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In der Erzählung "Die sich gegen ein auszehrendes Gesetz stellten" wird von den Gefährtinnen und Gefährten um David, werdender Anwalt, erzählt, die eine mutige Aktion planen für eine bessere, gerechtere Republik und gegen ein zurückweisendes Gesetz. In "Das Leben vor und nach dem Internierungslager" geht es um Gabriel, dessen Beziehung zu einer Tänzerin geprüft wird, und der als freier Journalist bald zu einer Insel im blauen Meer aufbrechen soll, auf der er Flüchtlingen und Internierten begegnet. Doch die Begegnung mit den Internierten lässt ihn eine große, eigene Illusion im Leben erkennen. In der Erzählung "Licht und Leid an den Plätzen der Republik" soll eine Großstadt in Deutschland vor der Auferstehung eines vorbei geglaubten Kriegszustands und dem drohenden Inferno bewahrt werden. Die Hölle des Zweiten Weltkriegs wirkt nach. Frieden, Krieg und der hohe Wert der Demokratie werden thematisiert. In "Nachts am Fluss" erwachsen aus Massenentlassungen in einer Kunststofffabrik gefährliche Folgen, bald ermitteln auch Polizeibeamte und die Justiz ... In "Erwartungen" kollidieren Wunschdenken und Wirklichkeit in der kleinen Welt eines Kaufmanns. In "In einer neuen Stadt" erzählt von einem jungen Menschen, der im Winter unweit der Leoparden mit einem kargem Lohn arbeitet und Arzt werden will. Trotz Schwierigkeiten mit dem Direktor und der Fremde will er sich nicht beugen und seine Zukunft in der Fremde errichten. Ein ehemaliger Hauptmann kehrt in "Zurück vom Soldatenlager" zurück in die Heimat, besucht mit der Nichte eine Vorstellung bei den Seiltänzern und Tigerdompteuren und verliert sich zwischen Gegenwart und der Macht und Ohnmacht der Kriegstage. In "Erinnerungen eines alten Mannes" reist Gabriel von der Soldatenkaserne zu seinem Vater, bei dem er einen guten Tag verbringt, und hört vom Großvater nahe der Stadt Antep, vom stolzen, unbeugsamen Mann nahe des Euphrat, den sein Vater nicht vergessen hat ... ("Erinnerungen eines alten Mannes") In "In einer irischen Stadt, fern des Krieges" will ein älterer Bruder aus Irland den eigenen jüngeren Bruder, der dem Krieg entfloh, auf einer Insel zwischen den Kontinenten finden. In "Fahrt mit einem Schmuggler" lotst ein alter Mann jemanden illegal durch eine Großstadt und das Land - dabei erzählt er von Gerichtsprozessen, Kämpfen für bessere Löhne und Arbeiterbedingungen, von den ersten Palästen der Menschheit und ehrlich vom Leben. Immer handelt es sich in den Erzählungen von Deniz Civan Kacan um den Einzelnen und die Herausforderung, sich in einer fest gefügten Welt mit ihren Gesetzen und Normen zu finden und zu behaupten, ob in der Heimat oder Fremde: oft existenziell, gegen eine ungerechte, aggressive, auszehrende oder zerfallende Ordnung mit Würde und Stolz zu erheben, kämpferisch, schlau, zweifelnd, mutig. Die sich gegen ein auszehrendes Gesetz stellten Das Leben vor und nach dem Internierungslager Licht und Leid an den Plätzen der Republik In einer neuen Stadt Fahrt mit einem Schmuggler Nachts am Fluss Erwartungen Erinnerungen eines alten Mannes Zurück vom Soldatenlager In einer irischen Stadt, fern des Krieges
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Die sich gegen ein auszehrendes Gesetz stellten
Das Leben vor und nach dem Internierungslager
Licht und Leid an den Plätzen der Republik
In einer neuen Stadt
Fahrt mit einem Schmuggler
Nachts am Fluss
Erwartungen
Erinnerungen eines alten Mannes
Zurück vom Soldatenlager
In einer irischen Stadt, fern des Krieges
Zum Autor:
Deniz Civan Kacan, geboren in Minden/Westfalen, besuchte das Gymnasium und erlangte später auf dem Kolleg das Abitur. Vor und nach dem Abschluss zum Journalisten an der ILS Hamburg 2010 war er als freier Reporter für verschiedene Zeitungen, sowie ein Online-Portal tätig. Er veröffentlichte dort Berichte, Meldungen, Kritiken, Interviews, Features, Reportagen. Er lebt heute in Schaumburg. Er entstammt einer Arbeiterfamilie und ist Schaumburger türkisch-kurdischer Herkunft (Mutter: Türkin/ Vater: Kurde).
