Notärztin Andrea Bergen 1345 - Isabelle Winter - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1345 E-Book

Isabelle Winter

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Beschreibung

Ein jäher Entsetzungsschrei entfährt der jungen Paula, als sie zum ersten Mal ihr Baby auf der Frühchen-Station besuchen darf. Angeschlossen an Maschinen, Kabel und Drähte, wirkt ihr Liebling geradezu winzig in dem Säuglingsinkubator - winzig und schrecklich einsam und allein!
Obwohl Paula weiß, dass all diese Geräte nötig sind, um Emma am Leben zu erhalten, steigen Tränen in ihre Augen, und eine namenlose Angst greift nach ihrem Herzen: Neben den vielen anderen Problemen, mit denen ein so früh geborenes Kind zu kämpfen hat, hat sich bei der kleinen Emma nun auch noch eine gefährliche Darmentzündung eingestellt! Und die Prognose ist denkbar schlecht ...

Vorsichtig tastet Paula durch die Handöffnung des Inkubators und legt ihren Finger ganz leicht auf das winzige Händchen ihrer Tochter, und bei der Berührung erfasst sie neue Entschlossenheit.
"Du wirst eines Tages groß und stark sein, meine Maus!", flüstert sie. "Du musst kämpfen, denn ich liebe dich und bin an deiner Seite ..."

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Seitenzahl: 123

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Inhalt

Cover

Impressum

Hoffen auf der Frühchen-Station

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Dmitry Kalinovsky / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6013-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Seit dem Unfall ihrer Mutter und dem dramatischen Not-Kaiserschnitt, bei dem wir die kleine Emma viel zu früh auf die Welt holen mussten, ist das Frühchen unser aller Sorgenkind. Doch neben den vielen anderen Problemen, mit denen Emmas zarter Körper fertigwerden muss, haben sich jetzt weitere schwerwiegende Komplikationen eingestellt! Keiner der Kollegen auf der Frühchen-Station kann sich länger Illusionen machen: Emmas Lage ist ernst – denkbar ernst …

Aber ich mag mir nicht vorstellen, was passiert, wenn das Baby sterben sollte – denn Emmas Mutter Paula hängt mit inniger Liebe an der Kleinen. Tag für Tag wacht sie an Emmas Inkubator, bangt und fleht und hofft – obwohl sie selbst nach dem Unfall noch immer große Schmerzen leidet!

Nein, die kleine Emma muss einfach leben – und deshalb bete ich um ein großes Wunder …

»Alles okay? Warte, ich helfe dir!«, rief Jill eifrig und kam herbeigelaufen, um Paula das Buch aus der Hand zu nehmen, das diese gerade aus dem Regal geholt hatte.

Paula Albers schmunzelte. »Ach, Jill, jetzt übertreibst du aber. Ich bin schwanger, nicht schwer krank. Noch dazu bin ich erst in der sechsundzwanzigsten Woche. Und das, was ich da gerade heben wollte, war keine tonnenschwere Last, sondern nur ein Buch!«

»Vorsicht ist besser als Nachsicht. Wir brauchen dich immerhin noch«, befand Jill energisch und bugsierte Paula mit sanfter Gewalt zu ihrem Schreibtisch, auf dem sich Bücher stapelten, die Paula heute noch katalogisieren wollte.

Die beiden jungen Frauen arbeiteten in der Hochschulbibliothek. Obwohl es natürlich keine harte körperliche Arbeit war, sorgten sich alle Kollegen rührend um Paulas Wohlergehen. Ob sie an der Ausleihe saß oder im Büro Fachliteratur katalogisierte: Die anderen Bibliothekare und Bibliothekarinnen achteten darauf, dass sie sich nicht zu sehr anstrengte.

»Ich werde euch vermissen«, seufzte Paula, während sie das erste Buch vom Stapel nahm, es aufschlug und die Katalogisierungs-Software startete.

