Ökologische Angepaßtheit und kulturelle Akzeptanz von Projektmaßnahmen in einer Traditionellen Gesellschaft - Martin Müller - E-Book

Ökologische Angepaßtheit und kulturelle Akzeptanz von Projektmaßnahmen in einer Traditionellen Gesellschaft E-Book

Martin Müller

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 1993 im Fachbereich Agrarwissenschaften, Note: 1, Universität Hohenheim (Agrarsoziologie, Landwirtschaftliche Beratung und angewandte Psychologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Problemstellung Zu Beginn der 90er Jahre herrschte trotz enormer Entwicklungsanstrengungen weltweit größeres Elend, Unterernährung und mehr soziale und politische Unruhe als 25 Jahren zuvor. Wie ist das zu erklären? Mehr als ein Viertel der Menschheit hängt von traditioneller Landwirtschaft ab. Staatliche Maßnahmen zur Modernisierung waren für große Teile der Landbevölkerung mit Marginalisierung und kultureller Entwurzelung verbunden. Entsprechend mehrten sich die Vorbehalte. Nicht-Regierungsorganisationen (NGO's) versprachen besser mit der marginalisierten Bevölkerung zusammenarbeiteten. Traditionelles Wissen sollte in die Projektplanung und Ausführung einbezogen werden, um kulturelles Selbstverständnis und die Tragfähigkeit der Ökosysteme zu berücksichtigen. Die Hinterfragung der bisherigen Entwicklungsarbeit spiegelte sich auch im Methodenstreit wieder. Beim „Transfer of technology“ erschien die Kommunikation oft als Einbahnstraße. Fragen der ökonomischen Durchführbarkeit, der Anpassung an bestehende Landnutzungssysteme oder kulturelle Besonderheiten fänden zu wenig Beachtung. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurden partizipatorische Ansätze in der Entwicklungshilfe erarbeitet. Untersuchungsziel In Nordthailand versuchen thailändische Regierungsstellen und NGO‘s den Wanderfeldbau der ethnischen Minderheiten zu stoppen. Methoden des Erosionsschutzes sollen eingeführt werden. Die Berge dieser Region weisen extreme Hangneigungen auf. Entwaldung und Erosion sind überall sichtbar. Fruchtbare Humusauflagen sind bei geringem Bodenbedeckungsgrad durch die hohen Niederschlagsmengen gefährdet und vielfach schon erodiert. Die Hill Area Development Foundation (HADF) hat sich zur Aufgabe gemacht, die Bergvölker in der Umgebung von Mae Salong (Mae Chan, Chiang Rai) bei der Abkehr vom Brandrodungsfeldbau zu unterstützen. Die vorliegende Studie zeigt die Entwicklungsarbeit der HADF exemplarisch in einem der Projektdörfer bei einem von sechs „Bergstämmen“ - den Akha. Die Bedingungen des traditionellen Landnutzungssystems werden denen des Projektansatzes so gegenüber gestellt, dass Erfolge und Schwierigkeiten erkennbar werden. Daraus ergeben sich Schlüsse über Methoden und Inhalt der Beratungsarbeit der HADF. Abschließend wird eine Aussage getroffen, unter welchen Bedingungen NGO‘s eine Alternative in der Entwicklungszusammenarbeit darstellen und was die Voraussetzungen für verbesserte Beratungsinhalte sind.

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Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Untersuchung
1.3 Aufbau der Arbeit
1.4 Charakterisierung der Untersuchungsregion
2 METHODISCHES VORGEHEN
2.1 Wahrnehmung im kulturellen Kontext
2.2 Fallstudie
2.3 Quellenstudium
2.4 Teilnehmende Beobachtung
2.5 Befragung von Projektbeteiligten
3 THEORIE DER ENTWICKLUNGSARBEIT
3.1 Nachhaltige Landnutzung und Verwendung lokaler Ressourcen
3.2 Selbstbestimmte Entwicklung von Technologie
3.3 Interkulturelle Kommunikation
4 ALLGEMEINER HINTERGRUND
4.1 Traditionelle Landnutzungssysteme
4.1.1 Wanderfeldbau
4.1.2 Gemeindewald
4.1.3 Bewässerungsfeldbau
4.2 Situation in Nordthailand
4.2.2 Geopolitische Situation in Thailand nach 1940
4.2.3 Ökologische und ökonomische Situation
5 KULTUR UND WIRTSCHAFTSWEISE DER AKHA
5.1 Herkunft und Geschichte
5.2 Kulturelle Besonderheiten
5.3 Traditionelle Landnutzung
5.4 Aktuelle Probleme