Deniz Civan Kacan veröffentlichte in Magazinen, wie "Die Brücke", Lyrik und Short Stories. Ein großes Interessengebiet ist Geschichte, vor allem folgende Epochen: Mesopotamien (von Sumer über das "unbekannte Weltreich de Hethiter", vom Königreich Mittani bis zu Medern), die Ära König Saladins, das Osmanische Imperium, die deutsch-osmanischen Beziehungen, die Französische Revolution und die Auswirkungen der Aufklärung (Voltaire, Kant) und des Säkularismus für Europa und die Welt (Mustafa Kemal Pascha: Visionär, General, Kulturrevolutionär).
Zudem die Epoche Europas von 1914 bis 1949.
Durch den Kampf und die Aktionen des Widerstands gibt es die Chancen zur Veränderung in unserer Welt.
Durch unseren Kampf und unsere Aktionen wird es bald zur Veränderung in der Republik, in unserer Stadt kommen, dachte er.
Durch unseren Kampf und die heute bevorstehende Aktion werden wir den Weg ebnen für das neue Gesetz in unserer Welt.
David war der Sohn des Fischers Manuel Rejas, der in Norddeutschland in einer Reederei und Glasfabrik gearbeitet hatte. Es gab immer wieder karge Jahre, doch die erste Heimat stand viele Jahre nicht zur Wahl. Ehe er ganz ergraute, ein Krebsleiden überstanden hatte und entschied, den Lebensabend und die letzten Tage in Ferreira, an der Küste Portugals zu verbringen, in einer ärmlich geprägten Gemeinde und doch lichtvollen Welt nahe dem Atlantik.
David wollte nicht zurückkehren und mit einem vollen oder dünnen Fischernetz fischen. Er hatte Pläne und Ziele für das Leben in Deutschland, in der Welt, die er kannte und verändern konnte, studierte Rechtswissenschaften und wollte in wenigen Jahren als Rechtsanwalt in einer deutschen Kleinstadt oder Großstadt arbeiten.
Er wollte das eigene Anwaltsbüro möglichst bald betreten, aber es gab viele schwerwiegende Faktoren, die sich gegen das Öffnen des eigenen Büros und den weiteren Weg des Jurastudenten richteten oder aufrichteten. Wie graue, geschützte Mauern oder etliche Barrikaden, die nicht über Nacht errichtet worden waren und nicht in wenigen Tagen des Kampfes und Widerstands niedergerissen werden konnten – trotz der dynamischen, modernen Gesellschaft Deutschlands.
Das größte Hindernis auf dem Weg zum eigenen Anwaltsbüro war ein Gesetz, dass allen Arbeiterkindern der Leibniz Universität, mit den beiden Steinlöwen davor, eine erhebliche finanzielle Last war. Einer gehässigen Benachteiligung glich. Die Gräben, die das Gesetz in ihrer Welt schuf, sagte sich David Rejas, sollten fortgetrieben werden wie Totengräber an solch einem Graben.
