Notärztin Andrea Bergen 1388 - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1388 E-Book

Hannah Sommer

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Beschreibung

Unser Sonnenschein an grauen Tagen

"Erbschleicherin!" Mit letzter Kraft flüchtet sich die schöne Maja in den Aufzug, doch erst als sich die Metalltüren hinter ihr schließen und Valentins zorniges Gesicht ausschließen, gestattet sie sich, den Tränen über den ungeheuren Vorwurf freien Lauf zu lassen. Sie kann nicht fassen, dass Valentin, ihr Valentin, so schlecht von ihr denkt! Um Maja und ihrer kleinen Tochter Johanna ein Dach über dem Kopf zu bieten, hat Valentins betagte Mutter Trude ihnen ihr Haus geschenkt - zum Dank für Majas jahrelange unermüdliche Unterstützung. Dass Maja dieses Geschenk ausgeschlagen hat, hat Valentin nicht gelten lassen. Er glaubt stattdessen seinem Bruder Laurenz, der Maja vorwirft, "aus reiner Berechnung alte Menschen zu umgarnen" ...
Als sich der Fahrstuhl endlich in Bewegung setzt, gleitet Maja schluchzend an der Rückwand zu Boden - völlig verzweifelt und ohne jede Hoffnung! Innerhalb eines Tages hat sie nicht nur ihr Zuhause verloren, sondern auch Valentin, die Liebe ihres Lebens ...

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Seitenzahl: 131

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Inhalt

Cover

Impressum

Unser Sonnenschein an grauen Tagen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Cecilie_Arcurs / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8673-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Unser Sonnenschein an grauen Tagen

Ich weiß nicht, wie ich Maja Albrecht helfen soll. Die schöne Altenpflegerin aus dem Seniorenheim „Am Rheinpark“ hat ihr Strahlen verloren, mit dem sie alle um sich herum verzauberte. Grund dafür ist ihr Liebeskummer, der sie quält, seit ihre große Liebe Valentin sich brüsk von ihr getrennt hat. Er hat nämlich erfahren, dass seine Mutter Trude sein Elternhaus Maja schenken will. Wutentbrannt hat er der jungen Frau Erbschleicherei vorgeworfen und sie damit tief verletzt. Dabei ist es für Maja eine echte Berufung, sich um ihre betagten Schützlinge zu kümmern. Und gerade Trude Reuter bedeutet ihr unendlich viel! Aber Trudes zweiter Sohn Laurenz hat im Herzen seines Bruders die giftige Saat des Zweifels gelegt – aus niedersten, abscheulichen Gründen …

Gerade bin ich zu Trude Reuter gerufen worden, die nach dem unseligen Streit mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen ist! Ich konnte sie vorerst stabilisieren – und hoffe nun, dass diese lebensgefährliche Attacke allen Beteiligten endlich die Augen öffnet für das Glück, das doch so greifbar nahe liegt …

„Oje, mir ist da ein Malheur passiert, Schwester Maja.“ Unglücklich sah Ulrike Solingen an sich herunter. Auf dem Rock der älteren Dame prangte ein dunkler Fleck, und ihre Beine waren feucht. „Es hat schon wieder nicht gereicht“, wimmerte sie.

Maja Albrecht, die Pflegerin mit den blonden Korkenzieherlocken und dem wärmsten Lächeln auf der ganzen Station des Seniorenheims, stand vom Spieletisch auf und ging zu der Seniorin.

„Das macht doch nichts, Frau Solingen. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.“ Sie griff nach Ulrikes Hand und führte die ältere Dame in ihr Zimmer zurück. Ulrike folgte ihr mit trippelnden Minischritten. „Jetzt ziehen wir erst mal die nassen Sachen aus“, sagte sie, nachdem sich die Seniorin auf ihr Pflegebett gesetzt hatte. „Wollen Sie nicht doch mal so ein Höschen probieren?“, fragte Maja behutsam, während sie ihr beim Umziehen half, denn sie wusste, dass Windeln bei Ulrike Solingen ein heikles Thema waren.

