Not That Kind of Girl - Lena Dunham - E-Book

Not That Kind of Girl E-Book

Lena Dunham

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Beschreibung

Lena Dunham - vom »Time Magazine« zur »coolest person of the year« gewählt Was tun als junge Frau von heute, die lieber Stoffschuhe als Manolos trägt und nicht nach dem einen Prinzen sucht? In ›Not That Kind of Girl‹ erzählt Lena Dunham, Erfinderin der Fernsehserie ›GIRLS‹, hemmungslos persönlich, angstfrei und komisch aus ihrem Leben: von Kondomen in Zimmerpalmen, seltsamen Jungs und von ihrer Angst, keinen Platz in dieser Welt zu finden. Sie schreibt über die Taxifahrer in New York und vom plötzlichen Verliebtsein, über Frauen, die »wie diese Papierdinger behandelt werden, die in Hotelbadezimmern auf den Zahnputzbechern liegen – irgendwie notwendig, aber unendlich verfügbar« – und über Männer, die ungefragt von ihrem Sexleben berichten. Krisengeschüttelt, heiter, absolut im Jetzt: Lena Dunham bringt das Lebensgefühl einer neuen Generation Frauen auf den Punkt.

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Seitenzahl: 391

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Lena Dunham

Not That Kind of Girl

Was ich im Leben so gelernt habe

FISCHER E-Books

Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz und Tobias SchneiderMit Illustrationen von Joana Avillez

Inhalt

WidmungMottoVorwort1 Liebe und SexEntjungfere michPlatonisches In-einem-Bett-Schlafen18 unglaubliche Dinge, die ich mal beim Flirten gesagt habeIgorGewisse Interessen teilenMädchen & miese TypenBarrySich verlieben2 Körper»Diät« ist ein SchimpfwortSexszenen, Nacktszenen und wie ich meinen Körper öffentlich ausstellte15 Dinge, die ich von meiner Mutter gelernt habeWas ich in meiner Handtasche habeWer hat meine Gebärmutter verschoben?3 FreundschaftGirl CrushDas Beste daran13 Dinge, die man besser nicht zu seinen Freunden sagtGrace10 Gründe, warum ich New York liebe4 ArbeitUnd das soll Spaß machen?Mini-Lederhandschuhe17 Dinge, die ich von meinem Vater gelernt habeE-Mails, die ich abschicken würde, wenn ich ein klein bisschen verrückter/wütender/mutiger wäreWir hatten keinen Sex, aber sie haben mich angebrüllt5 Das große GanzeMeine Therapien und ichPassiert das grade wirklich?Die Top Ten meiner Ängste in Sachen KrankheitenHallo Mama, hallo PapaWas ich bedaureAnleitung zum DavonlaufenDavonlaufen für NeunjährigeDavonlaufen für Siebenundzwanzigjährige15 Lektionen, die du gelernt hast, wenn du regelmäßig auf der Straße erkannt wirstTrue PunkDanksagungÜber die Autorin

Für meine Familie natürlich.

Für Nora.

Und für Jack, der genau so ist,

wie sie gesagt hat.

»Im Grunde ihres Herzens jedoch erwartete sie ein Ereignis. Wie die Matrosen in Seenot, ließ sie verzweifelte Blicke über die Ödnis ihres Lebens schweifen und suchte fern am Horizont im Nebel ein weißes Segel. Sie wusste nicht, welcher Zufall, welcher Wind es zu ihr treiben würde, zu welchem Ufer es sie führen würde, ob es das Segel einer Schaluppe oder eines Schiffs mit drei Decks sein würde, ob beladen mit Ängsten oder bis an die Ladepforten gefüllt mit Glückseligkeiten. Aber jeden Morgen, wenn sie aufwachte, ersehnte sie es für den Tag …«

GUSTAVE FLAUBERT, Madame Bovary

»Wie schnell du die Energie, die das Leben dir schenkt, in kunstvolle Schleifen verwandelst.«

