Notärztin Andrea Bergen 1428 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1428 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Mit schmerzhaft pochendem Herzen tritt Mildred näher an die Hecke. Stimmen dringen zu ihr, und sie sieht zwei Menschen auf der Terrasse des großen Hauses sitzen. Die junge Frau mit dem dunklen Pferdeschwanz muss ihre geliebte Tochter sein. Julia!
Mit brennenden Augen blickt Mildred auf das Paar am Tisch. Kein Zweifel - es ist Julia, ihre Tochter, die sie als Achtjährige bei Nacht und Nebel zurückgelassen hat! Zwanzig Jahre lang hat Mildred sie schmerzlich vermisst - bis sie es nicht mehr ausgehalten hat. Doch nun, da sie ihre geliebte Tochter endlich vor sich sieht, wird sie von schlimmsten Schuldgefühlen geradezu zerrissen.
Abrupt dreht sie sich deshalb um und läuft davon, ohne nach rechts und links zu blicken. Autohupen zerreißt die Stille, Bremsen quietschen - und Mildreds letzter Gedanke ist: Jetzt wird es nie mehr eine Versöhnung mit meinem geliebten Kind geben ...


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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Späte Versöhnung

Vorschau

Impressum

Späte Versöhnung

Zwanzig lange Jahre hat Mildred Späth darauf gewartet, ihre Tochter Julia endlich wiederzusehen und ihr die drei entscheidenden Worten sagen zu können: »Bitte verzeih mir!« Doch bei dem unerwarteten Wiedersehen der beiden Frauen auf der stark befahrenen Straße ist es zu einem tragischen Unfall gekommen! Vor den Augen ihrer Tochter ist Mildred von einem Kleintransporter erfasst und lebensgefährlich verletzt worden. Nun ringt sie auf der Intensivstation mit dem Tod – und nur ein Wunder kann sie retten!

Für mich ist es sehr schwer, Julias tiefe Verzweiflung mit ansehen zu müssen, denn ich weiß, wie schmerzlich sie ihre Mutter von frühster Kindheit an vermisst hat! Und ich möchte, dass sich Mildreds innigster Wunsch erfüllt: dass sie Julia für ihre alte Schuld um Verzeihung bitten kann und dass sie vielleicht wieder zueinanderfinden ...

Es war das Klappen der Haustür gewesen, das Julia geweckt hatte. War jemand gekommen? Oder gegangen? Aber es war doch mitten in der Nacht!

Julia lauschte in die Dunkelheit. Erst blieb alles still, dann hörte man ein Auto wegfahren. Es war also jemand aus dem Haus gegangen.

Mama? Papa?

Ängstlich stieg sie aus dem Bett. Etwas stimmte nicht. Der Streit der Eltern fiel ihr wieder ein. Es war am Abend gewesen, als Julia schon im Bett gewesen war. Nicht, dass die Stimmen sehr laut gewesen wären. Doch Julia hatte gleich gemerkt, dass sie sich nicht nur unterhielten oder über einen Film im Fernsehen anderer Meinung waren. Die Stimme ihres Vaters hatte böse geklungen, und es hatte sich so angehört, als hätte ihre Mama geweint.

Eine schreckliche Angst überkam Julia. War es Mama gewesen, die aus dem Haus gegangen war? Und wo wollte sie in der Nacht noch hin?

Auf bloßen Füßen tappte Julia zur Tür und öffnete sie. Schon im Flur konnte sie ihren Vater schnarchen hören. Er war also zu Hause. Dann konnte es nur Mama gewesen sein, die fortgegangen war. Oder hatte sie das Klappen der Haustür bloß geträumt?

Ganz leise und vorsichtig öffnete Julia die Tür zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Im schwachen Schein der Flurbeleuchtung konnte sie erkennen, dass nur ihr Vater in dem Doppelbett lag. Auf der Seite ihrer Mutter war die Bettdecke zurückgeschlagen.

Julias Lippen begannen zu beben. Mama war fort. Mitten in der Nacht!

Ebenso leise und vorsichtig schloss Julia die Tür wieder. Vielleicht war Mama nur ins Bad gegangen? Aber es gab keinen Lichtschein, der darauf hindeutete. Trotzdem sah sie überall nach. Im Bad, im Gästezimmer und in den anderen beiden Zimmern, die so gut wie nie benutzt wurden. Es war ein großes altes Haus, in dem Julia sich manchmal nachts fürchtete, weil alles so düster und verwinkelt war. Nur am Tag machte es einen hellen, freundlichen Eindruck.

