Notärztin Andrea Bergen 1408 - Daniela Sandow - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1408 E-Book

Daniela Sandow

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Beschreibung

Helles Kinderlachen und das sanfte Murmeln einer Frauenstimme dringen in das abgedunkelte Wohnzimmer. Wie so oft in letzter Zeit, seit Melanie sich so kraftlos fühlt, kümmert sich die junge Olivia auch heute wieder um Melanies fünfjährige Tochter Lea. Wie ein rettender Engel in höchster Not ist Olivia in ihrem Leben erschienen. Längst ist sie für die kranke, alleinerziehende Melanie unentbehrlich geworden ...
Doch wer ist die rätselhafte Frau wirklich, die sich als Melanies treue Freundin ausgibt? War es tatsächlich Zufall, dass sie ihr vor Leas Kindergarten begegnet ist? Als Melanie zusammenbricht und mit dem Rettungswagen ins Elisabeth-Krankenhaus gebracht wird, nimmt Olivia die kleine Lea ungefragt zu sich - und verschwindet mit ihr spurlos! Schwer krank, möglicherweise dem Tode geweiht, muss Melanie fürchten, ihr geliebtes Töchterchen nie wiederzusehen ...

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Seitenzahl: 122

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Inhalt

Cover

Impressum

Nur noch ein bisschen Zeit mit meiner Tochter

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Alena Ozerova / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0053-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Nur noch ein bisschen Zeit mit meiner Tochter

Immer und immer wieder lasse ich in Gedanken diesen einen Noteinsatz Revue passieren. Und die Frage, was ich übersehen habe, lässt mich nicht mehr los. Nach dem Zusammenbruch der jungen Melanie Schiller habe ich ihre kleine Tochter Lea in der Obhut der freundlichen Olivia gelassen – einer Frau, die sich mir als Melanies Freundin vorgestellt und zu der die fünfjährige Lea offenbar ein enges Verhältnis hat. Das Bild, wie sich die Kleine weinend an Olivia schmiegt – ihre „Tante Livi“, wie sie sagte –, und Olivias Versprechen, sich liebevoll um Lea zu kümmern, gaben mir keinen Anlass zu zweifeln! Und doch fehlt seither jede Spur von Lea …

Ich weiß weder den Nachnamen dieser geheimnisvollen „Freundin“, noch kenne ich ihre Adresse – aber eines steht für mich felsenfest: Wenn ich die kleine Lea nicht bald zu ihrer todkranken Mutter bringe, verliert Melanie auch noch den letzten Lebensmut …

„Das gibt es doch nicht“, murmelte Dr. Werner Bergen, als er den Brief las, der an diesem Morgen angekommen war.

„Willst du uns jetzt endlich verraten, wer dir da geschrieben hat?“, forderte Hilde Bergen ihn auf. Sie stellte die Salatschüssel auf den Tisch, bevor sie ebenfalls Platz nahm. „Wieso bekommst du Post aus dem Jemen?“

Werner ließ den Brief sinken. „Woher weißt du, dass der Brief aus dem Jemen kommt?“

„Da steht es doch.“ Hilde Bergen nahm den Umschlag hoch, der neben dem Teller ihres Sohnes lag, und wies auf die Briefmarke. Yemen, stand unter dem Bildchen, das zwei verschleierte Frauen und einen kleinen Jungen zeigte. „Leider ist der Absender ziemlich verwischt. So, als wäre eine Flüssigkeit darübergelaufen.“

Werner wirkte belustigt. „Du hast dir den Umschlag aber ziemlich genau angesehen.“

„Ich bin neugierig“, gab Hilde unumwunden zu.

