Ökonomie neu denken - Christoph Quarch - E-Book

Ökonomie neu denken E-Book

Quarch Christoph

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Beschreibung

Klimawandel, digitaler Wandel, demographischer Wandel, geopolitische Verwerfungen: Die Welt verändert sich mit rasender Geschwindigkeit – so schnell, dass unsere geistigen Instrumentarien kaum noch ausreichen, um den Herausforderungen der Zukunft Herr zu werden.

Nichts ist dringlicher als ein ökonomischer Mindset-Wandel. Die Autoren und Autorinnen dieses Buches unterbreiten Vorschläge, wie sich zukunftsfähige Unternehmen neu erfinden können: durch neue Leitmetaphern (Christoph Quarch), ein avanciertes Freiheitsverständnis (Krisha Kops), eine starke Wertorientierung (Nicolas Dierks), einen Rekurs auf den Zeitgeist (Kirstine Fratz) und ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit (Fritz Lietsch).

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Seitenzahl: 124

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OEKONOMIE NEU DENKEN

IMPULSE FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE WIRTSCHAFT

CHRISTOPH QUARCH

Herausgegeben vonSUSANNE HENSEL-BÖRNER IM AUFTRAG DER AKADEMIE 3

Impressum

Christoph Quarch, Krisha Kops, Nicolas Dierks, Kirstine Fratz, Fritz Lietsch

Oekonomie neu denken

Impulse für eine zukunftsfähige Wirtschaft

Herausgegeben von Susanne Hensel-Börner im Auftrag der Akademie 3

1. Auflage 2023

Copyright © 2023 legenda Q,

ein Imprint der Kraterleuchten GmbH, Gartenstraße 3, 54550 Daun

Verlagsleitung: Sven Nieder

Einbandgestaltung: Kerstin Fiebig

Innensatz: Kerstin Fiebig

Lektorat: Paul Kaltefleiter

Abbildung: Wikimedia [https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Krishna_playing_the_flute_to_a_dancing_Radha,_two_holy_cows_Wellcome_V0045087.jpg]

ISBN 978-3-948206-13-0

www.legenda-q.de

INHALT

Oekonomie neu denken

Zum Geleit

Susanne Hensel-Börner

Computer oder Garten?

Welche Leitmetapher braucht das Wirtschaften der Zukunft?

Christoph Quarch

Qualitative Freiheitskonzepte für eine Wirtschaft von morgen

Weniger »Mehr«

Krisha Kops

Markt & Moral

Digitale Ethik im Geist der Verbundenheit

Nicolas Dierks

Beyond Business

Zeitgeist als Treiber von Transformation

Kirstine Fratz

Wirtschaft nachhaltig denken

Plädoyer für einen ökonomischen Paradigmenwechsel

Fritz Lietsch

Die Autorinnen und Autoren

Anmerkungen

OEKONOMIE NEU DENKEN

ZUM GELEIT

SUSANNE HENSEL-BÖRNER

Welt und Wirtschaft sind im Wandel. Sowohl der Ukrainekrieg als auch die Covidkrise haben zu einer Neujustierung des Verhältnisses von Politik und Markt geführt. Aber vielleicht ist Wandel gar nicht mehr der passende Begriff. Macht man sich noch den Klimawandel und das globale Artensterben bewusst, müsste es eher lauten: Welt und Wirtschaft sind aus den Fugen geraten. Könnte es daher sein, dass wir mit unserem ökonomischen Mindset den Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gewachsen sind? So oder so: Es lohnt sich, die Wirtschaft neu oder zumindest einmal anders zu denken.

Hier kommen meiner Ansicht nach Hochschulen ins Spiel und tragen eine besondere Verantwortung. Mit unserer Lehre und Forschung prägen wir unsere Studierenden und bilden die nächsten Generationen und damit die künftigen Entscheidungsträgerinnen und -träger in Unternehmen und Organisationen aus. Aus dieser Verantwortung heraus dürfen und sollen Hochschulen nicht der berühmte Elfenbeinturm sein, in dem Lehrende und Lernende in ihrer eigenen Welt leben und sich nicht um die Gesellschaft oder das Tagesgeschäft kümmern.

Die HSBA Hamburg School of Business Administration ist eine duale Hochschule. Über 300 Kooperationsunternehmen sind der zweite Lernort unserer Studierenden. Es gehört daher zu unserem Selbstverständnis – insbesondere als Business School –, stets an den Belangen der Wirtschaft und am Puls der Zeit zu sein. Es ist also unsere Aufgabe, auch einmal gewohntes Terrain zu verlassen, die Türen zu öffnen und für Denkanstöße und Impulse in beide Richtungen zu sorgen.

