Notärztin Andrea Bergen 1426 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1426 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Die Diagnose "Hirntumor" ändert für die junge Wendy Heider alles! Sie weiß genau: Auf sie wartet eine langwierige und sehr anstrengende Therapie - mit ungewissem Ausgang! Und so fasst sie einen folgenschweren Entschluss: Um ihren über alles geliebten Verlobten Gabriel nicht mit einer todkranken Frau zu belasten, setzt Wendy alles daran, ihn aus ihrem Leben zu vertreiben - auch wenn ihr selbst das Herz dabei bricht. Sie will auf keinen Fall die Wahrheit über sich und ihren Gesundheitszustand sagen. Und so engagiert sie einen "falschen Geliebten", um Gabriel endgültig zu vergraulen.
Doch damit beschwört sie eine Katastrophe herauf ...


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Inhalt

Cover

Ist unsere Liebe stark genug?

Vorschau

Impressum

Ist unsere Liebe stark genug?

Bewundernswert, wie die schöne Wendy ihre schwere Krankheit trägt! Obwohl nicht feststeht, dass die Strahlentherapie ihren Gehirntumor wirklich verkleinern und sie von den unerträglichen Schmerzen befreien kann, nimmt sie tapfer alle Qualen der Behandlung auf sich. Weniger gut verkraftet sie allerdings die Trennung von Gabriel, dem Mann, dem ihr Herz gehört. Um ihm ein Leben mit einer schwer kranken Frau zu ersparen, hat sie sich brüsk von ihm getrennt und behauptet, einen anderen zu lieben! Doch inzwischen bereut sie ihre Notlüge und sehnt sich verzweifelt nach Gabriels Liebe und Nähe ...

Ich habe ihr geraten, ihm endlich von ihrer Krankheit zu erzählen und die Lüge über den »erfundenen Mann« zu beichten – aber nun ist Gabriel wie vom Erdboden verschluckt!

Feierabend! Dr. Andrea Bergen lehnte sich kurz im Fahrersitz zurück und schloss die Augen, bevor sie den Motor anließ. Langsam fuhr sie vom Personalparkplatz des Elisabeth-Krankenhauses. Sie liebte ihren Beruf als Notärztin und hätte ihn gegen keinen anderen Beruf der Welt tauschen mögen.

Doch heute war ein besonders anstrengender Tag gewesen, und sie war regelrecht geschafft. Nicht nur wegen der vielen Einsätze, zu denen sie und ihr Team nahezu pausenlos hatten ausrücken müssen. Man hatte sie auch gebeten, an der Notoperation eines polytraumatisierten Unfallopfers teilzunehmen.

Nun freute sie sich auf einen gemütlichen Feierabend im Kreis ihrer Familie. Und auf ein leckeres Abendessen, das Hilde, die beste aller Schwiegermütter, sicher wieder gekocht hatte. Denn natürlich hatte Andrea Bergen in der Hektik des Tages auch keine Zeit für ein Mittagessen gehabt.

Leicht ungeduldig quälte sie sich durch den Feierabendverkehr in der Innenstadt und fuhr dann über eine der Rheinbrücken. Auf der anderen Seite des Flusses war es ruhiger.

Nach zwanzig Minuten Fahrt hatte Andrea das sogenannte Musikerviertel erreicht, wo die Straßen nach berühmten Komponisten benannt waren. Die Villa der Bergens stand in der Beethovenstraße. In einem Anbau des Hauses hatte Andreas Mann Werner auch seine Kinderarztpraxis, die er von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte.

Wenig später fuhr Andrea Bergen in die Einfahrt zu ihrem Grundstück. Nachdem sie ihr Auto in der Garage abgestellt hatte, betrat sie die geschmackvoll renovierte Jugendstilvilla.

»Ich bin zu Hause«, rief sie, während sie in der Diele aus der Jacke schlüpfte.

Freudiges Bellen antwortete ihr. Dann kam auch schon Dolly angesprungen, die tollpatschige junge Mischlingshündin. Sie benahm sich, als wäre ihr Frauchen tagelang weg gewesen, und konnte sich vor lauter Wiedersehensfreude gar nicht mehr beruhigen.

»Ist ja schon gut, meine Süße.« Andrea klopfte ihr den Hals und angelte nach ihren Hausschuhen.

