Notärztin Andrea Bergen 1402 - Daniela Sandow - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1402 E-Book

Daniela Sandow

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ablehnend beobachtet die junge Sophie jede Bewegung der Notärztin, die sie gründlich untersucht, um der Ursache ihrer rasenden Kopfschmerzen auf die Spur zu kommen. Wochenlang hatte sich Sophie zuvor geweigert, ärztliche Hilfe einzuholen - denn sie weiß ja, woran sie leidet: an einem Hirntumor, wie ihre Mutter! Deren langes, qualvolles Leiden und ihr Sterben hat sie hautnah miterlebt - und auch die Hilflosigkeit und Arroganz der behandelnden Ärzte! Aber nun ist es doch geschehen: Nach ihrem Zusammenbruch ist Sophie vom Rettungswagen in die Klinik gebracht worden. Doch hier wird sie nicht bleiben - das steht für Sophie fest! Wie lange das Sterben dauert, wenn Ärzte involviert sind, hat sie ja bei ihrer Mutter gesehen ...
Als sie einen Moment unbeaufsichtigt ist, verlässt Sophie das Krankenhaus und gerät ausgerechnet in die Fänge des selbst ernannten Heilers Beno Grünbach, der ihr ein Wunder verspricht. Vertrauensvoll begibt sie sich in seine Hände - und gerät in Lebensgefahr ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 116

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Wunder oder Lüge?

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: LightField Studios / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9709-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wunder oder Lüge?

Mein guter Freund Sven Sendler ist am Boden zerstört, denn der junge Anwalt hat auch den erneuten Prozess gegen den „Heiler“ Beno Grünbach verloren. Es ist Grünbachs Schuld, dass Svens geliebte Frau Maya gestorben ist. Seither versucht er alles, um diesem Scharlatan das Handwerk zu legen. Wie viele andere verzweifelte Kranke hatte auch Maya Beno Grünbachs dubiosen Behandlungsmethoden vertraut, seinen Versprechungen auf Heilung geglaubt, um dann doch qualvoll zu sterben! Aber diesem Verbrecher ist einfach nichts nachzuweisen! Nicht auszudenken, dass er jetzt mit seinen skrupellosen Machenschaften weitermachen darf und sich das Vertrauen schwer kranker Menschen erschleicht, um sich an ihnen zu bereichern …

Gerade habe ich erfahren, dass ausgerechnet unsere Sorgenpatientin Sophie Lorenz sich ebenfalls in die Hände dieses Lügners begeben hat und sich nicht länger schulmedizinisch versorgen lassen will! Wenn es mir nicht gelingt, sie aus Grünbachs Einflussbereich zu befreien, ist sie dem Tod geweiht …

„Cheyenne, dreh dich ein bisschen nach links. Crystal, du musst das Kinn anheben. Die rechte Hand in die Hüfte“, ordnete Sophie Lorenz an. „Ja, so ist es perfekt“, rief sie, als die Models ihren Vorschlägen folgten. Sie drückte auf den Auslöser der Kamera und wusste bereits jetzt, dass die Fotos hervorragend werden würden.

Sie hatte sich zusammen mit Ruben Gilbert für den Strand von Grand Anse entschieden. Der weiße Sand, der blaue Himmel und das Meer in schillernden Blautönen waren nicht nur die perfekte Kulisse, der karibische Sommer bot auch einen wundervollen Kontrast zur neuen Wintermode des Designers Ruben Gilbert.

Sophie hatte Mitleid mit den Models, die in der feuchtheißen Luft Strickkleider, dicke Pullover und sogar Mäntel präsentieren und dabei perfekt aussehen mussten. Vor jeder neuen Einstellung musste das Make-up der Mädchen erneuert werden.

Sophie trug Shorts und ein leichtes Shirt, ebenso wie Ruben.

