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Mara ist jung, seit bald zehn Jahren verheiratet, und hat eine Tochter. Und nun wagt sie den Wiedereinstieg in das Berufsleben! Wahnsinn, und dann noch gleich in so einer tollen Position. Aber gibt es nicht einen Haken? Oh doch, der ach so nette Chef entpuppt sich als Choleriker und sein Verhalten wendet sich ihr gegenüber um 180°C. Unglücklich? Und wie! Und dann kommen noch die alltäglichen Schwierigkeiten mit Mann und Kind. »Nur der Kaffee hört mein Seufzen« ist ein lustiger, unterhaltsamer Roman über den verrückten Büro- und privaten Alltag einer jungen Frau.
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2020
Roman
… inspiriert von„Ich arbeite in einem Irrenhaus “von Martin Wehrle
2013
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
„Mama! Mama!“
„Ich komme gleich! Ich trinke nur noch meinen Kaffee aus!“
Kann mich nicht einmal jemand in Ruhe lassen? Ständig werde ich gerufen, ständig werde ich gestört. Dabei will ich doch einfach nur hier in Ruhe meinen Kaffee trinken.
„Mama!“
„JA!“, schreie ich genervt.
„Mama, komm, ich will jetzt etwas spielen“, sagt Louisa fröhlich.
„Na gut, ich komm ja schon“, sage ich letztendlich.
Mich versteht ja eh keiner. Jeden Tag muss ich mich mit der Kleinen beschäftigen, so tun, als interessiere mich dieser Krimskrams. Und nachher kommt auch noch meine Schwester wieder. Bin ja mal gespannt, was ich mir dieses Mal anhören darf.
„Können wir uns Centopia noch einmal anhören?“, werde ich schon wieder gefragt.
„Ja, mach mal an, aber nur bis zum Mittagessen“, sage ich ihr.
Immer dieselbe Hörkassette. Anscheinend gefällt ihr diese Figur ‚Mia‘ so sehr, ein 12-jähriges Mädchen, deren Eltern nach einem Unfall als vermisst gelten. Das Mädchen muss daraufhin ins Internat und alles, was ihr von den Eltern geblieben ist, sind ein Armband und ein altes Buch über Einhörner in einem Land namens Centopia …
Na immerhin, dann muss ich mich nicht um sie kümmern. Dann kann ich jetzt endlich die Sonntagszeitung lesen.
„Mara! Kannst du mir kurz etwas aus dem Keller holen?“, ruft mein Mann aus der Küche.
Herr Gott noch mal! Können mich nicht alle einfach mal zufriedenlassen? Ständig muss ich etwas im Haus machen!
„Ja, ich komm gleich“, antworte ich.
Nachdem ich den Topf aus dem Keller geholt habe, setzte ich mich wieder auf die Couch.
„Hallo“, rufen uns meine Schwester Fiona und ihr Mann Gianluca zu, als sie eintreten.
Na super, das hat mir ja gerade noch gefehlt. Jeden Sonntag muss ich mir etwas anhören …! Diese gemeinsamen Essen sind zwar nett, schließlich habe ich nur diese eine Schwester, aber ich wäre froh, ich hätte eine Woche meine Ruhe von ihr.
Punkt 13 Uhr sitzen wir alle brav am Tisch und mein Mann bringt das Essen aus der Küche.
„Und? Hast du den Job bekommen?“, fragt meine Schwester plötzlich.
„Ich weiß es noch nicht. Warum fragst du denn?“, antworte ich ihr.
„Na nur so.“
„Und Louisa, wie läuft es in der Schule?“, bohrt sie weiter.
„Gut“, antwortet meine Kleine kurz. „Mama, kann ich noch ein paar Spätzle haben?“
„Ähm, meinst du nicht, dass ein Teller genug ist?“, sagt meine Schwester, bevor ich überhaupt Ja oder Nein sagen kann.
„Das ist doch nicht deine Entscheidung! Sie ist noch im Wachstum, und später wird sie nicht mehr so viel essen!“, kontere ich.
Mensch, was weiß denn die schon von Kindern. Gar nichts! Sie hat ja nicht mal welche. Und ich, ich verbringe seit 7 Jahren jeden Tag mit ihr! Also bitte! Da hat sie doch nichts zu urteilen, wann es genug ist und wann nicht? Stille. Gott sei Dank. Schnell alles aufessen, ein bisschen Smalltalk und dann gehen sie wieder nach Hause. Es ist doch schön, wenigstens Sonntagnachmittags etwas Ruhe zu haben.