MEIN VATER, mich ermahnend

Vorwort

1Liebe und Sex

18 unglaubliche Dinge, die ich mal beim Flirten gesagt habe

»Mein Spitzname in der High School war Blowjob-Lena, und zwar, weil ich nie jemandem einen geblasen habe. So wie man einen Fettsack manchmal Bohnenstange nennt.«

»Ich rieche immer nur unter einer Achsel nach Schweiß. Ehrlich. Das habe ich von meiner Mutter geerbt.«

»Einmal bin ich aufgewacht und hatte grade Sex mit einem praktisch Fremden.«

»Ja, gehen wir Kaffeetrinken. Na ja, nicht Kaffee-Kaffeetrinken. Irgendwas anderes, weil, von Kaffee habe ich mal eine Darminfektion bekommen und musste so eine Papierunterhose tragen, wie man sie im Krankenhaus kriegt.«

»Ich will echt nicht wie ein Voll-Hippie klingen, aber ich habe meine HPV-Infektion mit Akupunktur geheilt.«

»Er hatte nicht mal Beine, und er stand nicht auf mich. Das war aber nicht der Grund, warum unsere Freundschaft in die Brüche ging.«

»Ich habe weder die Krieg-der-Sterne-Filme noch Der Pate gesehen. Das wäre doch ein guter Grund, ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen.«

»Als Teenager war ich ziemlich dick und hatte ultrafettige Haut. Wirklich, ich zeig dir ein Foto.«

»Komm doch mal vorbei. Mein Vater ist superwitzig.«

»Ich bin wahrscheinlich der Typ Frau, der bei älteren Männern besser aufgehoben ist, aber ich ekle mich vor ihren Eiern.«

»Ich liebe die Vorhänge in deinem Kombi!«

»Komm doch zu meiner Party! Wir dürfen zwar nicht reden oder Musik hören, weil mein Nachbar im Sterben liegt, aber ich habe eine Menge Geld für Salami ausgegeben.«

»Sieh dir mal meinen Bauchnabel von nahem an. Ist das Gürtelrose, Krätze, beides oder nix?«

»Einmal habe ich geträumt, ich streichele unsere haarlose Katze, aber es war die Vagina meiner Mutter.«

»Tut mir leid, wenn ich metallischen Mundgeruch habe. Das sind die Medikamente. Stell dir vor: Sie haben mir die höchste Dosis verpasst, die je einem Menschen verschrieben wurde.«

»Ehrlich, es ist mir scheißegal, ob du in Läden klaust.«

»Nett von dir, dass du meinen enormen Gewichtsverlust nicht erwähnst. Ist echt anstrengend, wenn alle ständig fragen: Wie hast du das nur gemacht? Bla bla bla.«

»Meine Schwester ist weg, ich glaube, die Luft ist rein. Wollen wir uns auf den Felsen setzen, wo keine Algen sind? Oder auf den mit Algen, ist mir auch recht.«

Igor

Oder: Mein Freund aus dem Internet ist gestorben, und das kann deinem auch passieren

Eines Tages stehen die Computer einfach da. Wir kommen vom Pausenhof rein, und da sind sie, sieben graue Kisten auf einem langen Tisch im Flur des vierten Stocks.

»Wir haben jetzt Computer«, verkündet die Lehrerin. »Und sie werden uns beim Lernen helfen!«

Alle reden durcheinander, nur ich bin sofort misstrauisch. Was ist so toll daran, dass auf unserem Flur lauter hässliche, klotzige Roboter stehen? Warum jubeln hier alle wie Idioten? Was können wir von diesen Maschinen lernen, das wir nicht auch von unseren Lehrern lernen können?

Vor allem die Jungs sind wie hypnotisiert und hämmern in jeder freien Minute auf die Tastatur ein, spielen so ein stumpfsinniges Spiel, wo man Blöcke stapeln muss, bis sie explodieren. Ich halte mich fern. Ich habe mich nur einmal einem anderen Computer genähert, bei meiner Freundin Marissa, und die Erfahrung geht mir immer noch nach. Die grünen Buchstaben und Zahlen, die beim Hochfahren über den Bildschirm flackerten, waren mir unheimlich, und es gefiel mir nicht, dass Marissa, sobald der Computer an war, aufgehört hatte, mir zu antworten oder mich überhaupt wahrzunehmen.