„Der Brief ist von Raphael.“ Werner lächelte. „Ich habe so lange nichts mehr von ihm gehört. Wenn ich ehrlich bin, habe ich ewig nicht einmal mehr an ihn gedacht.“

Andrea Bergen runzelte nachdenklich die Stirn. „War das nicht der Kardiologe?“

Werner nickte. „Raphael Beck, ein ehemaliger Kommilitone. Er hat eine Zeit lang in der städtischen Klinik gearbeitet, bevor er für ‚Ärzte ohne Grenzen’ in den Jemen ging.“

„Wie nett, dass er sich meldet.“ Andrea schaute ihren Mann fragend an. „Wie geht es ihm?“

„Offensichtlich ganz gut. Aus den zwölf Monaten, die er ursprünglich wegbleiben wollte, sind nun vier Jahre geworden. Nächsten Monat kommt er zurück. Er will die Praxis von Dr. Gabriel übernehmen.“

Andrea kannte den Kollegen, der in der Stadt praktizierte. Sie wusste, dass der Kardiologe sich zur Ruhe setzen wollte und nach einem geeigneten Nachfolger suchte.

„Raphael möchte, dass ich mir die Praxis einmal ansehe.“

„Und darum bittet er dich in einem Brief.“ Hilde lächelte. „Wie altmodisch!“

„Er hat ein paar Mal versucht, mich auf unserer privaten Leitung anzurufen.“ Werner schaute seine Mutter an. „Es wurde jedes Mal abgehoben und gleich wieder aufgelegt.“

„Oje“, murmelte Hilde. „Das war dann wohl ich. Immer wenn ich diese Auslandsvorwahl sah, dachte ich, es handele sich um eines dieser dubiosen Unternehmen, vor denen ständig gewarnt wird.“

„Das ist nicht so schlimm.“ Werner streichelte über die Hand seiner Mutter. „Raphael konnte sich noch an unsere Adresse erinnern, deshalb hat er mir den Brief geschrieben. Ich habe nun seine Kontaktdaten.“ Er lächelte. „Ich freue mich sehr darauf, ihn wiederzusehen.“

„Ich auch.“ Andrea nickte zustimmend. „Und ich bin gespannt, was er uns alles zu erzählen hat.“

***

„Ich will nicht in die Schule. Ich bleibe im Kindergarten!“ Leas Stimmchen klang bestimmt.

Melanie Schiller schaute ihre Tochter überrascht an. „Aber du hast dich doch so auf die Schule gefreut.“

„Jetzt finde ich Schule doof.“ Lea verzog angewidert das Gesicht. „Wir müssen da immer ruhig sitzen bleiben, hat Nora gesagt. Dazu hab ich keine Lust.“

Noch während Melanie überlegte, wie sie ihrer Tochter erklären sollte, dass sie auf jeden Fall zur Schule gehen musste, klingelte ihr Handy. Der Name ihrer besten Freundin Nathalie stand auf dem Display. „Wie schön, von dir zu hören!“, sagte Melanie statt einer Begrüßung. „Wie geht es dir?“

Sie hörte Nathalie leise lachen. „Das wollte ich dich eigentlich fragen.“

„Mir geht es gut“, schwindelte Melanie. Sie hatte sich immer noch nicht von ihrer schweren Erkältung Anfang des Jahres erholt, obwohl inzwischen Monate vergangen waren. „Erzähl mir lieber etwas von deinem Leben auf der Insel.“ Sie lachte leise. „Du ahnst nicht, wie sehr ich dich beneide.“

Nathalie war im vergangenen Jahr mit ihrem Mann Martin und ihren beiden Kindern nach Mallorca gezogen, um dort ein Hotel zu übernehmen. Sie und Martin hatten sich damit einen Lebenstraum erfüllt. „Du weißt, du bist uns jederzeit willkommen.“ Nathalie seufzte tief auf. „Du fehlst mir.“

„Ich vermisse dich auch.“ Seit ihre Freundin mit ihrer Familie ausgewandert war, fühlte Melanie sich oft sehr einsam. Sie hatte keine Geschwister, und ihre Eltern waren bereits vor Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. „Danke für die Einladung, aber vorerst kann ich nicht nach Mallorca fliegen. Ich habe zwei wichtige Aufträge.“

Das war nur die halbe Wahrheit. Melanie konnte sich die Flugtickets einfach nicht leisten. Sie arbeitete als freiberufliche Illustratorin, hatte aber wegen ihres Gesundheitszustandes einige Aufträge nicht angenommen. „Vielleicht nächstes Jahr in den Sommerferien“, schlug sie vor. „Obwohl ich euch wünsche, dass ihr dann keinen Platz für uns habt, weil ihr komplett ausgebucht seid.“

„Wir haben immer Platz für Lea und dich“, beteuerte Nathalie. „Sag mir einfach rechtzeitig Bescheid, dann halte ich euch ein Zimmer frei.“

„Das bezahle ich natü…“

„Auf keinen Fall“, fiel Nathalie ihr ins Wort. „Ihr seid unsere Gäste.“ Kurz darauf verabschiedete sie sich.