Page 1

Institut für Agrarsoziologie, Landwirtschaftliche Beratung und

Ökologische Angepaßtheit und kulturelle Akzeptanz von Projektmaßnahmen in einer traditionellen Gesellschaft

Untersuchung am Beispiel eines Projektes einer thailändischen Nicht-Regierungs-Organisation zur Umstellung von traditionellem Wanderfeldbau auf dauerhafte

Diese Arbeit wurde aus Mitteln der Vater und Sohn Eiselen - Stiftung gefördert

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Danksagung:

Ich danke allen, die mir während des Studiums Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu praktischem Tun gaben. Ohne diese Anregungen wäre die Idee zu dieser Diplomarbeit nicht entstanden. Insbesondere danke ich Mohan, Sabine, Timmy, Nicole, Markus, Nicolai, Geli, Carolin, Albe, Bernhard und allen vom AKI.

Terre des hommes danke ich für die Vermittlung meines Aufenthaltes im Projekt. Frau Tuenjai Deetes danke ich für die herzliche Aufnahme, das Vertrauen und viele Gespräche.

Meiner WG gilt mein Dank für die Anteilnahme und die Bereitstellung von Arbeitsgeräten. Ich danke meiner Mutter und Peter, meiner Schwester, meinem Vater und meinen hessischen Freunden für Erholung und Unterstützung während dieser Monate.

Page 6

6 PROJEKTBESCHREIBUNG 39

6.1 Das Projekt 39

6.1.1 Entstehung und Ziele 6.1.2 Aufbau der Organisation 6.1.3 Arbeitsweise

6.2 Das propagierte Landnutzungssystem 446.2.1 Propagierte Maßnahmen6.2.2 Soziokulturelle Voraussetzungen 6.2.3 Ökologische und ökonomische Erwartungen

6.3 Projektstand6.3.1 Realisierte Neuerungen

6.3.2 Probleme bei der Umsetzung 6.3.3 Probleme innerhalb der HADF

6.4 Bewertung des propagierten Landnutzungssystems

6.4.1 Beurteilung der Neuerungen 6.4.2 Methodische Änderungsvorschläge 6.4.3 Technische Änderungsvorschläge6.5 Veränderungsvorschläge zu Problemen innerhalb der HADF 56

7 DISKUSSION 59

7.1 Prognose 59

7.2 Ableitung allgemeinerer Aussagen 60

LITERATURVERZEICHNIS 63

ANHANG 66

A 1 Höhenlinienbild des Gebietes um Pakha Sukjai 66

A 2 Bestandteile der Feldforschung (Vorhaben) 67

A 3 Leitfaden für die Feldforschung (Orientierungsfragen) 67

A 4 Leitfaden für die Befragung von Dorfbewohnern (in Englisch) 68

A 5 Aussagen von Bewohnern Pakha Sukjais 69

A 6 Bodennutzungsintensität 73

A 7 Bodenabtrag in Abhängigkeit von der Fruchtfolge, der Hanglänge und der Hangneigung 73

A 8 Geschichte der Kuomingtang in Nordthailand 74

A 9 Sloping Agriculture Land Technology (SALT) 75

A 10 Tuenjai Deetes' Adress 76

A 11 The Lomi-Akha of Mae Salong (n.n., no title, no date, appr. 1990) 78

A 12 Gewinnung und Ausbringung von organischem Dünger 85

A 13 Integration von Feuer- und Nutzholz in Konturhecken 86

Page 8

Verzeichnis der Abkürzungen

AFECT Akha Association for Education and Culture

BPP Border Patrol Police

CSOC Commmunist Suppression Operations Command

DM

DPW Department of Public Welfare

FIA Fachbereich Internationale Agrarentwicklung

GTZ Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

HA Hektar (Flächenmaß)

HADF Hill Area Development Foundation

HAEDP Hill Area Education + Development Project

HTDWC Hill Tribe Development and Welfare Centre

ID Identity

IMF International Monetary Fund

KMT Kuomingtang

LEISA Low External Input and Sustainable Agriculture

MPCD Mountain People's Culture and Development Project

N chemisches Zeichen für Stickstoff

NRO'S Nicht-Regierungsorganisationen

PTD People -centered Technology Development

RO'S Regierungsorganisationen

RFA'S Reserved Forest Areas

RFD Royal Forestry Department

SALT Sloping Agriculture Land Technology

SET Selbstbestimmte Entwicklung von Technologie

TOT Transfer of Technology

TRI Tribal Research Institute

UNDCP United Nations Drug Control Program

UNO United Nations Organisation

USA United States of America

US $ US-Dollar (Währungseinheit der USA)

