzenswunsch. Doch was sagt der Hund dazu?

Als zukünftige Halter sind Sie gut beraten, wenn Sie sich bereits vor Anschaffung eines Vierbeiners über die jeweiligen Anforderungen der Rasse und vor allem auch über ihre Körpersprache informieren. Hunde sind mit den Liebesbekundungen der Kinder jedenfalls oft überfordert und senden bereits lange vor einem Beißversuch deutliche Signale, mit denen sie ihr Bedürfnis nach mehr Abstand und Zurückhaltung signalisieren. Als Elternteil liegt es in Ihrer Verantwortung, vorab zu prüfen, ob ein neuer Hund zu Ihnen, Ihrer Familienkonstellation und nicht zuletzt auch zu Ihren Lebensumständen passt.

Bei Mischlingen lohnt es sich, sich nach potenziellen Kreuzungen zu erkundigen, denn das kann im Hinblick auf erwünschte und unerwünschte Verhaltensweisen ihres zukünftigen Lieblings von Bedeutung sein. Natürlich ist es reine Definitionssache, welche dieser Eigenschaften in die Kategorie Jagdverhalten fallen bzw. eher als Hüte- bzw. Schutzverhalten oder dergleichen zu deuten sind. Im Großen und Ganzen kann man aber annehmen, dass es um jede Reaktion des Hundes geht, die in Zusammenhang mit der Jagd steht. Auch hier hat der Mensch eben weiter gezüchtet, was er für seine Belange benötigt hat.

Border Collies sind stressanfällig und wollen beschäftigt werden. Mangelt es den Hütehunden an guter Führung und Impulskontrolle, können auch sie rasch die Stufen der Jagdverhaltenskette emporklettern.

Border Collies & Co.

Leben Sie gesellig, und klopft bei Ihnen häufiger spontan Besuch an die Tür? Dann wird Sie ein Herdenschutzhund herausfordern. Ebenso wird das Stresslevel eines Hütehundes, wie etwa dem rührigen Border Collie, regelmäßig in die Höhe schnellen, wenn er in einem Haushalt mit vielen quirligen Kindern lebt. Hütehunde wie Border Collies und Australian Shepherds sind heute sehr beliebt – vor allem wegen ihres Aussehens. Vergessen wird dabei oft, dass auch sie hervorragende Anschleicher, Hetzer und manchmal sogar »Wadelzwicker« sind, so sie nicht richtig geführt werden. Auch wenn professionelle Hütehunde den Schafen eigentlich nicht in die Unterbeine fassen sollen, kann dieses Verhalten unangenehm zum Vorschein kommen, wenn es den Tieren an Impulskontrolle mangelt und sie noch dazu in der Jagdverhaltenskette vorankommen.

Jagdverhalten ausgeschlossen?

Generell kann man sagen, dass fast alle Hunderassen – in welcher Weise auch immer – Jagdverhalten (>) an den Tag legen. So mancher Hundehalter wundert sich über das Fixieren und Anschleichen des Border Collies oder staunt über die Neigung von Herdenschutzhunden, die Arme ihrer Menschen beharrlich mit dem Maul festzuhalten.

Während die bereits erwähnten klassischen Jagdhunde stöbern, nachlaufen, fixieren und packen sollen, arbeitet ein Herdenschutzhund gänzlich anders: Im Unterschied zu seinen Artgenossen stacheln ihn wild umherrennende Tiere – etwa aufgescheuchtes Federvieh in einem Hühnerstall – nicht noch zusätzlich an. Denn dieses Verhalten wäre in einer Schafherde kontraproduktiv und würde angreifenden Räubern nur die Gelegenheit geben, noch mehr Tiere zu reißen. Herdenschutzhunde bleiben in solchen Situationen gelassen und sorgen zunächst für die Sicherheit und den Zusammenhalt der Herde. Nur im äußersten Notfall treten sie dann allein den Kampf gegen Wölfe, Bären und andere potenzielle Bedrohungen an, folgen dabei aber eben auch dem typischen Schema der Jagdsequenz: Hetzen – Packen – Töten. Zudem bellen Herdenschutzhunde gern und häufig, denn auch das gehört zu ihrem Beruf. Möchte man so einen Hund bei sich aufnehmen, sollte man sich zuvor überlegen, welche Auslastungsangebote man ihm als Alternative anbieten kann. Andernfalls kann es passieren, dass der Hund jeden harmlosen Besucher, der sich Haus und Hof nähert, laut bellend in die Flucht schlägt.

Schnell und ausdauernd: Windhunde wie der Galgo Español jagen auf Sicht und erreichen dabei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde.

Schnell wie der Wind!