„Nein, da fühle ich mich ja wie ein Baby“, widersprach die ältere Dame. „Und außerdem raschelt es so komisch, und alle sehen dann, dass ich einen dicken Hintern habe.“

Maja lachte ihr glockenhelles Lachen. „So ein Quatsch!“, sagte sie amüsiert. „Unter Ihren tollen Faltenröcken fällt das doch gar nicht auf. Welchen sollen wir nehmen, den lilafarbenen oder den grau-schwarz karierten?“

„Den karierten“, entschied Ulrike und sah Maja dabei zu, wie sie den Rock aus dem Kleiderschrank nahm. „Meinen Sie wirklich, dass man das nicht sieht?“, fragte sie zögernd.

„Ganz bestimmt“, versicherte Maja. „Sie ahnen gar nicht, wie viele Ihrer Freundinnen hier auch solche Höschen tragen. Und außerdem ist das ein bisschen wie damals mit der Periode. Da haben Sie doch bestimmt auch gedacht, dass jeder weiß, dass Sie eine Binde tragen, oder?“

Ulrike Solingen nickte nachdenklich. „Na gut, dann holen Sie eben so ein Ding.“

Maja ging zum Versorgungsschrank im Badezimmer und entdeckte auch gleich die Pfütze vor der Tür. Die arme Frau Solingen! Hoffentlich würde sie sich mit der Windel anfreunden, das würde ihr einiges an Lebensqualität zurückgeben. Sie nahm eine der Hosen vom Stapel und kehrte zu der Seniorin zurück. Um das Missgeschick im Badezimmer würde sie sich später kümmern.

„Ich halte das Höschen auf, und Sie steigen hinein“, erklärte sie Ulrike. „So wie wir das immer machen.“

Ulrike stützte sich auf Majas Schulter und stand auf. Im Nu war sie neu angezogen und strahlte über das ganze Gesicht.

„Jetzt fühle ich mich wieder viel besser“, sagte sie glücklich. „Vielen Dank, Schwester Maja.“

„Keine Ursache.“ Maja lächelte ihr zu, dann holte sie den Wischmopp und machte sauber, während Ulrike wieder zu den anderen Senioren ins Gemeinschaftszimmer zurückging. Als Maja fertig war und auch sie das Zimmer verlassen wollte, hupte jemand mit einer Fahrradhupe, und Maja konnte sich gerade noch in den Türrahmen drücken, um einen Zusammenstoß zu verhindern.

„Achtung, hier ist rechts vor links!“, rief ein rüstiger Senior, der seinen Rollator mit zügigen Schritten vor sich her schob.

„Hallo, Herr Hoppe, Sie sind ja wieder so schnell wie auf einer Autobahn unterwegs! Wenn das so weitergeht mit Ihnen, muss ich hier noch Zebrastreifen auf den Boden malen und Blitzer installieren.“

„Das sollten Sie mal tun, Schwester Maja. Mein Ferrari läuft nämlich wieder wie geschmiert, seit er aus der Werkstatt zurück ist.“ Stolz präsentierte Reinhard Hoppe seinen roten Rollator, den er seit Anfang der Woche wieder von der Reparatur zurückhatte. „Es war sehr gut, dass Sie mir die Hupe geschenkt haben. Meinen Sie, dass Sie mir auch einen Chromauspuff besorgen können? Oder wenigstens ein paar schickere Felgen? Mein Enkel hat mir neulich welche für sein Motorrad in einem Katalog gezeigt.“

Maja schüttelte lachend den Kopf. „Über einen Totenkopfsticker können wir vielleicht reden, aber der Rest ist hier im Haus vermutlich nur schwer umzusetzen. Sie wissen ja, wie schnell sich die Behörden querstellen.“

„So ein Ärgernis!“ Reinhard nickte mit gespielt ernster Miene. „Aber was den Sticker angeht, nehme ich Sie beim Wort, Schwester Maja! Und vielleicht finden Sie ja gebraucht auch noch eine hübsche Lederjacke dazu. So eine schwarze – mit Nieten! Sie wissen schon! Meine Tochter war überhaupt nicht begeistert, als ich meine braune Wildlederjacke verzieren wollte.“

„Ich werde sehen, was ich tun kann“, versprach Maja zwinkernd.

Reinhard Hoppe mochte sie besonders gern. Er wohnte schon seit einigen Jahren hier in der Residenz, und bereits an ihrem ersten Arbeitstag hatte sie ihn ins Herz geschlossen. Damals hatte er in ihrer Mittagspause beim Backgammon mit ihr um ihren Nachtisch gespielt und gewonnen.