Er war ein angenehmer Auftraggeber und hielt sich meist im Hintergrund. Sophie arbeitete gerne mit ihm, und sie bedauerte es ein wenig, dass heute ihr letzter Tag auf Martinique war. Morgen würde es zurück nach Deutschland gehen.

Die letzte Einstellung, das letzte Foto. Crystal trug einen dicken Plüschmantel und saß auf dem Stamm einer Palme, die nicht kerzengerade in den Himmel wuchs, sondern sich in einem Bogen dem Meer zuwandte.

„Das ist toll!“, rief Sophie.

„Es ist heiß“, antwortete Crystal und brachte dabei das Kunststück fertig, ihre Miene kaum zu verziehen. Sie lächelte in die Kamera, bis Sophie sagte: „Fertig.“

Crystal sprang von dem Stamm und zog hastig den Mantel aus. Darunter trug sie einen knappen Bikini. Sie riss die Arme hoch, rannte ins Meer und ließ sich ins Wasser fallen. Cheyenne und die beiden anderen Models folgten ihr.

Ruben und die Leute aus seinem Team lachten, während Sophie weitere Fotos schoss. Einfach so, nur für sich. Bis Ruben neben sie trat. Er sah gut aus. Er war schon braun gebrannt nach Martinique gekommen, so als wäre er vorher bereits an einem sonnenverwöhnten Ort gewesen. Sein Haar war dunkel und sehr kurz geschnitten, ebenso der gepflegte Vollbart.

„Arbeitest du nebenbei für einen Reiseführer?“ Er grinste.

Sophie ließ die Kamera sinken. „Das sind Fotos für mein ganz persönliches Album. Damit ich nicht vergesse, noch einmal privat hierherzukommen.“

„Warst du noch nie hier?“

„Ich war auf St. Lucia, auf Barbados und Grenada“, zählte Sophie auf, während sie ihre Fotokamera in den Metallkoffer legte. „Aber die raue Schönheit Martiniques fasziniert mich.“

Ruben lächelte. „Deshalb habe ich auch diese Insel für das Shooting ausgewählt. Und, ja, du musst unbedingt wieder hierherkommen.“ Mit einer ausholenden Handbewegung schloss er den weißen Strand, das türkisfarbene Wasser und die schiefen Palmen ein. „Die Insel hat so viel mehr zu bieten als dieses karibische Klischee. Schade, dass wir nicht mehr die Zeit haben, uns das alles anzusehen.“

„Ja, schade“, stimmte Sophie ihm zu.

„Gehst du heute Abend mit mir essen? Ich würde gerne weitere Projekte mit dir besprechen.“ Er lächelte, in seinen braunen Augen lag ein warmer Glanz. Sophie hatte plötzlich das Gefühl, dass seine Einladung keinem beruflichen Interesse geschuldet war. Trotzdem stimmte sie zu. Überraschend spontan, wie sie selbst feststellte, obwohl sie sonst Berufliches und Privates strikt trennte.

„Ich freue mich.“

Ich mich auch, dachte Sophie, aber sie sprach es nicht aus.

***

„Im Namen des Volkes“, begann der vorsitzende Richter Ulrich Kleiber. „Der Angeklagte Beno Grünbach wird freigesprochen. Die Gerichtskosten und die Kosten seiner Auslagen übernimmt die Staatskasse.“ Der Richter schaute kurz auf, direkt in Sven Sendlers Gesicht. In seinen Augen lag Bedauern, aber das tröstete Sven nicht über den Ausgang des Verfahrens hinweg.

„Bitte setzten Sie sich“, sagte der Richter.

Die Verfahrensbeteiligten und die wenigen Zuschauer, die dem Prozess beiwohnten, nahmen wieder Platz.