»Und wir dich erst!«, klagte Jill und wuschelte sich mit der Hand durchs kurze platinblonde Haar. »Ohne dich geht der Laden hier doch unter.«

Paula musste grinsen. »Ach was, ihr bekommt das schon hin! Ich glaube ganz fest an euch.«

»Zum Glück bleibst du uns noch ein paar Wochen erhalten, bevor es mit dem Mutterschutz losgeht.« Jill setzte sich schwungvoll auf die Kante von Paulas Schreibtisch. »Und nach einer Weile kommst du ja zurück, zumindest in Teilzeit.«

»Klar, das würde ich mir nie nehmen lassen. Oh, das wird eine anstrengende Zeit als alleinerziehende berufstätige Mutter«, meinte Paula nachdenklich und wickelte sich eine ihrer brünetten Locken um den Zeigefinger. »Aber ich freue mich trotzdem schon sehr darauf.«

Jills Blick wurde forschend, und Paula wusste, was sie gerade dachte: Sie fragte sich, wer der Vater des ungeborenen Kindes war und warum Paula so ein Geheimnis daraus machte. Seit sie die ersten zaghaften Fragen, die in diese Richtung abzielten, gnadenlos abgewehrt hatte, sprach niemand sie mehr darauf an.

Seufzend legte sie eine Hand auf ihren gerundeten Bauch. Ihr Baby würde ohne Vater aufwachsen müssen, so viel stand fest. Doch sie war fest entschlossen, dem kleinen Wesen alles zu geben, was es brauchte. Ihm sollte es an nichts mangeln. Jetzt schon liebte sie ihr ungeborenes Kind aus ganzem Herzen – mehr, als sie für möglich gehalten hätte. Ein zärtliches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an das Leben dachte, das in ihr heranwuchs.

Als ihr Feierabend gekommen war, war sie froh, nach Hause fahren zu können. Obwohl sie hauptsächlich gesessen hatte, waren ihre Füße angeschwollen und schmerzten.

»Zeit, dass wir beide es uns mit einem guten Buch auf dem Sofa gemütlich machen, mein geliebtes Baby«, flüsterte sie, als gerade keiner ihrer Arbeitskollegen zuhörte, und streichelte sanft über ihren Bauch.

Gut gelaunt verabschiedete sie sich und verließ die Bibliothek. Als sie hinaus ins Freie trat, merkte sie, dass es zu regnen begonnen hatte. Die Sonne war bereits untergegangen. Die Lichter der Straßenbeleuchtung spiegelten sich auf dem nassen Asphalt. Ein kalter Wind trieb den Sprühregen unter das Vordach, unter dem Paula stand, und benetzte ihre Haut.

Obwohl sie fror, lächelte sie. Gedankenverloren blickte sie in den dunklen Himmel und fragte sich, was die Zukunft bringen mochte. Mit Sicherheit kamen einige große Herausforderungen auf sie zu, darüber machte sie sich gar keine Illusionen. Sich als alleinerziehende Mutter durchzuschlagen war gewiss nicht einfach. Aber sie hatte es so gewollt und diese Entscheidung nach langem Nachdenken für sich selbst und ihr Kind getroffen. Was auch immer geschehen würde: Sie würde alle Hindernisse bewältigen, das war sie ihrem Baby schuldig.

»Nicht mehr lange, dann habe ich dich in meinen Armen, mein Liebling«, murmelte sie. »Wir beide werden so glücklich sein, du und ich!«

Sie spannte den Schirm auf und trat einen Schritt unter dem Dach hervor. Prasselnd trommelte der Regen auf die Schirmbespannung.

»Achtung!«, gellte eine Stimme durch die Nacht.

Sie zuckte zusammen, fuhr herum und blickte in zwei grelle Scheinwerfer, die sich viel zu schnell näherten. Alles geschah in Bruchteilen einer Sekunde, doch gleichzeitig schien die Zeit stillzustehen, sodass Paula erfassen konnte, was geschah: Ein Autofahrer hatte auf dem regennassen Boden die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Schlingernd raste das Auto direkt auf sie zu!

Nein!, hämmerte es durch ihren Kopf. Nicht mein Baby! Alles, nur nicht mein Baby!

