Ozean - Martin Lloyd - E-Book

Ozean E-Book

Martin Lloyd

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Beschreibung

Von allen Fantasien der Menschheit, warum musste gerade eine Seuche Zombies aus den Menschen machen? Adam hatte andere Pläne im Leben, aber nun ist seine Hauptaufgabe den Weitergang der Untoten zu stoppen. Norfolk, Virginia Beach, dort wird er alle notwendigen Antworten finden, dort wird die Seuche beenden. Immer wieder beobachtet er Situationen, wo er als rechtsschaffender Mensch einschreiten sollte, aber er muss sein Ziel verfolgen. Doch manchmal sind Umwege und Zwischenstopps unvermeidbar. So muss sich Adam wieder die alte Frage stellen, greift er diesmal ein oder schaut er weg?

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Seitenzahl: 426

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ich bedanke mich bei allen die mir im Leben geholfen haben – Ihr wisst wer Ihr seid!!

„Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten, AA IV, 421

Inhaltsverzeichnis

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5

275

Der aktuelle Platz fühlte sich sicher an, erhöht, guter Ausblick, aber selbst kaum erkennbar. Es war einer der starken, tragfähigen Äste eines amerikanischen Tulpenbaums am Rand eines großen Waldstücks. Im oberen Drittel hatte man ausreichend Abstand vom Boden, um nicht direkt gesehen zu werden, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und doch einen guten Ausblick hatte, je nachdem wie man sich die Blickposition durch die Blattlücken einteilte. Leise bewegen war erforderlich, damit man unbemerkt blieb.

Die herbstliche, goldgelbe Färbung hatte teilweise schon begonnen, doch war es ein warmer Tag im Spätsommer. Adam beobachtete das Treiben unter sich. Nachdem er den Obey River in Tennessee überquert hatte, war er in eine Sackgasse von Monstern gelaufen. Hier ging irgendetwas vor sich, das Ausweichen auf den Baum war die logische Konsequenz gewesen.

Nun sah er die bewirtschaftete Lichtung unter sich. Ein einfaches kleines Holzhaus in einem bereits vergessenen Baustil, als wäre es schon zur Besiedelungszeit entstanden, als hätten Europäer sich hier mit ihren Planwagen niedergelassen und ein einziges Haus in der Nähe des Flusses gebaut. Hier konnte man frisches Wasser holen, Nahrung aus dem Wald beziehen und die freie Fläche bewirtschaften.

Die Farbe des Hauses war rundherum am Abblättern. Normalerweise würde man von einem verlassenen Haus ausgehen, aber nicht mehr in der jetzigen Zeit. In der neuen Zeitrechnung am Tag 275 konnte alles möglich sein. Vielleicht waren die Monster im Haus oder Menschen hatten sich verschanzt. Es wäre möglich, denn die Fenster waren mit Holzbrettern vernagelt, aber auch diese Maßnahme schaute nicht frisch aus. Die Fenster hätten vor Jahren zugenagelt werden können, trotzdem konnte es ein aktueller Unterschlupf sein, denn warum sollten die Monster sonst hier herumirren.

Selbst die Fenster des leicht aus dem Boden stehend Kellers waren vernagelt worden und das sogar sehr gut. Lichteinfall in den Kellerräumen war nicht mehr zu erwarten. Das Haus hatte wenige Meter Abstand zur Waldgrenze und war auf der Rückseite und gegenüberliegend von Mais umgeben. Der Mais war schon voll ausgewachsen und wartete darauf abgemäht zu werden. Doch wer sollte den Mais mähen? Diese Zombies wohl kaum, also stand der Mais geduldig neben dem Häuschen und bat viele mögliche Optionen für eine Gefahr oder einen Hinterhalt. Heutzutage musste man auf alles aufpassen.

275… Das war Adams Zählung… es war ungenau, denn bereits zuvor gab es Probleme, aber da war es offiziell, da war der Untergang der modernen Zivilisation aus seiner Sicht besiegelt worden. Er musste es wissen, denn er war dabei gewesen und hatte es gesehen. 275 Tage, das schien so weit weg, als wenn es Jahrzehnte her war. Wo war er zu der Zeit gewesen, fragte er sich. Arkansas musste es gewesen sein, nicht unweit von der texanischen Grenze. Und jetzt, wo war er jetzt. Der Obey River in Tennessee, also war er nicht weit weg von Kentucky, aber das war im Norden, er wollte nicht in den Norden.

Bevor er den Fluss überquerte war er auf einer Straße, es war die Nummer 111 Richtung Norden. Als er das Schild sah wo Columbia und Sommerset angeschrieben waren, beschloss er nach rechts abzubiegen. Denn wenn er die Grenze von Tennessee nach Kentucky überschritten hätte, dann wäre das derselbe Breitengrad, der die Grenze zwischen North Carolina und Virginia darstellte. Das wäre wohl zu weit gewesen, denn das Ziel war Virginia, um präziser zu sein Norfolk, Virginia, in der Nähe des berühmten Virginia Beach, auf dem er sich wohl nicht ausrasten konnte. Ein Sun on the Beach Cocktail in Hawaii-Shorts am Virginia Beach zu trinken, das wäre jetzt ein Traum.