Ein sehr altes und traditionelles Format für solche Denkanstöße und Perspektivwechsel an Hochschulen sind Ringvorlesungen, bei denen mehrere Referierende oder Dozierende ein Thema aus unterschiedlichen Fachrichtungen beleuchten. Die hier vorliegende Veröffentlichung bündelt die Vorträge der Ringvorlesung »Wirtschaft neu denken«, die im Sommersemester 2022 zur Begegnung von Wirtschaft und Philosophie in Kooperation mit der Akademie 3 Stiftung Neue Platonische Akademie stattgefunden hat. Alle Beiträge der Vorlesungsreihe haben bei aller philosophischen Theorie und Abstraktion immer wieder die Unternehmensperspektive und das konkrete Handeln von Akteurinnen und Akteuren sowie Entscheiderinnen und Entscheidern im Blick. Im Fokus stehen dabei neben Leitmetaphern und Schlüsselkonzepten der Ökonomie auch ihre ethischen und kulturellen Implikationen.

Eine besondere Erfahrung für mich war, dass durch diesen – zugegebenermaßen auch ungewohnten – Blickwinkel weder der moralische Zeigefinger erhoben wird noch alle Prinzipien grundsätzlich infrage gestellt oder gar abgelehnt werden müssen. Ganz im Gegenteil. Andere oder neue Leitmetaphern für unser Handeln liefern die Chance, festgefahrene oder vielleicht mittlerweile negative Prinzipien wieder neu zu justieren. So rückt das Wachstumsprinzip wieder in ein anderes Licht, wenn man einen blühenden und kultivierten Garten als Leitmetapher annimmt. Oder wer sagt denn, dass Zeitgeist nur das unreflektierte Anpassen von Trends ist. Man kann im Zeitgeist auch eine mächtige und kreative Kraft für Veränderung sehen.

Mit der Digitalisierung hat unsere Wirtschaft noch einen ganz anderen Spin bekommen. Die uneingeschränkte Begeisterung, dadurch würde alles einfacher, schneller, sogar just in time funktionieren, ist längst verflogen. Damit sollen keinesfalls die Chancen der Digitalisierung – insbesondere für eine nachhaltige Entwicklung – geschmälert werden. Dennoch gilt es im digitalen Zeitalter, sich der Diskussion über eine digitale Ethik zu stellen. Vielleicht denken Sie jetzt erst einmal an das Thema »Datenschutz«. Ein philosophischer Blick darauf schaut aber noch viel tiefer in die menschliche Natur und setzt den Gedanken unserer Verbundenheit ganz neu an – als einen Geist der Verbundenheit, in dem Markt und Moralität nicht länger Gegensätze sind.

Dies setzt allerdings voraus, auch über unsere Freiheitsprinzipien nachzudenken. Gerade in den Pandemiejahren 2020 und 2021 waren politische und öffentliche Diskussionen häufig von Einschränkungen der Freiheit geprägt. Maßgebend war immer das Wieviel an Freiheit. Viel zu selten stellen wir die Frage, welche Freiheit wir für das Wirtschaften – oder ganz generell in diesem Jahrhundert für unser Miteinander – benötigen. Und da Freiheit zu den zentralen Themen der Philosophie zählt, bietet es sich an, einmal zu fragen, welche Freiheitskonzepte die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts braucht.

Diese Begegnungen von Philosophie und Wirtschaft haben spannende Gesprächsrunden ausgelöst, teilweise bis spät in die Abende hinein. Interessanterweise haben mich auch viele Menschen kontaktiert, die gar nicht dabei waren. Allein der Veranstaltungshinweis mit den kurzen Einladungstexten hat nicht nur Aufmerksamkeit erregt, sondern das Interesse an den Vorträgen und Inhalten geweckt. Daher freue ich mich sehr, dass wir mit dieser Publikation allen Beiträgen und Denkanstößen eine noch weitere Verbreitung ermöglichen und den Diskurs weiterführen können.

Vielleicht müssen wir nicht gleich damit beginnen, alles ganz neu zu denken. Ein erster Schritt ist meines Erachtens, Bekanntes und Gewohntes einfach einmal aus einem neuen Blickwinkel oder mit einer anderen Metapher zu beleuchten. Ich bin davon überzeugt, dass daraus allein schon ein Mindset entsteht, mit dem wir vom Krisenmodus in ein mutiges und zuversichtliches Gestalten kommen können. Wenn nicht jetzt, wann dann?

