Olivias rätselhafte Fälle  - Die Sache mit dem Wetter - Lucy Hawking - E-Book

Olivias rätselhafte Fälle - Die Sache mit dem Wetter E-Book

Lucy Hawking

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Beschreibung

Olivia, eine Wissenschaftsdetektivin á la Greta Thunberg

Bisher hat Olivia mit ihren königlichen Eltern im Palast in den Bergen gelebt. Nach deren Absetzung kann sie endlich dem langweiligen Prinzessinnen-Leben entkommen und interessante Dinge – wie Vulkane – erforschen. Auch Olivias Wunsch, mit anderen Kindern zur Schule zu gehen, erfüllt sich. Doch vieles ist nicht so idyllisch, wie es vom Schlossberg aus aussah: Der Himmel ist nicht blau, denn dunkle Wolken hängen über der Stadt. Und der Fluss, der aus der Ferne wie ein blaues Band aussah, ertrinkt im Müll. Auch mit dem Wetter stimmt was nicht: An einem Tag brennt die Sonne erbarmungslos und am nächsten überschwemmen Regenfälle das Land. Olivia beschließt, als Klima-Detektivin den Wetterphänomenen auf den Grund zu gehen. Mit ihren neuen Schulfreunden will sie Zusammenhänge erforschen. Ob es ihr gelingen wird, die Klimakatastrophe verhindern?

Die neue spannende Kinderbuch-Reihe von Lucy Hawking, Co-Autorin von »Das Universum - Was unsere Welt zusammenhält« und »Der geheime Schlüssel zum Universum«, für neugierige Wissenschaftdetektive ab 8 Jahren.

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Seitenzahl: 134

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Lucy Hawking

Oliviasrätselhafte Fälle

Die Sache mit dem Wetter

Aus dem Englischen von Anne Brauner

Mit Illustrationen von Dorothea Blankenhagen

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da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf

deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Text © Lucy Hawking

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Princess Olivia Investigates: The Wrong Weather«

bei Puffin Books, in der Verlagsgruppe Penguin Random House U.K.

© 2022 für die deutschsprachige Ausgabe

cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Anne Brauner, Köln

Lektorat: Carola Henke

Umschlag und Innenillustrationen: Dorothea Blankenhagen

Umschlaggestaltung: Geviert GbR Grafik & Typografie

hf · Herstellung: AW

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Reproduktion: Lorenz & Zeller, Inning a. A.

ISBN 9783641296124

www.cbj-verlag.de

Für alle wissbegierigen Prinzessinnen auf der ganzen Welt

PROLOG

Vom Aussichtsturm konnte Prinzessin Olivia meilenweit über die Gebirgslandschaft des Königreichs blicken, über das sie eines Tages herrschen würde. Ihr dritter Geburtstag stand kurz bevor, und sie war so klein, dass ihr Vater, König Tolemy XXXII., sie hochheben musste, damit sie über die alte Steinmauer des Schutzwalls schauen konnte. In der sicheren Umarmung ihres Vaters blickte sie auf die baumbestandene Finsternis der stillen Berge. Hin und wieder leuchteten gelbgrüne Frühlingsblätter und rauschende Sturzbäche mit hellblauem Wasser auf, die sich von dem fernen Gletscher ergossen. Tief waberte der Nebel über der friedlichen Landschaft.

»Sieh mal«, sagte ihr Vater, der König, und zeigte von dem uralten Aussichtsturm auf einen großen Baum mit ausladenden Ästen. Die Blätter der zarten rosafarbenen Blüten wandten sich dem morgendlichen Sonnenlicht zu. »Kannst du dich an die Geschichte dieses Baumes erinnern?«

Prinzessin Olivia schüttelte lächelnd den Kopf, obwohl sie genau Bescheid wusste. Ihr Vater sollte ihr noch einmal alles über diesen besonderen Baum, das Wahrzeichen des Königreichs von Alez, erzählen. Sie seufzte vor Freude, als er mit der Legende begann.

»Vor tausend Jahren«, sagte er und sein Atem kitzelte sie am Ohr, »sind unsere Vorfahren von der anderen Seite über den Gletscher gewandert. Damals wusste niemand, was hinter den Bergen liegt.« In der Ferne erkannte Olivia die zerklüfteten Felsumrisse der grauen Gipfel, die das Königreich in einem Halbkreis umgaben.