Meiner Abneigung gegen Computer wohnt ein fast politischer Eifer inne: Sie verändern unsere Gesellschaft, sagte ich, und zwar zum Schlechteren. Lasst uns menschlich bleiben. Lasst uns miteinander reden. Mit der Hand schreiben. Ich lasse mich vom Tippkurs entschuldigen, wo wir mit einem Programm namens Mavis Beacon bringt euch das Tippen bei lernen sollen, welcher Finger auf welche Taste gehört. (Kleiner Finger auf K, sagt Mavis Beacon. Kleiner Finger auf K.) Während sich die anderen bei Mavis Beacon einschleimen, schreibe ich Tagebuch.

Beim Elternabend sagt meine Lehrerin zu meinen Eltern, ich hätte eine »richtiggehende Technik-Phobie«. Sie wünschte, ich wäre bereit, »neue Entwicklungen im Klassenzimmer mitzutragen«. Als meine Mutter zu Hause verkündet, dass wir uns einen Computer anschaffen, gehe ich in mein Zimmer, stelle den winzigen Schwarzweißfernseher an, den ich vom Flohmarkt habe, und weigere mich mehr als eine Stunde lang herauszukommen.

Eines Abends nach der Schule steht er da, ein Apple mit einem Bildschirm so groß wie ein Umzugskarton. Ein Nerd mit Pferdeschwanz installiert ihn, erklärt meiner Mutter, wie man das CD-Rom-Laufwerk benutzt, und fragt, ob ich die »vorinstallierten« Spiele sehen will. Ich schüttele den Kopf. Nein, will ich nicht.

Aber der Computer übt eine magische Anziehung aus, wie er dort herumsteht, mitten im Wohnzimmer, und kaum hörbar vor sich hin summt. Ich sehe zu, wie der Babysitter mit meiner Schwester eine Runde Oregon Trail spielt, bis ihre gesamte digitale Familie an Dysenterie stirbt, noch bevor sie sich auf dem Fluss einschiffen kann. Meine Mutter tippt mit zwei Zeigefingern ein Word-Dokument. »Willst du es nicht auch mal ausprobieren?«, fragt sie.

Am Ende ist die Versuchung zu groß. Ich will es ausprobieren, will sehen, was hinter all dem Hype steckt, aber ich will nicht wieder heucheln. Schon als Vegetarierin bin ich eingeknickt, was mir so peinlich ist, dass ich meinen Schulkameradinnen beim Mittagessen sage, das Zeug auf meinem Sandwich sei Tofu-Prosciutto. Ich muss mir selbst treu bleiben. Ich kann nicht ständig meine Identität umkrempeln, und Computer zu hassen gehört eben dazu. Irgendwann ist meine Mutter damit beschäftigt, im Schlafzimmer Schuhe umzuräumen, und die Luft ist rein. Ich gehe ins Wohnzimmer, setze mich auf den kalten Bürostuhl aus Metall und strecke den Finger langsam in Richtung Einschalttaste aus. Lausche dem Hochfahren, Piepen und Schnurren. Ich habe das aufregende Gefühl, eine verbotene Schwelle zu übertreten.