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1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Zu Beginn der 90er Jahre herrscht größeres Elend, Unterernä hrung und mehr soziale und politische Unruhe als vor 25 Jahren. Keines der großen Ziele der beiden letzten Entwicklungsdekaden wurde erreicht. Der Blick richtete sich auf die marginalisierten Standorte. Mehr als ein Viertel aller Menschen hängen in ihrem Lebensunterhalt von traditioneller, extensiver Landbewirtschaftung ab. Mit ihrer Subsistenzwirtschaft produzieren sie nicht für den ökonomischen Markt und sind keine Abnehmer seines Angebots. Aus der Sicht einer nach Industrialisierung strebenden Gesellscha ft ist das als verschwenderisch im Sinne der Nationalökonomie anzusehen: Die Dorfgemeinschaft, die sich mit Subsistenz zufrieden gibt, bindet Ressourcen und Produktivkräfte, die rationell zur Mehrung des Wohlstands einzusetzen wären. Die Entwicklungsanstrengungen richteten sich deshalb auf die Modernisierung dieser Bewirtschaftungsweisen. Marginalisierung und kulturelle Entwurzelung traten in der Folge verstärkt auf. [VERHELST, S.19 ff.]

Für große Teile der Bevölkerung war das mit negativen Begleiterscheinungen verbunden. Vorbehalte kamen gegen diesen Fortschritt und die moderne, industrialisierte und individualistische Gesellschaft auf. Unter diesen Voraussetzungen konnten die staatlichen Programme die Zielbevölkerungsgruppen kaum motivieren. Der Blick richtete sich auf basisorientierte Nicht-Regierungsorganisationen. Es wurden Hoffnungen in Entwicklungsansätze gesetzt, die auf lokale oder regionale Zusammenarbeit mit der marginalisierten Bevölkerung aufbauten. Die Betroffenen sollten in die Projektplanung und Ausführung einbezogen werden. Aufbauend auf ihr traditionelles Wissen sollten sie selber die Anpassungen an die neuen Umstände entwickeln, die ihrem kulturellen Selbstverständnis und der Tragfähigkeit des Ökosystems entsprechen. [WARREN, S.161]

Die kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Entwicklungsarbeit spiegelte sich auch im Methodenstreit wieder. Nach Auffassung einer Gruppe von Theoretikern und Praktikern kann der Transfer landwirtschaftlichen Wissens (TOT - Transfer of Technologie) als Kreisprozeß angesehen werden: Forschungszentren geben wissenschaftliche Ergebnisse an Beratungsdienste weiter, wo sie in Botschaften transformiert werden, die verschiedene Gruppen von Bauern1erreichen sollen. Die Bauern wiederum sollen über ihren Bedarf, ihre Probleme und Erfahrungen berichten, was zu Forschungen auf neuen Gebieten Anregung gibt. [BENAD und LUPANGA, S.463] Gleichzeitig waren Klagen über eine mangelhafte Weitergabe landwirtschaftlichen Wissens und landwirtschaftlicher Neuerungen an die Landbevölkerung verbreitet. Der Grund dafür wurde häufig imTraditionalismus- dem »Widerstand gegen Veränderung« der bäuerlichen Bevölkerung gesehen. Andererseits wurden Defizite im Beratungswesen, fehlende Geldmittel und Mangel an geschultem Personal dafür verantwortlich gemacht. [BENAD und LUPANGA, S.465]

Kritiker dieses TOT-Modells sehen die Probleme an anderen Stellen: die Kommunikation erscheint ihnen meist als eine Einbahnstraße: von Systemen aus

1Der Plural umfaßt selbstverständlich Bauern und Bäuerinnen. In diesem und in ähnlichen Fällen (wie Mitarbeiter/innen, Dorfbewohner/innen etc.) habe ich, wenn beide Geschlechter gemeint sind, auf die jeweils getrennte Aufführung der beteiligten Geschlechter zugunsten eines besseren Leseflusses verzichtet.