»Mama?«, rief Julia voller Angst. »Mama!« Doch nur das gedämpfte Schnarchen ihres Vaters antwortete ihr.

Julia ging die Treppe hinunter. Sie schaute in die Küche und in alle anderen Räume, doch überall war es dunkel und nirgendwo eine Spur von ihrer Mutter.

Mama war fort. War sie gegangen, weil sie und Papa sich wieder gestritten hatten, wie so oft in letzter Zeit? Würde sie wiederkommen, und wann?

Neue Angst überkam Julia. Was war, wenn Mama nie mehr zurückkam?

Die Vorstellung versetzte sie in Panik.

»Mama!«, rief sie wild. »Mama! Mama! Mama!«

***

Julia Späth wachte von ihrem eigenen Schrei auf. Zitternd setzte sie sich im Bett auf. Wie oft hatte sie diesen Traum schon gehabt?

In den letzten zwanzig Jahren, seit ihre Mutter sie und ihren Vater verlassen hatte, war sie immer wieder von diesem Traum heimgesucht worden und schweißgebadet hochgeschreckt.

Julia sah auf den Wecker. Es war kurz vor fünf Uhr. Draußen graute der Morgen, auf der Straße fuhren die ersten Autos.

Julia seufzte. Es würde keinen Sinn haben, sich noch einmal umzudrehen. Sie würde in der einen Stunde, bis der Wecker klingelte, nicht mehr einschlafen können. Besonders nicht nach diesem Traum, der ihr diese schreckliche Nacht von damals wieder auf schmerzliche Weise nahegebracht hatte.

Ihr war, als wäre es erst gestern gewesen, dass ihre Mutter auf Nimmerwiedersehen verschwunden war, und nicht vor langer Zeit, als sie gerade acht Jahre alt gewesen war.

Julia stand auf und ging ins Bad. Die warme Dusche tat ihr gut und vertrieb die Schrecken der Nacht. Doch die Erinnerungen an damals ließen sich nicht ganz vertreiben, auch nicht, als sie später in der gemütlichen Wohnküche saß und ihre erste Tasse Kaffee trank.

Julia ging hinunter ins Kellergeschoss, wo sie sich neben dem Hobbyraum ihres Vaters einen Fitnessraum eingerichtet hatte. Sie machte ihre Morgengymnastik, die hauptsächlich aus einer Reihe von Yoga-Übungen bestand.

Sie genoss es, heute ein wenig länger trainieren zu können. Denn oft blieb ihr am Morgen nicht viel Zeit, bevor sie sich auf den Weg zu den verschiedenen Hebammenpraxen machte, mit denen sie zusammenarbeitete. Julia war Yoga-Lehrerin und hatte sich auf Schwangerschafts-Yoga spezialisiert.

Sie machte sich daran, den Frühstückstisch zu decken und Eier zu kochen. Im ersten Stock hörte sie eine Tür gehen. Ihr Vater war also aufgestanden.

Kurz darauf kam er in die Küche. Er murmelte einen Morgengruß und ging zur Kaffeemaschine, um sich seine Lieblingstasse voll zu schenken, die Julia für ihn bereitgestellt hatte.

»Guten Morgen, Papa. Gut geschlafen?«, fragte sie gewohnheitsmäßig.

Brummig ließ sich Udo Späth mit seinem dampfenden Kaffeebecher auf der Eckbank nieder und nahm sich die Zeitung her. Er war ein ausgesprochener Morgenmuffel, und seit er Rentner war, spielte sich jeden Morgen die gleiche Szene ab.

Julia setzte sich an ihren Platz und schnitt sich ein Brötchen auf.

»Greif zu, Papa«, forderte sie ihren Vater auf, dessen Gesicht hinter der Zeitung verborgen war.

Er ignorierte es und las weiter. Julia köpfte ihr Ei.

»Ich hatte wieder diesen Traum«, begann sie. Es drängte sie danach, darüber zu sprechen.