In der fünften Klasse legt sich die ganze Klasse Online-Namen zu. Wir schicken uns gegenseitig Nachrichten, und wir gehen auch in Chatrooms mit Namen wie »Teenie-Treff« und »Du und deine Freunde«. Es dauert ein bisschen, bis ich das Konzept von Anonymität kapiert habe. Leute, die ich nicht sehen kann und die mich nicht sehen können. Gesehen zu werden, ohne gesehen zu werden. Katie Pomerantz und ich schlüpfen zusammen in die Rolle eines 14-jährigen Models namens Mariah mit fließendem schwarzen Haar, Körbchengröße B und einem unerschöpflichen Vorrat an Smileys. Wir sind uns Mariahs unglaublicher Macht bewusst und verführen Jungs, denen wir versprechen, wir seien schön, beliebt und auf der Suche nach Liebe, und natürlich stinkreich von unseren Teenager-Model-Honoraren. Kichernd wechseln wir uns beim Tippen ab. Irgendwann verlangen wir von einem Jungen in Delaware, dass er nachsieht, was auf seinem Jeans-Etikett steht, und uns die Marke nennt.

»Wrangler«, schreibt er zurück. »Meine Mutter hat sie bei Walmart gekauft.«

Siegestrunken loggen wir uns aus.

Juliana ist neu in der neunten Klasse. Sie kennt niemanden, aber sie hat das Selbstbewusstsein eines Mädchens, das seit dem Kindergarten beliebt ist. Sie ist Punkerin: Juliana hat einen Nasenring und einen Irokesenschnitt. Sie trägt ein selbstgemachtes T-Shirt, auf dem LEFTOVER CRACK steht, und ihr Gesicht ist so schön, dass ich mir manchmal vorstelle, wie es mit meinem verschmilzt. Juliana ist aus politischen Gründen Veganerin und hört Musik, die ohne Melodie auskommt. Das findet sie anscheinend wirklich gut. Als sie mir erzählt, dass sie schon mal Sex hatte – auch noch in einem Hinterhof, mit einem 20-jährigen Typen –, brauche ich eine Woche, um mich wieder einzukriegen.

»Ich hatte einen Rock an, und er hat einfach meine Unterhose zur Seite geschoben«, sagt sie so abgeklärt, als würde sie mir erzählen, was ihre Mutter zum Abendessen gekocht hat.

Zwei Monate nach Schuljahresbeginn lässt sie sich mit Hilfe ihres gefälschten Ausweises ein Tattoo stechen, einen nautischen Stern im Nacken, die Linien breit und unelegant.

Ich frage, ob ich die Stelle berühren darf, und kann nicht glauben, dass das Tattoo für immer bleiben wird.

Viele von Julianas Punk-Freunden leben in New Jersey, wo sie am Wochenende oft hinfährt, um sich »Shows« anzusehen. Beim Mittagessen schauen wir uns ihre selbstgebastelten Angelfire-Websites an. Eine zeigt das Bild einer verwesenden Kinderleiche, aber hauptsächlich posten sie Bilder von sich selbst, verschwitzt und alle zusammen vor einer provisorischen Bühne. Es ist schwer zu erkennen, wer zur Band gehört und wer nur zusieht. Sie deutet auf Shane, einen hübschen Blonden, in den sie verknallt ist. Seine Website heißt Str8OuttaCompton, eine Anspielung, die ich erst zehn Jahre später verstehen werde. Auf dem Foto eines Konzerts in einem überfüllten Keller fällt mir ein Junge auf, der am Rand herumpogt, braungebrannt, mit Pausbacken und abwesenden blauen Augen, ein Tuch um den Kopf geknotet. »Wer ist das?«, frage ich Juliana.

»Er heißt Igor«, antwortet sie.

»Er ist Russe. Und auch Veganer.

Er ist ziemlich nett.«

»Echt süß«, sage ich.

Am Abend erscheint auf meinem Computer eine Instant-Message-Blase von Pyro0001. Ich nehme an.

Pyro0001: Hey, ich bin Igor.

In den nächsten drei Monaten chatten Igor und ich jeden Abend stundenlang. Ich komme gegen halb vier von der Schule, er um vier, also mache ich mir was zu essen und warte, bis sein Name auf meinem Bildschirm auftaucht. Ich will, dass er sich zuerst meldet, aber meistens halte ich es nicht so lange aus. Wir reden über Tiere. Wir reden über die Schule. Wir reden über die Ungerechtigkeit auf der Welt, meistens gegen unschuldige Tiere gerichtet, die sich gegen das Übel der Menschheit nicht wehren können. Igor ist ein Mann weniger Worte, aber die Worte, die er benutzt, finde ich perfekt.