Traurig legte Melanie ihr Handy auf den Tisch. Früher hatten Nathalie und sie stundenlang miteinander telefoniert, aber jetzt hatte ihre beste Freundin dazu keine Zeit mehr.

„Ich gehe nicht in die Schule“, verkündete Lea erneut.

„Vorerst gehst du ja noch in den Kindergarten“, wich Melanie diplomatisch aus. Sie fühlte sich zu erschöpft, um mit ihrer Tochter zu diskutieren. Obwohl sie gerade erst sechs Jahre alt geworden war, konnte Lea sehr hartnäckig sein.

Später spielte die Kleine im Garten, während Melanie versuchte, sich auf die Illustrationen zu einem Kinderbuch zu konzentrieren, doch bis zum Abendessen hatte sie kaum etwas geschafft.

Als sie aufstand, wurde ihr einen Moment so schwindelig, dass sie sich am Schreibtisch festhalten musste. Lag das immer noch an der verflixten Erkältung?

„Mama, ich hab Hunger.“ Lea, die gerade aus dem Garten kam, hinterließ eine Spur aus Sand. Offensichtlich hatte sie zuletzt im Sandkasten gespielt.

Melanie sagte nichts dazu. Selbst das war ihr an diesem Abend zu anstrengend. Sie konnte sich auch nicht dazu aufraffen, für sich und Lea etwas Gesundes zu kochen. „Soll ich uns eine Pizza bestellen?“

Leas Augen leuchteten auf. „Jaaa!“, jubelte sie begeistert.

Melanie nahm eine Kopfschmerztablette, bevor sie die Bestellung aufgab. Vielleicht ging es ihr ja morgen besser, wenn sie sich jetzt einfach nur ausruhte und sich gemeinsam mit ihrer Tochter einen schönen Abend machte.

***

In all den Momenten der Resignation, verbunden mit tiefer Verzweiflung, gab es auch immer wieder kleine Hoffnungsschimmer, die Raphael Beck zeigten, wie wichtig seine Arbeit im Jemen war.

Als die kleine Boushra vor zwei Monaten hier eingeliefert worden war, hatte er nicht an ihr Überleben geglaubt. Das Mädchen war so unterernährt gewesen, dass seine Rippen deutlich hervorstachen, die Ärmchen so dünn, dass er sie mit zwei Fingern umfassen konnte. Der Blick der Fünfjährigen war starr und leer gewesen, weil sie in ihrem kurzen Leben schon zu viel Leid gesehen und selbst erfahren hatte. Jetzt erkannte sie ihn. Ihr süßes Gesichtchen, das von dunklen Locken eingerahmt wurde, verzog sich zu einem strahlenden Lächeln.

„Wie geht es dir, Kleine?“ Nach vier Jahren in diesem vom Krieg zerrissenen Land sprach er fließend Arabisch.

„Gut.“ Boushra legte ihre kleine Hand in seine ausgestreckte Rechte.

„Morgen kannst du nach Hause, Boushra.“

Ein Schatten zog über das Gesicht des Kindes. Die Kleine wollte nicht weg aus diesem Hort, der ihr so etwas wie Sicherheit vermittelte.

Raphael wusste, wo sich das Zuhause des Mädchens befand. Nicht weit vom Krankenhaus entfernt, in einer von Trümmern und Ruinen übersäten Umgebung. Dort lebte sie zusammen mit ihrer Mutter hinter Plastikplanen, die so gut wie keinen Schutz boten. Boushras Vater und ihre beiden Geschwister waren in diesem fürchterlichen Krieg ums Leben gekommen.