Udo ließ die Zeitung sinken. Er faltete sie zusammen und legte sie neben sich auf die Eckbank. »Welchen Traum?«

»Du weißt schon. Der Traum, als Mama gegangen ist und ich sie nirgends finden konnte. Er verfolgt mich immer noch.«

»Hör mir mit deiner Mutter auf!«, versetzte Udo unwirsch. »Hast du sie noch immer nicht vergessen?«

Julia schluckte. Jetzt wünschte sie, nicht davon angefangen zu haben. Sie wusste doch, wie ihr Vater reagierte, wenn sie ihre Mutter erwähnte.

»Welches Kind kann seine Mutter vergessen?«, fragte sie leise.

»Welche Mutter lässt ihr Kind im Stich und haut mit einem anderen Kerl ab?«, hielt ihr Vater dagegen.

»Schon gut, Papa.« Julia nahm einen Löffel voll von ihrem Ei, auch wenn sie keinen Appetit mehr hatte.

Das Frühstück verlief schweigend. Udo hatte sich wieder hinter seiner Zeitung verschanzt und biss ab und zu in sein Brötchen.

Julia war froh, als es an der Zeit war, sich für den Arbeitstag fertig zu machen. Sie stellte ihr leeres Gedeck neben der Spüle ab. Ihr Vater würde sich wie gewohnt um den Rest kümmern, bevor er sich in seinen Hobbyraum zurückzog und den Tag mit seiner Modelleisenbahn, dem Dartboard oder den Modellbauschiffen verbrachte.

Wenig später saß sie im Auto und fuhr zu ihrem ersten Termin. Es war die Hebammenpraxis am Stadttor. Sechs schwangere Frauen hatten ihren Schwangerschafts-Yoga-Kurs belegt und warteten dort auf sie.

Julia begrüßte sie und erkundigte sich bei jeder Einzelnen, wie es ihr an diesem Morgen ging. Alle fühlten sich prächtig und freuten sich auf die Yoga-Stunde. Nur eine der werdenden Mütter klagte über Rückenschmerzen. Julia trainierte nach Ende der Stunde noch gesondert mit ihr.

Ihr letzter Termin vor der Mittagspause war in der Hebammenpraxis von Christiane Stellmacher, mit der sie auch privat befreundet war. Oft gingen sie dann anschließend zusammen zum Mittagessen. Das wollten sie auch heute wieder tun.

Allerdings kam es erst zu einem Zwischenfall. Bei einer Kursteilnehmerin, deren Geburt nächste Woche bevorstand, platzte plötzlich die Fruchtblase. Entgeistert blickten sie und die anderen Frauen auf den nassen Fleck, der sich auf ihrer Matte ausbreitete.

»Oh nein!« Panik stand im Blick der werdenden Mutter. »Ich glaube, es geht los!«

Auch Julia hatte einen Schrecken bekommen. Rasch lief sie nach nebenan, um Christiane zu holen. Sie hatte gerade eine Patientin, doch diese musste sich nun ein paar Minuten gedulden.

Die Hebamme untersuchte die schwangere Frau und stellte fest, dass der Muttermund bereits geöffnet war.

»Das wird nicht mehr allzu lange dauern«, meinte sie. »Bald werden die Eröffnungswehen einsetzen. Ich lasse Sie ins Krankenhaus bringen, Frau Stadler.«

Die werdende Mutter zitterte vor Aufregung am ganzen Leib. Christiane verabreichte ihr ein leichtes Beruhigungsmittel und rief den Rettungswagen.

Es dauerte nicht lange, bis eine Sirene zu hören war. Dann verkündete Christiane Stellmachers Sprechstundenhilfe auch schon, dass der Krankenwagen eingetroffen war.

Eine dunkelblonde Ärztin mit einem Notfallkoffer und zwei Sanitäter, die eine Trage mit sich führten, betraten die Hebammenpraxis.

Es war Dr. Andrea Bergen mit ihrem Team, die Notärztin aus dem Elisabeth-Krankenhaus. Julia kannte sie flüchtig. Christianes Mann Clemens war dort ebenfalls Notarzt.

Andrea Bergen nahm noch einmal eine kurze Untersuchung vor und ließ die hochschwangere Patientin dann auf die Trage betten.

Christiane ging noch mit bis zur Tür.

»Ich werde gleich ins Krankenhaus nachkommen, Frau Stadler«, sagte sie und drückte ihr aufmunternd die Schulter. Dann sagte sie alle weiteren Termine für diesen Tag ab und kehrte zu ihrer Patientin zurück.

