Oma Krawutke ermittelt - Anja Feldhorst - E-Book

Oma Krawutke ermittelt E-Book

Anja Feldhorst

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Beschreibung

Zwischen Hartz IV und schlecht bezahlten Jobs kämpfen die Krawutkes mit Berliner Schnauze und Humor gegen die Unbilden des Alltags. Dabei stolpern sie immer wieder über Lug und Trug und Leichen. Und ohne Oma Krawutke, die Patriarchin der Familie, bliebe das ein oder andere Verbrechen ungesühnt.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Das Buch

Zwischen Hartz IV und schlecht bezahlten Jobs kämpfen die Krawutkes mit Berliner Schnauze und Humor gegen die Unbilden des Alltags.

Dabei stolpern sie immer wieder über Lug und Trug und Leichen. Und ohne Oma Krawutke, die Patriarchin der Familie, bliebe das ein oder andere Verbrechen ungesühnt.

Die Autorin

Anja Feldhorst – geboren 1965 im Auto auf der Fahrt ins Saarbrücker Krankenhaus, seit 1984 in Berlin und seit 2013 in der Prignitz zu Hause. Schon als Kind liebte sie es kriminell – ihr Lieblingsmärchen war Der Räuberbräutigam, in dem eine findige Prinzessin einem Serienkiller (damals noch Räuber genannt) entkommt und ihn mittels eines abgeschnittenen Fingers überführt. Heute liebt sie es nicht weniger kriminell, aber deutlich weniger blutrünstig. Sie schreibt humorvolle Krimis und hat bereits zahlreiche Kurzgeschichten und einen Kriminalroman veröffentlicht.

Seit 2015 gibt sie auch Schreibkurse. Sie eröffnete 2018 den Prignitzer Schreibsalon, um Schreibwütigen in Onlinekursen und in der analogen Welt das kreative Schreiben näher zu bringen.

Sie ist Mitglied der Mörderischen Schwestern e. V. und im VS – Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Kevins Eier

Tiffanys Herz

A Star Is Dead

Auf immer und ewig

Rache ist süß

Zeichen

Oma Krawutke findet ein Bild

Quellennachweise

Buchvorschau: Mörderisch unterwegs – in Güstrow

Kevins Eier

Als Jaqueline Glemmer, Star der Daily Soap »Schlachthof des Schicksals«, das Untergeschoss des Quartier 205 durchquerte, kramte Johanna gerade in ihrer Geldbörse nach Kleingeld. Tiffany stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite. »Kiek ma! Det is die Glemmer.« Sie knallte die beiden Milchshakes, die sie in den Händen gehalten hatte, auf den Tresen der Saftbar und rannte hinter der Schauspielerin her, die inzwischen außer Sichtweite war. Johanna starrte ihrer Freundin einen Moment nach, dann zählte sie hektisch ein paar Münzen ab, warf sie neben die Shakes auf die hölzerne Tresenplatte und setzte ihre fünfundneunzig Kilo in Bewegung. Sie schnaufte wie eine Dampflok kurz vor der Explosion des Kessels, während sie über den grauen Granit Richtung Friedrichstadtpassagen donnerte. »Wenn die mir keen Autogramm mitbringt, denn is det mit die Freundschaft Jeschichte.«

»Ick find det so super süß, wie de in die Folge mit den Schönheitschirurgen so in den rosa Kittel anne Wurstmaschine stehs und wie der dir da sieht und sagt, du hättes so ne adelige Neese, wa?« Tiffany strahlte Jaqueline Glemmer an.

»Ja, danke.« Jaqueline lächelte bereits seit zwei Minuten unverbindlich. Sie schielte verstohlen auf ihre Armbanduhr. »Möchtest du vielleicht ein Autogramm?«

»Det wär geil.« Tiffanys Blick klebte sehnsüchtig an Jaquelines Thomas-Sabo-Ohrringen.

Das Starlet kramte in ihrer mit türkis glitzernden Strasssteinchen bestickten Handtasche nach einer Autogrammkarte und einem Stift. Die Einzige, die sie fand, hatte ein Eselsohr. Sie strich die Ecke glatt und presste die Karte gegen einen Laternenpfahl, um zu unterschreiben.

Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgte Tiffany jede ihrer Bewegungen. »Deene Tasche is sowat von Wahnsinn. Wo hasse die denn her? Det Ding hat bestimmt n Schweinejeld jekostet. Mann, wenn ick die Kohle hätt, denn würd ick mir auch sone Tasche koofen. Die is ja sooo …«

Mit lautem Knattern startete ein am Bordstein parkender VW-Bus.

Jaqueline zuckte zusammen und statt mit einem schwungvollen Bogen endete ihr Name nun in einem langen Strich, der sich quer über das Foto zog. »Mist«, zischte sie leise.

In diesem Moment schwang die Seitentür des VW-Busses krachend nach hinten. Zwei behandschuhte Hände griffen nach ihr und zogen sie in das Innere des Wagens.

Tiffany brüllte auf und stürzte sich auf ihr Idol. Mit der einen Hand packte sie Jaqueline am Arm, um sie zurück auf die Straße zu zerren, mit der anderen versetzte sie dem Angreifer einen Schlag auf die Nase.

»Lass los, du Arsch!«

Ein maskierter Kerl mit dem Kreuz eines Preisringers sprang aus dem Wagen und versuchte, Tiffany von Jaqueline wegzureißen. Doch die hielt das Starlet fest umklammert. Mit plateauschuhbewehrten Füßen trat sie wild in Richtung Preisringer, der ausholte und Tiffany einen sauberen rechten Haken versetzte. Tiffany schwankte und verkrallte sich in Jaquelines langem, blondem Zopf. Jaqueline schrie schrill auf. Ein zweiter Faustschlag brachte sie zum Schweigen. Ein kräftiger Stoß und die beiden ineinander verknäulten Mädchen stürzten mit lautem Poltern auf die Ladefläche des Bullis.

Als Johanna endlich dazukam, war es schon zu spät. Sie rannte durch die offene Glastür auf den Riesenkerl zu, doch eine Faust von der Größe eines Straußeneis stoppte sie mit einem Treffer in den Magen. Sie knickte wie ein Strohhalm ein und erbrach sich. Bevor sie sich wieder aufrappeln konnte, war der Mann in den Wagen gesprungen, hatte die Seitentür zugezogen und der Transporter war mit Tiffany und Jaqueline davongerast.

*

Oma Krawutke schloss die Wohnungstür hinter den beiden Polizeibeamten und ging zurück in die Küche. Johanna hockte auf der Eckbank. Sie war noch immer ziemlich blass, aber sie weinte nicht mehr. Nur hin und wieder schniefte sie leise. Oma Krawutke goss ihr noch einen Kognak ein.

»Mann, ham die Bullen doof jefragt.« Johanna verzog die Mundwinkel und imitierte den freundlich unterkühlten Ton, in dem Kriminalhauptkommissar Brinkheim sie die letzten zwei Stunden befragt hatte. »Ah ja, einen Ex-Freund hat Ihre Urenkelin, Kevin Repka, mit dem sie Streit hatte, ah ja und ein Kind mit ihm. Ah ja, und das Kind ist auf einer Fahrt mit der Kindertagesstätte.«

Obwohl Oma Krawutke zum Heulen war, musste sie kichern.

Johanna räusperte sich: »Ah ja, und bis heute haben weder Sie noch Frau Krawutke Frau Glemmer persönlich gekannt.« Sie verdrehte die Augen. »Wat denkt der Idiot sich, wen wir so kennen. Uffm Arbeitsamt jetroffen, wie se n Harz-IV-Antrag jestellt hat oder wat?« Johanna holte tief Luft. »Ach Mensch, Oma, det is allet so schrecklich.« Ihre Stimme drohte zu kippen.

Oma Krawutke setzte sich neben Johanna auf die Bank und griff nach der Hand der jungen Frau.

»Kleene, det wird schon. Die Polizei findet die Entführer un janz schnell is Tiffy wieda da.«

Johanna schniefte leise »Wenn de meenst.« Sie nahm einen Schluck Kognak, verzog das Gesicht und schüttelte sich. »Vielleicht solltn we Kevin anrufen. Der muss det doch wissen.«

Oma Krawutke tätschelte Johannas Arm. »Ach nee, Kleene. Is doch jenug, wenn wir uns sorgen.«

*

Tiffany hatte höllische Kopfschmerzen und einen metallischen Geschmack im Mund. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Die Glühbirne, die an der niedrigen Betondecke baumelte, reichte kaum aus, den Raum zu beleuchten. Viel mehr als diese Funzel hatte er aber ohnehin nicht zu bieten. Eine alte Matratze, auf der Tiffany lag, zwei große Waschbecken aus Granit auf Betonfüßen an der Wand gegenüber, ein gusseiserner Ascheimer mit Deckel und eine Rolle Werra-Krepp-Klopapier rechts daneben. Die zwei kleinen Fenster knapp unter der Zimmerdecke waren von außen mit schwarzer Plane verklebt. Stöhnend richtete Tiffany sich auf, jeder Knochen in ihrem Körper schien über eine ganz eigene Art von Schmerz zu verfügen.

Neben dem Betonfuß des rechten Waschbeckens lag ein leise wimmerndes Häufchen, über dessen obere Hälfte ein Jutesack gestülpt war und dessen Hände sich fest in eine türkis glitzernde Handtasche verkrallt hatten. Tiffany robbte zu Jaqueline und zog an dem Knoten, der den Jutesack an seinem Platz hielt. Plötzlich kam Leben in das Häufchen. Jaqueline schlug und trat um sich, soweit es Sack und Handtasche zuließen.

»Ey, lass den Scheiß. Ick will dir det Ding da losmachen.«

Aber Jaqueline tobte weiter. Tiffany packte sie am Arm und schüttelte sie. »Is jetz jut, ja? Ick bin’s, Tiffy. Reiß dir ma zusammen«, schnauzte sie. »Au vadammt!« Sie rieb sich die rechte Wange. Dann holte sie tief Luft und brüllte los: »Hör uff. Ick mach dir jetz los. Und wenn de nich stillhälts, denn vadresch ick dir, dass de nich mehr weeßt, wo oben un unten is.«

Jaqueline erstarrte mitten in einem Tritt.

»Jut. Denn lass ma kieken.« Tiffany hielt das eine Ende des Knotens fest und versuchte, die Schlaufe zu lockern.

Ein halbes Dutzend Flüche später löste sich der Knoten und sie zog Jaqueline den Sack vom Kopf. »Au Mann, die ham dir ja son Klebeband vapasst wie im Kino. Det tut jetz bestimmt weh. Ick mach det aber janz langsam, wenn ick det zu schnell mach, hängt hinterher nochn Stück vonne Lippe dran. Un det wär blöd, wo we doch hier keen Verbandszeug ham.«

Vorsichtig zupfte Tiffany an dem silbernen Klebeband. Jaqueline grunzte gequält. Tränen traten ihr in die Augen. Schließlich hielt Tiffany den Streifen in der Hand. Auf der Innenseite schimmerte ein Abdruck von Jaquelines pinkfarbenem Lippenstift.

»Ick gloobe, wejen dem Lippenstift hat det nich so doll jeklebt, Jott sei Dank. Jeht‘s dir sonst jut?« Tiffany wollte Jaqueline eine blonde Strähne aus dem Gesicht streichen, aber Jaqueline stieß ihre Hand weg. »Lass das. Wegen dir sitz ich doch überhaupt nur hier«, kreischte sie.

»Wat? Du ticks wohl nich janz sauber.«

»Hättest du mich nicht so schwachsinnig zugetextet, hätte ich im Taxi gesessen, bevor die Entführer gekommen wären.« Jaquelines Augen schimmerten feucht.

»Ey! Ick vasuche dir zu retten unter Einsatz von mein Leben, un du mauls hier rum. Wer weeß, vielleicht hättn se dich schon längs umjebracht, wenn da nich Zeugen so wie icke jewesen wärn. Oh Mann, det tut vielleicht weh.« Tiffany stöhnte und griff sich an die Stirn.

»Aber wenn du mich gar nicht retten wolltest, sondern dazugehörst und mich jetzt aushorchen sollst …«, wimmerte Jaqueline. Sie krabbelte auf allen vieren zur Matratze, legte sich hin und drehte Tiffany den Rücken zu.

»Biste bescheuert oder wat? Statt hier rumzuheulen, solltn we lieber ma überlejen, wie we hier rauskommen.« Sie griff nach der Handtasche, die Jaqueline neben sich gelegt hatte.

Blitzschnell drehte sich Jaqueline um und riss Tiffany die Tasche aus der Hand. »Pfoten weg, das ist meine. Mich beklaust du nicht«, schnauzte sie.

»Du bis echt nich mehr janz dicht.« Tiffany stöhnte. »Ick wollt bloß kieken, ob de nochn Handy inne Tasche has. Meins hab ick irgendwo valorn. Wahrscheinlich wie der Typ mir k.o. jehaun hat.«

»Ich seh selbst nach.« Jaqueline rückte ein Stück von Tiffany weg und öffnete die Tasche.

»Mir ejal. Mann, brummt mir der Schädel.« Mit den Fingerspitzen massierte Tiffany ihre Schläfen.

»Nichts. Mein Handy ist weg, genauso mein Filofax und mein Kugelschreiber. Schminkzeug, Schlüssel und Portemonnaie sind noch da. Oh, die Schweine haben mir mein ganzes Geld geklaut.«

»Wat dachtes du denn?« Tiffany lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und murrte leise vor sich hin.

Jaqueline rollte sich wieder auf die Seite, schob sich die Handtasche unter den Kopf und schloss die Augen. Bis auf ihre gleichmäßigen Atemzüge, durch gelegentliche Schluchzer unterbrochen, und Tiffanys mantraartiges Gemurmel war es totenstill in dem Raum.

*

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, dann wurde die Stahltür aufgerissen. Helles Licht drang durch die Türöffnung. Tiffany, die Rücken an Rücken mit Jaqueline auf der schmalen Matratze gelegen hatte, schreckte aus einem unruhigen Schlaf hoch. Der bullige Typ, der Tiffany bewusstlos geschlagen hatte, betrat den Raum, eine kleine, magere Gestalt schob sich hinterher. Beide waren wie bei dem Überfall maskiert und trugen Handschuhe. Der Bullige hielt eine Pistole, der Kleine eine Rosenschere. »Ick kann det nich. Det is bestimmt Körpervaletzung«, jammerte er.

»Hättste die Lösejeldforderung nich auf AB jequatscht, würden uns die Bullen ernst nehmen und wir brauchten den Mist hier nich«, bellte der Bullige.

»Aber wat hätt ick denn machen solln. Is doch niemand ranjejangen. Un ick dachte …«

»Hör uff zu denken, det besorg icke. Mach du bloß, wat man dir sagt.« Der Bullige wurde lauter: »Jetz mach schon.«

Stumm verfolgte Tiffany den Disput, Jaqueline hockte mit angezogenen Knien wie erstarrt neben ihr. Der Bullige ging einen Schritt auf Jaqueline zu und richtete die Pistole auf sie: »Los hoch!«

Tiffany sprang auf und schrie: »Nich, det könnta doch nich machen. Ick hab det jesehn in ›Bound‹. Wenn die ne Blutvajiftung kriegt.«

»Halts Maul!«, brüllte der Bullige. Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie stürzte zur Seite. Tränen stiegen ihr in die Augen und purzelten über ihre Wangen. Leise schluchzte sie vor sich hin.

Der Bullige dirigierte Jaqueline mit der Pistole zu den Waschbecken, dann fuhr er seinen Kumpel an: »Los, du Warmduscher. Det muss sein. Haste doch inner Zeitung jelesen, die Bullen vaschaukeln uns. Also mach schon.« Der Kleine nickte matt und löste den Riegel. Mit einem lauten Klack sprang die Schere auf.

*

Es schellte Sturm. Oma Krawutke sah auf die Uhr: kurz nach halb acht. Sie stellte die Tasse mit dem Kaffee, den sie sich gerade eingegossen hatte, ab und schlurfte müde zur Tür. Die vergangene Nacht hatte sie nicht einschlafen können. Sobald sie die Augen schloss, sah sie ihre Urenkelin gefesselt, verprügelt, tot.

Kaum hatte Oma Krawutke die Wohnungstür geöffnet, stürzte Johanna, mit einer Zeitung wedelnd, an ihr vorbei in die Küche.

»Oma, die tun überhaupt nüscht, die Bullen.« Johannas Stimme überschlug sich fast. »Kiek ma, wat hier steht.« Sie knallte die BZ auf den Küchentisch. »Jaqueline Glemmer hat sich in ihre Finca auf Mallorca zurückjezogen. Sie ist erschöpft von den Dreharbeiten der letzten Monate und braucht eine kreative Pause, sagt ihr Vater und Manager Axel Glemmer.« Schnaufend plumpste Johanna auf die Eckbank. »Oma, ick hab jedacht, die jeben ne Suchmeldung raus, so von wegen Zeugen und Mithilfe vonne Bevölkerung. Aber die tun jar nüscht.« Beim letzten Satz hatte sie angefangen zu weinen.

Oma Krawutke schob Johanna die Kaffeetasse hin und strich ihr über die verwuschelten Locken. »Is jut. Ick ruf ma bei den Kommissar an und frag, wat jetz is. Wollt ick sowieso machen.« Sie ging in den Flur zum Telefon. Nicht mal zwei Minuten später kam sie zurück: »Der is nich da, der kommt ers mittags, sagt die Sekretärin.«

»Oma, det is jelogen. Die Bullen verscheißern einen doch immer, Oma. Die sagen doch nie die Wahrheit.« Johanna wurde wieder lauter.

»Ick weeß, ick weeß, Kleene. Aber wat solln we machen?«

»Wir jehn da jetz hin un bleiben solange da sitzen, bis die uns wat sagen.« Johanna knallte ihre Kaffeetasse auf den Tisch und stand auf.

*

»Tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten. Warum haben Sie nicht vorher angerufen. Meine Sekretärin hätte Ihnen sagen können, dass ich bis mittags außer Haus bin.« Kriminalhauptkommissar Brinkheim stützte die Ellbogen auf der Schreibtischplatte auf, sah Oma Krawutke in die Augen und versuchte so etwas wie ein Lächeln.

Oma Krawutke brummte etwas Unverständliches, und Johanna, die rechts von ihr saß, lief rot an.

»Ich kann Ihnen nicht viel mehr sagen als beim letzten Mal. Die …« Brinkheim wurde kreideweiß, mit einem Stich ins Grünliche, sprang auf und rannte, die Hand auf den Mund gepresst, zur Tür hinaus.

»Mann, ick will nich wissen, wat dem jetz hochjekommen is.« Johanna grinste.

»Hauptsache, det dauert ne Weile.« Oma Krawutke stupste Johanna an. »Los, jeh ma Schmiere stehen anne Türe.« Dann beugte sie sich vor und zog mit spitzen Fingern die Aktenmappe, die der Kriminalhauptkommissar zu Beginn des Gesprächs vor sich auf dem Schreibtisch platziert hatte, zu sich heran.

»Oma, biste varückt?«

»Quatsch nich, jeh lieber kieken, ob wer kommt.«

Johanna bewegte sich nicht von ihrem Platz. »Zeig ma, wat isn dette?« Sie schob zwei eng beschriebene Bögen Computerpapier zur Seite und angelte nach den darunterliegenden Fotos. Sie wurde blass. »Oma, det is furchtbar, kiek ma.« Sie hielt Oma Krawutke eins der Bilder hin. Oma Krawutke beugte sich vor.

»Wat is denn da dran furchtbar? Det sind doch bloß Haare.«

»Oma, det sind nich bloß Haare.« Johannas Stimme wurde schrill.

»Psst.« Oma Krawutke legte den Zeigefinger an die Lippen.

Johanna sah kurz zur Tür, dann kreischte sie weiter: »Det is der Zopf von Jaqueline Glemmer. Det sieht man doch janz deutlich an die kleenen Rasta-Strähnchen und die rosa Perlen.«

»Mach nich son Theater. Lies ma lieber, wat hier steht.« Oma Krawutke gab Johanna die beiden Computerausdrucke.

»Det die sich immer so kompliziert ausdrücken müssen uffm Amt. Also anscheinend ham die Entführer den Zopf heute Morgen bei Jaqueline ihren Vatta innen Briefkasten jesteckt. Mit ne Lösejeldforderung.«

»Ick gloobe, wir solltn mit den Herrn ma reden. Kiek ma nache Adresse, Jo.«

Johanna überflog noch einmal die Papiere. »Hier is wat. Kaulsdorf, inne Jägerstraße. Am Arsch der Welt.«

»Still! Da kommt eener«, zischte Oma Krawutke, »un merk dir die Adresse.«

Schnell stopfte Johanna Papiere und Foto in die Akte und schob sie zurück an ihren Platz.

»Entschuldigung«, krächzte es heiser von der Tür. »Ich fürchte, ich habe mir den Magen verdorben. Ich rufe Sie an, sobald ich neue Informationen habe.« Kriminalhauptkommissar Brinkmann stützte sich am Türrahmen ab. Er war immer noch sehr blass und sein Gesicht schimmerte feucht.

»Na denn jute Besserung.« Oma Krawutke stand auf, warf Brinkheim noch ein unschuldiges Lächeln zu und verließ mit Johanna im Schlepptau das Büro.

*