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Forschung und Beratung zu den Bauern, aber kaum umgekehrt. In Forschungsinstituten werde bevorzugt bio(techno)logisch an landwirtschaftliche Probleme herangegangen. Fragen der ökonomischen Durchführbarkeit, der Anpassung an bestehende Landnutzungssysteme oder kulturelle Besonderheiten fänden wenig Beachtung. Das Augenmerk scheint isoliert auf die Steigerung der Produktion gerichtet zu sein. [BENAD und LUPANGA, S.463 f.] Dem Inhalt der Beratung und seiner Eignung für die Bauern werde zu wenig Beachtung geschenkt. Darüber hinaus mangele es meist an den für die Übernahme des Empfehlungs- »Pakets« notwendigen Ressourcen wie Einnahmequellen, Kredit oder der Verfügbarkeit der Einsatzmittel. Oder es werden nicht die besondere Situation und die daraus entwickelten, vorrangig zu verfolgenden Ziele und Techniken der Landbevölkerung berücksichtigt. [BENAD und LUPANGA, S.465]

Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurden partizipatorische Ansätze in der Entwicklungshilfe erarbeitet. Sie zielen darauf hin, der ländlichen Bevölkerung bei der Gestaltung und Umsetzung von Beratungsinhalten mehr Freiraum zu lassen. Diese können aber nicht isoliert umgesetzt werden. Günstige Rahmenbedingungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene entscheiden mit über den Erfolg solcher Ansätze. Wenn innerhalb der nach Industrialisierung strebenden Gesellschaft kein Verständnis und Respekt für andersartige Lebensweisen und Lebensziele aufgebracht werden, ist ohnehin alles Theorie. Der mächtigere Kulturkreis fordert den Kulturkreis, der die zahlenmäßig kleinere Gruppe stellt, zu Umstellungen und Verzicht auf. Der Zwang zum Wandel wird nicht aufzuheben sein. Es stellt sich nur die Frage, welchen Unterschied es gesellschaftlich und für die Identität der Betroffenen macht, ob eine Gemeinschaft den Wandel selbst gestaltet oder zur Übernahme fremd wirkender Maßnahmen gezwungen wird.

1.2 Ziel der Untersuchung

In Nordthailand versuchen thailändische Regierungsstellen und NRO's den Wanderfeldbau der Bergvö lker zu stoppen. Methoden der modernen oder nachhaltigen Landbewirtschaftung und des Erosionsschutzes sollen eingeführt werden. Damit soll ihre Existenz gesichert und dem Entstehen sozialer und wirtschaftlicher Not vorgebeugt werdem. Eine dieser Organisationen ist dieHill Area Development Foundation(HADF), bei der ich 31/2Monate zu Gast war. Sie genießt internationale Anerkennung für ihren bisherigen Beitrag zur Dorfentwicklung.

Aufgabe des Projektes ist es, Bergvölker in der Umgebung von Mae Salong bei der Umstellung von traditionellem Brandrodungsfeldbau auf eine ökologisch verträglichere, nachhaltige Landbewirtschaftung zu beraten und zu unterstützen. Meine Studie beschränkt sich weitgehend auf die Entwicklungsarbeit der HADF bei einem der Bergvölker - den Akha - in einem der Projektdörfer. Ziel meiner Untersuchung ist, die ökologischen und kulturellen Bedingungen des traditionellen

Landnutzungssystems denen des Projektansatzes gegenüberzustellen. Erfolge und Schwierigkeiten bei der Umstellung des Landnutzungssystems sollen erkennbar werden. Daraus können Schlüsse über Methoden und Inhalt der Beratungsarbeit der HADF gezogen werden. Schließlich sollte es möglich sein, allgemeingültige Aussagen darüber abzuleiten, unter welchen Bedingungen NRO's eine Alternative in der Entwicklungszusammenarbeit darstellen und was die Voraussetzungen für verbesserte

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Beratungsinhalte sind. Die in dieser Fallstudie erkennbaren sinnvollen Ansätze und auftretenden Probleme können für ähnliche Situationen in anderen Entwicklungsvorhaben sensibilisieren.