Doch es gab nichts, was sie tun konnte, um ihr ungeborenes Kind zu schützen. Instinktiv riss sie eine Hand hoch vor ihr Gesicht, die andere legte sie über ihren Bauch – dann wurde sie schon vom Auto erfasst und prallte mit grausamer Wucht auf die Motorhaube. Der Aufprall trieb die Luft aus ihrer Lunge und erstickte ihren Schrei. Ein entsetzlicher Schmerz schoss durch ihren Bauch. Hilflos wie eine Stoffpuppe wurde sie herumgeschleudert und landete auf dem harten Boden.

Benommen lag sie da und versuchte zu realisieren, was gerade geschehen war. Paula fühlte den rauen Asphalt unter ihrer Wange, die Nässe, die allmählich durch ihre Kleidung kroch, und die beißende Kälte, die sie zittern ließ. Alles tat ihr weh, die Schmerzen pulsierten glühend heiß durch ihren ganzen Körper. Sie war verletzt, das war ihr bewusst – schwer verletzt. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht, doch sie konnte nicht orten, was es war.

Sie hatte schreckliche Angst, viel mehr als jemals zuvor in ihrem Leben. Nicht um sich selbst, sondern um ihr Baby bangte sie. Sie wollte die Hände schützend über ihren Bauch legen, bemerkte aber, dass sie sich nicht bewegen konnte. Ihr Körper gehorchte ihr nicht.

Ihr letzter verzweifelter Gedanke galt ihrem Kind, dann wurde alles schwarz um sie, und sie verlor das Bewusstsein.

***

Angestrengt starrte Andrea Bergen hinaus in den Regen. Die Scheibenwischer des Rettungswagens taten ihr Bestes, um der Wassermassen Herr zu werden, doch es regnete immer stärker, sodass man mittlerweile kaum noch durch den dichten, grauen Vorhang blicken konnte. Das Einzige, was man vom Auto vor ihnen sehen konnte, waren die verschwommenen Rücklichter.

Jupp Diederichs, der Rettungssanitäter, ließ sich trotz des Wetters keine Nervosität anmerken. Gekonnt steuerte er das Auto durch das Verkehrschaos in Richtung Universität, so rasch er konnte, ohne aber ein unnötiges Risiko einzugehen. Die Notärztin war froh, einen so fähigen Fahrer zu haben, der sie immer schnellstmöglich an ihre Einsatzorte brachte.

»Sind gleich da«, sagte er jetzt knapp.

Dr. Bergen nickte. Geistig war sie auf das Schlimmste vorbereitet. Sie wusste, dass eine Frau von einem Auto angefahren worden war und dass die Lage offenbar ernst war. Wie schwer die Patientin tatsächlich verletzt war, würde Andrea erst vor Ort feststellen können.

Und ob sie überhaupt noch am Leben ist, fügte sie in Gedanken widerstrebend hinzu. Am liebsten wollte sie diese Überlegung gar nicht zulassen, denn natürlich war es ihr oberstes Ziel, jedes Menschenleben zu retten. Aber leider war es eine realistische Option. Als Notärztin wurde sie immer wieder zu Einsätzen gerufen, bei denen jede Hilfe zu spät kam, was jedes Mal ein herber Schlag für sie war.

»Da vorne ist es«, bemerkte der Rettungsassistent Ewald Miehlke und deutete auf die blinkenden Lichter der Polizeiautos vor ihnen. Die Polizei hatte den Unfallort bereits erreicht und die Straße abgesperrt.

Während der Krankenwagen noch rollte, riss Andrea die Tür auf, sprang hinaus und lief los, ohne sich um den Regen zu kümmern, der ihr ins Gesicht peitschte. Ihr Herz schlug schnell, der Adrenalinstoß machte sie hellwach und setzte all ihre Energiereserven frei.

Scharf sog sie die Luft ein, als sie die junge Frau mit dem braun gelockten Haar sah, die am Boden lag. Die Patientin war schwanger! Nun stand nicht nur ein Leben auf dem Spiel, sondern zwei.