»Es war ein gewaltiges Abenteuer«, sagte ihr Vater. »Die Menschen sind hierher geflüchtet. Eine Horde furchterregender Krieger war auf der anderen Seite des Gebirges zu Pferde über den Kontinent hinweggefegt und hatte auf dem Weg allen Orten ihre Herrschaft aufgezwungen. Unsere Vorfahren konnten den Angreifern nur entrinnen, indem sie über das Gebirge kletterten, wohin ihnen die Eindringlinge nicht folgen würden. Sie ließen sich vom Honigduft dieses Landes über das Eis bis ins Tal leiten. Weißt du, wer ihr Anführer war?«

Er lächelte auf seine kluge Tochter mit den strahlenden Augen herab, die ihm schon im jungen Alter von knapp drei Jahren manchmal das Gefühl gab, sie hätte ihre Welt besser im Griff als er, der Erwachsene.

»Ja!«, rief Olivia. »Aber erzähle es mir noch einmal, Papa!«

»König Tolemy I.!«, sagte ihr Vater.

»Er hieß genau wie du!«

»Richtig. Ich bin nach diesem großen König benannt! Er hat Alez begründet. Als er den Baum sah« – er zeigte nach unten –, »den Baum mit dem Namen …«

Als er seiner Tochter einen fragenden Blick zuwarf, kicherte sie, und es gab nichts auf der Welt, was er lieber hörte.

»Engelbaum!«, sprudelte Olivia hervor. »Der Engelbaum haucht seinen Atem über das Königreich und beschützt es.«

»Kluges Mädchen! Als Tolemy I. den Engelbaum erblickte, rammte er sein Schwert in die darunterliegende Erde und verkündete, von nun an sei Alez ein Königreich, in dem Frieden und Schönheit herrschen würden. Jeder durfte hier in Sicherheit und glücklich sein.«

»Alle durften glücklich sein«, wiederholte Olivia und drehte sich in den Armen ihres Vaters herum, um ihn anzustrahlen. »Dank unseres Engelbaums.«

»Solange der Engelbaum Blüten trägt, kann Alez und seinen Einwohnern nichts geschehen«, sagte ihr Vater. »Und es ist unsere Aufgabe als Königsfamilie dafür zu sorgen, dass es so bleibt.«

Sechs Jahre später …

Sie hatte bereits alles ausprobiert. Einmal war sie beinahe durch ein Törchen in den hohen Mauern entkommen, die das Palastgelände einrahmten. Da das Tor unter dichten Efeuranken verborgen gewesen war, hatte es außer ihr niemand bemerkt. Olivias Kindermädchen Nina hatte sie jedoch auf frischer Tat ertappt und zurückgebracht, bevor sie auch nur einen Blick auf die Welt da draußen werfen konnte. Am nächsten Tag hatten die Wachposten den Zugang zum Tor versperrt.

Nach diesem Fluchtversuch hatte Nina Mitleid mit der einsamen Olivia gehabt und ihr einige Taschenbücher mit leuchtend bunten Umschlägen gekauft, die Olivia in ihrer Daunenbettdecke versteckt hielt. Nachts las sie stundenlang im trüben Licht einer Taschenlampe über die Abenteuer, die zwei Mädchen im fernen England erlebten. Sie gingen in ein Internat und wurden Detektivinnen. Olivia wünschte sich von Herzen, sie dürfte in die Schule gehen und Detektivin werden. Wenn sie nachts in ihrem Himmelbett mit den bestickten Vorhängen und ihrem Lieblingsteddy Prinz George wach lag, stellte sie sich vor, wie es in der Schule so wäre, wie viele Freundinnen sie hätte und welche Fälle und Rätsel sie lösen würde.

Doch das fand alles nur in Olivias Traumwelt statt. Sie empfand den Palast, in dem sie lebte, als Gefängnis. Angeblich war der Palast wunderschön, das behaupteten jedenfalls alle. Sie dagegen fand, es hallte in den kalten Räumen und es roch nach gekochtem Kohl. Für Olivia war der Palast der einsamste Ort auf der ganzen Welt, auch wenn es in den Gängen und den über hundert Zimmern geschäftig zuging. Es gab keine anderen Kinder, und die Erwachsenen beachteten sie nicht, obwohl sie sicherlich angerannt kämen, wenn sie noch einen Fluchtversuch unternähme.