Lautes Krachen riss Adam aus seinen Gedanken, gefolgt von Schüssen, laute Schreie und dem statischen Stöhnen der Zombies, die Jagd auf Futter machten. Adam verlagerte seine Position auf dem Ast, damit er besser sehen konnte. Eine Gruppe Personen kam aus dem Waldstück unweit vom Haus entfernt. Er konnte sie gut sehen. Zwei Frauen vorneweg, sie hatten Kinder bei sich, mehrere Kinder. Dahinter kam ein Mann, weitere hörte man im Wald schreien und wieder Schüsse abgeben.

‚Virginia Beach, Norfolk, immer nach rechts, dort wo die Sonne aufgeht, nichts unternehmen, du hast einen Plan, nicht abweichen, Virginia Beach, dort ist es was du willst…‘ flüsterte Adam zu sich selbst in seinen Gedanken. Wieder Schüsse und noch mehr Geschrei. ‚Der Lärm lockt sie an ihr Idioten. Sowas sollte man wissen, wenn man am Tag 275 noch lebt. Warum seid ihr nicht leise?‘

Zu spät. Der Lärm hatte weitere angelockt, sie aus ihrer Stase geweckt, aus den Maisfeldern kamen sie wie man sie früher nur aus Comics oder gut gemachter Hollywoodinszenierungen kannte. Körper, die offensichtlich tot waren, die verwesten, von denen sich die Haut vom Gesicht löste, nur mit verdreckten, blutverschmierten Kleidungsstücken bedeckt, welche sie trugen als sie gestorben waren, bevor der zivilisationsendende Fehler gemacht wurde und sie anfingen wiederzukommen.

Ein kleines Mädchen schrie, sie hatte die Zombies gesehen, sie hatte Angst, verständlich für ihre jungen Jahre. Wie alt hätte Adam sie geschätzt, fünf Jahre, sechs Jahre. Schreiend rannte sie in das Maisfeld.

„NEEEEIIIIINNNNNNN…“ schrie eine der Frauen und rannte dem Mädchen hinterher. Die andere Frau war schockiert, überfordert mit der Situation. Ein weiteres Kind rannte blindlings weg, keiner war hier, um zu helfen. Ein Junge wich ängstlich zurück und drückte seinen Rücken an die Hausfassade, so konnte ihm wohl von hinten nichts auflauern. Das dritte kleine Kind rannte dem zweiten nach, ein Teenagerjunge brüllend hinterher. Ein Mann sah das Chaos hinter sich, schrie noch etwas hinterher was Adam nicht verstehen konnte, dann kam sein Schmerzensschrei, ein Zombie hatte ihn wohl tief in den Arm gebissen.

Eine Faszination für Adam, mit welcher Genialität der Virus mutiert war. So sehr diese Zombies auch verfaulten, Zähne und Verdauungstrakt wurden immer regeneriert und funktionierten einwandfrei. Natürlich nicht so gut wie bei einem Menschen. Irgendwann mussten sie ja gänzlich verfaulen, aber es war faszinierend, wie lange es dadurch verzögert werden konnte. Einmal gebissen war es das Ende, es ging bergab, er würde sterben, nicht an dem Virus, sondern an der Infektion, für die es kein Heilmittel gab, außer man riss den infizierten Teil weg, aber das war schwierig, wenn man den Rücken gebissen wurde. Auch das war aus Sicht von Adam faszinierend, als wenn der Biss wie bei einer Schlange nicht gleich wirkte, aber das Gift das Opfer irgendwann dahinraffte, damit man es essen konnte.

Begleitet von unkontrolliertem Geschrei gemischt aus Zorn und Verzweiflung fing ein zweiter Teenagerjunge an auf Zombieköpfe einzuschlagen. Adam konnte die Blätter der Maisstauden wackeln sehen, wie die Erwachsenen oder Halb-Erwachsenen die Kinder verzweifelt suchten. Ein schlimm angeschlagener Mann taumelte aus der letzten Baumreihe in die Lichtung, es war ein Bär von einem Mann, aber auch ihm ging irgendwann die Kraft aus und eine Horde Zombies fiel über ihn her. Begleitet von Todesschreien zwangen sie ihn zu Boden und begannen sich an seinem noch lebenden Körper zu laben.

‚Virginia Beach, Norfolk, Osten… du mischt dich nicht ein, du musst weitergehen…‘ Adam ließ keine anderen Gedanken zu. Er kannte das Spiel bereits und es half niemanden, wenn er sich einmischte. Diese Menschen waren bereits dem Tode geweiht, vermutlich schon gebissen, gaben es aber nicht zu und starben unbemerkt, nur um nachher für alle überraschend die Gruppe zu zerfleischen. Er hatte nicht die Zeit, die Kraft, die Ressourcen, um jeden zu retten, manchmal musste man die Leute eben sterben lassen. Zusätzlich war er abgestumpft, das war er schon vor Tag 0, das war er viele Jahre zuvor, im Zuge der Kriege, der Hungersnöte, der Dinge, die er gesehen hatte, der Experimente. Er schätzte menschliches Leben nicht mehr, es war ihm egal was passierte.