Und es ging hier um Würde und Respekt vor dem Volk. Sie waren der Überzeugung, es handelte sich beim existierenden Gesetz um die Schaffung von Bürgern und Menschen erster und zweiter Klasse in dieser demokratischen Republik, für mindestens eine Generation. An diesem Tag in Hannover, dachte David, ging es um dieses die Reichen erhebende und die Arbeiterkinder aussondernde Gesetz.
Alle waren sie mit dem gleichen, naturgegebenen Recht der Würde innerhalb einer Demokratie ausgestattet, ob der Sohn eines Arbeiters, Fischers, Abgeordneten, eines Offiziers, alle wurden sie von einer Mutter geboren, hatten sie Vernunft zum Vergleichen und Aufklären, Fähigkeiten, zwei Hände, die etwas schaffen, aufbauen und sich erheben konnten, ein Herz, ihre Würde.
Wieder dachte er:
Durch unseren Kampf und unsere Aktionen würde es bald zur Veränderung in der Republik und in unserer Stadt kommen.
Durch unseren Kampf und unsere heute bevorstehende Aktion werden wir den Weg ebnen für das neue Gesetz in unserer Welt.
Alle sollten sie die Chance haben in dieser demokratischen Republik den eigenen Weg zu wählen, ein Rechtsanwalt, Arbeiter oder Vorarbeiter, Bürgerrechtler oder gar Parlamentsabgeordneter im Landesparlament oder Staat zu werden. David hatte für die angemessene Abänderung des Gesetzes mit einigen Gefährtinnen und Gefährten eine weitere Aktion vorbereitet.
Denn das Gesetz verhöhnte sie. Der Ideologie dahinter gefiel der Status Quo wie in einer festgefahrenen Schach-Matt-Ausgangssituation. Das Gesetz legte das Fundament für eine Mehrklassengesellschaft und bewahrte dieses Unrecht.
Die Stadt war an diesem Vormittag verschneit. Der Schnee lag auf den Dächern, Autos.
Schneefarbene und matschige Straßen. Sie hatten sich unweit der Löwenstatuen der Leibniz Universität in dicke Mäntel gepackt. Die Gruppe um David stand vor ihrer länger geplanten, wichtigen Aktion, die die Regierenden in der Stadt und im Landesparlament hören sollten, damit das Anwaltsbüro näher kam. Und man später nicht, zurückblickend, diese Jahre als vergeudet und verloren betrachtete. Gar auf magere Fischernetze setzte.Kurz erinnerte sich David, der die Gruppe in dieser deutschen Stadt anführte bei den Aktionen für ein angemessenes Gesetz hinsichtlich der Arbeiterkinder, an den Bahnhofsplatz vor etwa einem Jahr und an jene Aktion. Damals gab es noch kältere Tage und stärker verschneite Straßen, durch die der Direktor der Leibniz Universität und die Erstsemestler gingen. Schnee, fahle Gesichter, schwere Mäntel und seiner Auffassung nach noch kein bedeutender Schimmer des Durchbruchs oder des Akzeptierens der Protestaktion. Weder durch die Passanten, die sie in jener Nacht informierten noch durch die Regierenden, was natürlich bedeutungsschwerer war. Sie belagerten damals dennoch den Platz an der Ernst-August-Galerie, unweit der thronenden Pferdestatue am Eingang zum Hauptbahnhof dieser Stadt, mit einem riesigen Leuchtstrahler und Banner. Damit die Einwohner und Besucher der Stadt, die Mitglieder des Rathauses und Regierenden über die Aktion und das beabsichtigte Ende der Benachteiligung der Arbeiterkinder redeten, stolperten, während es in der ganzen Nacht schneite, nicht aufgehört hatte zu schneien, für das Auge Himmel, Erde und das moderne Städtebild mit den Straßenbahnen, Cafés, teils dreckigen Dächern vom