Wir wohnen im 5. Stock eines Hochhauses hier in Pforzheim. Es ist okay, da man hier um die Ecke alles hat. Einkaufsmöglichkeiten, die Schule, alles.
Vollgefuttert legen wir, Louisa und ich, uns auf unser Sofa und suchen uns eine DVD zum Anschauen aus. Mmhhh … schwere Wahl. Gut, dass wir so viele dahaben. Ja, das mag ich gerne, DVDs und Bücher kaufen!
Abschalten kann ich trotzdem nicht. Da läuft „Shreck“, auf dem Bildschirm, aber ich muss immer noch an meine Jobsituation denken. Heutzutage ist es gar nicht mehr so einfach, eine Stelle zu finden. Letzte Woche Mittwoch hatte ich ein Vorstellungsgespräch in einer Firma in Karlsruhe. Na ja, vielleicht sollte ich mir kurz eine Zigarette gönnen, dann geht’s mir gleich besser.
„Louisa, ich geh nur kurz auf den Balkon nach den Blumen schauen, okay?“, schwindele ich, denn das ich rauche, dass will sie ja nicht.
Das tut so gut. Ah! Aber wenn das wieder mein Mann wüsste, er würde gleich schimpfen. Aber hey, bin ich mit 28 Jahren nicht alt genug, dass selbst zu entscheiden?
Warum meinen alle, alles besser wissen zu müssen? Da heißt es, rauch nicht, du hast ein Kind. Oder, du bist doch alt genug, du weißt doch, wie schädlich es ist. Ja, ja, ja! Ist doch gut! So! Noch schnell etwas Parfum versprühen, damit das Rauchen nicht auffällt, und zurück geht’s auf die Couch. Oder doch noch einen Kaffee? Aber nein, den gibt’s ja später wieder zusammen mit meinem Mann, Sigfried. „Mama, was hast du gemacht?“, fragt mich gleich Louisa, als ich zurück ins Zimmer komme.
„Ach nichts, habe nur geschaut, ob die Blumen schon blühen!“, sage ich ihr.
Manchmal frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn ich nicht so früh geheiratet und ein Kind bekommen hätte. Ob Sigi oder Louisa mir fehlen würden? Ja. So ist es. Im Nachhinein fragt man sich doch viel zu oft, was wäre wenn. Wäre ich glücklicher ohne die beiden? Würde ich einfacher einen Job als Kinderlose bekommen?
Rrrriiiinng! Rrriiiinnnngg! RRRRriiiiinnnngggg! Oh nein, mein Alarm! Schon wieder. Ah! Aber die Kleine muss nun mal zur Schule. Immerhin muss ich Sie nicht fahren.
„Louisa, komm, aufstehen!“
„Oh nein, ich will nicht!“, jammert sie.
„Na auf, komm schon“, sage ich ihr.
Müde schlabbern wir runter in das Wohnzimmer. Wie immer sitzt mein Mann schon am Frühstückstisch und wartet auf uns. Das macht er immer, steht um 5 Uhr auf, bereitet das Frühstück vor und weckt uns alle. Und Kleider für unsre Kleine hat er auch schon vorbereitet, super! Dann kann ich ja jetzt gemütlich meinen Kaffee trinken.
„Sag mal, Mara, hast du schon mit der Firma gesprochen?“, fängt mein Mann an zu reden.
„Ich muss noch anrufen“, gebe ich als Antwort.
„Aber vergesse es nicht, in Ordnung?“, erinnert er mich.
„Du weißt doch, es ist immer besser nachzufragen und somit Interesse zu zeigen“, sagt Sigfried, und schmiert Louisa ein Brot für die Schule.
„Ja, der neue Job ist ja erst ab dem 01.06. Das dauert ja noch ein wenig!“, sage ich ihm, und schlürfe an meinem Kaffee.
„Ist gut, wollte dich ja nur noch mal daran erinnern. Ich glaube, wir sollten uns mit dem Frühstück etwas beeilen, damit ich Louisa noch zur Schule fahren kann, bevor ich arbeiten gehe.“
Oh, stimmt. Das habe ich vergessen.