Außerdem konnte sie sich kaum beschäftigen, wenn sie nicht gerade Unterricht bei den Lehrern hatte, die ihr nutzlose Dinge wie das Lautenspiel und Tischmanieren beibringen wollten – Dinge, die ihre Eltern als sehr wichtig für eine junge Prinzessin ansahen, die Olivia aber todlangweilig fand. Sie spazierte stundenlang durch die Gärten, während sie sich danach sehnte, das Palastgelände zu verlassen und herauszufinden, wie das echte Leben in der Welt hinter den hohen Mauern und Toren aussah.

Seit Jahren war sie nicht mehr außerhalb der Palastanlage gewesen. Vorbei war es mit den Ausflügen auf den Aussichtsturm, einem Picknick in den Bergen oder Kanufahren auf den Flüssen, die das Tal durchzogen. Wenn sie ihre Mutter fragte, warum sie niemals irgendwohin gingen, tat die Mutter so, als hätte sie sie nicht gehört, und ihr Vater zog ein trauriges Gesicht und schwieg.

An diesem sonnigen Morgen, an dem die Schmetterlinge tanzten und die Hummeln Nektar aus den zahlreichen blühenden Bäumen vor dem Bibliotheksfenster saugten, gab Olivia es auf, die Karten vom Palast genauer zu studieren, und beschäftigte sich lieber mit ihrer selbst erdachten Lernmethode. Ihre Eltern gaben nie eine Antwort auf ihre drängenden Fragen, sondern spulten stets die gleiche Leier von der Geschichte der Königsfamilie und den großen märchenhaften Legenden der Vergangenheit ab. Olivia war der Meinung, für Märchen sei sie zu alt, außerdem kannte sie sämtliche Geschichten aus der Vergangenheit von Alez auswendig. Sie wollte etwas über das Alez der Gegenwart erfahren, doch zu diesem Thema konnten ihre Eltern nichts beitragen. Olivia staunte über ihre Auffassung, das Schicksal der Königsfamilie bestünde darin, über Alez zu herrschen, obwohl sie ihr nicht einmal die einfachsten Fakten über das Land nennen konnten. Und dennoch erwarteten sie, dass sie eines fernen Tages dieses Land regierte!

Zum Ausgleich hatte sie den Plan geschmiedet, sämtliche Bücher in der Bibliothek zu lesen – ein Regal nach dem anderen. Doch die Bücher waren nicht immer hilfreich. Da ihre königlichen Vorfahren die Bibliothek eingerichtet hatten, ging es hauptsächlich darum, wie man lernte, in einem Turnier zu siegen oder komplizierte königliche Beziehungen zu anderen Ländern zu unterhalten.

Andererseits gab es Bücher, die wirklich interessant waren. Olivias Lieblingsbuch, das kleine Kartenbuch, enthielt detailreiche Zeichnungen und Fotos von Alez. Jede Obstplantage, jedes Dorf und jeder Bach waren in leuchtenden Farben dargestellt. Olivia konnte stundenlang über den Illustrationen von strahlend blauen Seen, klaren Flüssen, grünen Weiden und weiten Wäldern brüten. Unterhalb des Palasts führte eine Straße zur Hafenbucht am weiten, wogenden Meer. Dahinter lagen die zerklüftete felsige Grenze und das unmittelbare Nachbarland, das durch den massiven eisigen Gletscher von Alez getrennt war, den ihre Vorfahren einst überquert hatten. In den letzten tausend Jahren hatte Olivias Familie dieses Land regiert.

Über dem Sessel, in dem Olivia saß, hing ein Porträt ihrer brummigen Urgroßmutter, der furchterregenden Grande Marquessa. Aufgrund ihres einschüchternden Wesens hatte es der Maler nicht einmal gewagt, sie mit einem Lächeln abzubilden. Auf dem Kunstwerk entdeckte Olivia ihre eigene Stupsnase und dachte wieder einmal, dass ihre Urgroßmutter Glück gehabt hatte, weil sie im Gegensatz zu ihr keine Brille trug – denn die Marquessa hatte nicht die richtige Nase dafür, sie an Ort und Stelle zu halten. Olivia hatte zudem die gleichen weit auseinanderstehenden glänzenden Augen und auch ihr fielen die Haare in das herzförmige Gesicht mit dem entschlossenen Kinn. Ihre Urgroßmutter reckte es auf dem Gemälde genauso wie Olivia, wenn sie eine Frage stellen wollte.