Als nächstes Familienmitglied erschien Franzi, die zwölfjährige Tochter des Hauses. »Welcome home, Mom«, begrüßte sie ihre Adoptivmutter und strahlte dabei über das ganze Gesicht.

Andrea drückte sie lachend an sich.

»Ah, ihr hattet heute wieder Englisch-Unterricht. Das machst du schon recht gut, mein Schatz.«

Franzi nickte eifrig. »Im Englisch-Test hab ich auch eine Eins gekriegt«, berichtete sie stolz. »Aber ich will noch besser werden. Paulas Onkel ist zurzeit aus England bei ihnen zu Besuch. Darf ich morgen nach der Schule zu Paula gehen und bei ihr übernachten? Ihre Eltern sind einverstanden. Wir wollen mit ihrem Onkel nur Englisch reden. Dabei lernen wir bestimmt eine ganze Menge.«

»Eine super Idee«, stimmte Andrea zu. »So lernt man eine Sprache am besten.«

In diesem Moment erschien Werner Bergen in der Diele. »Da bist du ja, Liebes.« Er begrüßte seine Frau mit einem zärtlichen Küsschen. »Wie war dein Tag?«

»Sehr anstrengend, aber auch sehr befriedigend«, erwiderte Andrea. »Und dein Tag? Wie geht es dem kleinen Roland?«

Werners Lächeln erlosch und wich einer besorgten Miene. »Leider nicht sehr gut. Sein Wilms-Tumor ist zwar erfolgreich entfernt worden, wie du weißt, aber nun hat der Junge Probleme mit dem Herzen.«

»Jetzt schon?« Andrea schaute betroffen drein. »Die treten doch normalerweise erst als Spätfolgen auf.«

»Es liegt an den zytostatischen Medikamenten. Aber die können nicht abgesetzt werden, da bei Roland ein hohes Rückfallrisiko besteht. Professor Hebestreit will einen Kinderkardiologen an unser Krankenhaus holen. Dann werden wir weitersehen.«

Dr. Werner Bergen besaß nicht nur seine eigene Kinderarztpraxis, er war auch Belegarzt auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses, wo er seine kleinen Patienten, die beispielsweise operiert werden mussten, weiter behandelte.

»Was ist hier eigentlich los?« Unbemerkt von den anderen war Hilde Bergen, Werners Mutter, in die Diele getreten. »Einer nach dem anderen verschwindet, und keiner kommt zurück.« Schmunzelnd blickte sie in die Runde. »Habt ihr hier eine Party? Dann will ich auch mitfeiern.«

Alle lachten. »Oje, dann würde es heute kein Abendessen geben«, befürchtete Andrea und schnitt eine kleine Grimasse. »Lösen wir die Party lieber auf und gehen ins Esszimmer.«

»Feiern klingt aber gut«, warf Werner ein. »Wozu haben wir jetzt Feierabend?«

»Ihr könnt euch ruhig noch einen Drink genehmigen, denn das Essen ist noch nicht ganz fertig«, sagte Mutter Hilde. »Lasst euch Zeit. Andrea soll erst mal entspannen, so erschöpft, wie sie aussieht.«

»Gute Idee«, erwiderten Andrea und Werner wie aus einem Mund.

»Ich helfe dir in der Küche, Omi«, bot Franzi an und folgte ihrer Großmutter, während Andrea und Werner sich dem Wohnzimmer zuwandten.

Unschlüssig, wem sie sich nun anschließen sollte, blickte Dolly hinter ihnen her und entschied sich dann für die Küche. Da fielen immer ein paar Bröckchen für sie ab.

***

Andrea legte ihr Besteck auf den leeren Teller und seufzte zufrieden. »Das Ochsenschwanzragout war super, Hilde«, sagte sie. »Vor allem die Schokolade macht sich wunderbar darin.«

Hilde schob die Terrine mit dem Ragout in Andreas Richtung. »Da ist noch mehr. Greif zu.«

Ihre Schwiegertochter legte sich die Hände auf den Leib und schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich bin pappsatt. Ich würde keinen Löffel voll mehr herunterkriegen. Und mit dem Madeira und der Schokolade in der Soße waren es auch wieder ganz schön viele Kalorien.«

»Die läufst du doch gleich wieder ab«, meinte Hilde. »Dolly wird schon dafür sorgen, dass euer Spaziergang nicht zu kurz gerät.«

Beim Essen hatten Andrea und Werner beschlossen, anschließend noch einen Abendspaziergang in den Rheinauen zu unternehmen. Die Tage wurden länger, und das Wetter war trocken und mild. Nach einem langen Arbeitstag im Krankenhaus und in der Praxis sehnten sich beide nach frischer Luft.