Der Richter schaute den Angeklagten an. „Bevor Sie jetzt den Gerichtssaal verlassen, möchte ich Ihnen etwas mit auf den Weg geben. Juristisch waren Sie heute freizusprechen. Ihnen konnte nicht nachgewiesen werden, dass Sie den Tod von Maya Savini verschuldet haben. Und nach allem, was ich in dieser Verhandlung von Ihnen gehört habe, bezweifle ich auch, dass Sie sich moralisch dafür verantwortlich fühlen, dass Sie das Vertrauen der jungen Frau ausgenutzt haben. Letztendlich hat Frau Savini aber selbst die Entscheidung getroffen, sich Ihren fragwürdigen Behandlungsmethoden auszusetzen und die medizinisch fachkundige Behandlung abzulehnen.“

Beno Grünbach, der sich gerne als Beno von Grünbach vorstellte, grinste selbstgefällig zu den Worten des Richters.

Sven Sendler, der als Nebenkläger neben dem Staatsanwalt Rufus Michelsen saß, musste an sich halten. Er spürte kurz die Hand des Staatsanwalts auf seinem Arm. Rufus lächelte beschwichtigend, als er ihn anschaute.

Dann war die Verhandlung beendet.

„Es tut mir leid“, sagte Rufus. Sven und er kannten sich seit ihrem gemeinsamen Jurastudium. Während er sich für den Staatsdienst entschieden hatte, war Sven Rechtsanwalt geworden und besaß eine eigene Kanzlei. Vor Gericht standen sie sich oft als erbitterte Gegner auf unterschiedlichen Seiten gegenüber, aber das konnte ihrer Freundschaft nichts anhaben. Diesmal, in dem Prozess gegen Beno Grünbach, standen sie zum ersten Mal auf einer Seite.

„Wir wussten beide, dass diese Klage nur wenig Aussicht auf Erfolg hat“, fuhr Rufus fort. „Immerhin haben wir ihm einen Denkzettel verpasst.“

Sven lachte bitter auf. „Hast du sein Grinsen nicht gesehen? Den berührt überhaupt nichts, und das Schlimme ist, er macht so weiter wie bisher.“

„Ich weiß. Selbst Richter Kleiber würde ihm gerne das Handwerk legen“, sagte Rufus. „Aber uns allen sind die Hände gebunden, solange er sich an die rechtlichen Vorschriften hält. Er erstellt zum Beispiel keine Diagnosen durch Radionik und …“

„Das stimmt nicht“, fiel Sven ihm ins Wort. „Maya hat mir von einem Apparat erzählt, der angeblich ihr ‚feinstoffliches Energiefeld’ misst.“

„Da steht Aussage gegen Aussage. Wir haben bei der Durchsuchung kein entsprechendes Gerät in seiner Praxis gefunden. Leider auch keine weiteren Patienten, die gegen ihn aussagen.“

„Weil sie ihm hörig sind – sofern sie noch leben“, stieß Sven hervor. „Nachdem Maya das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, war sie keinen vernünftigen Argumenten mehr zugänglich.“

„Das ist der nächste Punkt“, sagte Rufus sanft. „Es war ihre Entscheidung, die sie letztendlich das Leben gekostet hat. Sie hat beschlossen, sich nicht operieren zu lassen und auf die Chemotherapie zu verzichten. Und wir können ihm nicht nachweisen, dass er ihr dazu geraten hat.“ Rufus machte eine kurze Pause. „Wir haben das alles schon so oft durchgekaut“, schloss er.

Sven bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.

„Du musst mit der Sache abschließen“, sagte Rufus drängend.

„Ja, ich weiß“, erwiderte Sven dumpf. „Aber ich kann es nicht. Ich kann diesen Moment nicht vergessen, als sie in meinen Armen starb. Und was immer du auch sagst, dieser verdammte Dreckskerl hat sie auf dem Gewissen. Er hat sich ihr Vertrauen erschlichen und ihr vorgegaukelt, dass nur er und nicht die Schulmedizin ihr helfen kann. Als sie erkannte, dass das nicht stimmte, war es zu spät. Der Krebs hatte gestreut, und die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun.“

Rufus nickte mit bedrückter Miene und schaute auf seine Armbanduhr. „Ich lasse dich jetzt ungern in dieser Stimmung allein, aber ich habe gleich meinen nächsten Prozess.“

Sven winkte ab. „Geh nur, ich komme klar.“

„Schließ mit der Sache ab“, bat Rufus ihn noch einmal.