Schnee überdeckt war.Und sie den verschneiten Platz bis zur Morgendämmerung belagerten, an ihrem armseligen Lager mit Kaffee und Zigaretten und Bannern ausharrten. Damit man im Regierungsbezirk etwas änderte. Doch noch bedurfte es weiterer Aktionen, denn es hatte bis zu diesem Tage keine Gesetzesänderung gegeben. Doch sie glaubten an ihre Aktionen und eine mögliche Gesetzesänderung: Diese Aktion würde ein Wendepunkt in ihrem Kampf für eine bessere, gerechtere Erziehung und Bildung in Deutschland, die allen zugänglich sein sollte, bedeuten. Denn sie fände in einem Zentrum der politischen Macht dieser Stadt statt, sagte David mit einem noch immer lebhaften, manchmal glühend aufflackernden Eifer in den Augen und im Herzen.Für die Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft, dachte er dann.Für die Gerechtigkeit in diesem fortschrittlichen Deutschland, in dieser Demokratie, für eine würdevolle, selbstbestimmte Zukunft, die allen ermöglicht wird!Für die Gerechtigkeit an den Schulen, Universitäten in unserer und in den folgenden Generationen!An diesem Tag flog der Wind heftiger über den Parkplatz der Universität.Schneeflocken wirbelten von den Bäumen und der Fläche des gegenüberliegenden ehemals grünen Parks der Universität, ebenso von der Überdachung der Bahnhaltestelle über die Straße zu ihnen.Der Schnee wirbelte dann mit dem aus der veränderten Richtung herfliegenden Wind von ihnen, vom Platz vor dem Universitätsgebäude und von jener Straßenseite wieder zu den Plätzen und Bäumen der gegenüberliegenden Seite.Und hinter den eisigen, gefrorenen Flächen und der harten Erde:Der Kampf gegen das Unrecht in ihrer Welt. Die Aktion und wartenden, unverkäuflichen Banner.Wegen der gekannten Entbehrungen des Volkes, der Kälte, des Unrechts gegenüber den Arbeiterkindern, der Hürden, den Reichen niemals derart bekannt.
Hunderttausende und mehr Menschen wurden ausgesondert.In diesem deutschen Bildungssystem fehlt die soziale Gerechtigkeit, zehntausende Arbeiterkinder werden weiterhin durch die Studiengebühren für die Arbeiterfamilien und den beibehaltenen, hohen Hürden ausgesondert. Schluss mit dieser radikalen Auslese, Schluss mit den beleidigenden Gesetzen!Wir werden diese soziale Auslese niemals akzeptieren, das wache, aufgeklärte Volk wird es nicht! Diese wichtige Aktion wird uns zum neuen Gesetz, zum gerechten System einen Schritt voranbringen!Es wird und muss viel mehr Ärzte, Doktorinnen, Rechtsanwälte, Journalisten, Lehrer, auch aus der Schicht der Arbeiterkinder geben. Das werden sie nicht verhindern können.Es verging eine Weile, dann vernahmen sie vom ersten Schlag gegen ihr Vorhaben und bemühten Sieg über die Gruppe an diesem Vormittag. Es hatte etwas Denunziantenhaftes, sagte Ismael, der dünn, von mittelgroßer Statur war, mit kurzgeschorenen, rotbraunen Haaren und ernstem Gesicht."Wurde er wirklich festgenommen oder von jemandem verpfiffen?", rief Ismael weiter mit einem aggressiven Schwall, als er es hörte. Er blickte in jedes Gesicht."Er wurde festgenommen und sitzt auf der Polizeidienststelle in der Oststadt", erwiderte Esther. Sie war Medizinstudentin, hatte hübsche, hellbraune Augen, doch statt dem Leuchten und der Vorfreude sammelten sich in ihnen jetzt Zweifel, Bedenken, Missmut."Von wem hast du gehört, dass er festgenommen wurde?", fragte David."Ich hörte es von seiner Schwester", antwortete Esther."Du hörtest es von Javiers Schwester am Telefon", vergewisserte sich David.Esther bejahte."Aus welchem Grund nahm ihn die Polizei mit?", fragte Ismael und spuckte auf den Schnee."Das sagte sie nicht, weil sie es noch selbst in Erfahrung bringen muss. Aber er sitzt in Gewahrsam."