Während er diesen Gedanken folgte, folgten seine Augen einem Vorgang, der nicht zu den bisherigen Zombieangriffen passte. Der Junge am Haus, der sich immer noch mit dem Rücken an die Fassade presste, ging langsam seitlich der Wand entlang, um die Ecke und zur Veranda. Bis dahin gab es nichts was Adams Aufmerksamkeit wecken hätte können, doch dann war etwas komisch. Eine Hand schoss von hinten hervor, als der Junge schon fast an der Veranda vorbei war. Es war eine dreckige Hand, ein dreckiger Unterarm, aber kein Zombiearm, denn dieser Arm war frisch und lebendig. Dieser Arm presste sich über den Mund des weißhäutigen Jungen mit den rötlichen Haaren und der Stupsnase. Es schien dem Jungen selbst zu schnell zu gehen, denn er reagierte verhalten, fast stockend. Eine zweite Hand erschien mit einem Holzknüppel in der Hand, welcher von oben schnell und hart auf den Kopf des Jungen herunterrauschte.

Augenblicklich wurde der Körper des Jungen schlaff, bewusstlos sackte er in sich zusammen. Nur kurz konnte Adam ein bärtiges Gesicht erkennen, welches sofort wieder im Haus verschwand und den bewegungslosen Körper des Kindes ins Haus trug. Das ergab keinen Sinn, aber jetzt in der neuen Zeitrechnung eigentlich wieder schon. Das war Adam schon einige Male aufgefallen. Keine Exekutive, keine Legislative, keine Judikative, niemand der einen zur Rechenschaft ziehen würde. Alles war verschwunden seit dem Tag 0. Menschen taten Dinge, die sich früher keiner gedacht hätte. Adam hat Kannibalen gesehen, Menschen die Leichen als Zaun verwendeten, Menschen die andere als Sklaven hielten oder zum Spaß zu Tode quälten. Zivilisation, Sozialität, Empathie waren in Pandora‘s Box zurückgetrieben worden und Wut, Zorn, Hass, Selbstsucht, Maßlosigkeit wurden geholt und ihnen wurde gefrönt. Ein Kind zu schnappen und verschwinden zu lassen, wäre nur ein weiterer Punkt in der Liste Gräueltaten, auf welcher die Menschheit ihr wahres Gesicht seit Tag 0 gezeigt hat.

Wieder musste Adam seine Position ändern, um etwas zwischen den an die Fenster genagelten Brettern zu sehen und er hatte Glück, er sah etwas. Der Junge lag regungslos am Boden auf seinem Bauch. Der Mann knebelte das Kind, dann band er Arme und Beine zusammen, alle vier Extremitäten verschnürte er miteinander. Kurz verschwand er aus dem sichtbaren Bereich und ein Seil fiel von oben auf das Kind. Der Bärtige erschien wieder, schnürte das Seil um die bereits gefesselten Extremitäten und nachdem er wieder verschwunden war, konnte Adam sehen, wie der Körper nach oben gezogen wurden, bis auch dieser nicht mehr zu sehen war.

Er konnte es nicht sehen, aber die Frau, die, seit das erste Kind weggerannt war, in einer Schockstarre draußen stand, die Frau mit ihren großen wuscheligen Haaren und ihrer schwarzen Haut drehte sich und konnte wohl aus ihrer Position erkennen wie das arme, hilflose Geschöpf in diesem Haus gefangen war. Sie riss ihre Augen auf und schlug sich die Hände vor den Mund. Die Starre schien sich gelöst zu haben. Sie holte ein Messer aus dessen Halfter am Gürtel, rannte zur Veranda und versuchte die Türe aufzumachen, während Adam gespannt beobachtete.

Wieder war ein Schrei zu hören, von einem kleinen Mädchen, es war wohl von Zombies geschnappt worden. Nein-Rufe folgten und Schüsse, niemand bemerkte die Situation am Haus, aber der Bärtige merkte, dass jemand an seiner Tür war. Die Frau schaffte es die Türe zu öffnen, sie drang ein und schaute nach oben, ein Schrei war zu hören. Nichts. Adam wanderte so gut es ging auf dem Ast herum. Immer noch nichts.

‚Virginia Beach, Norfolk, Virginia Beach, ach Scheiß drauf, ich muss das sehen…‘ Adam kletterte den Baum nach unten und suchte weiter eine Möglichkeit, um in das Haus zu sehen. Er erkannte immer nur Teile der Körper und weit und breit kein Kind, nur die zwei Erwachsenen. Es wirkte als würden sie kämpfen. Mit einem Schlag auf den Unterarm entglitt der Frau das Messer und bekam ein anderes von dem Bärtigen in den Bauch gerammt. Der dunkelhäutige Teenager draußen suchte die Frau und schrie ihren Namen. „Denise… DENISE!“ schrie er nach Leibeskräften. Er bewegte sich zum Haus, blieb stehen, suchte die Gegend ab. „Denise“, er schaute zum Haus, ein Zombie kam unerwartet von hinten, der Teenager verlor den Halt und fiel zu Boden, der Zombie vergrub seine Zähne in den Oberarm des Jungen.

‚Virginia Beach…‘ Adam hatte die Augen geschlossen, presste sie zusammen. „Virginia Beach, Norfolk…“ flüsterte er erstmal leise vor sich hin. Er blickte wieder auf und sah wie die Frau am Boden lag, Blut schoss aus ihrem Bauch und rann über ihre Kleidung und auf den alten schäbigen Holzboden, welcher voller Dreck, Bretter und sonstigen Materialen war. Sie zitterte, schaute ängstlich nach oben, um den Todesstoß zu erhalten, der Mann beugte sich über Sie, hob seinen Arm und holte nun mit einer Axt bewaffnet zum finalen Schlag aus.