COMPUTER ODER GARTEN?

WELCHE LEITMETAPHER BRAUCHT DAS WIRTSCHAFTEN DER ZUKUNFT?

CHRISTOPH QUARCH

Ermunterung

Echo des Himmels! heiliges Herz! warum,

Warum verstummst du unter den Lebenden,

Schläfst, freies! von den Götterlosen

Ewig hinab in die Nacht verwiesen?

Wacht denn, wie vormals, nimmer des Aethers Licht?

Und blüht die alte Mutter, die Erde nicht?

Und übt der Geist nicht da und dort, nicht

Lächelnd die Liebe das Recht noch immer?

Nur du nicht mehr! doch mahnen die Himmlischen,

Und stillebildend weht, wie ein kahl Gefild,

Der Othem der Natur dich an, der

Alleserheiternde, seelenvolle.

O Hoffnung! bald, bald singen die Haine nicht

Des Lebens Lob allein, denn es ist die Zeit,

Daß aus der Menschen Munde sie, die

Schönere Seele, sich neuverkündet,

Dann liebender im Bunde mit Sterblichen

Das Element sich bildet, und dann erst reich,

Bei frommer Kinder Dank, der Erde

Brust, die unendliche, sich entfaltet

Und unsre Tage wieder, wie Blumen, sind,

Wo sie, des Himmels Sonne, sich ausgeteilt

Im stillen Wechsel sieht und wieder

Froh in den Frohen das Licht sich findet,

Und er, der sprachlos waltet und unbekannt

Zukünftiges bereitet, der Gott, der Geist

Im Menschenwort, am schönen Tage

Kommenden Jahren, wie einst, sich ausspricht.

Friedrich Hölderlin1

Einleitung

Im Jahre 1962 veröffentlichte der US-amerikanische Physiker und Wissenschaftsphilosoph Thomas Kuhn (1922–1996) ein Buch, das ihn zu einem der führenden Wissenschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts machte: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen.Kuhn beschrieb darin die Wissenschaftsgeschichte als eine Folge unterschiedlicher Paradigmen, die jeweils für eine gewisse Zeitspanne in Geltung stehen, bevor sie durch andere Paradigmen ersetzt werden. Unter Paradigma wollte Kuhn Folgendes verstanden wissen:

»Die ganze Konstellation von Meinungen, Werten, Methoden usw., die von den Mitgliedern einer gegebenen Gemeinschaft geteilt werden.«2

»Mit einem Paradigma«, so Kuhn weiter, »erwirbt die Scientific Community ein Kriterium für die Wahl von Problemen, von welchen – solange das Paradigma nicht in Frage gestellt wird – vermutet werden kann, dass sie eine Lösung haben. In weitem Maße sind dies die einzigen Probleme, welche die Gemeinschaft als wissenschaftlich anerkennt oder welche in Angriff zu nehmen sie ihre Mitglieder ermutigt.«3

Wissenschaftliche Paradigmen sind demnach so etwas wie geistige Koordinatensysteme, die es einerseits erlauben, bestimmte Phänomene zu verorten und zu bestimmen, und andererseits definieren, welche Phänomene überhaupt von der Wissenschaft in Betracht gezogen werden. Ein nachgerade klassisches Beispiel für ein wissenschaftliches Paradigma ist das geozentrische Weltbild, das über Jahrhunderte hinweg die kosmologische Forschung präfigurierte und definierte, bis es unter Einfluss der bahnbrechenden Entdeckungen von Galileo Galilei und Nikolaus Kopernikus durch das heliozentrische Weltbild ersetzt wurde.

Diesen Vorgang einer revolutionären Neuerung bezeichnete Kuhn als einen Paradigmenwechsel. Und es gelang ihm zu zeigen, dass Paradigmenwechsel immer dann auftreten, wenn eine bewährte Problemlösungsstrategie nicht mehr funktioniert, weil sich neue Beobachtungen nicht mehr in das bestehende Paradigma integrieren lassen und sich zugleich abzeichnet, dass ein anderes »Koordinatensystem« die neuen Beobachtungen besser erklärt und überzeugendere Problemlösungen anbietet. Wo dies geschieht, so Kuhn, komme es zunächst innerhalb der Scientific Community zu Verwerfungen. Die Wissenschaftsgeschichte ist voller Beispiele dafür, dass den Befürwortern einer neuen Denkweise fast immer ein massiver Widerstand seitens der Sachwalter des alten Paradigmas begegnet, »deren produktive Laufbahn sie einer älteren Tradition normaler Wissenschaft verpflichtet hat«4. In einem späteren, verschärften Stadium komme es gar zu Glaubenskämpfen, in denen Abweichler des in Geltung stehenden Paradigmas als unwissenschaftliche Häretiker an den Pranger gestellt und durch Exkommunizierungsversuche mundtot gemacht werden sollen. All das ist gut bezeugt und von Thomas Kuhn überzeugend dargestellt worden.