Eine Menschentraube hatte sich um die bewusstlose Frau gebildet. Studenten und Universitätsmitarbeiter waren aus der Hochschulbibliothek gelaufen, die sich direkt daneben befand, und blickten schockiert auf die Patientin hinab. Eine Frau mit kurzen platinblonden Haaren und tränenüberströmtem Gesicht saß neben ihr am Boden und wusste offenbar nicht so recht, was sie tun sollte.

»Sie atmet«, schluchzte sie. »Aber sie wacht einfach nicht auf. Oh Gott, bitte helfen Sie ihr! Sie … Sie ist doch schwanger. Tun Sie doch was!«

Andrea drängte sich durch die Menge, ließ sich vor der Patientin auf die Knie fallen und begann umgehend mit der Untersuchung. Mit geübten Handgriffen kontrollierte sie die Vitalfunktionen und stellte erleichtert fest, dass die platinblonde Frau recht hatte: Atmung und Puls waren vorhanden, wenn auch schwach.

Doch das war es auch schon mit den positiven Neuigkeiten. Das Atemgeräusch war abgeschwächt und klang beunruhigend. Andrea biss die Zähne zusammen, als sie die klaffenden Wunden sah. Die Patientin blutete stark aus einer Wunde am Hinterkopf und aus mehreren Verletzungen am Rumpf. Besonders schlimm hatte es das linke Bein erwischt: Es war mehrfach gebrochen, Teile der Knochen lagen offen.

Es war ein schrecklicher Anblick, doch Andrea durfte sich davon nicht irritieren lassen. Das Leben der schwangeren Frau hing davon ab, dass die Notärztin jetzt die Nerven bewahrte und keine Fehler machte.

Die Atemzüge der Patientin wurden schneller und flacher, sie schien kaum Luft zu bekommen. Als sie qualvoll hustete, bemerkte Andrea Blutstropfen auf ihren Lippen. Vorsichtig tastete die Notärztin den Brustkorb der Frau ab und hörte erneut ihre Lunge ab, dann nickte sie.

»Ein oder zwei gebrochene Rippen, Verdacht auf Lungenperforation, traumatischer Pneumothorax«, stellte sie knapp fest. »Wir intubieren.«

Sie ging davon aus, dass sich eine Rippe in die Lunge gebohrt und das Organ verletzt hatte. Wenn Luft in den Pleuraspalt gelangte und die Ausdehnung der Lungenflügel behinderte, konnte das lebensbedrohlich sein. Indem sie behutsam einen Tubus einführte, sicherte sie die Atmung, doch sie durften keine Zeit verlieren. So rasch wie möglich musste die Patientin operiert werden.

»Schnell ins Krankenhaus«, sagte sie. »Sie hat viel Blut verloren, braucht Transfusionen. Und ich vermute, eine Thoraxdrainage muss gelegt werden.«

Jupp und Ewald bereiteten schon die Schaufeltrage vor, mit der die Patientin vorsichtig transportiert werden konnte, ohne sie allzu sehr zu bewegen. Das war wichtig, weil Wirbelsäulenverletzungen nicht ausgeschlossen werden konnten. Auch die Kopfverletzung bereitete der Notärztin Sorge: Bei einem Schädel-Hirn-Trauma war es umso wichtiger, jede Erschütterung zu vermeiden.

Ganz behutsam schoben sie die beiden Hälften der Schaufeltrage unter die Patientin und hoben sie hoch.

»Gib dein Bestes, Jupp!«, murmelte Andrea, als sich der Rettungssanitäter eilig hinters Steuer setzte und das Blaulicht aktivierte. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

***

Schon während der Fahrt verständigten Andrea und ihr Team das Krankenhaus und gaben so viele Informationen wie möglich weiter, damit alles vorbereitet werden konnte. Sobald sie ankamen, brach hektische Betriebsamkeit los.

Die Patientin wurde in den Schockraum gebracht, in dem schwer verletzte und polytraumatisierte Patienten erstversorgt wurden. Ärzte und Schwestern wirbelten durcheinander; es war wie ein choreografiertes Ballett, das auf den ersten Blick chaotisch wirkte, in dem aber jeder seinen Platz und seine Aufgaben ganz genau kannte.