Der Blick wanderte wieder nach unten, Adam schaute auf den mit Moss bedeckten Ast dieses majestätischen Tulpenbaums. Wie viele Jahre er wohl schon auf dem Buckel hatte, wie viele Tiere wohl schon auf diesem Ast gesessen hatten, seit wann der Baum so groß und mächtig war, dass so viel Moos auf ihm wachsen konnte, fragte sich Adam. Er versuchte sich vorzustellen, wie hier noch kein Baum stand, wie ein einzelner Samen durch Zufall dort in der dreckigen Erde landete und versuchte zu keimen, einen Kampf auf Leben und Tod mit anderen Pflanzen austrug, welche ihm Wasser und Licht stehlen wollten, wie er sich mit Glück durchsetze und über Jahrzehnte immer mehr wuchs.

Glück. Tja, das war es was früher und heutzutage zum Leben, nein zum Überleben notwendig war. Nicht nur Überlebenskünstler sein, sondern Glück haben, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wenn ein Feind dich fressen will im korrekten Augenblick eine Bewegung machen, damit einen die tödlichen Reißzähne verfehlten. Wie oft mussten Vorfahren des Menschen durch Glück überlebt haben. Hatte die Frau nun Glück oder Pech und der Junge der hilflos an der Decke zu hängen schien. Wie war es mit dem Teenager dessen Fleisch gerade vom Oberarm gerissen wurde und dem Bärtigen, der eine Frau abstach und ein Kind geschnappt hatte und mit ihm nun tun konnte was er wollte. War es Adams Bruder auch so ergangen, als er damals in Kindesalter verschwunden war. Seine Eltern hatten sich nie von dem Schock erholt und Adam war von dem lieblosen Elternhaus zum Militär geflüchtet, wo es Struktur und Regeln gab und man Anerkennung für Leistungen bekam und nicht ignoriert wurde, weil ein anderes und zufällig verwandtes Kind verschwand. Hatte sein Bruder auch mal in den Fängen eines Wahnsinnigen von einer Decke gehangen, fragte sich Adam.

‚Virginia Beach, Norfolk, Hafen, Virginia Be… Tu endlich was.‘ Sein Kopf befahl und sein Körper reagierte. Adam rutschte nach vorne und sprang auf den Ast unter ihm, dieser war auch moosig, nass und glitschig, aber er war gut geworden und konnte sich darauf ausbalancieren, ohne zu fallen. Den Bogen vom Rücken geholt, ein Metallpfeil mit Platinspitze aus dem Köcher, angelegt auf das Ziel, jetzt war er auf richtiger Höhe, konnte in das Haus schauen, die Axt hatte sich schon in Bewegung gesetzt, ausatmen, loslassen… Sssshhhhhhh

Der Pfeil schoss mit unglaublicher Geschwindigkeit und Präzision durch die Luft. Ein Klirren war zu hören, also waren wohl doch noch ein paar Scheiben in den vernagelten Fenstern. Bevor die Axt den halben Weg zurücklegen konnte, hatte der Pfeil die Schläfe des Bärtigen erreicht. Die Metallspitze bohrte sich durch den Knochen des Mannes, als wenn man mit einem heißen Messer in Butter sticht. Nachdem der Pfeil lebensnotwendige synaptische Bahnen des Großhirns durchdrungen und zerstört hatte, verließ das Geschoss zur Gänze des Feindes Kopf und stach nach getaner Arbeit an der Holzwand neben den Stiegenaufgang ein, um sich dort auszuruhen, bis er wieder gebraucht wurde. Der Körper des Mannes verlor an Spannung, genauso wie der Junge zuvor als er bewusstlos geschlagen worden war, und fiel durch die Wucht des Pfeiles nach hinten, wobei er versehentlich das Befestigungsseil des Jungen löste, denn Adam sah nur noch wie das Paket von der Decke von der Erdbeschleunigung getrieben nach unten rauschte und man den dumpfen Aufschlag am Holzboden hörte.

Vier Pfeile später, welche Zombies in der Umgebung töteten, sprang Adam vom Baum auf den Waldboden, an dem schon erste Ausläufer der Wiese zu sehen waren. Bodendecker und Löwenzahn versuchten sich in der Nähe des Baums heimisch zu machen und wuchsen etwas langsamer als deren Schwestern im freien Feld, da sie sich im Gegenteil nicht den ganzen Tag an der Sonne laben konnten. Adam bewegte sich schnell und präzise wie einer seiner Pfeile durch das hochgewachsene Gras, vorbei an dem Mann, der bereits gestorben und teilweise gefressen war, zu dem Teenager der jammernd am Boden lag, neben ihn ein bewegungsloser Zombie mit einem Pfeil im Kopf.

Getrieben von Instinkten und gelernten Abläufen packte er den Burschen und zerrte ihn wimmernd über die Veranda in das Innere des Gebäudes. Es sah verheerend aus, als wenn das Haus unbenutzt war und trotzdem konnte man anhand von den geöffneten Dosen und den herumliegenden Decken und Büchern erkennen, dass hier länger jemand gelebt hatte. Die Frau wand sich am Boden vor Schmerz, sie verlor unerwartet sehr viel Blut und Adam war sofort klar, dass ein Organ oder eine wichtige Blutversorgung getroffen worden sein musste. Bei dem gefesselten Jungen war ebenfalls Blut um seinen Kopf verteilt. Offenbar hatte der Mann ihn nicht gerade, sondern schräg nach oben gezogen und der war nicht auf die freie Fläche nach unten gefallen, sondern an der Stelle wo Bretter frei herumlagen. Die Gesamtsituation war extrem ungünstig, vor allem da Zombies sich auf das Haus zubewegten. Ihm war klar, jetzt musste er schnell reagieren.