Hier geht es nun aber nicht darum, tiefer in die Geschichte und Struktur wissenschaftlicher Revolutionen einzusteigen, sondern Kuhns Theorie der wissenschaftlichen Revolutionen bzw. Paradigmenwechsel auf die Welt der Wirtschaft anzuwenden. Dabei gilt es, eine dreifache These zu bedenken:

Es gibt auch ökonomische Paradigmen: Koordinatensysteme, die unser Wirtschaften präfigurieren und definieren, was wirtschaftlich ist.Es gibt auch eine Geschichte wirtschaftlicher Paradigmenwechsel.Wir stehen unmittelbar vor einem ökonomischen Paradigmenwechsel.

Bevor wir uns den ökonomischen Paradigmen zuwenden, möchte ich erläutern, warum ich denke, dass wir vor einem ökonomischen Paradigmenwechsel stehen.

Das dominante ökonomische Paradigma der Gegenwart ist der Neoliberalismus. Die vom Neoliberalismus vorgeschlagene Problemlösungsstrategie für Wohlstandsgewinn, Freiheit und gerechte Güterverteilung der Weltgemeinschaft lässt sich auf vier Hauptdoktrinen zusammendampfen: Globale Wohlstandsvermehrung durch grenzenloses Wachstum, Gerechte Güterverteilung durch Expansion zu einem globalen Markt, Freiheit der Einzelnen durch uneingeschränkten Konsum, Freiheit der Wirtschaft durch Deregulierung der Märkte. Im Jahre 2022 erleben wir das Scheitern aller vier neoliberalen Versprechungen: Die Klimakrise führt uns die schon seit dem Bericht des Club of Rome aus dem Jahre 1972 bekannten Grenzen des Wachstums vor Augen. Die Covidkrise hat die Fragilität globaler Lieferketten offengelegt und die infolge des Ukrainekrieges gestiegenen Transportkosten machen Importe aus Übersee zunehmend unattraktiv. Ferner führt der Ukrainekrieg vor Augen, dass politische Freiheit weit mehr ist als die Freiheit von Konsum und Handel. Kurz: Sowohl die Covidkrise als auch der Ukrainekrieg haben die Illusion zertrümmert, ein freier globaler Markt könne Politik und Diplomatie ersetzen. Stattdessen werden wir Zeugen dessen, dass der traditionelle Primat des Politischen über die Wirtschaft unversehens zurückkehrt. So wird zur Option, was neoliberale Ökonomen oder Politiker für undenkbar hielten: Wohlstandsverzicht aus politischen oder moralischen Gründen. Und an die Stelle der Forderung globaler Expansion der Märkte tritt der Ruf nach einem autarken europäischen Wirtschaftsraum.

So gesehen erwacht die Welt im Jahr 2022 aus ihrer neoliberalen Trance und erlebt ein historisches Momentum: Sicherheitspolitische Erwägungen legen nahe, sich aus Abhängigkeiten von dem Westen feindlich gesonnenen Staaten wie Russland und vor allem der VR China zu lösen. Ökonomische Erwägungen lassen es geraten erscheinen, Schlüsselindustrien und Produktionsstätten zurück in den europäischen Wirtschaftsraum zu legen, um Lieferketten zu verkürzen. Ökologische Erwägungen nötigen dazu, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen, um durch regenerierbare Energie zunehmend autark zu werden. Alles deutet darauf hin, dass die Zeit des neoliberalen Paradigmas einschließlich seiner Verheißungen von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit abgelaufen ist. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht ganz abwegig, darüber nachzusinnen, ob sich derzeit ein ökonomischer Paradigmenwechsel zuträgt.