Julia machte mit ihrem Yoga-Kurs weiter. Doch so recht war niemand mehr bei der Sache. Alle machten sich Gedanken um die Teilnehmerin, die vielleicht noch heute ihr Baby im Arm halten würde.

Als Julia später zu ihrem Auto ging, meldete sich ihr Handy mit einem »Ping«. Christiane hatte ihr eine Textnachricht geschickt.

Schade, dass aus unserem gemeinsamen Mittagessen heute nichts wird. Es sei denn, du hättest Lust, mich in der Cafeteria des Elisabeth-Krankenhauses zu treffen?

Christiane war Beleghebamme im Elisabeth-Krankenhaus, wo sie ambulante Entbindungen durchführte und Mutter und Kind betreute. Julia hatte sich zwar auf ein Essen beim Italiener gefreut, wo sie mittlerweile Stammgäste waren, doch wenn Christiane es nicht einrichten konnte, wollte sie gern mit ihr in der Krankenhaus-Cafeteria essen.

So textete sie zurück, dass sie gern kam und sich gleich auf den Weg machen würde.

***

»Du schaust heute so traurig drein«, bemerkte Christiane, als sie später an einem der Cafeteria-Tische saßen und jeder eine große Portion Lasagne mit Salat vor sich stehen hatte. »Das ist mir schon in meiner Praxis aufgefallen.«

Julia seufzte. »Ich hatte wieder diesen Traum, von dem ich dir mal erzählt hatte.«

»Die Nacht, als deine Mutter euch verließ?«

Julia nickte. »Es hat mich wieder ziemlich mitgenommen. Als ich mit meinem Vater darüber reden wollte, ist er mir nur über den Mund gefahren. Er will, dass ich meine Mutter endlich vergesse. Aber wie könnte ich das?«

»Nein, das könnte ich sicher auch nicht, selbst wenn es lange her ist. Es muss furchtbar sein. All die Jahre ...« Über den Tisch hinweg drückte Christiane ihr mitfühlend die Hand.

Julia trank von ihrem Mineralwasser.

»Es gab Zeiten, da war der Schmerz nicht gar so groß«, fuhr sie fort. »Da sind auch die Träume ausgeblieben. Als Teenager verspürte ich oft eine große Wut auf meine Mutter. Irgendwann war es mir dann egal, und ich war mit dem Kopf und dem Herzen bei anderen Dingen. Bei meiner ersten großen Liebe zum Beispiel.« Sie lächelte flüchtig, als sie sich daran erinnerte. »Später fing ich an, wieder diesen Traum zu haben. Und er kommt immer wieder.«

»Weil du den Verlust deiner Mutter nach wie vor nicht verarbeitet hast«, meinte Christiane verständnisvoll. »Hast du nicht mal Therapiestunden gehabt?«

»Ja, aber das ist lange her.« Julia schnitt einen Bissen von ihrer Lasagne ab, machte jedoch keine Anstalten, ihn zu essen.

»Würde es nicht helfen, wenn du sie wiederaufnehmen würdest?«, schlug Christiane vor.

Julia hob die Schultern. »Vielleicht. Manchmal denke ich, dass Mama tot ist. Aber dann glaube ich wieder deutlich zu spüren, dass sie noch lebt.«

»Hast du nicht mal nachgeforscht? Es kann ihr ja tatsächlich etwas zugestoßen sein.«

Julia schüttelte den Kopf.

»Nein. Ich bin mit dem Wissen groß geworden, dass meine Mutter meinen Vater und mich wegen eines anderen Mannes verlassen hat und nichts mehr von uns wissen wollte. Meine Eltern haben sich auch oft gestritten, wenn auch nicht vor mir, aber ich habe es trotzdem mitbekommen. Ich konnte mir später nur zusammenreimen, dass meine Mutter mit meinem Vater nicht glücklich war. Sie war so hübsch und immer ein fröhlicher, lebenslustiger Mensch gewesen. Aber dann wurde sie immer trauriger und stiller. Später ist mir vieles klar geworden. Mein Vater kann sehr hart und unnachgiebig sein. Wenn ich die Fotos von früher ansehe, denke ich mir oft, dass die beiden gar nicht so recht zusammengepasst haben.«

Christiane spießte nachdenklich ein Salatblatt auf ihre Gabel.