„Kann ich nicht bei dir bleiben“, flüsterte das Mädchen.

Es wurde Zeit, dass er das Land endlich verließ. Raphael schaffte es kaum noch, die Schicksale seiner Patienten nicht an sich heranzulassen. Er spürte selbst, dass sein Lächeln sehr bemüht wirkte.

„Ich bleibe auch nicht hier, Boushra. Ich gehe ebenfalls nach Hause.“ Als wäre sein Schicksal mit dem des Kindes vergleichbar … Raphael verzichtete auf weitere Phrasen, die er sich in den vergangenen Jahren angeeignet hatte. „Bevor ich abreise, lasse ich mir etwas einfallen, damit es dir und deiner Mutter besser geht“, versprach er. Er hatte bereits eine Lösung gefunden, aber bevor nicht alle Punkte geklärt waren, wollte er dem Mädchen keine Hoffnungen machen.

„Raphael!“ Inkas Stimme war schneidend scharf. Er wandte sich der Kollegin zu, die offensichtlich bereits eine ganze Weile hinter ihm gestanden und zugehört hatte. Sie sprach nicht so gut Arabisch wie er, hatte ihn aber trotzdem verstanden. „Wie kannst du ein solches Versprechen geben?“, fuhr sie ihn an, als er zu ihr trat.

Raphael wusste, dass sie recht hatte. Beschwichtigend lächelte er ihr zu. „Es ist ein Versprechen, das ich halten werde. Boushra kann zusammen mit ihrer Mutter nach Aden gehen. Maria braucht Hilfe in ihrem Waisenhaus. Boushras Mutter kann dort arbeiten, und die beiden können da auch leben. Ich muss das noch mit ihrer Mama besprechen, aber ich bin mir sicher, dass sie einverstanden ist.“

Ilka lächelte plötzlich. „Für dich wird es wirklich Zeit, endlich nach Hause zu gehen. Keiner war so lange hier wie du.“

Viele der Kollegen blieben nur ein paar Wochen. Keiner war bisher länger geblieben als zwölf Monate.

Raphael hatte eigentlich nicht vorgehabt, so lange im Jemen zu bleiben. Zuerst hatte er in einem Hospital in Aden gearbeitet. Kurz bevor er nach Deutschland hatte abreisen wollen, waren zwei Kollegen bei Gefechten zwischen den Separatisten und den Truppen des Präsidenten ums Leben gekommen. Raphael blieb länger in Aden und wechselte ein paar Monate später in das Krankenhaus nach Sanaa.

„In drei Monaten bin ich auch wieder zu Hause.“ Inka hielt kurz inne. „Vielleicht sehen wir uns dann mal wieder.“

„Ja, warum nicht?“ Raphael bemerkte, dass Ahmed ihm zuwinkte. „Entschuldige mich bitte.“ Er eilte zu dem jungen Pfleger, der ihn über zwei Neuzugänge unterrichtete und ihm dabei gleich mitteilte, dass er sich für den nächsten Vormittag freigenommen hatte.

„Ich fahre Sie zum Flughafen“, berichtete Ahmed stolz. Sein Gesicht verzog sich. „Wir werden Sie alle vermissen.“

„Ich werde euch auch vermissen.“ Raphael lächelte. „Ganz besonders dich.“

Er hatte schon in Aden mit Ahmed zusammengearbeitet und war froh gewesen, dass der Pfleger mit ihm in das Krankenhaus nach Sanaa wechselte.

„Ich habe über das nachgedacht, was Sie mir vorgeschlagen haben.“ Ahmed strahlte ihn an. „Ich werde wirklich Medizin studieren.“

„Ahmed, das freut mich“, stieß Raphael hervor.