Wer sich bewusst für einen Windhund wie den Irischen Wolfshund, den Saluki oder den Galgo Español entscheidet, ist meist sehr gut über die ausgeprägte, tief veranlagte Jagdmotivation dieser Rassen informiert. Allein ihre windschlüpfrige Statur ermöglicht den Tieren Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometern pro Stunde. Der Greyhound – auch ein Windhund – ist beispielsweise der schnellste Hetzjäger gleich nach den Geparden. Der Afghanische Windhund wiederum zählt zu den ältesten Hunderassen der Welt. In Afghanistan, Pakistan und Indien waren diese Hunde geschätzte Jagdgefährten und begehrte Statussymbole der Herrscher. Dass Windhunde viel Auslauf benötigen, liegt auf der Hand, und dieses Bedürfnis sollte unbedingt befriedigt werden. Und auch ihre Freude am Hetzen sollte man Windhunden – wenn es in die richtigen Bahnen gelenkt wird – zugestehen.

Besser Vorsicht als Nachsicht

Ich hoffe, in diesem Abschnitt wurde deutlich, dass es neben den herkömmlichen Jagdhunden noch viele weitere Rassen (und natürlich auch deren Mischlinge) gibt, die gerne jagen. Ein süßes Welpenfoto gerät schnell in Vergessenheit, wenn der 35 Kilogramm schwere Weimaraner später die Couch verteidigt und niemand außer ihm mehr darauf sitzen darf. Sein Bedürfnis nach Auslastung kann Ihren Terminkalender sprengen und ein zuvor harmonisches Familienleben auf den Kopf stellen.

»Ein süßes Welpenfoto gerät schnell in Vergessenheit, wenn der 35 Kilogramm schwere Weimaraner später die Couch verteidigt.«

ALEXANDRA WISCHALL-WAGNER

Auch die Begeisterung für einen hübschen Australian Shepherd wird schnell in Entsetzen umschlagen, sobald er spielenden Kindern in die Waden zwickt und jedem Radfahrer am Pedal klebt. Es ist schön, sich in eine Rasse, einen Welpen oder einen bereits erwachsenen Hund aus dem Tierschutz zu verlieben. Bitte berücksichtigen Sie jedoch bei Ihrer Entscheidung immer auch die genetischen Anlagen des Tieres: Welche Eigenschaften bietet dieser Hund – und was braucht er, um glücklich zu werden? Sie können sich und Ihrer Familie jedenfalls eine Menge Frust ersparen, wenn Sie sich vorab ausgiebig mit den Rassemerkmalen ihres neuen Familienmitglieds beschäftigen.

Lassen Sie den Familienrat tagen und ziehen Sie gern auch schon im Vorfeld Ihrer Entscheidung einen kompetenten Hundetrainer hinzu. Besprechen Sie zudem, wie Sie zukünftig den Alltag mit Ihrem neuen Liebling gestalten und Zuständigkeiten aufteilen wollen, und achten Sie dabei auch auf die Bedürfnisse anderer Tiere, die in Ihrem Haushalt leben.

Und noch eine wichtige Sache: Seien Sie sich bitte bewusst, dass Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren keine alleinigen Bezugspersonen für einen Hund sein können, sondern dass immer Sie als Erwachsene die Sorgfaltspflicht für beide Individuen haben.

Der besondere Tipp
Ihr Hund hat einen »Bodyguard«

Die ersten Wochen sind für ein Hundebaby von großer Bedeutung, und wer sich vorab die Familie des Kleinen ansehen kann, ist klar im Vorteil. Lassen Sie die Finger vom Welpenkauf, wenn Sie feststellen, dass der Wurf in den ersten Lebenswochen nur den Zwinger kennengelernt hat oder die Mutter unsicher oder sogar ängstlich wirkt. Zudem sollten Welpen mindestens bis zur achten Woche bei der Mutter bleiben dürfen. Auch was und wen das Kleine in den ersten Wochen kennenlernt, wird es maßgeblich prägen. Seien Sie daher von Anfang an der »Bodyguard« Ihres Hundes, und sorgen Sie dafür, dass er mit Menschen und Artgenossen so viele liebevolle und stressfreie Begegnungen wie möglich haben kann.

Jagdhunde in der Stadt

Nicht jeder Jagdhund benötigt sein eigenes Revier oder Wild vor der Haustüre, das er suchen und aufspüren darf. Nicht jeder Herdenschutzhund oder Hütehund benötigt seine eigene Schafherde. Eine Vielzahl der jagdlich motivierten Hunde lebt heute im städtischen Bereich. Sowohl ihre Geschichte als auch ihre Eleganz bestechen häufig bei der Rassewahl. Obwohl ich der Meinung bin, dass ein Jagdhund im Wald am glücklichsten ist und viel Beschäftigung benötigt, finde ich es nicht ausgeschlossen, dass dieser auch im städtischen Familienverband glücklich werden kann. Wichtig ist jedoch, dass Sie Alternativen anbieten können, die die jeweilige Motivation (vormals auch »Trieb« genannt) Ihres Vierbeiners befriedigen, und viel Zeit für seine körperliche Ertüchtigung aufbringen können.