Andrea lachte. »Eben, Hildchen. Wir wollen ja noch einen Spaziergang unternehmen. Wenn ich jetzt noch etwas essen würde, könnte ich mich höchstens noch in Richtung Sofa bewegen.«

»Das verstehe ich schon. Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß. Genießt euren Spaziergang.« Hilde stand auf und machte sich daran, den Tisch abzuräumen. Franzi half ihr dabei.

Unterdessen machten Andrea und Werner sich für ihren Spaziergang fertig. Dolly war bereits in die Diele gestürmt und bellte ihre Hundeleine an, die dort an einem Haken hing.

»Gehen wir.« Werner öffnete die Haustür.

Wie üblich fuhren sie ein Stück mit dem Auto und stellten es dann auf einem der Parkplätze ab, die an den Rheinauen lagen. Dolly wollte gleich losrennen, doch ihr Herrchen legte sie erst einmal an die Leine, was ihr überhaupt nicht gefiel. Sie wollte frei herumlaufen, was sie auch mit Protestgebell laut kundtat.

»Später«, vertröstete Werner sie, und Dolly blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Sie genossen den Spaziergang in vollen Zügen. Auch Dolly hatte ihren Spaß, nachdem Werner sie wie versprochen von der Leine gelassen hatte. Nur wenige Menschen waren in den weitläufigen Flussauen unterwegs. Hauptsächlich waren es Jogger und Hundebesitzer, aber auch ein paar verliebte Pärchen schlenderten umher.

In einiger Entfernung tauchten zwei Männer mit einem großen Hund auf. Dollys Nackenhaare sträubten sich erst, dann begann sie, aufgeregt zu bellen, und rannte los.

»Dolly, stopp!«, rief Andrea ihr nach.

»Komm sofort hierher!«, befahl auch Werner.

Ihre Rufe waren erfolglos. Weder Andrea noch Werner konnten die Hündin aufhalten. Auch der entgegenkommende Riesenhund war nicht angeleint. Schwanzwedelnd und mit schwerfälligen Bewegungen trabte er Dolly entgegen.

Jetzt erkannte Andrea ihn und die beiden Männer.

»Flora!«, rief sie und lachte erleichtert. Gut, dass es kein fremder Hund war! Doch dann wäre Dolly wohl auch nicht so ohne Weiteres auf ihn zugerannt.

Flora war die Bernhardinerhündin von Frau von Mertens, der Vermieterin von Dr. Siggi Baumgärtner, einem der Ärzte auf der Kinderstation. Er führte Flora regelmäßig aus, wenn auch selten in diesem Abschnitt der Rheinauen.

Sein Begleiter war Lorenz Riehl, der neue JP-ler am Elisabeth-Krankenhaus. Er machte auf der Kinderstation sein Praktikum. Werner unterhielt sich öfter mal mit ihm, doch Andrea kannte ihn noch nicht so gut.

Sie wusste nur, dass Lorenz ein sympathischer junger Mann und bei den kleinen Patienten sehr beliebt war. Wie Siggi trug auch er keinen weißen Mantel im Dienst, und wie Siggi hatte er einen Bart und lange Haare. Die beiden hatten sich spontan angefreundet.

Inzwischen hatten sich die Hunde begrüßt und beschnüffelten einander.

»Ah, die Bergens!« Siggi Baumgärtner lächelte breit. »Schönen Abend zusammen.«

Man begrüßte sich und machte Bemerkungen über dies und jenes. Flora drückte ihren mächtigen Körper an Andrea, sodass die beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

»Du bist eindeutig zu schwer«, warf sie der Hündin vor. »Dein Frauchen füttert dich zu gut.«

»Ein wahres Wort!« Siggi Baumgärtner verdrehte die Augen. »Kohlrouladen und Sahnetorten. Ich bin ebenfalls ein Opfer. Mein Kühlschrank ist voll von den lukullischen Geschenken meiner lieben Vermieterin.«

»Ich nehme dir gern was ab«, sagte Lorenz. »Mir schenkt niemand was zu essen.«

»Armer, am Hungertuch nagender Student.« Siggi grinste. »Wenn wir zurückkommen, kannst du die Kohlrouladen gern mitnehmen. Ich habe bereits zwei davon verdrückt. Wenn Frau von Mertens mich weiter so füttert, bin ich bald so dick wie Flora.«

Andrea lachte. Das konnte sie sich bei dem schlanken Kollegen kaum vorstellen.