1.3 Aufbau der Arbeit

Im Untersuchungsprozeß kamen verschiedene Methoden der qualitativen Sozialforschung zur Anwendung. Sie werden zunächst erläutert, und die Auswahl wird begründet. Die theoretischen Ausführungen zur Entwicklungsarbeit beschreiben ein sozio-ökonomisches und methodisches Konzept als Grundlage für eine Bewertung der Leistung der HADF. Um die Situation der Bergvölker, die Anstrengungen und die Ziele der HADF einzuordnen, ist eine Darstellung der Landnutzungssysteme und der Situation in Nordthailand notwendig. Die Kultur der Akha und die aktuellen Probleme im Dorf vor dem Eintreffen der HADF liefern den Hintergrund zur Beurteilung der Umstellungsmaßnahmen und Arbeitsweise der HADF. Der Einblick in die Geschichte der HADF führt die Schwierigkeiten der Anwesenheit und die Entstehung der Ziele vor Augen. Die Gegenüberstellung von Projektabsichten und Projektwirklichkeit soll verdeutlichen, inwieweit die propagierten Maßnahmen zur Lösung der ökonomischen und ökologischen Probleme beitragen und in welchem Maße die Bevölkerung an den Entwicklungsvorhaben partizipiert. Zusammenfassend werden die realisierten Neuerungen unter Berücksichtigung aller genannten Aspekte zu beurteilen sein.

Unter Bezug auf die theoretischen Vorüberlegungen sollen methodische und technische Veränderungsvorschläge für die gastgebende HADF entwickelt werden. Der mögliche Entwicklungsgang und der zu erwartende Beratungsbedarf soll anschließend prognostiziert werden. Damit lege ich der Trägerorganisationterre des hommes2, die meinen Aufenthalt im Projekt vermittelt hat, meine Einschätzung des Entwicklungsbedarfs und der Bedeutung der Förderung des Projektes vor. Abschließend sollen aus den Ergebnisse dieser Fallstudie allgemeingültige Aussagen herausgearbeitet werden. Sie können für andere Projekte und Organisationen nützlich sein.

2undBrot für die Weltals einer weiteren, an den Untersuchungsergebnissen interessierten Trägerorganisation

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1.4 Charakterisierung der Untersuchungsregion

Thailand erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung zwischen Malaysia und Ostburma über

Abbildung 1.1: Thailand mit angrenzenden Staaten

Die HADF hat ihr Büro in der Provinzhauptstadt Chiang Rai im Norden Thailands. Das Projektgebiet liegt im Bezirk Mae Chan etwa 60 km (11/2h Fahrzeit) nordwestlich von Chiang Rai in der Umgebung von Mae Salong. Die Berge dieser Region erheben sich auf Höhen über 1000 m (vgl. Anhang A 1, Höhenlinienbild des Gebietes um Pakha Sukjai). Sie weisen extreme Hangneigungen auf. Entwaldung und Erosion durch Wanderfeldbau sind überall sichtbar.

3Nach dem Putsch 1988 benannten die Militärs Burma in Myanmar um. Die meisten relevanten Ereignisse fallen in die Zeit vor der Umbenennung. Um Verwirrungen zu vermeiden belasse ich es beim Namen »Burma«

4Es gibt mehr als sechs Bergvölker. Meist werden aber nur die zahlenmäßig Bedeutensten genannt. Im einzelnen handelt es sich um die Karen, Hmong (Meo) und Yao (sino-tibetische Familie), die Akha, Lahu und Lisu (tibeto-burmesischen Untergruppe) sowie um die Htin, Khamu und Lua (austro-asiatische Sprachfamilie). [DONNER, S.99]

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Abbildung 1.2: Bezirk Mae Chan, Kartenausschnitt von Abb. 1.1

Die Untersuchungen fanden in Pakha Sukjai in der Zeit vom 22. März bis zum 1. Juli 1992 statt. Pakha Sukjai ist eines von 7 Dörfern verschiedener Bergvölker (Akha, Lahu, Lisu). Die HADF versucht dort seit 7 Jahren nachhaltige Landnutzung, Erosionsschutz, Wiederaufforstung und Dorfentwicklung zu fördern. Meine Hauptansprechpartner waren die Projektkoordinatorin Tuenjai Deetes, die Mitarbeiterin Juthamas Rajchaprasit (Mitarbeitertraining) und Luk Naam (Information und Dokumentation).

Das Projektgebiet liegt auf Höhe des 20. Breitengrades. Das Klima ist durch die Passatwinde bestimmt. Die jährliche Niederschlagsmenge variiert zwischen 1300 und 2100 mm. Der südwestliche Monsun von Mai bis Oktober sorgt für eine Regenzeit mit einem Höhepunkt von 300-400 mm Niederschlag im August. Der nordöstliche Monsun bestimmt das Wetter vo n November bis April. In dieser Zeit fällt kaum Niederschlag. Die Nachttemperaturen können im Januar bis auf 0°C zurückgehen. Die Durchschnittstemperatur liegt im Januar bei 10-14°C. [HETZEL, S.22] Der heißeste Monat ist der April mit Temperaturen bis 38°C. Die natürliche Vegetation sind gemischte, laubabwerfende Dipterocarpaceen-Wälder mit Teak, Bambus, Eichen und anderen. [DONNER, S.88 f.]