Falls Sie dieses Buch erst nach Anschaffung Ihres Hundes lesen, müssen Sie aber nicht in Panik verfallen. Und seien Sie bitte auch nicht entsetzt, wenn in Ihrer Stadtwohnung gerade ein entzückender Mischlingshund zu Ihren Füßen liegt, der Jagdhund, Hütehund und Herdenschutzhund vereint. In puncto Anlagen und Fähigkeiten bieten solche Hunde einfach noch mehr Abwechslung – und dieser Mix wird sich bestimmt in Form der einen oder anderen Verhaltensweise bei Ihnen melden. Sie dürfen darauf gespannt sein!

Wer Jagdtalente wie den Deutsch Kurzhaar in der Stadt oder als Familienhund halten möchte, sollte über die Eigenschaften der Rasse Bescheid wissen.

Mögliche Konflikte

Die Begriffe »Mannschärfe« und »Ressourcenverteidigung« hört man im Zusammenhang mit Jagdhunden recht häufig. Der Weimaraner und der Deutsch Kurzhaar sind beispielsweise dafür bekannt, dass sie sich einem einzigen Menschen hingebungsvoll anschließen, aber andere Menschen nicht unbedingt brauchen. Bei diesen Rassen kann durchaus vorkommen, dass Liebgewonnenes heftig verteidigt wird. Möchten Sie so einen Hund im städtischen Umfeld halten, sind Sie gut beraten, wenn Sie so früh wie möglich das Konzept des Tauschens (>) üben und das Tier sobald wie möglich ruhig und liebevoll an andere Lebewesen heranführen. Das Signal »Nimm es dir« (>) kann Ihnen hier ebenfalls helfen. Auch wenn diese Tiere früher häufig im Schutzhundesport verwendet wurden und ein hoher Anteil ihrer Gene dementsprechend geprägt ist, sollten Sie nur fördern, was Sie im Alltag dann auch wirklich haben wollen.

WENIGER STRESS DURCH SICHERE BINDUNG

Die Gene sind die eine Sache. Damit sich Ihr Hund gut entwickelt, ist aber auch die Bindung zu Ihnen ein wichtiger Faktor. Hier sind laut Wissenschaft die ersten zwei Lebensjahre entscheidend: Ist Ihr Hund sicher an Sie gebunden, wirkt das von Beginn an problematischen Verhaltensweisen wie Trennungsstress oder übermotiviertem Jagen entgegen.

Möglichst viele positive Emotionen sind wichtig, um die Bindung zwischen Hund und Mensch zu fördern und immer weiter zu festigen.

Gegenseitiges Vertrauen

Anders als wir Menschen glauben, ist ein sicher gebundener Hund nicht ständig hinter uns her oder wartet sehnsüchtig heulend vor der Tür, wenn wir nicht zu Hause sind. Diese und ähnliche Verhaltensweisen wären sogar Indizien für eine unsichere Form der Bindung, und sie bewirken bei Mensch und Tier die Entstehung von Stress. Ein sicher gebundener Hund ist in der Lage, sich interessiert mit der Umwelt auseinanderzusetzen, und weiß zu jeder Zeit, dass seine Bezugspersonen für ihn da sind, wenn er sie braucht.

Wissenschaftlerinnen wie Mary Ainsworth (1913–1999), die als Psychologin die Bindung zwischen Müttern und ihren Kleinkindern untersuchte, betonen in ihren Arbeiten die Wichtigkeit der Emotionen für die Entstehung von Bindung. Heute weiß man, dass Kontaktangebote, körperliche Nähe, gutes gemeinsames Spiel (>) und ein »Sicherer Hafen« (>) als Zuhause positive Emotionen und somit eine sichere Bindung fördern.

Wie Studien belegen, suchen stabil gebundene Hunde bei Bedarf Schutz oder Halt und Geborgenheit bei ihren Menschen und begrüßen sie nach längerer Abwesenheit – aber nicht zu überschwänglich. Auch die Besitzer dieser Vierbeiner berichten übrigens, dass der Hund für sie ein Sicherheitsspender ist.

FRAGE & ANTWORT

Der Ball des Hütehundes – Fluch oder Segen?

Das Ballspiel macht meinem Border Collie so große Freude, dass ich mit ihm täglich mindestens eine Stunde Bälle werfe. Er bellt dann immer vor Begeisterung und bekommt einfach nicht genug. In letzter Zeit rennt er vermehrt auch Radfahrern und Autos hinterher. Muss ich mir Sorgen machen?