Die Frau, Denise, blickte ihn entsetzt an, unklar ob der Mann sie töten wollte oder der rettende Pfeil von ihm kam. Adam hatte keine Zeit darüber nachzudenken, ihre Gefühlswelt zu verstehen, er musste handeln und sollte sie sich wehren, dann wusste er, dass sie keine Gefahr für ihn darstellte. Sein Hirn erstellte eine Prioritätenliste mit einem zugehörigen Plan, während seine Muskeln ausführten. Mit einem harten, gezielten Faustschlag nahm er dem Teenager das Bewusstsein. Aus seinem Rucksack holte er einen kleinen Flammenwerfer, eine Art Bunsenbrenner und stellte die Flamme an. Über der Flamme erhitzte er eine sehr breite Metallklinge. Da dies zu lange dauerte, nahm er zwei Stapel Bücher und stütze damit die Klinge und ließ die Flamme dazwischen das Metall zum Glühen bringen auch auf die Gefahr eines möglichen Hausbrandes.

Schnell sprang er zur Frau und schaute auf die Wunde. Sie blickte ihn nur verwirrt an und wollte was sagen, aber er zeigte ihr mit dem Zeigefinger, dass Ruhe angebracht war. Mit einer Geschwindigkeit, welche die Frau extrem überraschte, bewegte er sich zum Hintereingang. Drei Hiebe und zwei Zombies am Boden, sofort ging er zur Veranda und drei weitere Zombies wurden zur Ruhe gebracht.

Wieder im Haus hob er die Axt hoch und bevor die Frau auch nur reagieren konnte, ließ er das Werkzeug mehrmals perfekt nach unten rauschen und trennte den gesamten rechten Arm des Teenagers ab. Sie wollte aufschreien vor Entsetzen, aber Adam zeigte ihr wieder Ruhe zu bewahren. Mit der heißen Klinge verbrannte er die Wunde, damit der Junge nicht ausbluten konnte. Versorgung war später angedacht, falls es nicht sowieso schon zu spät war.

Adam kontrolliert ob der Teenager soweit für die nächsten Schritte versorgt war, hob ihn hoch und trug ihn schnellen Schrittes ins Obergeschoss, um ihn in einem Seitenzimmer auf einem schmutzigen Bett abzulegen. Sehr schnell war er wieder unten und kontrollierte den weißen Jungen, der von der Decke gefallen war. Es war viel schlimmer als er erwartet hatte. Der Kopf des Jungen landete auf einem Nagel von einem der unzähligen Bretter am Boden und hatte sich unglücklicherweise genau in sein linkes Auge gebohrt. Das Auge war hinüber, das war sofort klar und er hatte sehr viel Blut verloren. Zusätzlich hatte er eine klaffende Platzwunde am Hinterkopf vom Schlag des Bärtigen, welche bereits voller Dreck war.

Die nächsten Zombies waren am Anmarsch und Adam konnte keine Rücksicht auf die Schmerzen und Gefühle des Jungen nehmen. Er hob ihn hoch und machte sofort einen Druckverband um das verletzte Auge. Als ein Rückgang des Blutverlustes erkennbar war, packte er ihn und trug ihn ebenfalls nach oben, um ihn auf ein zweites Bett zu legen. Er machte sich nicht mal die Mühe den Jungen loszubinden, dieser blieb bewusstlos und gefesselt am Bett liegen. Nun war die Frau an der Reihe.

Unten angekommen war die Frau über den Boden gerobbt, sie hatte sich vor Zombies, die schon im Haus waren, in Sicherheit gebracht. Sie hatte nicht die Kraft, um sich schnell zu bewegen oder umzudrehen, so rutschte sie mit ihrem Hintern über den Boden, verteilte ihr Blut auf dem Holz und machte ihre alte Jeanshose noch dreckiger als sie schon war.

Wsshhh… Wsshhh… Zweimal war das Geräusch zu hören und zweimal folgten der dumpfe Aufschlag des Körpers am Boden, gefolgt vom lauteren Geräusch, als der abgetrennte Kopf des Zombies aufschlug. Adam hatte mit seiner Machete zweimal ausgeholt und sie war scharf genug, um von einem so zerlumpten Zombie die bereits verfaulten Fleischfasern und das Rückgrat im Halsbereich zu durchschneiden. Mit zwei Hieben in den am Boden liegenden Köpfen stoppte er deren noch vorhandenen Beißreflexe.

Er beugte sich zu ihr und betrachtete die stark blutende Wunde.

„Ich muss die Blutung stoppen und das muss schnell gehen. Damit.“ er zeigte auf die aufgeheizte Klinge, welche seit der Versorgung des Teenagers wieder über der Flamme positioniert war.

Denise schossen tausend Dinge durch den Kopf, doch eines schien ihr schnell klar zu werden. Niemand sonst half ihr, nur dieser Fremde. Er hatte sich um die beiden Jungs gekümmert. Sie konnte selbst nichts tun, entweder verbluten oder hoffen, dass dieser Mann es ernst meinte. Sie nickte zustimmungsvoll, dann packte sie ihn am Arm, als er schon auf dem Weg zum Messer war.