Eine der wichtigen Erkenntnisse von Thomas Kuhn bestand darin, dass es allerdings nur zu einem Paradigmenwechsel kommt, wenn sich während des Niedergangs eines bestehenden Paradigmas bereits ein neues Denken abzeichnet, dem das Potenzial eignet, akute Probleme besser zu lösen als das alte. Wenn wir über einen möglichen Paradigmenwechsel räsonieren, müssen wir also die Frage aufwerfen, ob ein solches neues Paradigma bereits erkennbar ist – und wenn ja: Wie sieht es aus und was ist an ihm charakteristisch?

Im Folgenden möchte ich auf diese Fragen einen Antwortvorschlag wagen. Dafür wähle ich eine geschichtsphilosophische Strategie, die auf den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) zurückgeht. Rein formal besteht demnach Grund zu der Annahme, ein neues ökonomisches Paradigma könnte beschrieben werden als die Synthese zweier vorangegangener ökonomischer Paradigmen, die sich über einen langen Zeitraum antithetisch gegenüberstehen.

Tatsächlich lassen sich in der europäischen Kulturgeschichte zwei solche, einander opponierende ökonomische Paradigmen identifizieren. Ihr Unterschied wird erkennbar, wenn man ihre Denkweise zu von ihnen selbst verwendeten ökonomischen Leitmetaphern verdichtet: Auf der einen Seite haben wir in Antike und Mittelalter für das ältere bzw. älteste ökonomische Paradigma die Leitmetapher des Hauses, auf der anderen Seite die in der frühen Neuzeit entwickelte und bis heute mit leichten Modifikationen weiterhin gültige Leitmetapher der Maschine bzw. des Apparates. Dabei lassen sich beim neuzeitlichen Paradigma des Apparates drei geschichtlich aufeinanderfolgende Spielarten unterscheiden: das Schiff, die mechanische Maschine, der Computer. Die These, für die ich nun argumentieren möchte, lautet: Wir haben jetzt und hier die Chance, ein neues ökonomisches Paradigma mit einer neuen Leitmetapher zu entwickeln, das die vorhergehenden Paradigmen auf eine zukunftsfähige Weise synthetisiert. Die Leitmetapher dieser neuen, aus der Synthese der früheren Paradigmen hervorgehenden Ökonomie wird der Garten sein.

Zunächst ist es nun angezeigt, die früheren Paradigmen und ihre Leitmetaphern anschauen, bevor wir uns der Vision einer künftigen Horticultural Economy zuwenden.

Teil 1: Haus

Die älteste Leitmetapher des Wirtschaftens hat der Ökonomie ihren Namen verliehen: das Haus, griechisch: οἶκος (oíkos). Ein Unternehmen im antiken Griechenland war nichts anderes als ein oíkos. Was genau ist aber ein oíkos? Ursprünglich bedeutet oíkos dasjenige, was wir heute Hausstand nennen würden, also nicht nur ein Gebäude, sondern auch dessen Bewohner, deren Anwesen und die gesamte Organisation, die sie sich geben. Man darf dabei an die auch im Deutschen geläufige, jedoch zunehmend vergessene Verwendungsweise von Haus denken, die in Formulierungen wie »das Haus Habsburg« durchklingt. Passend dazu können wir beim antiken griechischen oíkos an ein familiengeführtes mittelständisches Unternehmen denken – meistens eine Landwirtschaft oder ein Handwerksbetrieb. In dieser Funktion erschien den griechischen Denkern wie Platon (428–348 v. Chr.) oder Aristoteles (384–322 v. Chr.) der oíkos als die eigentliche Keimzelle einer Polis: des Gemeinwesens.

Die Zuständigkeit für den oíkos oblag im Gemeinwesen der Athener der Hausfrau, die sich üblicherweise um die oikonomía kümmerte, während der Hausherr seinen politischen Pflichten in der Polis nachging. Dabei wurde sie zumeist von einem angestellten Wirtschaftsleiter unterstützt. Gewiss war die antike oikonomía etwas anderes als dasjenige, was wir heute unter diesem Begriff verstehen. Was wir uns darunter vorstellen dürfen, verrät das Wort selbst. Es setzt sich zusammen aus den Wortteilen oíkos (Haus) und nómos (Ordnung). Die oikonomía – griechisch gedacht – ist mithin ursprünglich nichts anderes als die Fertigkeit, ein Haus zu ordnen, zu organisieren und zu führen. Diese Fertigkeit umfasste, wenn wir den Ausführungen des Aristoteles Glauben schenken, im Wesentlichen drei Bereiche: die Personalführung, die Organisation der Produktion, die Organisation von Einkäufen und Verkäufen.

Bemerkenswert daran ist, was es Aristoteles zufolge bei der antiken oikonomía