»Dass eine Frau ihren Mann verlässt und mit einem anderen durchbrennt, kommt öfter mal vor. Aber dass sie ihr Kind im Stich lässt ...« Sie schüttelte den Kopf.

Julia aß nun doch den Bissen Lasagne, auch wenn sie glaubte, er würde ihr im Hals stecken bleiben. Sie hatte nicht vorgehabt, Christiane mit ihrem Kummer zu belasten, und hatte sich auf ein nettes, unbeschwertes Zusammensein gefreut. Nun hatte sie Mühe, die Tränen zurückzuhalten.

»Eines Tages, etwa zwei Monate nach Mamas Fortgang, hat sie mal angerufen«, erinnerte sich Julia. »Papa war unten in seinem Hobbyraum, und ich habe das Telefon abgenommen. Als ich hörte, dass es Mama war, habe ich mich so erschreckt, dass ich geweint und sofort wieder aufgelegt habe.«

»Ohne mit ihr zu sprechen?«

Julia nickte. »Danach hat sie sich nie mehr gemeldet, und ich gab mir irgendwie die Schuld daran.«

»Oje. Ich kann mir vorstellen, dass dir das schwer zu schaffen gemacht hat. Was hat dein Vater zu dem Anruf gesagt?«

»Dass es richtig war, dass ich aufgelegt habe. Aber ich habe mir immer Vorwürfe deswegen gemacht.«

In diesem Augenblick meldete sich Christianes Handy.

»Oh, ich muss zu meiner werdenden Mami«, sagte sie und stand auf. »Es sieht so aus, als wollte das Baby bald kommen. Kann ich dich allein lassen?«

Julia nickte. »Tut mir leid«, murmelte sie.

»Mir auch.« Christiane drückte ihr kurz die Schulter. »Wir holen unser Essen bald nach. Beim Italiener.«

Sie winkte kurz und ging zum Ausgang, eine unglückliche Julia zurücklassend.

***

Julias Herz blieb kalt, als Helge durch die Haustür kam und sie umarmte. Auch der Kuss, den er ihr zur Begrüßung gab, weckte keine großen Gefühle mehr in ihr. Es war nicht länger zu leugnen, dass ihre Beziehung immer mehr abkühlte. Zumindest Julia empfand es so.

Helge holte eine Flasche Sekt aus der Einkaufstüte und reichte sie Julia.

»Stell sie gleich mal kalt«, sagte er. »Den Sekt würde ich gern noch vor dem Essen trinken.«

»Ach!« Verwundert nahm sie die Flasche entgegen. »Was feiern wir denn?«

»Ich habe einen tollen Abschluss in der Tasche«, erklärte Helge mit einem breiten Grinsen. »Die Rödersmühle. Erinnerst du dich?«

»Ja.« Wie könnte sie Helges derzeitiges Lieblingsobjekt vergessen? Seit Monaten redete er von nichts anderem als davon, dass er die Besitzer der historischen Rödersmühle eines Tages dazu bringen würde zu verkaufen. Er hatte auch schon Interessenten, die sich die Finger danach leckten. Und natürlich würde er eine üppige Provision einstreichen. Das war alles, was für ihn zählte. Erfolg und Geld.

Julia störte das immer mehr.

»Gratuliere, Helge.« Sie ging in die Küche und legte die Sektflasche ins Eisfach des Kühlschranks.

»Wo ist dein Vater?«, fragte Helge, der ihr gefolgt war.

Julia schloss die Kühlschranktür.

»Wo soll Papa schon sein? In seinem Hobbyraum natürlich. Zum Essen wird er schon heraufkommen. Oder wolltest du vorher mit ihm sprechen?«

»Nein, schon gut. Unser Gespräch kann bis nach dem Essen warten.«

Julia wunderte sich ein wenig über den geheimnisvollen Ausdruck, der plötzlich auf Helges Gesicht lag.

»Du tust so mysteriös«, bemerkte sie.

Er lachte leise. »Es könnte sein, dass ich bald einen weiteren Abschluss feiern kann. Dein Vater hat nämlich in Aussicht gestellt, dass er euer Haus verkaufen will.«

Julia glaubte, sich verhört zu haben. Mit offenem Mund starrte sie ihren Partner an.

»Unser Haus verkaufen?«, wiederholte sie fassungslos. »Davon höre ich zum ersten Mal. Was habt ihr beide da hinter meinem Rücken ausgeheckt?«