„Machen wir!“, erwidere ich. „Louisa, ess mal bisschen schneller und zieh dich dann an!“
„Okay!“, und grinsend mampft sie ihr Nutella Brot. Sigfried arbeitet als Außendienst Mitarbeiter in einer Automobilfirma. Ein guter Job. Jedoch ist er auch wenig zu Hause. Mehr auf der Straße oder mal in einer anderen Stadt, als bei uns zu Hause. Immerhin haben wir so ausgesorgt und genügend Geld für unsere Wohnung, Auto und einmal im Jahr einen Urlaub.
7:40 Uhr. Noch zehn Minuten, dann müssen wir Louisa zur Schule bringen. Dann kann ich nachher wieder mein neues Buch weiterlesen! Apropos, ich könnte ja mal wieder im Onlineshop nach Disney-DVDs stöbern! „Schnecke, auf, zieh dich an! Gleich müssen wir losfahren!“, ich versuche, Louisa etwas unter Druck zu setzten. „Mara, kämm ihr noch die Haare bevor sie in die Schule geht!“, sagt mir mein Mann.
Oh, und schon wieder! Ja ja ja, mein Gott. Gestern haben wir ihr abends einen Zopf geflochten, als wenn das jetzt heute so schlimm aussehen würde. Später wird es ja eh in der Schule wieder verkuddelt aussehen.
„Ja Schatz“, hoffentlich sagt er jetzt nichts mehr. Das ihm so etwas aber auch auffallen muss?
„Können wir jetzt endlich los!“, sagt Sigi etwas lauter.
„Auf Louisa, kommt jetzt!“, rufe ich ihr zu, und hebe ihre Jacke vom Boden auf.
Was für ein Chaos würde so mancher denken, aber nein.
Läuft doch alles nach Plan. Und fünf Minuten hin oder her spielt doch keine Rolle.
„Fertig Mama!“, und zwar nicht gekämmt, aber schön angezogen steigt sie brav in Daddys Auto.
„Hör mal, wenn du nachher nach Hause läufst, dann trödle nicht wieder so viel, ja?“, sage ich Louisa und gebe ihr noch einen Kuss.
„Hab verstanden Mama! Bis später!“, und weg sind sie.
Ah wie toll. Erst noch einen Kaffee, bevor ich mir mein Buch schnapp. Eigentlich verrückt, wie viele Bücher ich schon im Regal liegen habe. Muss mal schauen, dass wir ein neues Regal kaufen. Kann ich ja ins Treppenhaus stellen.
„Mara, räumst du nachher noch die Wohnung etwas auf?“,
fragt mich mein Mann, als er wieder zurückkommt und ich mir gerade frisch Kaffee einschenke.
„Ja, irgendwann“, sage ich.
Ich weiß gar nicht, was die immer alle haben. Als ob es bei uns so schlimm aussieht. Es muss doch nicht überall so pingelig sauber sein, wie zum Beispiel bei meiner Schwester. Die hat ja auch einen kleinen Tick. Muss ständig alles aufräumen, putzen, saubermachen. Ach, das brauch ich nicht.
Wir fühlen uns so wohl, wie es ist. Und bisher hat sich auch keiner meiner Freunde beklagt, dass es nicht ordentlich bei uns wäre.
Mein Mann gibt mir einen Kuss, schnappt sich seine Aktentasche und düst weiter.
So, wo ist denn nur mein Buch? Ach hier. Toll! Mit dem 18.Jahrhundert ist das so eine Sache. Aber ich liebe es einfach! Und es packt mich immer wieder! Als echter Histo-Krimi-Fan kann ich euch natürlich Tom Wolfs Reihe über Preußen im 18.Jh. empfehlen, auch für Nicht Kriminalisten sehr interessant. Meine Schwester würde jetzt wieder jammern, und sagen, dass es nicht real sei!
Aber von wegen, es ist sehr authentisch und mit Gespür für das Leben in der damaligen Zeit geschrieben. Eine völlig andere Sicht auf die Szenerie kriegt man allerdings, wenn man mal Zuchardts "Spießrutenlauf“, liest.
Oh, schon knapp 10 Uhr? Was habe ich euch gesagt, dieses Buch packt einen einfach! Gut, dass diese Bücher immer so dicke Dinger sind!