„Aber kein Knockout wie bei Maurice. Ich bleib bei Bewusstsein.“ flüstere sie zu ihm.

Adam musterte ihr Gesicht. Sie meinte es ernst. „Wenn du schreist, wird es schwieriger.“

„Ich schreie nicht.“ ihre Miene war entschlossen.

Darauf hatte Adam nichts zu erwidern. Wenn sie schrie und alles aus dem Ruder lief, dann würde er abhauen. Eine tote Frau, ein toter Teenager und ein toter Junge mehr fallen in der Statistik des Weltuntergangs nicht auf. Niemand wird es wissen, niemand wird es nachlesen können auf Wikipedia und er wird damit leben können und müssen.

Er nickte, holte das Messer, vorsichtig schob er ihre Bluse und ihr darunter befindliches Unterhemd hoch. Sie nickte nur als er ihr das Zeichen gab, dass es so weit war. Sie holte einen Fetzen aus ihrer Hosentasche und steckte es in ihren Mund. Die Klinge verschmorte das Fleisch, ein mieser Gestank stieg auf. Denise presste ihre Hände zusammen, biss in den Fetzen, stöhnte mit voller Kraft und versuchte nicht zu schreien, sie schluckte es runter und ihr Körper zitterte. Sie war kurz davor aufzugeben, in Ohnmacht zu fallen, den Schmerz gewinnen zu lassen, während jeder Muskel in ihrem Körper voller Qualen anspannte und zu zucken begann.

Das Messer verschwand wieder und sie ließ ihren Kopf nach hinten auf den Boden fallen. Sie atmete tief, versuchte den Schmerz weg zu atmen. Trotz ihrer dunklen Hautfarbe konnte man das tiefschwarz verschmorte Fleisch sehen, doch es blutete nicht mehr. Aber sie hatte viel Blut verloren und war am Ende ihrer Kräfte. Zitternd lag sie am Boden und wartete darauf, dass es besser wurde, aber es wurde nicht besser und die nächsten Zombies waren am Anmarsch.

Adam war überrascht, denn er kannte den Schmerz, wenn man eine Wunde ausbrannte. Sein erstes Mal war bei einem Kriegseinsatz im Nahen Osten gewesen und da hatte ihm ein Kollege nach einem Durchschuss auf diesem Weg die Blutung gestoppt. Ironisch, da ein paar Tage danach genau dieser Kamerad angeschossen und in einem Graben verblutet war, denn er konnte sich nicht selbst helfen und bis er gefunden wurde, war es zu spät gewesen. Beim zweiten Mal hatte er es sich selbst zugefügt, aber da war er bereits älter, kräftiger und durch die Experimente im Labor widerstandsfähiger als ein gewöhnlicher Mensch gewesen. Diese schwarze Frau war aber noch bei Bewusstsein. So stark und robust wirkte sie zu Beginn nicht, aber der erste Schein konnte auch trügen und beim Ausbrennen einer Wunde nicht zu schreien und nicht in Ohnmacht zu fallen, das war selten. Offenbar war es doch berechtigt, dass jemand wie sie am Tag 275 noch lebte. Sie schien Survival-Skills zu besitzen, die man zu Beginn nicht sah, eine Überlebenskünstlerin wie man sie brauchte.

Aber sie war so gut wie bewegungsunfähig, daher packte er sie und trug sie die Stiegen nach oben, in einem derartigen Tempo, dass sie merkte was für ein kräftiger Mann er war und er offensichtliche Eigenschaften besaß, die nicht jedem Menschen innewohnten. Das Zimmer mit den beiden Kids hatte noch eine Couch, auf welcher er Denise absetzte. Unten konnte man schon wieder eingedrungene Zombies hören.

Er schloss die Türe von innen und warf den danebenstehenden Schrank um, damit die Tür halbwegs blockiert war. Adam ging zum Fenster, brach zwei Bretter mit einer kräftigen Handbewegung raus. Nun war Denise klar, dass dieser Mann gewisse Superkräfte haben musste, denn niemand konnte Bretter so aus einer Wand reißen. Kurz überflog er die ihm erkennbare Umgebung. Einiges bewegte sich und es waren vermutlich alles diese Monster, die Toten umherirrend.

Bevor er aus dem Fenster kletterte, schaute er so vertrauensvoll wie im möglich war zu den bewusstlosen Kids und dann zu Denise. „Wartet kurz, ich räum schnell zusammen und komm dann wieder.“

Denise versuchte zu lächeln, aber der Schmerz war noch viel zu präsent, daher nickte sie mit verzerrten Lippen und schluckte angestrengt die Qualen nach unten. Für Adam war die Reaktion ausreichend, sie würde in ihrem Zustand nicht mal aufstehen können. Dann kletterte er über die Fassade und sprang auf den Rasen hinter dem Haus. Jetzt machte er das, was er offenbar am besten konnte: Zombies köpfen.