»Morgen Abend gehen wir joggen, da können wir die Kohlrouladen wieder ablaufen«, schlug Lorenz vor. »Ohne Flora. Die ist zu langsam.«

»Morgen habe ich Nachtdienst, da geht es nicht«, bedauerte Siggi. »Aber übermorgen bin ich mit dabei.«

»Da geht es bei mir nicht, denn ich führe Frau von Mertens ins Theater aus«, erklärte Lorenz.

»Oh?« Leicht verwundert blickte Andrea den jungen Praktikanten an.

»Lorenz hat sich einen kleinen Begleitservice aufgebaut, um sein Studium zu finanzieren«, erklärte Siggi und legte dem Jüngeren kurz die Hand auf die Schulter. »Hauptsächlich begleitet er alleinstehende ältere Damen wie Frau von Mertens. Wenn Ihre Schwiegermutter mal wohin möchte und Sie keine Zeit haben, sie zu begleiten, wird Lorenz sicher gern einspringen«,

»Absolut«, bestätigte der Student vergnügt. »Ich bin gut trainiert und habe sogar einen Anzug im Schrank hängen.«

»Das finde ich wirklich nett.« Andrea schenkte ihm ein Lächeln. »Da werden wir bei Bedarf bestimmt gern auf Sie zurückkommen.«

»Danke, darüber würde ich mich sehr freuen, Frau Dr. Bergen.« Lorenz erwiderte ihr Lächeln und neigte leicht den Kopf.

Sie unterhielten sich noch kurz und wünschten einander dann einen angenehmen Abend. Die beiden Hunde schienen sich jedoch noch nicht trennen zu wollen. Als Siggis Machtwort ungehört verhallte, legte er Flora kurzerhand wieder an die Leine und zog sie mit sich. Lorenz half nach, indem er die schwergewichtige Hündin am Hinterteil schob.

Als Dolly ihnen nachlaufen wollte, bekam Werner sie gerade noch am Halsband zu fassen.

»Hiergeblieben, mein Mädchen.« Vorsichtshalber leinte er sie wieder an, bis die beiden Kollegen mit der Bernhardinerhündin außer Sicht waren.

***

»Ich kann mich einfach nicht entscheiden.« Unschlüssig blickte Gabriel Borchert auf die beiden Ringe, die die Verkäuferin im Juweliergeschäft ihm vorgelegt hatte. Beide gefielen ihm. Beide waren aus Silber mit je einem kleinen Diamanten, und beide konnte er sich an Wendys schlankem Finger wunderbar vorstellen.

»Für welchen Anlass soll der Ring sein?«, erkundigte sich die Verkäuferin sachlich.

Gabriel zögerte. »Es soll ein Verlobungsring sein«, erklärte er dann, und damit war die Entscheidung endgültig gefallen. Ja, er wollte Wendy fragen, ob sie ihn heiraten wollte, und ihr einen Ring an den Finger stecken. Morgen Abend, wenn sie in einem schicken Restaurant ihr einjähriges Jubiläum feierten.

»Da hätten wir auch noch andere schöne Stücke.« Die Verkäuferin öffnete eine Vitrine und legte Gabriel andere Ringe vor.

»Hm.« Er kratzte sich am Kopf. »Jetzt fällt mir die Wahl erst recht schwer.

Die Verkäuferin stellte einige Fragen zu Wendys Person, und Gabriel beschrieb sie, so gut er konnte. Sehr geschickt war er in solchen Dingen nicht.

Schließlich entschied er sich für den ersten Ring, der ihm schon in der Auslage gefallen hatte. Die Verkäuferin machte ein enttäuschtes Gesicht, denn er war nur halb so teuer wie die Ringe, die sie ihm zum Schluss gezeigt hatte.

Gabriel war es egal. Ihm gefiel der Ring, und er war überzeugt, dass auch Wendy begeistert sein würde.

»Soll ich den Ring geschenkmäßig einpacken?« Die Verkäuferin sah ihn abwartend an.