Mit Infusionen und künstlicher Beatmung wurde die Patientin stabilisiert. Die Apparate, an die sie angeschlossen wurde, dienten der Überwachung ihrer Vitalfunktionen. Jedem war klar, wie ernst die Lage war.

Durch den direkten Zugang ging es dann auch schon in den OP. Ehe Andrea sich’s versah, wurde ihr ein OP-Kittel angelegt. Rasch desinfizierte sie ihre Hände, zog sich entsprechende Schuhe und Handschuhe sowie einen Mundschutz an. Sie wollte bei der Operation helfen, jedes Paar Hände wurde jetzt gebraucht.

Der Oberarzt Dr. Anger war an ihrer Seite. Privat hatten sie immer wieder ihre Differenzen, doch jetzt spielte das keine Rolle. Dr. Helmut Anger war ein brillanter Chirurg, nur das zählte in diesem Moment, in dem eine Mutter und ihr ungeborenes Kind in Lebensgefahr schwebten. Gemeinsam kämpften sie, während sich Dr. Wolters und Dr. Gellert dem Baby widmeten.

»Es ist am Leben, aber wir müssen es auf die Welt holen«, stellte Dr. Doris Gellert ernst fest. »Jetzt, auf der Stelle. Nur so hat es eine Chance.«

Jedem im Raum war klar, was das bedeutete. Die Schwangerschaft war noch nicht weit genug fortgeschritten; Andrea erinnerte sich, dass die Kollegin der Patientin gesagt hatte, sie sei in der sechsundzwanzigsten Woche. Ein so junges Frühchen hatte mit allen möglichen gesundheitlichen Risiken zu kämpfen. Im Allgemeinen sagte man, die Grenze der Lebensfähigkeit liege irgendwo zwischen der zweiundzwanzigsten und der vierundzwanzigsten Schwangerschaftswoche, doch auch jetzt war es noch eine gefährliche Angelegenheit. Und doch gab es keine Alternative; sie mussten es riskieren.

Andrea atmete tief durch und blendete alles andere aus. Mit aller Macht konzentrierte sie sich auf die Not-Operation, denn sie wusste, was für schlimme Folgen es haben könnte, wenn sie versagte.

Sorgfältig setzte sie mit dem Skalpell einen Schnitt in die Haut über dem Zwischenrippenraum, schob vorsichtig die Muskulatur auseinander und eröffnete das Brustfell. Mithilfe eines metallenen Führungsstabes führte sie einen Kunststoffschlauch in den Pleuraspalt ein.

Doch mit der Thoraxdrainage war es noch lange nicht getan. Unermüdlich kümmerte sich das Ärzteteam um die Verletzungen der Patientin, richtete Brüche, fixierte Knochenfragmente mit Drähten und nähten Wunden. Die piepsenden Gerätschaften wachten dabei über die Vitalfunktionen der Frau, der Anästhesist Dr. Böhm achtete aufmerksam darauf, dass die Narkose weder zu tief noch zu flach war.

Während des Eingriffs wurde kaum gesprochen, niemand war jetzt in der Stimmung für Gespräche. Andrea wusste nicht, wie viel Zeit verging, und es spielte auch keine Rolle. Sie ignorierte ihre Erschöpfung und die schmerzenden Füße, die jetzt, am Ende des langen Arbeitstages, unangenehm pochten. Das Einzige, was in dem Moment zählte, war das Leben der Patientin und ihrer Tochter.

***

Seufzend betrachtete Emma Lindner das winzige Baby, das vorhin auf die Frühchen-Station gebracht worden war. Seit ein paar Jahren arbeitete sie schon hier, aber selten zuvor hatte sie ein so kleines Baby gesehen. Wie zerbrechlich das Mädchen aussah! So, als könnte ein starker Windstoß es einfach mit sich davontragen. Wie gut, dass es hier im Inkubator wohlbehütet war, und die bestmögliche medizinische Versorgung erhielt – aber leider war es trotzdem nicht außer Gefahr.