„Hallo? Bin ich da richtig bei Kaiser?“, ruft jemand an.
„Wieso?“, frage ich.
„Sie haben sich doch bei uns beworben. Wir würden Sie gerne zu einem zweiten Gespräch einladen“, sagt er. Oh wow, ich kann es gar nicht fassen! Sigi wird sich so freuen!
„Ja ich komme gerne, gleich heute!“, sage ich ihm.
Raus bei dem Wetter? Ach nein, eigentlich keine Lust. Da würde ich sogar lieber kochen. Aber wenn es um einen Job geht?
„Wann soll ich da sein?“, frage ich, und versuche, mein Desinteresse zu unterdrücken.
„Sie können um 11 Uhr kommen“, sagt der Personalreferent.
Tja, als hätte ich nichts Besseres zu tun. Aber gut, dann schmeiße ich mich in Schale und hoffe, dass der Bus pünktlich kommt. Schließlich will ich ja noch mein Buch zu Ende lesen und kann dies während der Busfahrt machen!
In Niefern angekommen stehe ich nervös vor der Firma.
Kaufmännische Sachbearbeiterin in einer Einkaufsabteilung für Elektroartikel. Hmm. Kann ich mir das wirklich vorstellen?
Nach nur einer halben Stunde Gespräch habe ich meinen Vertrag in der Hand. Ich muss die wirklich überzeugt haben. Toll. Und alles klang so vielversprechend! Schon in 14 Tagen geht es los. Aber erst mal rasch mit dem Bus zurück nach Hause! Oh, schon so spät?!
„Ja, ich weiß, Mittagessen!“, sage ich mir leise, steige aus dem Bus und schnell laufe ich zu unserer Wohnung.
Louisa müsste auch gleichkommen. Na ja, je nachdem, wie lange Sie für das nach Hause laufen eben braucht.
Was würde ich nur ohne sie machen. Mein ein-und-alles.
Keiner braucht mich so sehr, wie sie. Keiner liebt mich so sehr, wie sie. Und keiner versteht mich so sehr, wie sie.
Aber was ist das hier eigentlich? Ich schaue in Ihr Zimmer, und sehe Ihre Barbies total mit irgendetwas Dunklem verschmiert. Was hat sie denn da gemacht? Oh nein, Nutella! Da wollte sie sicher Friseur spielen und den Barbies mal die Haare färben … au weija! Sie kann grad froh sein, dass sie nicht da ist, sonst hätte sie wohl eine Standpauke erhalten.
Einfach nur wild, die Kleine.
„Hast du alles?“, fragt Sigi.
„Ja Schatz!“, sage ich ganz aufgeregt. Mensch, die zwei Wochen gingen so schnell rum, und jetzt habe ich meinen ersten Arbeitstag!
„Mama, holst du mich dann von der Schule ab?“, fragt mich Louisa mit großen Augen.
„Kleines, ich weiß noch nicht, wie lange ich arbeiten muss.
Bleib in der Kernzeit, solange bis Papa oder ich dich holen, ja?“
Sicherlich auch nicht einfach für Sie. Jetzt war ich so viele Monate wieder zu Hause. Und nun? Aber sie wird sich schon dran gewöhnen, da bin ich mir sicher. Die Kinder in der Kernzeit werden von zwei Müttern betreut und zusammen werden die Schulaufgaben erledigt. Ich finde es nicht schlecht, gerade für Berufstätige. Und es ist hier in Pforzheim noch umsonst.
„So ihr zwei, jetzt muss ich aber los! Sigi, gute Fahrt und wir telefonieren dann später, ja?“, ich gebe den zwei noch einen Kuss und renne zur Bushaltestelle.
Uff. Ob mich die Kollegen akzeptieren werden? Und wie es wohl so ist. Ich meine, beim Vorstellungsgespräch wirkte Herr Spörrle super nett.
„Guten Tag Frau Kaiser, wie geht es Ihnen heute?“,
begrüßt mich Herr Spörrle, als ich zu meinem neuen Arbeitsplatz laufe.
Gott sei Dank ist dieses Gebäude nicht all zu groß. „Gut, vielen Dank der Nachfrage, und selbst?“, antworte ich verlegen.
„Gut, bestens. Diese Woche sitzen Sie bei mir im Büro.
Ich weise Sie in die Thematik ein“, erwidert mein neuer Chef.