»Ja, bitte«, stimmte Gabriel zu. Auch im Einpacken von Geschenken war er nicht sehr geschickt.

Er bezahlte und bedankte sich. Mit dem Ring in der Innentasche seiner grauen Wildlederjacke verließ er das Juweliergeschäft.

Ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht, überlegte er. Danach gelüstete es ihn schon seit einer ganzen Weile. In der Schule war er nicht dazu gekommen, da er mehrere Stunden hintereinander Sportunterricht gegeben hatte. Und als er nach der letzten Stunde ins Lehrerzimmer gekommen war in der Hoffnung, noch einen Schluck Kaffee vorzufinden, war die Kanne leer gewesen.

Neuen hatte er keinen mehr aufbrühen wollen, so war er ohne Kaffee gegangen. Den konnte er jetzt in einem der Cafés in der Innenstadt trinken und dabei an Wendy denken. Würde sie Ja sagen, wenn er ihr morgen einen Heiratsantrag machte?

***

»Hey, Gabriel!«, riss ihn eine überraschte Stimme aus seinen Gedanken. Sie gehörte Emma, der Frau, mit der er offiziell noch immer verheiratet war, auch wenn sie sich schon vor längerer Zeit getrennt hatten.

Er wandte den Kopf und sah Emma in dem Torbogen stehen, der den Eingang zum historischen Handwerkerhof bildete. In dem großen Atrium gab es einen Töpferladen, eine Werkstatt mit Holzschnitzereien, eine Gemäldegalerie, kunstgewerbliches Spielzeug und handgefertigte Lederwaren. Auch Emma hatte ihre Bildhauerwerkstatt hier. Sie malte außerdem und war ebenso talentiert wie erfolgreich.

»Hallo, Emma.« Lächelnd ging Gabriel auf sie zu. »Warum stehst du hier wie verloren im Torbogen, statt Kunden deine Kunstwerke zu verkaufen?«

Emma lachte ihr rauchiges Lachen, das er immer so an ihr geliebt hatte. »Ich warte auf jemanden, der mit mir einen Kaffee trinkt«, erklärte sie scherzhaft. Dabei fuhr sie sich mit einer sexy wirkenden Geste durch die rotblonde Lockenmähne und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Möchtest du meine neueste Kreation sehen?«

Nach kurzem Zögern stimmte Gabriel zu. Er wusste, dass Emma ihn gern wieder zurückerobert hätte, doch sie respektierte es, dass er inzwischen mit Wendy zusammen war. Sie waren Freunde, weiter nichts, zumindest von seiner Seite aus. »Wenn deine Einladung einen Kaffee mit einschließt, gern.«

Sie gingen zu Emmas Bildhauerwerkstatt. Einige Kunden schlenderten zwischen den Skulpturen umher und gaben leise Kommentare ab. Hinter der gläsernen Verkaufstheke saß ein schwarzhaariger Mann, der jetzt mit einem breiten Lächeln grüßend die Hand hob.

Gabriel gab den Gruß in der gleichen Weise zurück. Rajesh half öfter in Emmas Laden aus. Wie die beiden privat zueinander standen, wusste Gabriel nicht. Er konnte sich jedoch gut vorstellen, dass Emma zu dem attraktiven Inder auch eine intime Beziehung unterhielt.

Emma führte ihn zu der Skulptur eines Adlers, der mit ausgebreiteten Schwingen auf einem Sockel stand und einen Fisch im Schnabel hielt.

»Voilà.« Emma machte eine ausladende Armbewegung. »Wie gefällt er dir?«

Gabriel nickte anerkennend. Er ging um das Kunstwerk herum und betrachtete es von allen Seiten. Der Adler war aus grünem Marmor, der Fisch aus Jade. Emmas eigenwilliger Stil hatte ihr bereits zu einem großen Erfolg verholfen.

»Super«, bemerkte er. »Mit dem Adler ist dir ein neues Meisterwerk gelungen. Meine Gratulation.«

»Danke.« Emma strahlte ihn an. »Und jetzt einen Kaffee. Komm.«

Durch einen Perlenvorhang traten sie in eine Nische, wo ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen stand. In einem Regal befand sich die Kaffeemaschine, deren Kanne einen aromatischen Duft verströmte.

Emma füllte zwei Tassen und reichte Gabriel eine davon.