„Ich verlasse mich auf Sie, Schwester Maja. Aber jetzt muss ich weiter. Wilhelm hat von seiner Nichte eine Packung Bonbons geschenkt bekommen, und wir haben noch eine Partie Backgammon offen. Drücken Sie mir die Daumen, dass ich gewinne!“

„Daran habe ich keinen Zweifel“, entgegnete Maja schmunzelnd. „Ich ziehe die nächste Insulinspritze schon mal auf.“

Reinhard reckte im Gehen den Daumen nach oben und verschwand dann im Gemeinschaftsraum. Maja sah ihm amüsiert hinterher. Eigentlich sollte Reinhard nur wenig Zucker essen, aber sie wusste, wie gern der ältere Herr naschte. Und was machte es schon? Sie fand, dass man den Menschen hier durchaus auch mal eine Freude machen konnte, solange alles im Rahmen blieb.

Sie ging ins Schwesternzimmer und bereitete die Medikamente für den Abend vor, als ihr ein Einsatzteam mit einer Trage auf dem Flur auffiel. Es war Andrea Bergen, die Notärztin des Elisabeth-Krankenhauses, zusammen mit ihren beiden Sanitätern. Das Team war öfter vor Ort, um Krankentransporte zu fahren, aber auch wenn ein Noteinsatz anstand, kam häufig Andrea Bergen mit ihrem Team. Daher kannte Maja die Notärztin mittlerweile recht gut.

Sie sah auf die Uhr. War es schon Zeit, dass Frau Frank zur Dialyse abgeholt wurde? Tatsächlich, auch sie selbst hatte gleich Feierabend. Maja verließ den Pflegestützpunkt und ging zu Andrea Bergen.

„Hallo“, grüßte sie die Notärztin freundlich.

„Hallo, Schwester Maja, Wie schön, Sie zu sehen. Geht es Ihnen gut?“

Maja nickte. Sie mochte die Notärztin, die immer ein offenes Ohr für ihre Patienten und Kollegen hatte. „Und selbst?“

„Ich kann nicht klagen“, erwiderte Andrea Bergen. „Nur die zusätzliche Musik-AG in der Schule bereitet uns ein bisschen Kopfzerbrechen. Franzi soll jetzt ein Instrument vorstellen und ist ganz versessen darauf, Schlagzeug zu lernen. Werner und ich haben im Haus keine ruhige Minute mehr, und ein paar von Hildes Kochtöpfen sind in Franzis Zimmer gewandert. Nachher muss ich noch einen neuen Kochlöffel kaufen, weil unserer leider dem Rhythmusgefühl meiner Tochter nicht standgehalten hat.“

Maja lachte. Andrea Bergens Tochter Franzi und ihre eigene Tochter Johanna waren in derselben Musik-AG des Gymnasiums.

„Das kenne ich. Johanna erprobt gerade ihr Talent an der Blockflöte. Augenblicklich klingt das Übungsstück leider noch etwas schief.“ Sie verzog das Gesicht, und jetzt war es die Notärztin, die lachte.

„Sind Sie deshalb noch hier, weil sie zu Hause keine ruhige Minute haben?“, wollte Andrea Bergen wissen.

„Nein, ich hatte eben noch die Medikamente für den Schichtwechsel vorbereitet. Aber jetzt gehe ich auch. Ich wollte noch bei meiner Nachbarin vorbeigucken. Trude ist mein letzter Termin.“

Gertrude Reuter, eine Dame von Anfang siebzig, war Maja besonders ans Herz gewachsen. Sie half ihrer Nachbarin schon seit einiger Zeit im Haushalt, und irgendwann hatte sie ihr vorgeschlagen, dass sie doch den ambulanten Pflegedienst des Seniorenheims „Am Rheinpark“, in dem Maja arbeitete, in Anspruch nehmen könnte.

„Für Frau Frank haben Sie alles?“, erkundigte sich Maja.

„Ja, es ist alles vorbereitet. Wir bringen sie jetzt ins Krankenhaus“, bestätigte die Notärztin.

Dann verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander, und Maja machte sich auf den Heimweg.

***

Maja klingelte, und schon nach wenigen Augenblicken wurde die Tür geöffnet.