„Alles klar, ich freue mich“, sage ich ihm.
Hier bin ich also. Im dritten Stock dieser Firma. Hinter mir sitzt seine Sekretärin, Frau Winter. Sie wirkt nett. Groß, ca.
30 Jahre jung mit blonden langen Haaren. Mein Arbeitstag entpuppt sich als gar nicht so stressig. Als erstes Thema habe ich die Erstellung der Bedarfsanforderung in unserem Warenwirtschaftssystem bekommen. Kein großes Hexenwerk. Ich habe meinen eigenen Schreibtisch, zwei PCs und mein Telefon. Ein Geschäftshandy werde ich wohl auch noch bekommen. Aber ich finde es schön.
Wenn es dann so weit ist, werde ich mit Herrn Fritsch und Herrn Müller im Büro sitzen. Was genau ich noch alles machen werde, oder machen werden muss, das erfahre ich sicher im Laufe der nächsten Tage. „Ach Frau Kaiser, ich zeige Ihnen noch kurz unsere Teeküche!“, ruft mir Frau Winter zu.
„Gerne!“, und ich laufe ihr hinterher.
„In jedem Stockwerk gibt so eine Küche“, fängt sie an zu erklären.
Wirklich Regeln scheint es hier nicht zu geben. Im Kühlschrank stehen nur massenhaft Packungen Milch, sonst nichts. Und die Kaffeemaschine wird wohl auch nicht wirklich gepflegt.
„Kann ich denn meine Sachen in den Kühlschrank stellen?“, frage ich.
„Natürlich!“, sagt sie und lächelt freundlich, „Hier oben haben Sie dann noch Gläser und Tassen. Einfach nach Gebrauch alles in die Geschirrspülmaschine stellen.“
„Alles klar, danke!“, sage ich und nicke ihr freundlich zu.
Mit dem Chef und der Sekretärin im Nacken zu arbeiten ist gar nicht so einfach, es ist ein komisches Gefühl. Man fühlt sich beobachtet. Und jedes Mal, wenn mein Name gerufen wird, erschrecke ich.
Die Büros sind nicht gerade modern eingerichtet.
Teppichboden, dunkle Möbel, und schlechte Beleuchtung.
Aber hey, immerhin habe ich die Möglichkeit bekommen, hier zu arbeiten.
„Wenn Sie morgen kurz Zeit haben, zeige ich Ihnen noch etwas am Computer“, sagte Frau Winter und meinte, es wäre genug für den ersten Tag heute.
Bereits um 17 Uhr durfte ich nach Hause, ich war echt erstaunt. Als ich ihn fragte, meinte Herr Spörrle nur „Mir ist es egal, wann Sie nach Hause gehen, solange Sie Ihre Arbeit machen.“
Als ich zu Hause ankomme, sitzen Louisa und Sigfried schon am Tisch.
„Mama! Endlich!“, kreischt die Kleine, als ich zur Türe hineinkomme.
„Wie war es mein Schatz?“, fragt mich Sigi.
„Du, eigentlich ganz gut. Herr Spörrle ist super nett. Bis jetzt kann ich mich nicht beklagen!“, antworte ich uns setze mich an den Esstisch.
„Das freut mich, wirklich. Fiona hat auch schon angerufen, sie wollte unbedingt wissen, wie es bei dir lief!“, sagt mein Mann und reicht mir einen Teller mit Kartoffelsuppe.
Ach ja, meine kleine Schwester Fiona. Muss ihr nachher eine SMS schicken. Manchmal wäre ich froh, wenn meine Eltern noch leben würden. Gerade solche Momente würde ich so gerne mit ihnen teilen.
Damals war ich gerade mal 21 Jahre alt, frisch verheiratet und schwanger. Fiona war 18 Jahre alt und machte ihr Abitur. Meine Eltern wollten einfach nur mal ausspannen und ein Wochenende in den Bergen genießen. Leider meinte ein betrunkener Jugendlicher, er müsste verkehrt auf die Autobahn fahren. So wurde die Rückfahrt meiner Eltern zum Albtraum. Ich verstehe es bis heute nicht, dass sie nicht mehr hier sind. Nun sind sieben Jahre vergangen, aber sie fehlen mir so sehr.
„… liest du mir nachher noch etwas vor?“, fragt Louisa.