Olivia konnte sogar erkennen, dass auch die Grande Marquessa nicht sonderlich groß gewesen war. Der größte Unterschied lag in dem Lächeln, das bei Olivia jeden Moment aufbrechen konnte, während ihre Urgroßmutter mürrisch die Mundwinkel herunterzog.

Die legendäre Stimme der Grande Marquessa hatte der Maler natürlich nicht zum Ausdruck bringen können. Sie hatte angeblich so gebieterisch geklungen, dass sogar die Vögel aufhörten zu singen. Olivia probierte in dem Versuch, sich mit ihrer Urgroßmutter zu messen, gerne böse Stimmen aus. Doch als Olivia sich gerade mit einer dieser schaurigen Stimmen durch einen langen verwirrenden Abschnitt in ihrem Buch quälte, in dem es darum ging, wie man einem ungezogenen Nachbarland höflich den Krieg erklärte, passierte etwas.

Auf einmal hörte sie Tumult aus dem angrenzenden Großen Thronsaal! Olivia sprang aus dem Sessel, lief zu der Verbindungstür und wagte einen Blick.

Sie sah ihre Eltern von der Seite, die wie üblich mit der Krone auf dem Kopf auf ihren Thronen saßen. Doch statt der Bediensteten, die sich normalerweise zu schaffen machten und flüsternd und schubsend versuchten, näher an das Königspaar heranzukommen, waren ganz andere Leute – die Olivia noch nie gesehen hatte – lärmend hereingestürmt.

Das war überaus seltsam. Normale Menschen durften eigentlich nicht ohne Aufforderung das Wort ergreifen und schon gar nicht in die königlichen Gemächer eindringen, unbezahlbare Kostbarkeiten anfassen, riesige Blumenarrangements umstoßen und sich an den belegten Brötchen bedienen.

Die Menschenmenge war auch ungewöhnlich gekleidet. In Alez war die Nationalkleidung gesetzlich vorgeschrieben und bestand für nicht königliche Einwohner aus einem knielangen bestickten Wickeltuch, zu dem man Socken und Sandalen trug. Doch die Eindringlinge waren in sonderbare zweiteilige Kostüme aus schwarzem Stoff gekleidet, dazu Beinkleider, die bis auf die Schuhe reichten, sowie eine schlichte, vorn zugeknöpfte Jacke. Männer und Frauen waren gleich angezogen, mit weißen Hemden unter den schwarzen Jacken und einem merkwürdigen schmalen roten Stoffstreifen um den Hals, der in einer geraden Linie über ihre Oberkörper fiel.

Als Olivia merkte, dass ihre Eltern der neuen Lage ohne sie nicht wirklich gewachsen waren, drängte sie sich durch die schwarz gekleidete Menge, ohne auch nur »Bitte« oder »Entschuldigung« zu sagen. Eine Sekunde lang glaubte sie, es ohne Prinz George, ihren treuen und hilfreichen Teddy, nicht zu schaffen, doch sie hatte keine Zeit, ihn zu holen. Deshalb schlängelte sie sich zu den beiden Thronen durch und wollte ihrem Vater gerade um den Hals fallen, als ein Mann und eine Frau vortraten. Es wurde still im Thronsaal.

»Paragona und Tolemy«, sagte der große, stämmige Mann, der sich nicht einmal verbeugte. So hießen Olivias Eltern, doch niemand nannte sie jemals so, weil nur die Anrede »Eure königlichen Hoheiten« erlaubt war.

Olivias Vater, König Tolemy XXXII., suchte mit hektischen Blicken nach seinen Höflingen, die ihm die außerordentlichen Vorkommnisse erklären sollten. Doch sie waren verschwunden.

»Minister Jeremy Pont!«, erwiderte Tolemy verwirrt. »Im Namen des Engelbaums von Alez, was hat das zu bedeuten? Und Vize-Ministerpräsidentin Gretchen Sparks! Sie sind auch dabei? Ich dachte, wir arbeiten vertrauensvoll zusammen!«

Jeremy lächelte. »Wir sind hier, um zu helfen«, sagte er und neigte den Kopf zu einer nur vage angedeuteten Verbeugung. Die übrigen Eindringlinge hatten sich still in einer langen Reihe aufgestellt und nickten feierlich.

»Helfen?«, fragte Tolemy noch verdutzter. Paragona hatte entsetzt den Mund aufgerissen. Olivia begriff, dass es wirklich schlimm stehen musste, da ihre Mutter derartig verzerrte Mienenspiele als »gewöhnlich« oder »alt machend« verurteilte.