„Maja, hallo! Komm rein!“, sagte Trude und winkte die Altenpflegerin ins Haus. „Du hast Glück, der Kuchen ist noch warm.“

„Oh, dann habt ihr gebacken?“, fragte Maja, und die ältere Dame nickte.

„Johanna hat sich einen Johannisbeerkuchen gewünscht. Im Garten hängen so viele Beeren an den Sträuchern, dass es doch schade wäre, sie verkommen zu lassen.“

Maja folgte Trude in die Küche, und wie selbstverständlich nahm sie drei Teller aus einem der Oberschränke. „Aber du sollst dich doch nicht so überanstrengen“, sagte sie besorgt. „Denk an deine Bandscheibe.“

„Ach, das war gar kein Problem. Johanna hatte die Idee, dass ich mich zum Pflücken auf einen Stuhl setze und sie alle Beeren weiter unten pflückt. So ging es ganz wunderbar.“

Maja lächelte und beobachtete Trude dabei, wie sie Kaffeepulver in die Maschine gab.

„Mami!“ Johanna, ihre neunjährige Tochter, flitzte um die Ecke. Sie musste draußen im Garten gewesen sein, denn ihre Jeans hatte Grasflecken an den Knien.

Geistesgegenwärtig stellte Maja gerade noch rechtzeitig die Teller auf die Anrichte, und kaum einen Augenblick später fiel ihre Tochter ihr um den Hals.

„Ich hab eine Zwei in Deutsch!“, rief sie glücklich.

„Das ist ja toll!“, freute sich Maja. „Und wie war die Mathestunde?“ Sie wusste, dass ihre Tochter in Mathematik Probleme hatte und die Unterrichtsstunden daher überhaupt nicht mochte.

Johanna verzog das Gesicht. „Das war blöd. Ich musste an der Tafel etwas vorrechnen, aber ich hab es gar nicht gekonnt. Und dann haben die anderen gelacht, weil ich so lange gebraucht habe.“

Maja zog es das Herz zusammen. Sie wusste, wie sehr ihre Tochter darunter litt, dass ihre Lehrerin sie immer wieder an die Tafel rief, um sie spezielle Aufgaben rechnen zu lassen, die dem Mädchen schwerfielen. Sie musste unbedingt ein Elterngespräch führen – wenn sie nur wüsste, wann …

„Jetzt gibt es erst mal Kuchen zur Feier des Tages, schließlich müssen wir deine Zwei doch feiern“, entschied Trude. „Möchtest du einen Kakao?“

„Au ja!“, freute sich Johanna.

„Na, dann hilf mir mal.“ Trude zog einen Küchenstuhl heran, und Johanna klettere darauf, um das Kakaopulver aus dem Schrank über der Anrichte zu holen. Die beiden waren ein eingespieltes Team. Dann half Trude dem Mädchen wieder herunter. „Super. Und jetzt brauchen wir noch Milch.“

Johanna ging zum Kühlschrank, holte die Milchpackung heraus und brachte beides ins Esszimmer. Maja folgte ihr mit den Tellern.

„Es fehlt noch Besteck“, sage sie, und sofort flitzte das Mädchen wieder in die Küche, wo es beinahe mit Trude zusammengestoßen wäre, die den Kuchen gerade hinübertragen wollte.

„Langsam, du Wirbelwind!“, tadelte die alte Dame Johanna lachend und ging mit beschwerlichen Schritten ins Esszimmer.

Maja beobachtete es mit Sorge. „Du musst mir sagen, wenn es dir mit der Kleinen zu viel wird“, sagte sie leise.

„Um Gottes willen, lass mir das Kind ruhig da! Dann ist wenigstens etwas Leben in dem großen Haus.“

Maja lächelte dankbar. Es half ihr sehr, dass Trude auf ihre Tochter aufpasste. So konnte sie ihren Dienstplan im Seniorenheim problemlos wahrnehmen und auch Wochenend- und Nachtschichten machen, die ihr zusätzliches Geld brachten. Denn an Geld fehlte es ihr leider oft.

Seit sich Lukas, Johannas Vater, von ihr getrennt hatte und sie in die kleine Wohnung gezogen waren, kamen die Unterhaltszahlungen meistens verspätet und blieben manchmal sogar ganz aus. In letzter Zeit war es besonders schlecht gewesen, und bei Maja häuften sich die Mahnungen. Sie musste dringend mit Lukas darüber sprechen. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen, denn ihr Vermieter hatte ihr schon wieder eine Mahnung geschickt.