*********************************

Bedacht reinigte Adam die Klinge seines großen Ritterschwertes, das er extra aus einer ihm bekannten Sammlung entwendet hatte. Der Besitzer hatte nichts dagegen, da er bereits ein Zombie war. Adam liebte dieses Schwert, denn es war kein originales Sammlerstück aus der europäischen Antike oder dem Mittelalter. Es handelte sich um ein Replikat, mehr zum Ausstellen und Angeben, aber trotzdem ein richtiges Schwert. Metall, mehrmals erhitzt, gefaltet und geschmiedet, scharf und geeignet, um sich zu verteidigen. Das hatte Adam getan, sich verteidigt, und jetzt reinigte er es von den Zombieüberresten, welche auf der schönen Klinge kleben geblieben waren. Dafür musste ein Stück Stoff, vermutlich ein Putzlappen, der in einer Ecke gelegen hatte, herhalten.

Zuerst hatte er die Zombies rund um das Haus erledigt, dadurch die Aufmerksamkeit derer im Haus und an der Tür mit den Verletzten auf sich gezogen. Langsam und mit stöhnenden Geräuschen kamen sie die Treppe herunter und bahnten sich wieder den Weg nach draußen. Derweil konnte er die Zombies, welche aus dem Wald kamen, unschädlich machen. Nach denen von den Feldern, wurden noch die letzten vom Haus ausgeschaltet.

Dann wartete er, freistehend auf der Wiese vor dem Haus, die Augen geschlossen, und lauschte den Umgebungsgeräuschen. Ungewohnte Stille umgab ihn, keine Geräusche der Zivilisation, keine Geräusche, die man vom Anfang des Ausbruchs kannte, aber auch keine Tierlaute. Der Wind in den Blättern der Bäume und das Rauschen des nicht allzu weit entfernten Baches waren zu hören. Das einsame Schreien eines Vogels, der nicht sichtbar war. Kein Stöhnen und Grunzen, kein Schnaufen, kein Knacksen von verfaulten Schritten auf dem Boden.

Nach 15 Minuten bewegungslosen Ausharrens war sich Adam sicher, kein Zombie war in unmittelbarer Nähe. Erst nachdem das Haus von toten Kadavern befreit war, musste Lizzie gereinigt werden. Adam wusste nicht warum, aber als er das Ritterschwert erstmal geschwungen und einen Zombie damit getötet hatte, dachte er an diesen Namen. Lizzie war seine metallische Beschützerin. Warum eigentlich nicht. Und Lizzie wollte sauber sein.

Die Kadaver draußen mussten verbrannt oder vergraben werden, aber das kostete Zeit und es war bereits abends. Neben Zeit kostete es aber vor allem Kraft, Kraft die er jetzt nicht hatte und auch nicht aufbringen wollte. Das Haus konnte man für eine Nacht halbwegs sichern, soweit war ihm das klar. Aber wollte er überhaupt in dem Haus bleiben. Nicht wirklich. Aber er hatte diesen Fremden geholfen, jetzt zu stoppen wäre eine halbe Sache und Adam hasste halbe Sachen.

Da er keine Lust hatte gegen den umgeworfenen Kasten zu kämpfen, stieg er wieder über das Fenster ein. Kein Vorsprung, eine gerade Holzfassade mit Holzfensterbänken und trotzdem stieg er mühelos über das Fenster ein. Für Denise wirkte es, als ob der Boden draußen auf der Höhe des Fensters war und dieser Mann einfach nur durch das Fenster marschierte, als wie durch eine kleine Öffnung in einen Heizraum. Aber vielleicht waren auch nur ihre Augen verschwommen aufgrund der Schmerzen in ihrem Körper.

Der Kasten war schnell wieder aufgestellt, dann kontrollierte Adam die Wunde und das umliegende Gewebe von Denises Bauch. Fasziniert sah er die Vielfalt an Farbtönen in einem eigentlich einzigen dunkelbraun, wenn nicht fast schwarz. Doch die Wunde war dunkler, schwärzer hätte man sagen können. Nicht die Wunde, sondern der verbrannte Teil, doch rundherum ergaben sich neue Farbnuancen. Er rümpfte die Nase. Sein Blick sprach bereits Bände.

„So schlimm?“ keuchte sie eine Frage heraus.

Adam fuhr sich mit den Händen über die kurz geschorenen Haare und dann durch den kurzen Bart. Sein Bart hatte so ziemlich die gleiche Länge wie seine Haare und war auch so dicht. Es wirkte als hätte er ein Fell und nicht Haare, die länger werden konnten.

„Sag es einfach grad heraus.“ sie hatte keine Lust ihr Todesurteil in Geschenkpapier verpackt zu bekommen.

„Schlimm ja…“ es kam eine bedeutende Pause, Adam liebte diese Pausen, auch wenn er sie unbewusst machte. „Aber auch lösbar.“

Doch kein Todesurteil. Denise atmete teils erleichtert aus, der Rest blieb ihr wegen der schlimmen Situation im Hals stecken. Sie fühlte sich nicht gut, ihr ganzer Körper brannte.

„Es kann kein Organ betroffen sein, sonst wärst du vermutlich schon tot, oder zumindest kein ganz wichtiges, aber du blutest noch immer. Innerlich. Das ist nicht gut. Ich muss es aufmachen, die Blutung stoppen und wieder schließen. Mach ich das nicht…“ seine wichtige Pause kam, „stirbst du vermutlich.“ Die zweite Pause musste länger sein. „Finde ich die Blutung nicht, oder brauche zu lange, um diese zu finden, oder ist sie zu groß um sie zu schließen…“ die dritte Pause musste genauso wichtig sein wie die ersten beiden, „stirbst du vermutlich auch.“

„Meine Auswahl ist sicher sterben oder vielleicht sterben.“ fasste sie schnell mit heiserer Stimme zusammen.