Ich habe nichts mehr gegen Computer. Ich liebe sie.

Die Jungs an meiner Schule mögen mich nicht. Manche ignorieren mich, andere sind offen gemein zu mir, und niemand will mich küssen. Ich bin immer noch traurig wegen einer Trennung in der Siebten und weigere mich, auf Partys zu gehen, falls mein Ex dort auftauchen wird. Mein Liebeskummer hat inzwischen vierundzwanzigmal so lange gedauert wie die Beziehung.

Igor will ein Foto von mir sehen, also schicke ich ihm eins von mir an meine Zimmerwand gelehnt, auf die ich mit Filzstift Bäume und Nackte gemalt habe. Meine Haare sind wie ein glatter gelber Vorhang, und ich lächele ein halbes, Lipgloss-glänzendes Lächeln. Igor sagt, ich sehe aus wie Christina Aguilera. Er ist Punk, also ist es wohl eher objektive Beschreibung als Kompliment, aber ich bin glücklich.

Wir chatten während des Abendessens, während der Streitereien mit unseren Eltern. Er schreibt, wie still es ist, wenn er nach Hause kommt, weil seine Eltern erst um acht von der Arbeit kommen. Er schreibt »gleich wieder da«, wenn er zur Tür muss, weil der Lieferservice klingelt, meistens mit Auberginen alla Parmigiana ohne Parmesan. Er erzählt, dass es auf seiner Schule die üblichen Cliquen gibt, die beliebten Kids, die Loser, die Sportler und die Freaks. Eine riesige öffentliche High School, wo man nicht mal alle Leute aus dem eigenen Jahrgang kennt. Meine Schule hat den Anspruch, anders zu sein, klein und künstlerisch ambitioniert und ohne verfeindete Gruppen, aber manchmal fühle ich mich genauso isoliert wie er. Ich fange an, meine Schulkameraden als »Dumpfbacken« und »Fakes« zu bezeichnen, Ausdrücke, die mir nie eingefallen wären, bevor er sie eingeführt hat. Wörter, die er versteht und mit denen ich ihn auf meine Seite ziehe.

Als ich mit meiner Familie in die Ferien fahre, frage ich an der Hotelrezeption, ob ich den Computer benutzen darf, damit ich Igor am Valentinstag eine E-Mail schicken kann. Er sagt, er will mir kein neues Foto von sich schicken, weil er in letzter Zeit »ein paar Pickel« bekommen hat. Meinem Vater gefällt es nicht, dass ich, statt Zeit am Strand zu verbringen, mit einer Newport-rauchenden Frau in einem fensterlosen Kabuff sitze und Liebesbriefe an einen Kerl schicke, dem ich nie begegnet bin. Er kapiert es einfach nicht. Er hat nicht mal einen E-Mail-Account.

Juliana sagt, Igors Freund Shane sagt, Igor fände mich echt gut. Von dieser Information ermutigt, wage ich es, ihn zu fragen, ob wir mal telefonieren könnten. Er hat nichts dagegen, und ich gebe ihm meine Nummer, aber er ruft nicht an. Juliana meint, vielleicht ist ihm sein Akzent peinlich.

Trixiebelle86: Wenn du keine Lust auf Telefonieren hast, vielleicht könnten wir uns in echt treffen?

Er ist einverstanden, und wir verabreden uns für den folgenden Sonntag am Saint Mark’s Place. Er kommt mit dem Zug in die Stadt, und wir wollen uns an der Ecke treffen. Ich habe ein Spaghettiträgerhemd, Cargohosen und eine eingegangene Jeansjacke an, obwohl es eiskalt ist. Ich bin so nervös, dass ich zwanzig Minuten zu früh da bin. Er ist noch nicht da. Ich warte noch eine halbe Stunde, aber er taucht nicht auf. Ich versuche cool zu wirken, als gepiercte NYU-Studenten und asiatische Mädchen mit pink gefärbten Haaren an mir vorbeiströmen. Ich gehe nach Hause und logge mich ein, aber online ist er auch nicht.