In der Region sind gut drainierte, tiefgründige, lateritische und podsolige Böden verbreitet. Die Bodenreaktion liegt zwischen pH 4,5 und 6,5. Die podsoligen Böden mit lehmiger Struktur sind aufgrund ihres hohen Verwitterungsgrades wenig ertragreich. Das gleiche gilt für die hellgelben bis tiefroten lateritischen Böden aus basenarmem Material. Einzig die flachgründigen bräunlich-roten lateritischen Böden aus Schiefer und seinen metamorphischen Äquivalenten mit Bodenreaktionen von pH 5,5 bis 7 zeigen höhere Ertragspotentiale. Fruchtbarer Oberboden und Humusauflagen sind bei geringem Bodenbedeckungsgrad und starker Hangneigung durch die hohen Niederschlagsmengen gefährdet oder bereits erodiert. [FIA, S.14]

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2 Methodisches Vorgehen

Ich habe mir die Aufgabe gestellt, in einem konkreten Fall die Problematik der Umstellung eines traditionellen Landnutzungssystems zu erfassen. Die Fürsprache vonterre des hommesermöglichte diese Fallstudie. Gleichzeitig bedeutete diese Fürsprache, daß ich darauf vorbereitet sein s ollte, als Kontrolleur, Experte oder Fürsprecher empfangen zu werden. Als was ich empfangen, wurde hing davon ab, ob mein Gesprächspartner zur Entwicklungsorganisation oder zur Dorfbevölkerung gehörte. Die Wahrnehmung oder Erwartungshaltung beeinflußt den Zugang zu Informationen. Dementsprechend gehe ich zunächst auf Probleme der Wahrnehmung ein. Die Vielzahl der zusammentreffenden Kulturen machte es erforderlich, Aussagen, Beobachtungen und Interpretationen ständig neu zu prüfen und unter dem Eindruck neue r Ereignisse zu reflektieren. Die Technik zur Informationsgewinnung war jeweils situationsabhängig zu wählen. Die Techniken werden unterschieden und die wesentlichen Merkmale beschrieben. Am Ende gebe ich einen Überblick zum methodischen Vorgehen.

2.1 Wahrnehmung im kulturellen Kontext

Jede Kultur entwickelt eigene Weisen der Wahrnehmung und des Denkens. Die Vorstellungen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhä ngen und Regeln im Umgang mit Menschen, Lebewesen und Dingen unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Auf der Ebene des Betrachtens (Forscher), Helfens (Entwicklungsorganisation) oder Empfangens (Dorfbevölkerung) gelten jeweils andere Wertesysteme. Der außenstehende Betrachter aus der »entwickelten« Welt ist zunächst seinen Beurteilungskriterien verhaftet und an seine kulturell gewachsenen Interpretationen gebunden. Um dennoch zu einem Verständnis des Erlebens und Wahrnehmens in einer anderen Kultur zu gelangen, muß er ethnozentrische1und typisiernde Betrachtungsweisen reflektieren. Er muß sich bewußt bemühen, die Werte der anderen ernst zu nehmen und sie aus deren Situation heraus zu verstehen. Er muß die Dynamik von Kultur und Kulturwandel b ei der Begegnung von zwei oder mehr Kulturen einbeziehen können. [ALBRECHT, 1987, S.86 ff.]

Für den interkulturellen Kontakt von Helfer und Empfänger trifft meist ein Paradoxon zu. Diejenigen, die helfen wollen, sind aus sozialpsychologischer Sicht in einer Kultur aufgewachsen, die eher Dominanz, Unselbständigkeit und Hilfsbedürftigkeit fördert. Bei denjenigen, denen geholfen werden soll, gehören eher Hilfsbereitschaft und Verantwortungsgefühl zur Kultur. Gegenüber einem Fremden aber verhält sich der Empfänger weniger hilfsbereit und eher mißtrauisch. Er wird nicht in dem Maße wie der Helfer von Zweifeln des Kulturrelativismus befallen. [v.d. OHE, S.17] Mit erkennbarer Bereitschaft, selber vom anderen lernen zu wollen kann es dem Helfer gelingen, dieses Paradoxon teilweise aufzulösen. Werner v.d. OHE zitiert einen Afrikaner, der dies so ausgedrückt: