Operation Babylon - Glenn Meade - E-Book
SONDERANGEBOT

Operation Babylon E-Book

Glenn Meade

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Acht Jahre nach dem Absturz wird das Flugzeug gefunden, in dem Kathys Ehemann Jack und die beiden Kinder ums Leben kamen. Doch nun deuten Spuren an der Absturzstelle darauf hin, dass Jack und die Kinder überlebt haben könnten. Außerdem finden die Ermittler eine antike Goldmaske aus dem Irak und mehrere Millionen Dollar. War der Golfkriegsveteran Jack in illegale Machenschaften verwickelt? Kathy will die Wahrheit herausfinden und stößt auf eine Verschwörung, die bis ins Pentagon reicht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 763

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber das BuchÜber den AutorTitelImpressumWidmungMottoProlog123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434445464748495051525354555657585960616263646566676869707172737475767778798081828384858687888990919293949596979899100101102103104105106Anmerkung des AutorsDanksagung

Über das Buch

Acht Jahre nach dem Absturz wird das Flugzeug gefunden, in dem Kathys Ehemann Jack und die beiden Kinder ums Leben kamen. Doch nun deuten Spuren an der Absturzstelle darauf hin, dass Jack und die Kinder überlebt haben könnten. Außerdem finden die Ermittler eine antike Goldmaske aus dem Irak und mehrere Millionen Dollar. War der Golfkriegsveteran Jack in illegale Machenschaften verwickelt? Kathy will die Wahrheit herausfinden und stößt auf eine Verschwörung, die bis ins Pentagon reicht.

Über den Autor

Bevor der Ire Glenn Meade zu internationalem Bestsellerruhm gelangte, arbeitete er als Journalist und als hochspezialisierter Ausbilder am Flugsimulator für Aer Lingus. Glenn Meade lebt in Dublin und widmet sich nun ganz der Schriftstellerei. Sein Debutroman UNTERNEHMEN BRANDENBURG gehörte 1994 zu den meistdiskutierten Büchern in England, und man stellte ihn sogleich auf eine Stufe mit Frederick Forsyth, Jack Higgins, Martin Cruz Smith und John LeCarre. OPERATION SCHNEEWOLF, sein erster in den USA und Deutschland veröffentlichter Roman, festigte diesen Ruf und wurde mit MISSION SPHINX in mehr als 20 Sprachen übersetzt. In seinem Roman DIE ACHSE DES BÖSEN nahm er die Ereignisse vom 11. September vorweg.

GLENN MEADE

THRILLER

Aus dem amerikanischen Englisch von Beate Hellmann

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

 

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Glenn Meade

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Unquiet Ghosts«

Originalverlag: Howard Books, an imprint of Simon & Schuster, Inc., New York

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

 

Titelillustration: © craigophoto/shutterstock.com; Evannovostro/shutterstock.com; Simon Dannhauer/shutterstock.com; jaimie tuchman/shutterstock.com

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel|punchdesign, München

eBook-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

 

ISBN 978-3-7325-6119-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

 

FÜR MEINE MUTTER,

CARMEL MEADE,

IN LIEBE

 

Wir brauchen Menschen in unserem Leben, vor denen wir weinen können und trotzdem noch als Helden gelten.

– ADRIENNE RICH

PROLOG

Thunder Mountain, Smoky Mountains, Ost-Tennessee

23:45 Uhr

Dwight McCoy unterhielt sich gern mit Gott.

Er saß in seinem Schaukelstuhl auf der Veranda und beobachtete mit starrem Blick den Sturm, der mit jeder Sekunde näherrückte, die zornigen kohlrabenschwarzen Wolken am Horizont und die zuckenden Blitze, die aus dem Nachthimmel schossen. Er freute sich immer auf den Plausch, den er am Wochenende mit dem Großen Boss hielt. Dieses Mal wurde sein Zwiegespräch allerdings von den Ziegen ruiniert. Die beiden rasteten total aus und blökten sich die Kehlen wund.

Dwight versuchte, sie zu ignorieren, indem er einen Zug von seinem Joint nahm und den Rauch tief in die Lungen sog. Normalerweise empfand er es als Genuss, einen ruhigen Freitagabend damit zuzubringen, mit der Bibel auf dem Schoß in seinem Stuhl auf der Veranda der Hütte vor sich hin zu schaukeln, an einem Joint zu nuckeln und der einseitigen Unterhaltung zu frönen. Aber heute versauten die Ziegen ihm den Abend.

Dwight wäre nie auf die Idee gekommen, dass ihm in Wahrheit nur noch drei Minuten blieben, bis er Gott persönlich begegnen würde. Und nicht nur das: Auch all seine Gebete sollten erhört werden. Aber so war das Leben halt, voller Überraschungen.

Die beiden Ziegen auf dem Rasen waren an der Eingangsveranda festgebunden und hörten nicht auf zu blöken, wurden immer erregter, stürmten plötzlich auf das Geländer zu und rammten ihre kurzen, dicken Hörner in das Holz.

»Immer mit der Ruhe, Jungs. Ganz ruhig, hört ihr?«

Dwight vernahm ein Donnergrollen. Er strich sich über den ungewaschenen Bart und richtete den Blick auf das, was sich hinter dem Chaos aus Gerümpel und zerdrückten Bierdosen auftat, das seinen Rasen zierte. Hoch oben am tiefschwarzen Nachthimmel, weit hinter seinem dreißig Jahre alten verrosteten Chevy-Pick-up und dem uralten, völlig ruinierten Traktor, brodelten Gewitterwolken.

Ein schweres rollte da an, so sah es aus. Dwight nahm einen kräftigen Schluck aus dem Einmachglas und gurgelte zunächst damit. Dann schluckte er den brennenden Schnaps herunter und seufzte.

Mann, das tut gut.

Er läutete das Wochenende immer mit einer kleinen Fiesta ein – einem Einmachglas mit selbstgebranntem Schnaps und ein paar richtig guten Joints. In der Gesellschaft zweier Ziegen und eines ramponierten alten Kühlschranks voller Bier entspannt auf der Veranda zu sitzen und sich ein paar atemberaubende Sommergewitter anzuschauen, war perfekte Unterhaltung. Am tiefschwarzen Horizont hatte die Vorstellung bereits begonnen – mit zuckenden Blitzen, denen Donnersalven folgten, die in der Dunkelheit wie Kanonenschüsse widerhallten.

Dwights Schwatz mit Gott war fester Bestandteil seines Wochenendprogramms. Um übermäßig tiefschürfende Dinge ging es dabei allerdings nicht. Er jammerte nur gelegentlich über das Leben schlechthin, das er seit Hildas Tod führte, oder darüber, was für einen schweren Tag er auf der zehn Morgen großen Farm in den Smokies mal wieder hinter sich hatte.

Wenn die Qualität des selbstgebrannten Schnapses oder der Joints zu wünschen übrig ließ und er dadurch den Eindruck bekam, Gott höre ihm nicht zu, setzten sich manchmal seine Ziegen – Barack und Obama – zu ihm und lauschten seinen Ausführungen. Dwight unterhielt sich gern mit ihnen, doch heute Abend schien keines der Tiere Lust auf ein Plauderstündchen zu haben.

»Immer mit der Ruhe, Jungs«, sagte er noch einmal. »Ganz ruhig, hört ihr?«

Die aufgeregten Ziegen benahmen sich irgendwie seltsam. Immer wieder stießen sie mit den Köpfen gegen das Geländer der Veranda und brachen – klack-klack – mit ihren gestutzten Hörnern Stücke aus dem Holz heraus. Im Allgemeinen machte es ihnen nichts aus, an der Veranda festgebunden zu sein.

»Worüber regt ihr euch denn so auf, Jungs?«

Sie schenkten ihm keinerlei Beachtung, sondern rammten ihre Hörner weiter in das Geländer. Klack. Klack. Dwight nahm an, dass der nahende Sturm der Grund dafür war. Es kam schon mal vor, dass schlechtes Wetter sie aggressiv machte, aber heute Abend waren sie dermaßen ungenießbar, dass es ihm auf die Nerven ging.

»Lasst es gut sein, Jungs. Beruhigt euch.«

Dwight nahm einen großen Schluck Schnaps aus dem Einmachglas und wischte sich mit dem schmutzigen Ärmel seines Hemdes den Bart ab. Das hausgemachte Gesöff brannte in der Kehle, als habe man ein Streichholz darin entzündet, schmeckte aber ausgesprochen gut. Er nahm einen tiefen Zug vom Joint und ergötzte sich daran, wie die Dämpfe die Lunge versengten. Saturday Night Fever und alles selbstgemacht: Das Gras baute er in dem Wäldchen hinter dem Haus an, den Schnaps stellte er in seiner eigenen Brennerei her.

Ein furchterregender Donner erschütterte die Nacht, aber Dwight war dermaßen entspannt, dass er kaum darauf reagierte. Es würde sicher noch so etwa fünf Minuten dauern, bis der Sturm sie erreichte, also blieb ihm noch jede Menge Zeit, sich am Feuerwerk zu erfreuen. Danach würde der Regen dann wie Gewehrsalven auf das Blechdach seiner Hütte prasseln. Noch einmal zog er am Joint, hielt den Rauch in den Lungen, atmete ihn bedächtig wieder aus.

Sie behaupteten immer, Gras franse einem die Hirnwindungen aus, aber das interessierte ihn überhaupt nicht, nicht mehr seit dem Tag, da Hilda an Krebs gestorben war. Seither vertrat er die Ansicht, dass er eh auf dem absteigenden Ast war und es keine Rolle mehr spielte, ob er Gras rauchte oder nicht. Hilda war im Schlaf gestorben, nachdem sie sich ein ganzes Jahr lang gequält hatte. Er hatte ihre Hand gehalten. Gerade hatte sie noch geatmet, im nächsten Moment war kein Leben mehr in ihr gewesen. Er sprach mit Gott darüber, flehte ihn an, ihn keinen so schmerzhaften Tod sterben zu lassen wie seine Frau. Ihm einen Herzinfarkt zu geben, dafür zu sorgen, dass er von einem Mack Truck überrollt wurde; wie Gott es machte, war ihm egal, Hauptsache, er holte ihn schnell.

Dwight griff nach seinem Gehstock, drehte ihn um und öffnete mit dem Knauf den Kühlschrank, der auf der Veranda stand. Die Innenbeleuchtung schaltete sich ein. Jede Menge Dosenbier von Budweiser, Milch, ein paar Lebensmittel. Hauptsächlich aber Bud. Er zog eine der Dosen mit dem Knauf heraus, ließ sie auf seinen Fuß rollen, und dann trat er sie in die Luft und fing sie mit der Hand auf, bevor er die Kühlschranktür mit der Spitze des Schlangenlederstiefels wieder zuknallte.

Nicht schlecht für einen alten Knaben. Er riss die Dose auf, die das mit einem Fauchen quittierte, und goss ein paar Schlucke des kalten bernsteingelben Nasses in sich hinein. Hoch oben in den Smoky Mountains, weitab von jeglicher Zivilisation, durchzuckten weitere Blitze den Nachthimmel, und der Sturm kam näher und näher. Klack. Klack. Blökend rannten die Ziegen mit den Köpfen gegen das Geländer. Ihr Elend machte ihn ganz verrückt.

Es hieß, dass Tiere spüren konnten, wenn Gefahr im Verzug war. Dass ihre Furcht sie dazu trieb, bei Tsunamis und Hurrikans in höhere Lagen zu flüchten.

»Beruhigt euch, ihr zwei. Niemand wird hier vom Blitz erschlagen.«

Genau in diesem Moment schallte ein krachender Donner aus den Bergen, und die Ziegen flippten endgültig aus. Dwight blickte auf, schaute in den Himmel, und da fiel ihm plötzlich etwas auf. Komisch.

Die schwarze Gewitterwolke spuckte einen Lichtfunken aus. Der Funke loderte wie ein gleißender Stern. Was zum …? Dwight kniff die Augen zusammen und spürte, dass sein Herz zu rasen begann. Bildete er sich das nur ein, oder schoss dieses Objekt geradewegs auf ihn zu?

Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob er vielleicht zu viel getrunken hatte. Manchmal bekam er nämlich Visionen von dem selbstgebrannten Schnaps oder erfasste die wahre Bedeutung des Lebens. Deshalb hatte er eines schönen Tages beschlossen, sich ein Notizbuch und einen Kugelschreiber ans Bett zu legen. Um, wenn er nachts aufwachte, seine ungeordneten Gedanken schriftlich festhalten zu können, weil er hoffte, darüber den Sinn des Lebens zu enträtseln, der sich ihm in Träumen offenbarte, und anschließend weiterzuschlafen. Als er am nächsten Tag wieder nüchtern war, hatte er gelesen, was er auf das Papier gekritzelt hatte: Am Freitag ist der Ölwechsel fällig, zahl deine Kraftfahrzeugsteuer, kauf dir eine Schachtel Zigaretten und eine Gallone Milch. Und ein Paket Feuchttücher für empfindliche Hintern.

Dwight rieb sich die Augen und blinzelte. Genau vor ihm loderte der Funke am nachtschwarzen Himmel, wurde immer heller, schoss mit rasender Geschwindigkeit aus der Gewitterwolke heraus. Wer behauptete, dass man von Alkohol schlechte Augen bekam, log, denn Dwight sah, dass das Objekt mit jeder Sekunde heller strahlte und näher und näher kam. Er wusste zwar nicht, was es war, aber es kam ohne jeden Zweifel auf ihn zu.

War das ein UFO? Irgendein seltsames Lichtphänomen? Jetzt funkelte es noch heller und schien auseinanderzubrechen. Ein Teil des Objekts fiel wie ein Ball aus flammendem Licht von dem anderen ab. Jetzt waren es zwei Objekte. Im nächsten Moment verschwand das kleinere, sein Licht verglomm im Fallen wie das einer orangefarbenen Signalrakete.

Das größere Objekt raste indes weiterhin auf ihn zu.

»Heiliger Strohsack.«

Beunruhigt hievte Dwight sich aus dem Schaukelstuhl, um in die Hütte zu gehen und die Flinte zu holen. Dabei sagte ihm sein Selbsterhaltungstrieb schon jetzt, dass das reine Zeitverschwendung war, weil dieses Ding auf ihn zusteuerte und dabei kreischende Geräusche von sich gab wie eine Todesfee.

Er hörte, dass etwas durch die Luft sauste, und im nächsten Moment gab es einen gewaltigen Knall und etwas schlug auf dem Waldboden auf. Das Geräusch erinnerte an ein Erdbeben und brachte den Boden unter ihm zum Erzittern, als habe soeben ein unsichtbares Ungeheuer in den Gedärmen der Erde laut geknurrt.

Die Wucht des Aufpralls riss Barack und Obama vom Boden und schleuderte die berstenden Kadaver der Ziegen durch die Finsternis, als würden sie von einem Tornado in den Himmel gesaugt.

Das gleiche Kraftfeld erfasste Dwight wie die Explosion einer Artilleriegranate, verwandelte seine Hütte in Kleinholz, zertrümmerte jeden einzelnen Knochen in seinem fünfundsiebzig Jahre alten Körper und tötete ihn auf der Stelle.

Unterm Strich betrachtet hätte Dwight McCoy sich keinen schnelleren und weniger schmerzhaften Tod wünschen können.

1

Zwei Fotos stehen an meinem Bett. Sie sind meine tiefsten Wunden.

Das eine ist ein Schnappschuss, der meine Eltern auf einer Party zeigt, auf der sie den erfolgreichen Abschluss meines jüngeren Bruders an der Militärakademie West Point feiern. Der attraktive, lustige, einundzwanzigjährige Kyle, dessen saphirblaue Augen in die Kamera strahlen, sieht so stattlich aus in seiner grau-weißen Kadettenuniform.

Auf dem Foto steht rechts neben Kyle mein Vater, der Colonel, groß und stolz, der Inbegriff eines Soldaten. Die Bügelfalten seiner Uniform sind scharf wie Rasierklingen, sodass man Tomaten damit schneiden könnte, und jeder seiner Orden ist auf Hochglanz poliert. Wir sind eine Soldatenfamilie, Siedler, die sich in den Appalachen niedergelassen haben und von einer langen Ahnenreihe kampferprobter schottisch-irischer Krieger abstammen, die Art von Mensch, der von Geburt an das Angst-Gen zu fehlen scheint.

Und links neben meinem Bruder steht meine Mutter, Martha Beth Kelly. In meinen Erinnerungen hat sie häufig ein Wodka-Grinsen auf dem Gesicht und tanzt die Nächte durch, wirft ihr wildes rotes Haar hin und her, streckt die eine Hand in die Luft wie ein durchgeknallter Rocker, hält in der anderen gelegentlich einen Joint, sofern sie einen ergattern konnte, häufiger ein mit ihrem Lippenstift verschmiertes Cocktailglas.

Und immer hatte sie dabei diesen Gesichtsausdruck, der mir erklärte, dass nichts sie davon abhalten konnte, sich in betrunkenem Zustand zu blamieren, nicht einmal Versuche meines Vaters, sie mit gutem Zureden von der Tanzfläche zu schaffen.

Mein Vater, der heldenhafte, einen Meter fünfundneunzig große Colonel, der sich quer durch den Irak zu den Toren von Saddam Husseins Palast durchgeschlagen hatte. Der im Nahkampf in Falludscha gekämpft und durch eine explodierende Granate den linken Fuß verloren hatte.

Kyle und ich vergötterten meinen Vater. Er war unser Idol. Als mein kleiner Bruder sechs Jahre alt war, schenkte ihm irgendjemand eine Soldatenuniform im Miniaturformat. Darin stolzierte er in unserem Garten auf und ab, mit polierten Schuhen und einem Stock in den Händen, der das Gewehr darstellen sollte.

Ich fragte ihn: »Was tust du da, Kyle?«

Ein Lächeln legte sich auf seine Züge. »Ich spiele Kadett. Wenn ich groß bin, will ich Soldat werden, genau wie Daddy.«

Schon damals stand Kyle auf Sport, vor allem Wettkampfsport war sein Ding, obwohl er den locker betrieb. Als mein Vater ihn feierlich über den Hof marschieren sah, fragte er ihn: »Kadett Kyle, was ist Ihr Motto?«

Kyle nahm Habachtstellung an, salutierte und zitierte den Ehrenkodex der Kadetten von West Point: »Ein Kadett lügt nicht, betrügt nicht und stiehlt nicht und toleriert auch nicht, dass andere es tun.«

Mein Vater strahlte mich an und meinte: »Sieht ganz so aus, als würde West Point wieder einen von uns bekommen.«

Mein Vater vermittelt mir stets ein Gefühl von Sicherheit, obwohl ich längst eine erwachsene Frau bin. Als ich vor einigen Jahren in Florida Urlaub mit ihm machte, waren wir dort in einer Bar, und zwei große, von Steroiden aufgepumpte, biertrinkende Kerle pfiffen mir nach, als ich auf dem Weg zur Toilette an ihnen vorüberging, und machten eine obszöne Bemerkung. Mit einem Satz baute mein Dad sich vor ihnen auf und knöpfte sie sich vor. Die Muskeln seiner Arme wölbten sich durch sein Hemd, er suchte förmlich nach Streit, und das mit stolzgeschwellter Brust, denn er war bereit, jedem das Leben aus dem Leib zu prügeln, der seine Tochter verhöhnte. Er bestand darauf, dass die Idioten sich bei mir entschuldigten. Sie taten es und zogen dann ab wie zwei begossene Pudel, ließen ihr Bier einfach stehen. So ein Vater ist er. Er hat seinen Stolz, kennt kein Erbarmen und schreckt vor niemandem zurück.

Ein Mann, der im Grunde niemals richtige Angst vor etwas hatte – wenn man von der temperamentvollen kleinen Frau aus Temperance, Georgia, absieht, die er liebte und heiratete, aber zu keinem Zeitpunkt glücklich machen konnte, wie sehr er sich auch bemühte.

Und alles nur, weil sie niemals miteinander über das größte Geheimnis sprechen konnten, das sie hatten.

Die beiden Fotos auf meinem Nachttisch stecken nebeneinander in einem silberfarbenen Metallrahmen. Das zweite Bild zeigt meinen Ehemann Jack und mich und unsere beiden lächelnden, innig geliebten Kinder Amy und Sean, die damals vier und acht Jahre alt waren.

Auf dem Foto trägt Jack keine Army-Uniform wie auf so vielen anderen Bildern, die ich von ihm habe, sondern ein Jimmy-Buffett-Hawaiishirt, denn es war ein glutheißer Sommer und wir waren im Urlaub, in Myrtle Beach in South Carolina. Es war ein Urlaub, der die seelischen Wunden heilen sollte, die mein Mann während seiner Stationierung im Irak erlitten hatte. Das war drei Monate, bevor er und unsere Kinder auf Nimmerwiedersehen verschwanden.

Drei Monate, bevor diese »entsetzlichen Dinge« passierten, wie mein Vater die Tragödien unseres Lebens nennt, und immer wenn er über unser Elend spricht, was er nur selten tut, sehen seine von Schmerz gezeichneten Züge aus wie eine Maske aus Granit. Denn man braucht die Verluste, die unsere Familie erlitten hat, nur zu erwähnen, und der hartgesottene und abgebrühte Kriegsveteran, der viele im Kampf hat sterben sehen und kaum mit der Wimper zuckt, wenn er daran zurückdenkt, steht kurz davor, in Tränen auszubrechen.

Und deshalb stehen diese Fotos neben meinem Bett und nicht irgendwo im Erdgeschoss, wo er sie sehen könnte. Mich bringen diese Bilder nicht zum Weinen, zumindest nicht mehr so, wie sie das mal getan haben.

Sie werden mich zwar immer an meinen Schmerz erinnern, aber meine Wunden brennen nicht mehr, sondern sind eine Narbe geworden. Die Trauer ist immer noch mein Schatten, doch meine Welt hat sich inzwischen verändert.

Ich habe ein neues Leben.

Genau zur rechten Zeit fand ich einen neuen Ehemann und ein Kind, das den Schmerz linderte, die anderen Kinder verloren zu haben.

Es gibt von meinem kleinen Bruder und mir auch noch andere Fotos, die mir heilig sind, aus unserer Kindheit und Jugend, von dem Spaß, den wir an Feiertagen und in gemeinsamen Ferien hatten.

Kyle und ich besaßen den gleichen durchgeknallten Kelly-Sinn für Humor, das gleiche, zuweilen aufbrausende Temperament, und wir hatten den gleichen Geschmack, wenn es ums Essen und um Spielfilme ging. Wir sind im Abstand von elf Monaten zur Welt gekommen, sodass mein Vater uns seine irischen Zwillinge zu nennen pflegte.

Kyle war das perfekte Baby – blondes Haar, eine Haut wie Porzellan, von Natur aus fröhlich. Als ich vier Jahre alt war, teilten wir uns eine Zeitlang das Zimmer. In stürmischen Winternächten, wenn er sich davor fürchtete, allein zu schlafen, oder einfach Angst vor der Dunkelheit hatte, suchte er Zuflucht, indem er zu mir ins Bett kletterte.

»Tan, Amy. Tan.« Als er noch klein war, konnte Kyle das Wort »Danke« nicht aussprechen; es kam immer »Tan« dabei heraus.

Ich liebte es, wie weich sich seine runden Bäckchen anfühlten, wie engelsgleich seine Babylippen mich küssten und wie fest er vor Angst die Ärmchen um meinen Hals schlang, nachdem er in mein Bett geklettert war, um sich an mich zu kuscheln. Für mich gibt es nichts Herzergreifenderes als ein Kind, das sich aus Furcht an einen klammert, als würde ein Faden, der herrlich menschlich und zugleich göttlich ist, unsere Seelen miteinander verknüpfen.

Kyle war sehr lange der Stille in unserer Familie. Er trottete schüchtern hinter mir her, hielt sich mit gesenktem Kopf an meinem Pullover fest und sprach nur selten mal ein Wort. Als er acht Jahre alt war, schockierte er uns auf einer Weihnachtsparty mit einer verblüffenden Darbietung, indem er mit hochrotem Gesicht das Lieblingslied meines Vaters vortrug: »Danny Boy«. Kyles süße Singstimme war ebenso engelsgleich wie die eines Solisten der Wiener Sängerknaben.

Es entsprach so gar nicht seiner Natur, sich derart in den Mittelpunkt zu rücken, aber irgendjemand entdeckte den Grund dafür: Er trank heimlich vom Whisky-Punsch meiner Mutter. Fortan wurde bei jeder Weihnachtsparty unserer Kindheit aufmerksam darüber gewacht, dass er den Punsch nicht anrührte und uns dennoch mit seiner Version von »Danny Boy« beschenkte.

Als er älter wurde, wurde »Danny Boy« Kyles Dusch-Song. Immer wenn er sich unter die dampfenden Wasserstrahlen stellte und die Klänge von »Danny Boy« durchs Haus schallten, hielten wir alle inne und lauschten, denn aus den Tiefen seiner honigsüßen Stimme schallte ein berührendes Echo, ein Ton, von dem mein Vater frotzelnd behauptete, dass es ihm ebenso wie den Dudelsäcken »immer gelang, in unseren keltischen Chromosomen ein loderndes Freudenfeuer zu entzünden.«

Weitere Bilder, die ich aufgehoben habe, sind in den Fotoalben jenes Tages, an dem ich im Alter von einundzwanzig Jahren in der Cedar Springs Church in Knoxville, Tennessee, geheiratet habe.

Aufnahmen meiner Kinder als Säuglinge und in verschiedenen Phasen ihres Wachstums, in kostbaren Augenblicken ihrer kurzen Leben – in den Ferien, an Wochenenden am See oder am Strand, an dem Tag, an dem sie einen Zahn verloren oder als sie sich für Halloween verkleideten oder einen Geburtstag feierten.

Zuerst kam Sean, gerade mal zehn Monate, nachdem Jack und ich geheiratet hatten. Der schüchterne, kleine Sean, der stets bemüht war, nur ja alles richtig zu machen, schon als Baby, der es liebte, wenn man ihm Geschichten vorlas und den Rücken streichelte.

Drei Jahre später war ich wieder schwanger, mit Amy. Sie raste in unser Leben wie ein Wirbelsturm, ein dynamisches und durchsetzungsstarkes Mädchen, das genaue Gegenteil ihres schüchternen Bruders. Ein kicherndes, rebellisches Teufelchen, das niemals aufhörte zu plappern und voller Leben und ständig in Bewegung war.

»Hat dieses Mädchen nirgendwo einen Knopf, an dem man es abschalten kann?«, pflegte Jack zu witzeln.

In ihrem Inneren schien ein riesiger Ofen zu brennen, bis sie abends ins Bett fiel. Und auch dann konnte sie in der Dunkelheit nicht schlafen. Zur Schlafenszeit hat mir meine Tochter eigentlich immer Probleme gemacht. Sie bestand darauf, dass ich ein Licht brennen ließ, und wurde die Lampe auf dem Treppenabsatz schon mal ausgeschaltet, wachte sie auf der Stelle auf, bekam Angst und rief von oben nach mir. Als sei sie eine Blume, die Licht und Sonne brauchte, um zu gedeihen.

Also ließ ich, um ihr ein bisschen von ihrer Angst zu nehmen, jeden Abend auf dem Treppenabsatz eine Lampe brennen.

Immer wenn sie aufwachte, sah Amy ihr goldenes Licht jenseits der Zimmertür. Und dann schlief sie wieder ein.

Da ich jetzt Kinder in meinem Leben hatte, fühlte sich mein Dasein vollkommen an.

Es waren Tage, die ich wie wohlriechende Luft inhalieren wollte, jede Erinnerung war kostbar. Und deshalb führte ich ein Tagebuch. Ich hoffte, eines Tages Schriftstellerin zu werden, und ich hatte irgendwo gelesen, dass es für einen Autor ebenso wichtig war, ein Tagebuch zu führen, wie es für einen Sänger wichtig war, Tonleitern zu üben. Also schrieb ich über jede winzige oder bedeutsame Erfahrung, die ich mit unseren Kindern machte, bis ein weiterer boshafter Sturm in mein Leben raste und mir meine Familie nahm. Seither ging ich nicht davon aus, dass ich je wieder ein Wort schreiben würde.

Trotzdem sind diese Bilder in dem silbernen Rahmen – meine tiefsten Wunden – zugleich auch meine Rettung. Denn wenn ich die glatte Kühle des Glases spüre, das ihre strahlenden Gesichter bedeckt, und mit den Fingerkuppen über die Konturen ihrer Körper streiche, erinnert mich das an die strahlenden Seelen, die einstmals meine Welt erhellt haben.

An die Lippen, die ich nicht mehr küssen kann, die Stimmen, die ich nicht mehr hören, die Gesichter, die ich nicht mehr berühren kann.

Und sie erinnern mich an die grausamsten Lektionen, die das Leben mich gelehrt hat.

Schreiben Sie sich das hier auf, wenn Sie wollen, und lassen Sie sich nie etwas anderes erzählen: Liebe hat ihren Preis.

Es kann keine Liebe geben – und die wird es auch niemals geben und hat es noch nie gegeben –, die nicht mit unerträglichem Leiden einhergeht. Wenn Menschen, die wir lieben, sterben oder uns aus eigenem Wunsch verlassen, wenn wir zusammenbleiben, den anderen aber nicht mehr lieben, wenn wir dem anderen das Herz brechen mit unserem Betrug oder damit, dass wir uns von ihm trennen, zahlen wir früher oder später immer einen Preis dafür.

Wie jede Sünde ihren eigenen Racheengel hat, so hat auch jedes Geben und Loslassen seinen eigenen Tag der Vergeltung.

Noch etwas habe ich gelernt: Manchmal verheimlichen uns diejenigen, die wir verehren, unvorstellbare Dinge.

Alle Familien haben Geheimnisse. Manche sind harmlos, andere fließen wie Gift durch die Adern der nachfolgenden Generationen. Finstere Geheimnisse, die mit der gleichen Grausamkeit verstümmeln und vernichten können wie jede Waffe. Denn wie die süßesten Töne die größten Seelenqualen auslösen können, so kann auch die reinste Liebe die Saat enthalten, aus der die heimtückischsten Verletzungen erwachsen.

Damit ist es wie in der keltischen Legende des Vogels, der nur ein einziges Mal in seinem Leben singt, jedoch süßer als jede andere Kreatur auf dieser Erde. Von dem Moment an, da er fliegen kann, sucht er nach einem Rosenbusch, und wenn er ihn gefunden hat, setzt er sich so darauf, dass sich der schärfste Dorn in seinen Brustkorb bohrt. Im Todeskampf singt er eine außerordentliche Hymne, ein Lied, das so exquisit ist, dass jedes Lebewesen im Umkreis innehält, lauscht und die Schönheit bestaunt.

Und das Gleiche tun wir, jeder von uns auf seine ureigene Art. Wir suchen uns unsere Dornen und bohren sie uns mitten ins Herz. Nicht wegen der schmerzerfüllten Wonne einer prächtigen Hymne, sondern weil wir einfach nicht anders können. Es ist, als sei unser Schicksal in den Sternen vorbestimmt.

Und so ist es auch.

Haben Sie jemals innegehalten und sich vor Augen geführt, dass Ihr gesamtes Leben anders verlaufen wäre, wenn Sie einem ganz bestimmten Menschen nicht begegnet wären? Denn auch das habe ich gelernt: Jede Liebe, der wir in unserem Leben begegnen, ist nicht einfach eine Zufallsbegegnung in einer chaotischen Welt.

Sie ist Schicksal.

Ein Faden im Wandteppich unseres Daseins, der geheimnisvoller ist, als irgendeiner von uns erfassen könnte, und über sämtliche Zeitalter hinweg nachklingt. Um die Worte eines anderen Schriftstellers umzuformulieren: Sie werden in jedem von uns alle Stimmen finden, die wir nicht zusammengezählt haben. Denn jeder Augenblick unseres Lebens ist ein Fenster, das auf alle Zeit hinausweist, als habe der Kuss, der vor viertausend Jahren auf Kreta seinen Anfang nahm, gestern in Texas sein Ende gefunden.

Ich glaube das.

Wie ich glaube, dass jedes Herz und jede Seele, die einander suchen und finden, niemals die Folge eines Zufalls ist, sondern ein Schicksal, das darauf wartet, uns eine Lebenslektion zu erteilen oder uns mit irgendeiner entsetzlichen Wahrheit zu überfallen, von der das Universum meint, wir müssten sie unbedingt erfahren.

Das weiß ich, weil ich aus meinen eigenen bitteren Wahrheiten gelernt habe.

Und meine erste Lektion begann am Morgen meiner Hochzeit, als meine Mutter betrunken vor der Kirche in Cedar Springs eintraf. Mit einer geladenen Waffe in der Handtasche und Mordgelüsten im Herzen.

2

Thunder Mountain, Smoky Mountains, Ost-Tennessee

Falls es eine Hölle auf Erden gab, kam dieser sumpfige Wald der Angelegenheit ziemlich nahe.

Brewster Tanner spürte, dass ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Er hasste bewaldete Sümpfe.

Tanner hatte fünfzig Pfund Übergewicht und ein edles, vornehmes Profil, das auf einer antiken römischen Münze nicht deplatziert gewirkt hätte. Hätte er Karriere als Sänger gemacht, wäre er Barry White gewesen. Als Tanner noch Karaoke gesungen hatte, hatten die Leute immer behauptet, er würde auch wie Barry White klingen. Er hatte eine Bassstimme, die so tief war wie ein Verlies, die Art von Stimme, die bei gewissen Frauen gut ankam.

Er sah halt nur so gar nicht aus wie Barry White. Tanner war ein hellhäutiger schwarzer Amerikaner mit weichen Gesichtszügen, ein auf stattliche Weise hübscher Mann. Oft sagten die Leute, er erinnere sie an diesen alten Schauspieler Sidney Poitier, nur dass Tanner … na ja … ein bisschen dicker war.

Er starrte durch die Windschutzscheibe und steuerte seinen weißen Camry durch den smaragdgrünen Wald. Das Radio war eingeschaltet. Dort sang nicht Barry, sondern Beyoncé von »all the single ladies«. Tanner musste jedes Mal lachen, wenn er diesen Song hörte. Beyoncé gab ein Konzert, scheffelte Millionen und ging hinterher nach Hause zu ihrem Mann und den Kindern, und diese dösigen unverheirateten Nutten blieben zurück, trabten auf die Tanzfläche und tanzten um ihr Handtäschchen herum, damit ihnen das in der Zwischenzeit keiner klaute, und plärrten diesen Song vor sich hin.

Grüne Zweige, die sich miteinander verheddert hatten, hingen in der schwülen Hitze über Wassertümpeln, die die Farbe von Kaffeesatz hatten. Ganz in der Nähe war ein Bach über die Ufer getreten und hatte nicht nur den Boden aufgeweicht, auch die Stämme der Bäume standen mindestens dreißig Zentimeter im Wasser. Die Luft hatte den satten Duft von feuchter Erde und Grünpflanzen.

Reporter, Kameraleute und Fernsehteams drängten sich in Dreierreihen zu beiden Seiten des Feldwegs. Einen Mann sah Tanner mit einer Kamera und einer Tragevorrichtung über der Schulter davonrennen, als habe er die Teile gerade gestohlen. Ganz in der Nähe richteten zwei Übertragungswagen lokaler Fernsehstationen, die für CNN, ABC und NBC tätig waren, ihre Satellitenschüsseln so aus, dass sie in die heiße Mittagssonne zeigten. Damit waren sie jetzt bereit, ihre Nachrichtensegmente an die Zentralen in Atlanta und New York weiterzuleiten.

Mit den Fingerspitzen schnippte Tanner Krümel von seiner Konfektionsgröße 58 bedürfenden Brust – die zerbröselten Überreste eines diabetikerfreundlichen Haselnussplätzchens, das er auf dem sich endlos dahinziehenden Feldweg gegessen hatte, der sich durch diesen Sumpf wand.

Knochendürre Ranken toter Schlingpflanzen hingen in den Bäumen wie versteinerte Schlangen, und einige Äste waren von flaumigen Spinnweben bedeckt, die aussahen wie Louisianamoos. Tanner holte tief Luft, und im nächsten Moment schoss ihm der nach Kot und Schimmel riechende Gestank eines vermodernden Regenwaldes in die Nase. Wieder glitt ihm ein Schauer über den Rücken, dieses Mal war er heftiger.

Sümpfe waren ihm nicht geheuer, nicht einmal, wenn so viel Betrieb darin war wie in diesem hier. Bei Sümpfen musste er immer an Alligatoren denken, an Schlangen, Reptilien und Spinnen. An Kreaturen, die einen bissen, umbrachten, bei lebendigem Leib auffraßen. Gab es überhaupt Alligatoren in Ost-Tennessee? Er ging nicht davon aus, obwohl ihn diese spezielle Landschaft hier sehr an seine Heimatstadt in Louisiana erinnerte.

Bären und Schlangen gab es hier mit Sicherheit. Und verrücktes Volk, Leute wie die, an denen er auf dem Weg vorbeigefahren war. Diese Hinterwäldler hausten in heruntergekommenen Wohnmobilen oder jämmerlichen Bretterbuden und schmückten ihren Grund und Boden mit den vor sich hin rostenden Kadavern alter Autos und Pontonbooten, um die sie wie auf einem Friedhof Blumenbeete anlegten – zum Andenken an ihre einstmals geliebten Transportmittel. Entledigten sich diese Menschen eines alten Fahrzeugs niemals auf andere Weise, als es auf ihrem Grundstück stehen und verrosten zu lassen?

Die Smoky Mountains sahen wundervoll aus, waren eingehüllt in einen zarten Schleier aus Morgennebel. Dieser Ort hier – dieser hässliche, morastige Bach unter der Seite eines Berges – erinnerte ihn an etwas aus diesem verrückten alten Survival Movie Beim Sterben ist jeder der Erste.

Auf dem Weg sah Tanner schlammbespritzte Geländewagen und uralt aussehende Schaukelstühle, die auf in Heimarbeit zusammengenagelten Veranden aus Buchsbaumholz standen. Ein paar dreckige Kinder spielten vor den Hütten neben Einzäunungen mit Hühnern und Ziegen. Ältere Gesichter lugten hinter von der Sonne ausgebleichten Fensterläden hervor, die Haut vom Wetter gegerbt, dem Mund fehlten Zähne, die Arme, Hände oder Hälse waren voller Tätowierungen.

In einem Fenster hing ein Schild, auf dem geschrieben stand: Banjo-Unterricht.

Welcher Mensch, der bei klarem Verstand war, sollte denn hier hinauspilgern wollen, um Banjo-Unterricht zu nehmen? Wer das tat, musste unter Drogen stehen oder an einer Psychose leiden.

Er steuerte den Camry an einem der Fernsehteams vorbei. Gelbes Polizeiband versperrte ihm den Weg. Tanner zeigte zwei Männern in Sheriffsuniformen seinen Dienstausweis, und einer der beiden hob das gelbe Band und zeigte ihm, wo er seinen Wagen fünfzig Meter weiter nahe einer Lichtung auf dem Feldweg abstellen konnte. Er ließ den Camry im Leerlauf auf das Rasenstück rollen und zog die Handbremse an.

Als er Beyoncé abschaltete und aus dem Camry in eine kompakte Woge aus Hitze stieg, waren die Geräusche des Sumpfs plötzlich so laut wie eine Explosion. Ein Chor aus Grillen, Fröschen und Vögeln wurde vom Klappern der beiden Polizeihubschrauber begleitet, die hoch über ihnen kreisten.

Aufgrund seines massigen Körpers war es mühsam, aus dem Wagen zu steigen, auf dessen Boden und in dessen Seitenfächern Unmengen zerknüllter Bonbon- und Kaugummipapiere lagen. Mit Schweißperlen auf der Stirn – für die Jahreszeit, Mitte März, war es ungewöhnlich heiß, was in den Südstaaten allerdings nicht ungewöhnlich war – stand Tanner da und atmete so flach wie jemand, der an einer leichten Form von Asthma litt, und stützte sich auf die Tür des Camry.

Direkt vor ihm erblickte er etwas Seltsames. Irgendetwas war da auf übelste Weise zugerichtet worden. Worum es sich dabei handelte, konnte er nicht richtig erkennen. Es war aber irgendeine Art von Bau, der kurz und klein geschlagen worden war.

»Was ist das denn, verdammt noch mal?«

Tanner schloss die Autotür und ging auf das Mysterium zu. Nach zwanzig Metern blieb er stehen. Das Kleinholz schien die Relikte einer Hütte und eines Grundstücks zu sein, das an den Wald angrenzte.

Was er sah, schockierte ihn. Die Hütte war weitgehend zu Staub zerfallen.

Übrig waren nur noch das aus Holz bestehende Fundament und der zerklüftete Teil einer Wand, der aussah, als habe irgendein Ungeheuer einen großen Bissen davon genommen. Im gesamten Umfeld lagen irgendwelches Gerümpel und Teile der Hausverkleidung verstreut. Die Überreste eines Kühlschranks waren zur Seite geschleudert worden. Teile davon hingen zertrümmert und zersplittert in den Bäumen, und in den darüberliegenden Ästen hatten sich Stücke der Holzverkleidung, eines Fensterrahmens und ein großer Teil eines Flugzeugflügels verfangen.

Weiter vorn sah er durch den Wald die verstreut umherliegenden Reste eines Kleinflugzeugs, das aussah, als sei es in tausend Einzelteile zerfallen. In der Erde daneben steckten kleine gelbe Pappmarker, auf denen Zahlen standen, und Leute in weißen Schutzanzügen durchsuchten die Wrackteile. Er erblickte ein paar Männer, deren Uniformen darauf hindeuteten, dass sie für den Great-Smoky-Mountains-Nationalpark arbeiteten. Tanner musste zweimal hinschauen, um zu begreifen, was er da sah: Das Haus, das auf diesem Grundstück gestanden hatte, schien von der Wucht des Flugzeugabsturzes in den Wald gestoßen und völlig zertrümmert worden zu sein.

»He, Tanner!«

Einige Meter weiter drängten sich ein paar Männer mit Klemmbrettern in der Hand. NTSB stand in goldenen Lettern auf dem Rücken ihrer blauen Nylonwesten – National Transportation Safety Board, die nationale Behörde für Transportsicherheit. Gleich neben ihnen stand ein schlammverdreckter grüner Buggy der Marke Polaris Ranger.

Ein kleiner, rotgesichtiger Mann mit drahtigem grauem Haar und einer Brille winkte Tanner zu und löste sich aus der Gruppe. Dale Dexter sah aus wie ein Gartenzwerg, sein gewaltiger Kopf war viel zu groß für seinen schmächtigen Körper.

»He, großer Meister. Du hast es geschafft.«

»Dexter-Baby, was ist Sache?« Tanner schaute auf die Absturzstelle und verzog das Gesicht. »Sieht schlimm aus. Tote?«

»Mindestens drei. Der Pilot und ein weiblicher Passagier und irgendein Pechvogel von Kerl, der meiner Ansicht nach draußen vor der Hütte war, als die Maschine in die Veranda geflogen ist.«

»Und woher willst du das wissen?«

»Wir kratzen das, was von ihm übrig ist, gerade von der Nase der Cessna.«

Wieder verzog Tanner das Gesicht. »Autsch! Das ist kein schöner Tod.«

»Lass mich dich warnen. Nimm dich vor Schlangen in Acht.«

»Versuchst du, mir den Tag zu versauen?«

»Am gefährlichsten sind die Wassermokassinottern. Wenn man dir nicht innerhalb von dreißig Minuten das Gegengift verpasst, fährst du in einer zugenagelten Kiste nach Hause.«

»Du bist ein guter Mensch, Dexter. Du hast immer so ausgesprochen nützliche Tipps, wie man überleben kann. Versprich mir bitte, dass du mir das Gift aus dem Hintern lutschst, wenn ich gebissen werde.«

»So gut befreundet sind wir nun auch wieder nicht, Tanner.«

»Reizend.«

»Aber frag doch deinen Kumpel, Agent Breedon.«

»Ist der hier?«

»Vor einer Viertelstunde hier eingetroffen. Ein großer, muskulöser Junge, der Kaugummi kaut. Spricht nur nicht viel, oder?«

»Nee, der ist stumm.«

»Was?«

»Den Eindruck macht es. Breedon ist ein wortkarger Typ. Erschreckt mich manchmal zu Tode. Du drehst dich zufällig nach hinten um, und da ist er. Oder er schleicht sich wortlos an dich heran. Ich versuche, ihn allein seine Arbeit machen zu lassen und ihm dabei hübsch aus dem Weg zu gehen.«

Dexter kletterte in den Buggy. »Steig ein.«

»Wohin fahren wir denn?« Tanner quetschte seinen übergewichtigen Körper auf den Beifahrersitz, und prompt kippte der Buggy leicht zur Seite. Der Motor knurrte, als Dexter den Startknopf drückte und die Räder von der Absturzstelle weg drehte.

»Wir haben etwa achthundert Meter entfernt, wo ein Teil des Flugzeugs abgestürzt ist, mit einem weiteren Ermittlungsverfahren begonnen. Da ist die eigentliche Action. Das ist nämlich die Stelle, an der wir etwas gefunden haben, was ganz tief vergraben war in diesem Wald hier.«

»Lass mich raten: Jimmy Hoffa?«

»Witzig. Aber so etwas wie das hier hast du noch nie gesehen, großer Meister.«

3

Knoxville, Tennessee

Manche Menschen gedenken ihrer Toten mit Mausoleen, mit aus Stein gemeißelten Engeln, prunkvollen Grüften oder Grabplatten aus Messing.

Ich brauchte solche Dinge nicht.

Die Grabstelle, für die ich mich entschied, befand sich auf einer Anhöhe, und der schlichte Granitstein stand im Schatten einiger dicht beieinanderstehender Zedern. Ich parkte vor dem Friedhof und ging im kalten Licht der Sonne den schmalen Pfad hinauf, trug in der einen Hand einen Strauß gelber Winterrosen und hielt mir mit der anderen den Mantelkragen hoch, um mich gegen die kalte Luft zu schützen.

Das so seltsam schizophrene Wetter in Tennessee konnte einen total überrumpeln. Vor vierundzwanzig Stunden hatten wir um die fünfundzwanzig Grad gehabt. Sonnig war es heute immer noch, aber gut fünfzehn Grad kühler und damit kalt. Im Februar und März gab es schon mal Tage, an denen es schneite, aber keine vierundzwanzig Stunden später herrschte eine Hitzewelle, die den Asphalt zum Schmelzen brachte. Wie ich schon sagte: seltsam.

Der örtliche Friedhof existierte seit 1796, doch die meisten Gräber stammten aus sehr viel jüngerer Zeit. Einige der ersten Siedler der Stadt lagen hier begraben. Ein paar waren Opfer der frühen Indianerkriege, ein paar andere stadtbekannte Würdenträger oder Mitglieder angesehener Familien. Der Rest, zu dem wir alle zählten, waren die unbedeutenden Toten, wie mein Vater es zu formulieren beliebte.

Ich lief vorbei an Grüften aus verwittertem Granit und Marmor, an der aufgehäuften Erde frisch ausgehobener Gräber und an einer Trauergemeinde, die von ihrem eigenen Schmerz gebeugt wurde.

Ein alter Mann fegte ein paar Blätter vom Gehweg und griff sich mit der Hand an seine Baseballkappe. »Morgen, Kath.«

»Guten Morgen, George.« Ich verwickelte den Friedhofsgärtner nicht in unsere übliche Unterhaltung über das Wetter. Mir stand wirklich nicht der Sinn nach einem Plausch, nicht heute, an einem Gedenktag, an dem ich lieber mit mir allein war.

An diesem Tag der Tage wollte ich auf der Erde stehen, die meinen Ehemann, meinen Sohn und meine Tochter zudeckte. Den Stein berühren, in den ihre Namen eingemeißelt waren, und der Heiligkeit gedenken, die unser gemeinsames Leben gehabt hatte. Dieser Stein war so ziemlich das Einzige, was ich hatte, um mich an das Leben zu erinnern, das wir miteinander geteilt und vor acht Jahren verloren hatten.

Ich erreichte den Gipfel der Anhöhe und die beiden Gräber. Das linke war das meiner Mutter. Das andere war für Jack und unsere Kinder. Man hatte die Leichen meines Mannes und meiner Kinder nie gefunden, aber da wir unserer Toten alle mit Grabplatten und Grabsteinen gedenken müssen, traf ich die Entscheidung, hier einen Grabstein aufstellen zu lassen.

Links neben den Gräbern stand eine kleine Bank, doch bevor ich mich darauf setzte, legte ich die Rosen auf die Gräber, verteilte sie gleichmäßig, das Gelb ein Klecks lebendiger Farbe vor dem schwarzen Granit. Ich sprach meine Gebete und sagte das, was ich sagen wollte, das, was ich immer sagte – dass ich sie so sehr vermisste, dass ich mich danach verzehrte, sie wiederzuhaben, dass ihr Tod einen so grauenvollen Schmerz zurückgelassen hatte, ein nicht enden wollendes Leiden. Dass nichts sie ersetzen konnte, nichts, niemals. Und dann stand ich da im Licht der warmen Sonne, und meine Augen glitten über den glatten, schwarzen Granit, und ich starrte auf die schlichten eingemeißelten Worte, die der Grund für meinen Schmerz waren:

Hier ruhen Jack Hayes, geliebter Ehemann von Kath.

Und ihre beiden Kinder, ihr Sohn Sean und ihre Tochter Amy.

Bis wir wiedervereint sind. Ihr werdet vermisst.

Ich vermisste sie immer noch. Manchmal vermisste ich sie so sehr, dass ich mich körperlich krank fühlte, meine Trauer so überwältigend wurde, dass ich kaum noch atmen konnte. Ich hatte natürlich Träume und Erinnerungen und Fotos. Aber meine Träume wurden manchmal gestört, und Fotografien waren immer so unzureichend, weil sie die eigentliche Wahrheit nie erfassten – die Seele, die sich hinter dem Bild verbarg, die Schönheit hinter dem Lächeln, das Glück hinter dem Lachen.

Sie hatten nie einfangen können, wie Jack in Wahrheit gewesen war, der Mann, den ich gekannt hatte, seit wir einander in Fort Campbell, einem Stützpunkt der United States Army, zum ersten Mal begegnet waren. Ich ging damals im letzten Jahr zur Highschool und war achtzehn Jahre alt, und er war dreiundzwanzig und Hubschrauberpilot der Army – warmherzig, zäh, lustig. Ein fürsorglicher Ehemann und Vater und die Liebe meines Lebens.

Den wahren Sean konnte man nicht auf dem Foto sehen, das an seinem dritten Geburtstag während eines Urlaubs in Myrtle Beach aufgenommen worden war. Man konnte lediglich sehen, dass er ein bildhübscher kleiner Junge war, mit blonden Haaren und einem schiefen Lächeln. Er liebte es, in meine Arme zu rennen, gedrückt und gekitzelt zu werden. Er war nie ein Kind, das böse wurde oder einen Wutanfall bekam, weil er mehr Schokoladeneis haben wollte.

Und die anderen Fotos – die Bilder von Amy, meinem entzückenden kleinen Mädchen, das vor Energie nur so schäumte und über eine derart ausgeprägte Lebenslust verfügte, dass es mir immer wieder den Atem verschlug.

Am meisten hatte mich verstört, wie sie gestorben waren. Auf einer Geschäftsreise vor acht Jahren, in einem Firmenjet, der auf dem Weg von New Orleans nach Savannah in einen Sturm geraten und abgestürzt war. Eigentlich hatte Jack die Kinder gar nicht mitnehmen sollen. Die Entscheidung war erst in letzter Minute gefallen, weil Amy Geburtstag hatte. Ich musste arbeiten und konnte mir nicht freinehmen, aber Amy und Sean freuten sich so darauf, Savannah zu sehen, die Gespensterhauptstadt der USA, und waren ganz versessen darauf, eines der Häuser zu besuchen, in denen es spukte, sodass Jack einen Chauffeur organisiert hatte, der sie nicht nur dorthin bringen, sondern ihnen auch eine private Führung geben wollte. Mir wäre niemals in den Sinn gekommen, dass sie werden sollten, wovor sie sich am meisten fürchteten – Gespenster der Lebenden, Seelen der Toten. Diese Ironie des Schicksals brachte mich zum Weinen.

Ich stellte mir immer vor, dass man bei einem Flugzeugabsturz von einer Sekunde auf die andere zu Tode kam, wenn die Maschine in der Luft explodierte. Zugleich konnte ich nie aufhören, mir Gedanken über das grenzenlose Entsetzen zu machen, das sie empfunden haben mussten, falls das Flugzeug noch intakt gewesen war, als es von extremen Turbulenzen hin und her gerüttelt durch die brodelnden Gewitterwolken Richtung Erdboden trudelte – ihre panische Angst musste ein Eigenleben entwickelt, der Tod ihnen geradewegs ins Gesicht geblickt haben.

Wenn ich mir das bildhaft vorstellte, fing ich jedes Mal an zu zittern. Manchmal weinte ich vor lauter Verzweiflung – weil meine wunderschöne Tochter, mein Sohn und mein Mann diese erdrückende, chaotische Furcht hatten ertragen müssen, während ihr Flugzeug Richtung Erde stürzte. Die Vorstellung brach mir das Herz und zerfetzte meine Seele.

Und was mir nach ihrer aller Tod wirklich Angst machte, war die Verhärtung meines eigenen Herzens. Für das Leiden anderer Menschen interessierte ich mich überhaupt nicht mehr. Musik, die mich einstmals stimuliert hatte, berührte mich nicht mehr. Ich war auf einmal wie abgestumpft, ohne jeglichen Affekt. Ein Kind zu verlieren, ist in jeder Phase des Lebens dermaßen unnatürlich und falsch, dass man danach nur schwer wieder einen Sinn für sein Leben finden kann. Zwei Kinder und meinen Mann zu verlieren, war ein so verheerender Verlust, dass ich überzeugt war, mich niemals wieder davon erholen zu können. Ich rechnete ständig damit, eines Tages aufzuwachen und festzustellen, dass das Ganze lediglich ein grausamer Scherz gewesen und alles okay war. Das war es aber nicht.

Man lernt eine Menge, wenn man einen Menschen verliert, den man liebt. Wenn man seine ganze Familie verliert, lernt man noch mehr. Ich lernte, dass mein Mann, um die Belastungen zu überstehen, denen er im Irak ausgesetzt gewesen war, um zu verarbeiten, dass er im Kampfeinsatz Freunde und Kameraden verloren hatte, über unglaubliche Stärke und innere Kraft verfügt haben musste.

Und ich besaß weder das eine noch das andere.

Ich zerbrach.

Die Tatsache, dass sie nicht mehr da waren, verfolgte mich wie ein Gespenst, und so fing ich an, zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Friedhof zu gehen und mich dort neben den Gräbern auf den Boden zu legen. Ich streckte mich der Länge nach auf der kalten Erde aus und spürte, wie sie mir in die Knochen kroch, genau so, wie sie ihnen in die Knochen gekrochen war, wo immer sie auch lagen. Sehr lange fühlte sich mein Herz so brüchig an wie Holzkohle, meine Seele so ausgehoben wie die frischen Gräber dieses Friedhofs.

Zweimal war ich ernsthaft überzeugt, Jack in dem Waldstück hinter unserem Haus zu sehen, genau an der Stelle, an der er früher mit den Kindern gespielt hatte oder spazieren gegangen war. Beide Male rannte ich nach draußen, rief seinen Namen und folgte der geheimnisvollen Gestalt tief in den Wald, aber im Endeffekt war dort niemand.

Menschen, die mich kannten, mussten mich damals für verrückt gehalten haben. Und eine Zeitlang war ich das auch. Mein Arzt riet mir, angstlösende Medikamente zu nehmen. Ich sperrte mich dagegen. Ich wollte den Schmerz spüren. Der war das Einzige, was ich hatte, das Einzige, was mir ermöglichte, mich an das Glück meines verlorenen Lebens zu erinnern.

Und obwohl ich auch jetzt noch manchmal träumte, vor allem an Geburts- und Jahrestagen, träumte ich inzwischen seltener. Ich vermisse dich, Jack. Ich vermisse euch, Amy und Sean.

Vermissen würde ich sie immer.

Als ich so dastand, versunken in der Grauzone zwischen Gegenwart und Vergangenheit, vernahm ich hinter mir plötzlich ein Geräusch und drehte mich um. Ich hätte niemals raten können, wer dort stehen würde, keine Sekunde, und der Anblick erschütterte mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel …

4

Die Vergangenheit

Jede Ursache hat eine Wirkung; es gibt immer eine Vorgeschichte. Dieses Klischee lernte ich in meinem ersten Jahr im College in einem Kurs für kreatives Schreiben. Und es ist die Wahrheit, denn wenn ich mir vor Augen führe, was am Tag meiner Hochzeit geschah, erkenne ich im Rückblick die Auslöser für den Zorn meiner Mutter so deutlich, als leuchteten sie in großen Lettern auf einer Neonreklame.

Sie war schon die ganze Woche über missmutig gewesen – daran erinnere ich mich – und schürte das Feuer ihrer Verbitterung noch weiter, indem sie während der Trauungszeremonie aus ihrem Flachmann Wodka trank. Zu allem Übel machte sie sich auch noch betrunken an den gutaussehenden Pastor heran, der die Trauung vorgenommen hatte. Unbeeindruckt von der Tatsache, dass der Mann das peinlich fand und ihr eine entsprechende Abfuhr erteilte, baggerte sie als Nächstes den attraktiven jungen Gitarristen der Band an, griff nach seinem Arm und versuchte, ihn auf die Tanzfläche zu ziehen.

»Nun komm schon, Süßer. Beweg die Füßchen, bis der Parkettboden qualmt. Ich will Flammen sehen, mein Herzchen.«

Der entsetzte junge Mann schob sie von sich weg, als wäre sie eine Vampirin, die versuche, seine Halsschlagader zum Zubeißen zu finden. »Nimm deine Pfoten von mir, du verrücktes, altes Weib.«

Ich weiß nicht, was meine Mutter mehr verletzt haben könnte, »verrückt« oder »alt«. Alt war sie mit ihren vierundfünfzig Jahren sicher nicht, obwohl ihr Gesicht aufgrund des Umstands, dass sie dem Alkohol so sehr zugetan war, ein Jahrzehnt älter aussah. Mir ist heute allerdings bewusst, dass sie an jenem Tag verzweifelt nach irgendeiner Zerstreuung suchte, dass sie etwas brauchte, was sie von der trunkenen Rage ablenkte, die sie innerlich verzehrte, und vielleicht auch von der Erkenntnis, welch grausame Sünde sie nur kurze Zeit später begehen würde.

Ich erinnere mich daran, dass meine Brautjungfer Courtney, meine beste Freundin, meinen Arm drückte, als sie mitbekam, wie groß mein Entsetzen darüber war, dass Mutter mit dem Pastor und dem Gitarristen flirtete. Courtney war eine Frau, auf die alle Männer total abfuhren, unkompliziert, geistreich und temperamentvoll; wie ihre Fingernägel und Haare aussahen, war ungemein wichtig für sie. Wir nannten sie Crazy C, weil Courtney eine wilde Seite hatte, ständig Unfug im Sinn hatte, von einer Party zur anderen lief und Ärger bekam. Wenn ich mich meiner Mutter schämte, versuchte sie deren Rücksichtslosigkeit jedoch immer herunterzuspielen, um mir das Ganze damit zu erleichtern. »Nun komm schon, Süße, sieh das mal positiv. Man kann Martha Beth vielleicht eine Menge vorwerfen, aber wenn es um attraktive Männer geht, hat sie einen ausgezeichneten Geschmack.«

Courtney, die sich in meinen Bruder Kyle verliebte und ihn unbedingt heiraten wollte; die gleiche Courtney, die ich in einer warmen Sommernacht auf frischer Tat mit meinem Vater erwischte. Als ich sie fand, hatten sie sich der Hälfte ihrer Kleidung bereits entledigt und küssten einander wie liebenshungrige Teenager an einer Stelle am Seeufer, an der die Glühwürmchen tanzten und glitzerten. Das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich von meinem Vater enttäuscht war.

Aber das war eine andere Geschichte, die sich erst sehr viel später zutragen sollte, ein grotesker Handlungsfaden im unendlichen Theaterstück unserer Familie.

Courtney und ich waren seit der Kindergartenzeit miteinander befreundet. Genau wie ich war sie auf einem Militärstützpunkt aufgewachsen. Ihr Vater war Offizier bei der Criminal Investigation Division, der Militärstrafverfolgungsbehörde der United States Army, kurz CID genannt, und ermittelte dort bei Verbrechen, die innerhalb des Militärs begangen wurden. Die gleiche Laufbahn sollte Courtney einschlagen, als sie Offizier der CID wurde. Dabei hätte ich im Leben nicht gedacht, dass sie je eine Militäruniform anziehen würde. Ich nehme an, unsere DNA-Stränge sind stärker, als wir meinen.

Während unserer Schulzeit auf dem Army-Stützpunkt konnte nichts unseren Freigeist bremsen, nicht einmal Stacheldraht. Mein Vater witzelte gern, dass wir, für den Fall, dass man uns je in ein Gefängnis steckte, dort dem Fluchtkomitee vorstehen würden.

In den Highschool-Jahren ging für Courtney und mich so richtig die Post ab. Sie ging gern auf Partys, dachte sich nichts dabei, den Wagen ihrer Eltern zu stehlen, und fuhr uns dann zum Tanzen oder zum Biertrinken an den See. Mit Courtney war das Leben immer total aufregend, ich fühlte mich wie eine Gangsterbraut. Einmal, als meine Eltern am Wochenende auf eine Party eingeladen waren, gaben wir in ihrem Haus selbst eine Party, und die veranschaulichte Courtneys Dreistigkeit.

Sie organisierte mehr als vierzig Freunde und alles bis hin zu den Gläsern mit dicken Maraschino-Kirschen und den bunten Schirmchen für die merkwürdigen Cocktails, die sie so gern mixte. Und dazu gab es dann sorgsam ausgewählte Stehblues-Songs, zu denen sie das Licht herunterschaltete.

Jeder Junge, den ich kannte, verzehrte sich nach Courtney, doch sie stand nur auf meinen Bruder, und Kyle empfand das Gleiche für sie. Manchmal hörte ich die beiden auf der Veranda hinter dem Haus singen. Kyle spielte dann die Gitarre, die mein Dad ihm einmal zu Weihnachten geschenkt hatte, und in aller Regel versuchten er und Courtney es mit einem Duett, irgendeinem Country-und-Western-Hit oder einem alten Song von Joni Mitchell oder Bruce Springsteen. Wenn sie die hohen Noten nicht trafen, lief es immer darauf hinaus, dass sie sich durch den Rest des Liedes lachten.

Sie lachten viel, wenn sie zusammen waren. Sie schienen einander gut zu tun. Und Kyle war zwar ein schüchterner Junge, wurde in Courtneys Gesellschaft aber zu einem Schlingel.

Einmal, als eine Kirmes ihre Zelte in der Stadt aufschlug – eine richtig große mit einem gewaltigen Riesenrad und Autoscooter –, fuhren Kyle und Courtney zu einem Baumarkt und kauften dort einen fünfzehn Zentimeter langen Gewindebolzen. Die Kirmes wurde von den Casey-Brüdern betrieben – nervösen Männern mit behaarten Rücken, die schmuddelige Westen und braune Werkzeuggürtel aus glattem Leder um die Hüften trugen. Sie rauchten Kette wie werdende Väter und liefen die ganze Zeit mit wachsamem Blick von einem ihrer uralten, quietschenden Fahrgeschäfte zum anderen, als rechneten sie jeden Moment mit einer Katastrophe, die es mit der der Hindenburg aufnehmen konnte.

Nachdem Kyle und Courtney mehrmals hintereinander mit dem Riesenrad gefahren waren, stiegen sie aus, und Kyle hielt den dicken, langen Bolzen hoch: »Sir, entschuldigen Sie bitte, aber ich habe das hier gefunden.«

Der ältere der beiden Casey-Brüder war so entsetzt, als er den Bolzen sah, dass ihm die Augen aus dem Kopf traten wie einem Soldaten, der soeben versehentlich den Stift einer Handgranate gezogen hat. Dann starrte er auf das vor ihm in den Himmel ragende Riesenrad und brüllte: »Anhalten! Halt das verdammte Biest sofort an! Alle runter von dem Rad! Hol sie alle da runter, nun macht schon! Runter, um Gottes willen!«

Kyle und Courtney eilten von dannen, versteckten sich hinter einer Mauer, wo sie alles Weitere beobachten konnten, und krümmten sich vor Lachen, als die Casey-Brüder auf dem ganzen Riesenrad herumkletterten und dort jede einzelne Schraube und jede Mutter überprüften.

Die meisten Mädchen hätten es nicht sonderlich geschätzt, wenn ihr Bruder mit ihrer besten Freundin herummachte. Mir machte das nichts aus. Courtney war loyal, trank im Grunde nie zu viel Alkohol, rauchte niemals Marihuana und hurte nicht herum – obwohl sie vermutlich so ziemlich alles andere tat.

Am Tag unserer geplanten Party rauchte sie auf der Veranda hinter dem Haus eine der besten panamaischen Zigarren meines Vaters, hustete, blies den Rauch aus und gab mir dann einen ausgesprochen guten Rat: »Vergiss ja nicht, die dämliche Warnung des Kaplans zu ignorieren, wenn ich einen Stehblues auflege, okay?«

»Was für eine Warnung war das denn?«

Courtney imitierte den Südstaatenakzent des Pastors: »Ihr jungen Ladys müsst vorsichtig sein, ja? Wenn ihr zu langsamer Musik mit einem Jungen tanzt, müsst ihr zwischen euren Körpern immer genug Platz lassen für Jesus.« Sie kicherte. »Soweit es mich angeht, kann Jesus diese Tänze gern aussitzen.«

Für den Fall, dass meine Eltern vorzeitig nach Hause kamen – was durchaus möglich war, wenn man meiner Mutter keinen hochprozentigen Schnaps kredenzte –, stellten wir Leute an die Fenster, die Schmiere standen. Kurz vor Mitternacht, als die Party auf Hochtouren lief und Courtney gerade eine weitere Schüssel Bowle zusammengebraut hatte – einen ihrer aus merkwürdigen Zutaten bestehenden Cocktails mit Kirschen, die auf winzigen bunten Schirmchen steckten –, sah jemand Scheinwerfer auf der Auffahrt aufblitzen und brüllte: »He, das sind sie!«

Courtney und ich kreischten aus vollem Halse: »Alarmstufe rot! Versteckt euch!« Und dann wurde die Musik abgedreht, und Horden schlagartig nüchterner Teenager trampelten einander fast nieder, weil sie es so eilig damit hatten, sich zu verstecken, als sei ein Rudel plündernder Zombies im Begriff, ins Haus einzudringen.

Als meine Eltern die Diele betraten, waren sie in Begleitung der Saufkumpane meiner Mutter: Courtneys Eltern, Captain und Mrs.Vicky Adams. Es sah so aus, als habe die Party nicht ihren Erwartungen entsprochen, sodass meine beschwipste Mutter beschlossen hatte, dass sie jetzt alle zu uns nach Hause fuhren, um dort ein paar »anständige« Drinks zu konsumieren.

Eine Weile hielten sie sich im Arbeitszimmer meines Vaters auf, in dem an einer Wand die wie Schwerter gekreuzten Flaggen Irlands und der USA standen. Meine Eltern zeigten den Adams’ Fotos von der Irlandreise, die sie anlässlich ihres Hochzeitstages unternommen hatten – Bilder, auf denen sie im Blarney Castle den »Stone of Eloquence« küssten, hoch über smaragdgrünen Feldern auf den Steinklippen von Moher und den Befestigungsmauern der Burg für die Kamera posierten und in einer irischen Bar mit Whiskys anstießen und meine Mom mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einem halben Liter Guinness in der Hand rittlings auf einem Esel saß. Und das Andenken an die Irlandreise, das ihr am meisten bedeutete: eine fünfzehn Zentimeter große Bronzestatue des legendären keltischen Vogels, der auf dem Ast eines Dornenbaums saß.

Es stellte sich allerdings heraus, dass meine Mutter Mrs.Adams auch unsere renovierten Badezimmer zeigen wollte. »Du wirst staunen, wenn du die neuen Badewannen und Duschen siehst, Vicky!«

Als sie mit einer Zigarette zwischen den Lippen, an der lang die Asche hing, das große Badezimmer betrat und den Duschvorhang aufzog, schaute sie plötzlich auf Courtney und Kyle, die in der Badewanne standen und riesige Cocktailgläser umklammerten, die eine schlammfarbene Flüssigkeit enthielten.

Für etwa eine Sekunde herrschte fassungslose Stille. Meine Mutter brach sie in dem Moment, in dem ihr die Asche von der Zigarette fiel. »Was um alles in der –«

»Hi, Mom. Willkommen zur Party.« Kyle kicherte, und sein Gesicht lief rot an, wie es das immer tat, wenn ihm etwas so richtig peinlich war. Der Cocktail machte das Ganze vermutlich nicht besser, doch nicht lange, und Kyles Gesichtsausdruck veränderte sich, sodass er plötzlich aussah, als habe man seine Kronjuwelen irgendwo eingeklemmt oder ihn nackt mit einem Au-pair-Mädchen erwischt.

Mrs.Adams war so gescheit, sich mit zwei großen Schritten rückwärts aus der Badezimmertür nach draußen auf den Korridor zurückzuziehen. Dass meine Mom das Ganze regelte, war ihr nur recht.

»Mom!«, rief Courtney ihrer Mutter in flehendem Ton nach, doch Mrs.Adams winkte mit der Unbekümmertheit einer Beschwipsten ab und sagte zu ihrer Tochter: »Dein Problem, Schätzchen.«

Courtney versuchte es bei meiner Mutter mit einem frechen Grinsen. »Hi, Mrs.K. Sie sehen großartig aus. Haben Sie sich heute Abend gut amüsiert?« Mit großen versoffenen Augen, die mit blauer Wimperntusche geschminkt waren, starrte sie meine Mutter an.

»Kyle, komm aus der Wanne raus und warte draußen.«

»Mom …«

»Keine Widerrede!«

Kyle stahl sich davon. Wenn meine Mom angetrunken war, legte man sich nur mit ihr an, wenn man Todessehnsucht verspürte. Meine Mutter nahm Courtney das Glas aus der Hand, trank einen Schluck von dem Gesöff und verzog das Gesicht. »Was ist das denn für ein Mist?«

»Soda.«

»Und was noch?«

»Whisky.«

»Und?«

»Wodka. Ein bisschen Pfefferminzlikör.«

»Mit einer Kirsche?«

»Ich dachte, ein bisschen Vitamin C wäre gut.«

»Das sieht aus wie etwas, was sie in einem Irrenhaus zusammenbrauen würden.« Meine Mutter drehte sich um und starrte mich so zornig an, wie sie das sonst nur tat, wenn sie Bette Davis nachahmte. »Schaff Courtney hier heraus und auch all die anderen Weicheier und Loser, die sich noch im Haus verkrochen haben, oder ich werde mir das Gewehr deines Vaters holen und anfangen zu schießen.«

Alle, die mit mir zur Highschool gingen und mich kannten, waren der Meinung, dass meine Mutter eine Verrückte war; da brauchten sie nicht noch Gewehrfeuer als Beweis. Was zur Folge hatte, dass meine Freunde zu Dutzenden aus ihren Verstecken kletterten und aus der Eingangs- und Hintertür nach draußen flitzten wie Ratten, die ein sinkendes Schiff verließen.

Meine Mutter leerte das Glas bis zum letzten Tropfen und warf es dann ins Waschbecken, wo es klirrend zerbrach. »Und ihr dürft dieses Haus erst wieder betreten, wenn ihr gelernt habt, wie man einen anständigen Cocktail mixt, kapiert?«

5

Der blaue Ford Taurus meines Vaters hielt unweit des Friedhofstors. Ich sah, dass das Aussteigen ihm Mühe bereitete, was er aber niemals zugegeben hätte, und dass er seine Fußprothese leicht hinter sich herzog, als er an dem Friedhofsgärtner vorbeilief. Für einen Mann, der sein Leben lang mit dem Tod konfrontiert gewesen war, hatte er eine ausgeprägte Abneigung gegen Friedhöfe. Er kam nur selten her, wenn überhaupt einmal.

»Morgen, Colonel.«

»Morgen, George.« Mein Vater tat so, als würde er vor dem Friedhofsgärtner salutieren. Die Leute redeten ihn nach wie vor mit seinem militärischen Titel an, obwohl er seit Jahren im Ruhestand war.

Als er mir entgegenlief, sah ich, dass er ein in braunes Packpapier eingewickeltes Paket unter dem rechten Arm trug. Es schien schwer zu sein.