„Verdammt!", schrie Ismael. "Wieso er? Ausgerechnet dieser gute Kämpfer!""Es wird sich sicherlich alles klären und er wird in Zukunft wieder mit uns sein!", sagte der Anführer mit einem Schwall, der jeden Rückschlag überwinden wollte. "Jetzt werden wir nicht mehr komplett sein, aber der Fahrer wird gleich kommen und wir beim mächtigen Zentrum sein", fuhr David fort und nahm seine linke Hand von seiner Baskenmütze."Wir hätten ihn gut brauchen können, der würde niemanden verraten", sagte Ismael."Er ist aus der Gruppe gerissen, aber wir sind hier und haben unseren Plan und werdens um jeden Preis machen", sagte David mit rauer Stimme.Die Anderen der Gruppe, Max mit leichter Furcht und gedankenversunken, blickten zu David.„Er sitzt auf der Dienststelle und wird befragt. Wenn der Fahrer jetzt auf der Straße von einer Polizeistreife festgenommen wird, könnte es für heute vorbei sein“, warf Max ein. Er hatte eine gekrümmte Haltung, der Blick flog schnelllebig über die Gesichter der Anderen, fast ausweichend und dann zeigte er ein fast zufriedenes, gesättigtes Gesicht. "Vielleicht halten sie ihn noch länger fest."„Wieso sollten sie das, du Schwachkopf? Er steht zu seinem Wort und wird schon herkommen“, schrie Ismael mit offener-aggressiverer Tonart. „Er muss einfach noch pissen, dann steigt er wieder ans Steuer und wird losfahren“, fuhr er mit einem künstlichen Grinsen fort. "Sei nicht so ein kleiner Mann, du bist es jedenfalls, wenn du so redest. Unser altes Mitglied hätte hier anders geredet. Wie ein Mann!"Die Viertelsekunde, in der Max zu Ismael, dem weiteren Jurastudenten der Gruppe blickte, reichte um beider Wut und Misstrauen zu spüren, wie bei einem Hinterhalt, den man spürte, aber noch nicht offen ansprach."Lasst es jetzt. Wir haben unsere Aktion, die um keinen Preis verraten wird!", sagte der Anführer David.Ismael blickte mit feindseligen Augen zu Max, wollte etwas erwidern, aber sagte nichts und folgte dem Wort Davids. Doch das Misstrauen löste sich nicht aus seinem Gespür.„Der alte Apparat glaubt, wir akzeptierten alles! Aber wir haben uns organisiert für die nächsten Aktionen! Hier werden wir uns an die Regierenden wenden“, sagte David plötzlich, während er mit dem Finger auf die Stadtkarte zeigte. Ein Kreis, der sich zusammenzog, aber im Gemüt des Rothaarigen nicht komplett und verschworen genug wirkte.„Hier wird er uns rauslassen. Heute ist ein Tag derjenigen, die nichts verleumden auf dem Weg in ihrem Kampf für eine bessere Zukunft, für eine gerechtere Republik, die nicht die Söhne der Arbeiter verspottet, ihnen nicht ins Gesicht spuckt“, sagte David mit einem ernsten, glühenden, obsessiven Eifer im Gesicht, in den Augen. Er war einer der Gründer der Studentengruppe. Sie hatten ihn auf einem Gruppentreffen mit feierlicher, zeremonieller Art, nach dem Auszählen der Stimmen, zum Anführer gewählt.Es hatte verschiedene Aktionen in Hannover und im Umland gegeben, unter Davids Führung:Streiks am Maschsee, die sich für ein