„Was?“, ich bin total in meinen Gedanken versunken, oh je.
„Können wir nachher noch etwas zusammenlesen Mama?“, fragt die Kleine erneuet.
„Schatz, lass nur, ich mach das“, sagt Sigi und geht mit Louisa in ihr Kinderzimmer.
Ich schaue ihn an, und lächle nur.
Ich bin so froh, dass ich ihn habe. Natürlich gibt es hin und wieder schwierige Zeiten, wo ich zweifle. Aber er hat mir so viel geholfen, in all den Jahren. Und er war immer für mich da, wenn ich am liebsten alles hingeschmissen hätte.
Morgen ein neuer Tag. Hoffentlich genauso entspannt wie heute.
„Wer schreibt heute das Protokoll? Vielleicht Sie, Herr Müller“, beginnt Herr Spörrle das Meeting.
Jeden Tag um 9 Uhr sitzen wir alle zusammen. Herr Spörrle, seine Sekretärin Frau Winter, Herr Müller (technischer Einkaufsleiter), Herr Fritsch (Einkäufer) und die zwei Werkstudentinnen Jule und Saskia.
„Wie sieht es mit Punkt drei aus? Herr Müller, konnten Sie dies bereits klären?“, fragt mein Chef in strenger Stimme.
„Läuft“, antwortet Herr Müller ganz kurz und bündig.
„Bei Punkt sieben, elektrische Antriebe, hier weisen Sie Frau Kaiser ein, in Ordnung Herr Fritsch?“, sagt Herr Spörrle.
Und so gingen wir insgesamt 43 Punkte des Protokolls durch. Jeder bekam erneut seine „Deadline“, und nach 1,5 Stunden ging es an die Arbeit.
Da ich diese Woche immer noch bei Herrn Spörrle sitze, und nicht an meinem eigentlichen Arbeitsplatz, werde ich ca. alle 15 Minuten in sein Büro gerufen.
„Schauen Sie, sehen Sie hier. Genau aus diesem Grund ist unsere Firma so wettbewerbsfähig“, und er zeigt auf eine Excel-Tabelle mit Diagramm.
Ich muss zugeben, wirklich verstehen tue ich hiervon nichts. Ich meine, welche Frau kennt sich ernsthaft mit pneumatischen und elektrischen Antrieben aus? Oder einer maximalen Produktivität einer Prozessautomatisierung? Und vor Allem kann ich mich hierfür nur schwer begeistern.
Fragen Sie mich etwas über Schuhe, ich antworte gerne.
Aber das hier? Vielleicht ist es einfach so am Anfang. Ist doch verdammt viel Info, die einem da gegeben wird.
Nach der Einarbeitung der Bedarfsanforderungen geht es nun an die Bestellungen. Eigentlich gar nicht so wild. Ich habe zwar vorher nie mit SAP gearbeitet, aber es geht doch.
Oh je, nun ist mein Kopf voll mit Begriffen, die ich noch nicht wirklich zuordnen kann.
„Also als erstes müssen Sie sich hier einloggen“, erklärt Herr Fritsch.
„Ich weiß gar nicht, ob ich schon Zugangsdaten habe?“,
erwidere ich ihm.
„Ich zeig Ihnen kurz den Vorgang, dann fragen Sie Frau Winter nach den Daten“, sagt Herr Fritsch.
„Also. Hier wählen Sie den Lieferanten aus, dann geben Sie immer denselben Buchungskreis an. Und dann können Sie schon die einzelnen Positionen eingeben. Genaueres kann ich Ihnen auch nicht sagen, da ich selbst erst seit November hier arbeite“, und Herr Fritsch dreht sich um.
Seltsam. Wenn er seit rund acht Monaten hier sitzt, und mir nichts 100% erklären kann, wer dann? Wie dem auch sei, ich habe alles sorgfältig notiert, damit ich mich an die Schritte halten kann.
Nach der fünften Bestellung benötige ich meine „Anleitung“, schon gar nicht mehr. Aber es geht doch ganz leicht.
Gegen 17 Uhr schalte ich meinen PC ab, verabschiede mich und mache ich mich auf den Heimweg. Also wenn das jeden Tag so läuft, dann habe ich wirklich einen Glückstreffer gemacht.
Plötzlich vibriert mein Mobilgerät.