»Ja«, sagte Gretchen, die Vize-Ministerpräsidentin, beschwichtigend. »Unserer Meinung nach haben Sie die schwere Bürde der Krone lange genug getragen.«

Die hinter ihnen Stehenden verzogen bedauernd das Gesicht.

»Die Belastung ist zu groß geworden. Wir, die Bürger von Alez, können nicht länger erwarten, dass Sie die Qual und den Stress des Regierens auf sich nehmen – schon gar nicht angesichts der heutigen Herausforderungen, für deren Bewältigung Sie so schlecht ausgerüstet sind«, fuhr Gretchen fort, während Jeremy sich kurz abwandte, um an sein Handy zu gehen. Olivia nahm das sehr bewusst wahr. Sie kannte Handys, weil sie ihr Kindermädchen Nina beobachtet hatte, wenn sie heimlich zu Hause anrief. Doch Nina hatte ihr nicht erlaubt, damit zu spielen, weil Handys im Palast verboten waren.

»Das ist nicht Ihre Schuld«, ergänzte Jeremy zuckersüß und steckte das Handy wieder ein. »Sie haben sich Mühe gegeben. Sie haben die Beschlüsse unterschrieben, die wir Ihnen vorgelegt haben. Doch Sie wurden nicht im Mindesten auf die komplexe Beschaffenheit der modernen Welt vorbereitet.«

Olivia, die von Jeremy zu ihren Eltern blickte, versuchte, das Geschehen zu begreifen. Obwohl sie sich dabei treulos vorkam, musste sie dem Eindringling recht geben. Schließlich besaßen ihre Eltern nicht einmal eigene Handys und konnten jetzt, da es dringend nötig war, keine Verstärkung rufen. Was fehlte noch alles im Palastleben? Wie sehr waren sie wirklich hinterm Mond?

»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte ihr Vater kleinlaut.

»Wir übernehmen und Sie ruhen sich mal so richtig aus«, antwortete Jeremy nachdrücklich. »Wir regeln das, all diese lästigen Probleme, die Sie so schwierig fanden. Wir bereinigen die großen Fehler, die Sie gemacht haben. Sobald wir die Lage unter Kontrolle haben, sagen wir Ihnen Bescheid oder kommen bei Ihnen vorbei und sagen Ihnen, wie es so läuft.«

»Kommen vorbei?«, fragte der König. »Was soll das heißen?«

»Habe ich das nicht erwähnt?«, fragte Jeremy. Olivia wusste, dass seine Überraschung nur gespielt war. »Wir brauchen den Palast als neuen Regierungssitz. Er ist dafür bestens geeignet, deshalb müssen Sie sich etwas anderes suchen.«

»Aber wo denn?«, fragte der König erstaunt. »W-w-w-?«, stammelte er. Doch er bekam keine Antwort, sondern wurde bereits von einigen Anwesenden vom Thron befördert.

Da Königin Paragona offenbar noch immer zu perplex war, um sich am Gespräch zu beteiligen, nahm Gretchen sie sanft an der Hand und führte sie zu der großen Flügeltür.

Anscheinend war nur Olivia in der Lage, etwas zu sagen.

»Sie werfen uns aus dem Palast?«, meldete sie sich zu Wort. Obwohl sie gebieterisch wie die Grande Marquessa klingen wollte, hörte es sich eher fiepsig an. »Das können Sie nicht machen!«

Jeremy Pont sah sie an. Seine Augen waren so blau wie die umwölkten azurblauen Eisbäche, die vom Alez-Gletscher in die Tiefe stürzten – weit oben in den Bergen hinter dem Palast.

Olivia erschauerte. Auf einmal bekam sie Angst.

»Kleines Mädchen«, sagte Jeremy. »Eure Leute haben seit über tausend Jahren vom Reichtum dieses Landes gelebt – nun sieh dir das Schlamassel an. Findest du nicht, dass es höchste Zeit wird, jemanden regieren zu lassen, der weiß, was er tut?«

»Das Schlamassel?«, fragte Olivia. »Wieso ist es ein Schlamassel? Das verstehe ich nicht.«

»Das kommt noch«, sagte Jeremy. »Wachen, geleitet sie vom Palastgelände und bringt sie zur Bushaltestelle. Von dort können sie ihre Fahrt in die Stadt selbst organisieren und ein neues Leben anfangen.«