Sven nickte, obwohl er wusste, dass er das nicht konnte. Seit vier Jahren ließ ihn diese tiefe Verzweiflung nicht los.

Rufus’ Blick wirkte besorgt, er sagte aber nichts mehr. Gemeinsam verließen die beiden Männer den Gerichtssaal.

Auf dem Gang davor stand Beno Grünbach im Gespräch mit seinem Anwalt. Er grinste Sven frech ins Gesicht. „Das war wohl nichts. Sie sollten endlich aufgeben, Sie haben nichts gegen mich in der Hand.“

Sven zeigte mit dem Finger auf Beno Grünbach. „Sie werden für Mayas Tod büßen, darauf können Sie sich verlassen.“

Beno zog arrogant eine Augenbraue in die Höhe. „Ist das eine Drohung?“

„Das ist ein Versprechen“, gab Sven erbittert zurück. Dann ging er weiter. Das gehässige Lachen Beno Grünbachs folgte ihm. Als er den Gerichtsparkplatz erreichte und sich ins Auto setzte, registrierte er, dass seine Hände vor Wut zitterten. Er blieb eine ganze Weile reglos hinter dem Lenkrad sitzen, weil er in dieser Verfassung nicht fahren wollte. Erst als er das Gefühl hatte, dass er ruhiger geworden war, startete er den Motor.

Sein Auto war eng eingeparkt in einer Parklücke dicht neben einem Gebäude. Als er versuchte, aus der Lücke hinauszumanövrieren, vernahm er zuerst einen Knall und dann ein schleifendes Geräusch, als sein linker Kotflügel mit der Hauswand kollidierte.

„Mist!“ Er stieg aus und betrachtete den Schaden. Eine Delle und ein hässlicher Kratzer waren auf dem linken Kotflügel zu sehen.

Es ist nur ein Auto, versuchte Sven, sich zu beruhigen. Ein Gegenstand, der sich reparieren lässt. Nicht auszudenken, wenn er in seiner Unaufmerksamkeit einen Menschen erwischt hätte. Endgültig drängte er seine ganze Wut beiseite und fuhr mit äußerster Vorsicht nach Hause.

***

„Wie spät ist es bei euch auf Martinique?“ Valentina hielt das Handy ans Ohr gepresst. Sie glaubte, im Hintergrund das Rauschen des Meeres zu hören. Vielleicht war es aber auch nur ein Rauschen in der Leitung, obwohl die Verbindung hervorragend war. Sophies Stimme war klar und deutlich zu hören. „Deutschland ist fünf Stunden vor Martinique.“

„Ich beneide dich.“ Valentina seufzte tief auf. „Wir haben hier typisches Aprilwetter. „Regen, Graupelschauer, dann wieder Sonne. Ich wäre jetzt auch lieber irgendwo in der Karibik.“

„Augen auf bei der Berufswahl.“ Sophie lachte am anderen Ende. „Aber du wolltest ja unbedingt Physiotherapeutin werden.“ Sophie hielt kurz inne. Als sie weitersprach, lag deutliches Missfallen in ihrer Stimme. „Und am Elisabeth-Krankenhaus arbeiten.“

Valentina ignorierte diese Bemerkung. Sie kannte die Einstellung ihrer Schwester, die sich von ihrer eigenen grundlegend unterschied. Sie würden sich in diesem Punkt nie einigen. Valentina liebte ihren Job, und sie arbeitete gerne am Elisabeth-Krankenhaus am Rhein. Ihre derzeitige Sehnsucht nach Urlaub war ausschließlich dem schlechten Wetter geschuldet. „Wann kommst du nach Hause?“, wechselte sie das Thema.