 

Am nächsten Tag schickt er mir eine Nachricht:

Pyro0001: Tut mir leid. Hausarrest. Ein andermal vielleicht.

Dann schreibt Igor immer seltener. Wenn er sich meldet, dann nur um zu antworten. Jedes Mal, wenn ich das Ping einer eingegangenen Nachricht höre, renne ich zum Computer in der Hoffnung, dass er es ist. Aber es ist nur John, ein Junge von einer benachbarten Schule, der ein super Breakdancer ist, oder meine Freundin Stephanie, die sich über die strengen Ansichten ihres peruanischen Vaters zum Thema Rocklänge beklagt. Igor stellt mir keine Fragen mehr. Eine Zeitlang schien in unserer Beziehung alles möglich: dass wir uns treffen könnten, uns in echt noch mehr mögen würden als online, dass wir uns in unsere Augen, unseren Geruch, unsere Turnschuhe verlieben würden. Jetzt ist es vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat. Ich frage mich, ob er als Exfreund durchgeht.

Irgendwann im Spätsommer schickt Juliana mir eine Nachricht.

Northernstar2001: Lena, Igor ist tot.

Trixiebelle86: Was???

Northernstar2001: Shane hat’s mir erzählt. Hat zu Hause im Keller eine Überdosis Methadon genommen und ist an seiner Zunge erstickt. Total beschissen. Er ist Einzelkind, seine Eltern reden kein Wort Englisch.

Trixiebelle86: Hat Shane gesagt, warum Igor mich nicht mehr gut fand?

Ich weiß nicht, mit wem ich darüber reden soll, weil ich nicht weiß, wer es versteht, und ich habe keine Lust, es irgendwem erklären zu müssen. Meine Eltern haben nicht mal begriffen, dass Igor real war, als er noch lebte, warum sollten sie, wenn er jetzt tot ist?

Ein Jahr später ändere ich meinen Online-Namen, weil ein Typ von der Schule, ein riesiger haariger Kerl mit einem Gesicht wie ein Picasso-Gemälde, mir E-Mails schickt, in denen er ankündigt, er würde mich vergewaltigen und mit Barbecue-Soße einschmieren. Er ist der Einzige, der auf die Art auf mich steht, und ich wünschte, er täte es nicht. Er sagt, dass er eine Machete hat, und schickt das Foto eines Kätzchens mit, das jemand in eine Flasche gestopft hat, um es sterben zu lassen. Mein Vater ist zu Recht außer sich und ruft meinen Onkel an, der Rechtsanwalt ist und der sagt, es sei ein Fall für die Polizei. Zum ersten und letzten Mal gehe ich unter Polizeischutz von der Schule nach Hause. Als die Cops die Wohnung des Typen durchsuchen, finden sie Ausdrucke all meiner Instant-Nachrichten, Seiten über Seiten. Einer der Polizisten sagt zu mir, ich hätte zu dem Typen nicht so nett sein sollen, wenn ich ihn nicht »auf die Art« gut fand. Ich sage, er hätte mir leidgetan. Sie sagen, in Zukunft soll ich vorsichtiger sein. Ich schäme mich.

Mein neuer Online-Name enthält meinen richtigen Namen, und ich gebe ihn nur an ausgewählte Freunde und Familie weiter, aber ich ziehe all meine Kontakte rüber, damit ich sehen kann, wer wann online ist. Eines Tages werfe ich einen Blick auf meine Chatleiste, und da ist er – Pyro0001. Die Welt dreht sich erst schneller und dann langsamer, wie manchmal, wenn ich mitten in der Nacht aufs Klo muss und das ganze Haus klingt, als würde es Lena, Lena, Lena sagen.

»Hey«, tippe ich.