neues Gesetz im Landesparlament versammelten, eine Bootaktion auf dem Maschsee selbst mit versinkenden, fast ertrinkenden Leuten, eine Demonstration mit 3000 Menschen und Sprechchören in der Innenstadt, die Lageraktion in der grässlichen Winternacht am Hannoveraner Hauptbahnhof mit dem Schriftbanner "Republik oder Oligarchie? Arm und Reich driften weiter gefährlich auseinander", dann die Erklärungen Davids zur Positionierung der rebellischen Gruppe bei den Pressekundgebungen für das Hannoversche Radio und TV-Kanäle aus ganz Deutschland.David schob mit verschworenen Pupillen und ernsterem Gesicht seine schwarze Baskenmütze zurück. Er zog seinen Anorak am Hals enger zusammen, der Wind blies heftiger. Man hörte den heftigen Wind stark heulen und über den Platz wirbeln. David blickte zu den Bäumen an der Hauptstraße und der Straßenbahn dahinter, dem verblassten, grünen Park dahinter. Er spürte trotz der Wortlosigkeit, während sie auf den Fahrer gewartet hatten, eine sich steigernde Aufgeregtheit.„Wenn er kommt", sagte Max dann leise, kaum hörbar. „Und die Aktion überhaupt beginnen kann. Vielleicht soll es nicht sein.“Wieder wirbelten heftigere, schneidende Dezemberböen an den Platz. David wollte sich an diesem Vormittag mit der Gruppe um Esther, Ismael, Max, Javier und Georg zum Gebäude der Bürgermeisterin aufmachen. Javier war nicht gekommen, vielleicht war er aufgehalten worden, festgenommen worden wegen einer der Polizei zugesteckten Nachricht. Sie hatten keine Nachricht von ihm. Aber bestimmt würde er bald wieder an ihrer Seite kämpfen, denn das hatte er geschworen. Woanders wären sie für ihre Aktionen mit Tritten und Polizeistöcken geschlagen worden, in eine verdreckte Zelle wie ein Tier abgeführt worden, aber sie lebten nicht in einem totalitären Staat, nicht unter einem Regime, und glaubten, dass die Republik ihnen dieses Recht zugestehen musste. Wenngleich David und Esther schon einmal bei einer Aktion in einem Rathaus einer weiter im Norden des Landes gelegenen Kleinstadt in Handschellen abgeführt worden waren, aber jetzt schreckte sie das auch nicht ab.Es war ihnen äußerst wichtig, dass sie am mächtigen Gebäude der Bürgermeisterin ihre Aktion umsetzten, weil sie es, so sagten sie, für viele in der Stadt und im ganzen Land umsetzen mussten. In dieser Zeit des gesetzlichen Trennens in Arm und Reich, in einen Menschen mit einer besseren Zukunft und einen ohne Zukunft, nicht kampflos bleiben durften und ihre Aktionen etwas verändern würden, auch wenn der Gipfel der Starrheit und Ignoranz und Abwehr vor der Gruppe schier unüberwindbar aufragte.Auf der Motorhaube studierte David indes jene Karte, die zum majestätischen, offiziellen Platz wies, an dem ihrer Sache sicherlich geholfen werden konnte. Einem beinahe allumfassenden Gerichtsgebäude gleich. Es würde eine wichtige Aktion werden, erklärte David. Die Gruppe wollte in dieser Zeit nicht einer Erniedrigung erliegen. Sie wollten nicht schlechter leben müssen und schlechtere Wege erhalten, weil es ihnen vorgegeben wurde schlechter leben zu müssen. Wir sind zwar nicht in einem richtigen Krieg mit Soldatenheeren wie in den 40ern oder wie die Menschen vor Hundert Jahren, aber dieses Gesetz erschüttert in langer Ernsthaftigkeit unsere Zukunftsvorstellungen, dachte David Rejas. Wir müssen Unbeugsame bleiben.