„Wir fliegen morgen zurück, mit einer Zwischenlandung in Paris. Ich werde übermorgen gegen Mittag landen.“

„Ich hole dich am Flughafen ab“, bot Valentina an.

„Aber dann ist Donnerstag. Musst du nicht arbeiten?“

„Ich nehme mir frei“, erklärte Valentina.

„Okay, dafür lade ich dich dann zum Essen ein“, versprach Sophie.

„Und du musst mir ganz viele Fotos von Martinique zeigen, damit meine Sehnsucht nach Urlaub noch größer wird.“ Valentina lachte. „Ich freue mich auf dich, Schwesterchen.“

„Ich freue mich auch auf dich“, erwiderte Sophie herzlich.

Valentina beendete das Gespräch und steckte das Handy in ihre Jackentasche. In Gedanken war sie bei ihrer Schwester auf Martinique, als sie das Gerichtsgebäude passierte. Sie achtete nicht auf den Mann, der mit ärgerlich verzogenem Gesicht herausstürmte und gegen sie prallte. Er starrte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen finster an, dann eilte er weiter.

„Entschuldigung, dass ich im Weg stand!“, rief Valentina ihm sarkastisch nach.

Der Mann drehte sich nicht einmal mehr um.

„Idiot“, sagte sie leise und ging in die andere Richtung weiter. Sie lächelte, als sie noch einmal an ihre Schwester dachte. Kurz darauf hatte sie die kurze Begegnung bereits wieder vergessen.

***

Etwa siebentausendfünfhundert Kilometer entfernt legte Sophie ihr Handy lächelnd beiseite. Sie freute sich ebenfalls auf das Wiedersehen mit ihrer Schwester, aber jetzt konzentrierte sie sich auf das gemeinsame Abendessen mit Ruben.

Sie öffnete den Kleiderschrank und überlegte, was sie anziehen sollte. Tagsüber trug sie meistens Shorts und ein T-Shirt. Die bequemste Kleidung bei diesen Temperaturen. Auch abends war sie meist leger gekleidet, in sportlichen Hosen und leichten Blusen. Genau diese Art von Kleidung würde sie auch heute Abend tragen, wenn es sich tatsächlich um ein Arbeitsessen handelte. Sie griff nach einer hellen Hose, dann zögerte sie. Sie dachte daran, wie Ruben sie heute angesehen hatte. Es war anders gewesen als sonst. Dieses Lächeln, dieser Glanz in seinen Augen …

Kurz entschlossen griff sie nach dem roten Sommerkleid, das sie für besondere Gelegenheiten mitgenommen hatte. War das heute Abend so eine besondere Gelegenheit?

Sie zog es an und drehte sich vor dem Spiegel. Das ärmellose Oberteil schmiegte sich eng an ihrem Körper an, der schwingende Rock umspielte ihre schlanken Beine. Sie löste die Spange aus ihrem Pferdeschwanz. Das blonde, lockige Haar fiel ihr über die Schulter.

Sophie verzichtete weitgehend auf Schmuck, bis auf das Medaillon, das einst ihrer verstorbenen Mutter gehört hatte. Es schimmerte golden auf ihrer gebräunten Haut. Sie schloss die Augen und strich sanft mit dem Finger darüber. „Ich vermisse dich immer noch so sehr, Mama“, flüsterte sie.

In einer Woche war der Todestag ihrer Mutter. Vor sechs Jahren war sie gestorben, nach einer OP, bei der versucht worden war, einen Hirntumor zu entfernen.

Sie alle hatten vorher gewusst, dass es ein komplizierter Eingriff werden würde, doch dann war es zu Gehirnblutungen gekommen. Ihre Mutter war ins Koma gefallen – und zwei Tage später war sie gestorben.