„Hallo?“, sage ich.
„Hör mal, Schatz, ich stehe im Stau!“, sagt mein Mann.
„Oh nein, ich dachte, du hättest Louisa längst abgeholt?“,
erschrocken schaue ich auf die Uhr. 17:07 Uhr. Mein Bus müsste jederzeit kommen, dann dauert es nur 10 oder 15 Minuten bis zur Schule.
„Kannst du sie holen oder ruf doch Fiona oder Gianluca an!“, sagt mein Mann und legt schon auf.
Na toll. Konnte er mir das nicht früher sagen, dass er im Stau steckt? Dann hätte ich früher loskönnen. Die arme Kleine. Die Kernzeit ist um 17 Uhr vorbei. Ich hoffe, sie macht sich nicht allzu große Sorgen.
Aber das schaffe ich. Bis ich jetzt meine Schwester anrufe, sie losfährt, nein. Bis dahin bin ich selbst dort.
An der Schule angekommen sehe ich Louisa, mit ihren zwei Zöpfen, auf dem Schulhof sitzend. Den Kopf auf ihre Knie angelehnt.
„Mäuschen. Es tut mir so leid“, sage ich mit schlechtem Gewissen.
„Ist okay Mama“, sagt sie traurig.
„Ich verspreche dir, dass es nicht mehr vorkommt, okay?“,
ich nehme sie an die Hand und zusammen laufen wir zu unserer Wohnung.
Da Sigi immer noch nicht zu Hause ist, fange ich schon an, etwas zu kochen. Meistens kocht er, da er es einfach besser kann. Aber damit Louisa ihr Abendbrot bekommt, mache ich Spagetti.
„Wie war es in der Schule?“, rufe ich aus der Küche.
„Gut“, sagt sie und starrt in den Fernseher.
„Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“, frage ich weiter.
„Ja Mama, alles in der Kernzeit erledigt“, antwortet mir Louisa.
Es klopft an der Türe, und mein Mann kommt herein.
Endlich.
„Papa“, Louisa rennt auf ihn zu.
Schön, dass sich die beiden so liebhaben. Wobei er manchmal ruhig strenger mit ihr sein könnte.
„Hast du schon etwas gegessen mein Kleines?“, fragt er sie.
„Bin gleich fertig“, rufe ich aus der Küche.
Und da sitzen wir, wie jeden Abend, gemeinsam am Esstisch. Es wird gelacht, diskutiert, und dann geht die Kleine auch schon schlafen.
Auf der Couch vor dem Fernseher sitzend, haben Sigi und ich uns nicht viel zu sagen. Beide vertieft in den Gedanken lassen wir den Abend mit einem Glas Wein ausklingen.
„Und, macht es Spaß?“, fragt mich mein Kollege.
„Ja, es ist viel Neuland. Aber sonst passt es“, sage ich. Sich in diese Thematik einzuarbeiten ist wirklich nicht einfach.
Eigentlich sollte ich ja schon wissen, was ich da gerade bestelle. Andererseits, der Bedarf wird mir ja von meinem Kollegen Herr Müller gemeldet. Von dem her sollte es ja passen.
Ach her je … ich bin schon gespannt, wie das Meeting gleich wieder wird. Jeden Tag. Ich frag mich, ob das wirklich sein muss?
„Darf ich schon reinkommen?“, frage ich um kurz vor 9 Uhr.
„Wenn Sie es nicht dürften, würde ich das schon sagen“, antwortet Herr Spörrle.
Alle trödeln allmählich in das Büro und die Besprechung beginnt.
„Gibt es etwas Neues, dass wir besprechen sollten?“, fragt unser Chef und schaut in die Runde.
„Wir sollten uns Gedanken über die geplante Ausschreibung machen“, wirft Herr Müller ein.
„Geben Sie das Frau Kaiser, sie macht das schon“, antwortet Herr Spörrle. „Okay“, antworte ich und nicke.
„Wie sieht es mit der Rechnungsbearbeitung aus? Machen Sie das zusammen Herr Fritsch und Frau Kaiser?“, fragt unser Chef.
„Ja, immer dienstags und donnerstags vormittags“, erwidert Herr Fritsch.
„Gut, wenn sonst nichts ist, dann raus aus meinem Büro!“,
sagt Herr Spörrle und dreht sich zu seinem PC.