Johanna kam mit dem Besteck zurück und legte es neben die Teller. Trude beobachtete sie dabei mit einem Lächeln.

„Wie arbeitest du denn nächsten Monat, Maja?“, fragte sie dann. „Hast du wieder ein paar Zusatzschichten?“

Maja nickte. „Ich hab dir den Dienstplan schon kopiert. Ich gebe ihn dir später. Ach, und ich brauche noch eine Unterschrift von dir, dass ich letzte Woche die zwei Stunden am Freitag da war.“

„Das waren doch vier Stunden“, entgegnete Trude.

„Ja, aber ich kann nur zwei abrechnen. Die anderen war ich privat bei dir.“

Trude schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. „Das sollst du doch nicht“, mahnte sie.

„Wieso nicht? Du bist meine Nachbarin, und ich helfe dir gern. Außerdem passt du auf Johanna auf.“

„Ja, das eine hat aber mit dem anderen nichts zu tun. Du kannst mir nicht ständig im Haushalt helfen, obwohl deine Dienstzeiten schon längst vorbei sind.“

„Ach, das lass mal meine Sorge sein“, widersprach Maja und holte die Kaffeekanne, als die Maschine mit einem Brummen ankündigte, dass der Kaffee fertig war. „Eine Hand wäscht die andere.“

„Also schön.“ Trude setzte sich und schnitt den Kuchen an. „Aber dann passe ich nächsten Monat auf alle Fälle wieder auf Johanna auf. Vorausgesetzt, du magst bei mir übernachten“, wandte sie sich an das Mädchen.

„Na klar!“, freute sich Johanna.

Maja schenkte Trude und sich Kaffee ein, und das Mädchen griff nach dem Kakao.

„Sei schön vorsichtig, mein Schatz, damit du keine Flecken machst“, sagte sie mit sanfter Stimme.

„Ich pass schon auf!“, versicherte Johanna, und das tat sie auch.

Trude lächelte und warf einen Blick auf das Sideboard, auf dem ein großes gerahmtes Bild ihres Mannes stand.

„Gottfried würde sich sehr freuen, dass ihr beide da seid“, sagte sie. „Seit seinem Tod ist das Haus so leer, aber wenn ihr hier seid, dann ist das, als ginge die Sonne auf. Mein kleiner Wildfang und mein Sonnenschein an grauen Tagen!“, sagte Trude und streichelte erst Johanna über die Wange und griff anschließend nach Majas Hand und drückte sie sanft. „Ich habe zwei so liebe Nachbarinnen!“ Sie lächelte glücklich.

Maja wusste, dass die ältere Dame sehr unter dem Verlust ihres Mannes litt. Obwohl Gottfried nun schon zehn Jahre tot war, fehlte er Trude jeden Tag. Verständlich, dachte Maja, schließlich waren die beiden ihr ganzes Leben lang zusammen gewesen. Auch Trudes Söhne hatten nur wenig Zeit, um die Mutter zu besuchen, weshalb Trude sie ebenfalls sehr vermisste.

Laurenz war ein Businesstyp, der immer kurz angebunden war und meistens telefonierte, wenn er bei seiner Mutter am Wochenende mal auf einen Kaffee vorbeischaute, und Valentin war geschäftlich ebenfalls häufig unterwegs. Trotzdem brachte er deutlich mehr Zeit als sein Bruder mit, wenn er bei Trude zu Besuch war, auch wenn seine Besuche dafür deutlich seltener waren. Aber wenn er dann mal da war, kümmerte er sich auch intensiv um Trude. Und er grüßte freundlich am Gartenzaun, wenn Maja gerade heimkam oder wenn sie Trude zu Hause zur Hand ging. Er hatte stets ein nettes Wort übrig, und wenn er lächelte, wurde es Maja heiß und kalt.

Unauffällig warf sie dem Bild der beiden Brüder, das ebenfalls auf dem Sideboard stand, einen Blick zu, und ihr Herz begann, schneller zu schlagen.

„Valentin kommt mich nächstes Wochenende besuchen“, sagte Trude, der Majas Blick nicht entgangen war. „Ich freue mich schon sehr auf ihn. Es ist so schade, dass meine Jungs nicht mehr Zeit haben.“