„Ja, ich freue mich auch …“ Das Lächeln auf dem Gesicht des Pflegers schwand. Raphael ahnte, was ihn bewegte, und legte eine Hand auf seine Schulter. „Ich habe dir mein Wort gegeben, Ahmed. Wenn du Medizin studierst, werde ich dich finanziell unterstützen.“

Der Pfleger senkte beschämt den Kopf. „Eigentlich kann ich das nicht annehmen.“

„Du kannst nicht nur, du musst das sogar annehmen.“ Raphael legte eine Hand auf Ahmeds Schulter. „Dieses Land braucht junge Menschen wie dich, auch wenn dieser schreckliche Krieg irgendwann vorbei ist.“

„Ich danke Ihnen so sehr.“ Ahmeds Augen glänzten. „Ich wollte schon als kleiner Junge Arzt werden.“

Raphael lächelte. „Du wirst ein hervorragender Arzt werden, das weiß ich jetzt schon. Und nun lass uns nach den Patienten schauen. Es gibt noch viel zu erledigen und zu regeln, bevor ich abreise.“

***

Jakob Maibach seufzte tief auf, als er an seinem Computer die Geldeingänge auf seinem Geschäftskonto kontrollierte. Die Stein Baudesign GmbH hatte seine letzte Rechnung immer noch nicht beglichen.

Mit einer Hand strich er sich durch das dunkle, inzwischen leicht angegraute Haar. Das Zahlungsziel war längst überschritten; er brauchte das Geld dringend, um eigene Rechnungen zu bezahlen.

Kurz entschlossen griff er nach dem Telefon und rief seinen Kunden an. Er hatte zwar die Durchwahl des Industrieunternehmers, aber die führte erst einmal zu dessen Sekretärin. „Büro Stein, was kann ich für Sie tun?“

Jakob lächelte unwillkürlich. Er hatte Ulrich Steins Sekretärin nie persönlich kennengelernt, doch er mochte den warmen Klang ihrer Stimme. „Jakob Maibach“, nannte er seinen Namen. „Hallo, Frau Roth. verbinden Sie mich bitte mit dem Chef.“

Stille.

„Hallo, Herr Maibach.“ Ihre Stimme klang verlegen. „Herr Stein … ist nicht im Büro.“

Er wusste, dass sie log. „Wann kommt er zurück?“

Wieder dauerte es eine ganze Weile, bis Marlies Roth antwortete. „Ich habe keine Ahnung, ob er heute überhaupt noch einmal in die Firma kommt. Er wollte zu einer der Baustellen, danach hat er einen privaten Termin. Kann ich ihm etwas ausrichten?“

„Er soll mich anrufen, sobald er zurück ist.“ Jakob unterdrückte seine Gereiztheit. Marlies Roth konnte schließlich nichts für die Unzuverlässigkeit ihres Chefs.

„Ich lege ihm sofort eine Notiz auf den Schreibtisch“, versprach Frau Roth.

Die Ulrich Stein dann wahrscheinlich wieder ignorierte. Jakob lag eine entsprechende Bemerkung auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter. Wenn Ulrich Stein sich innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden nicht bei ihm meldete, würde er persönlich bei der Stein Baudesign GmbH erscheinen. Dann konnte er sich gleich davon überzeugen, ob das Bild, das er sich von Marlies Roth in seinen Gedanken gemacht hatte, stimmte.

„Vielen Dank, Frau Roth.“

„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Herr Maibach.“

Jakob erkannte an ihrer Stimme, dass sie lächelte. War es nicht völlig verrückt, dass er sich von einer Stimme so begeistern lassen konnte, dass er nachts sogar von ihr träumte?

„Paps!“

Jakob zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass seine Tochter ins Büro gekommen war.

„Du starrst den Telefonhörer an, als hättest du dich in ihn verliebt.“ Marie lachte.

„Unsinn.“ Jakob legte den Hörer hastig auf. Er sah, dass seine Tochter ihn mit leicht geneigtem Kopf beobachtete. „Hast du mit einer Frau telefoniert?“

„Ja“, erwiderte er trocken. „Mit der Sekretärin eines Kunden, der mir noch eine Menge Geld schuldet.“

Den zweiten Teil seines Satzes überhörte Marie. „Ist sie nett?“

„Keine Ahnung, ich habe sie noch nie gesehen.“