Adam nickte nur. Er verzog keine Miene und schaute ihr kaum in die Augen, sondern immer nachdenklich auf ihren Bauch.

„Na worauf warten wir dann. Dieser Tag ist genauso gut, um zu sterben, wie jeder andere.“

Erst rümpfte Adam wieder die Nase, dann drehte er seine Augen langsam zu ihren, er schaute bedächtig. „Es wird weh tun.“

Denise nickte nur. Normalerweise wollte sie einem weißen Mann nicht vertrauen, aber was hatte sie schon für Alternativen in dieser Zombiewelt.

„Nein, nein… das war nicht nur so gesagt… es wird richtig weh tun, sehr weh tun, denn ich habe weder Anästhesie dabei, noch alles Nötige an Werkzeug, noch eine vertiefte Ausbildung in diesem Bereich. Ich werde länger brauchen und wenn du überlebst, dann wirst du viel Blut verloren haben. Der Heilungsprozess wird ewig brauchen und es wird sehr viel Kraft kosten.“

„Hilfst du mir, wenn ich es überlebe?“ was hätte sie sonst Fragen sollen, das war es doch worauf es ankam. Ihre Stimme wurde immer leiser und brüchiger.

„Ja… das kann ich machen.“

„Bist du ein Arzt oder warst du ein Arzt?“

Adam schüttelte den Kopf.

„Aber du kennst dich damit aus?“

„Mhm…“ er nickte „militärische Ausbildung.“

Denise schloss die Augen, sie holte tief Luft: „Na, dann gib dein Bestes.“ Sie versuchte zu lächeln, aber es war mehr gequält und wenig überzeugend.

Kurze Zeit später hatte Adam das Haus auf alles Brauchbare durchsucht, nur den Keller nicht, aber er hatte was er brauchte. Ein Zimmer im Obergeschoss hatte einen Tisch, auf welchen er Denise absetze. Er hatte eine Flasche Whiskey gefunden. Typisch für diese Gegend. Es war eigentlich nicht Whiskey, es war ein Bourbon, so sagte man hier dazu. Im Prinzip war es egal, denn es war Alkohol, gut zum sich Betrinken, Motor reinigen, anästhesieren und desinfizieren.

Er nahm einen kräftigen Schluck, nicht mehr, denn er wollte klaren Kopfes bleiben und eine ruhige Hand bewahren. Denise bekam mehr, einiges mehr. Dann half er ihr sich flach auf den Rücken zu legen. Sie dachte er würde gleich zu schneiden anfangen, aber bevor sie reagieren konnte, da hob er ihren Kopf an den Haaren hoch und schlug ihn mit dem Hinterteil so auf die Tischplatte, dass sie sofort das Bewusstsein verlor. Er band ihre Hände seitlich an den Tischrahmen und die Beine an die Tischfüße, für den Fall, dass sie munter wurde und versuchte herumzuschlagen in einem abrupten Anfall von Schmerzen. Dann schob er ihre Bluse und das Unterhemd nach oben, goss Bourbon über die Wunde und öffnete sie langsam mit einem Messer, welches einem Skalpell am nächsten kam.

Über eine Stunde brauchte er und wie erwartet verlor sie einiges an Blut, aber als er abschloss, war die Blutung gestoppt, die Wunde geschlossen und sie atmete noch. Auch wurde sie nicht munter, die Vorsichtsmaßnahmen wären nicht erforderlich gewesen. Adam spürte Erschöpfung in ihm hochsteigen. Bisher hatte er einiges Zombies beseitigt und anschließen hochkonzentriert an dieser Frau operiert und er hatte noch zwei weitere Patienten. Er musste wohl seine Erschöpfung noch rauszögern.

Der Teenagerjunge Maurice, welcher vermutlich ihr Bruder war, der war der nächste. Viel konnte er nicht machen, denn der Arm war klar abgehackt und die Blutung gestoppt. Er reinigte die Wunde und verband alles wieder. Der Junge war noch immer komplett ohne Bewusstsein. Sein Körper arbeitete hart, war kochend heiß und schwitze so stark, dass Adam mit Eintröpfeln von Flüssigkeit in den Mund versuchte der Dehydration entgegenzuwirken. Leider hatte er keine Infusionsmöglichkeit bei sich. Hier konnte er nicht mehr tun, es war abzuwarten, ob der Biss schon das Immunsystem angegriffen hatte oder es noch eine Chance gab.

Zu guter Letzt holte er den kleinen weißen Jungen, entfesselte ihn komplett und kontrollierte die Verletzung im Gesicht. Er blutete noch leicht, das Gewebe war beschädigt und der Augapfel war eindeutig zerstört. Hier war nichts mehr zu retten, aber es gab keine sichtbaren Verletzungen des Kopfes, des Hirns oder der umliegenden Bereiche, auch keine Schwellungen. Adam reinigte auch hier die Wunde, entfernte den Rest des Auges, stoppte alle Blutungen und verband alles nach bestem Wissen und Gewissen.

Alle drei Patienten im Zimmer im Obergeschoß untergebracht, versorgt, mit Bettlaken zugedeckt, war es nun an der Natur, an den Reserven der Körper die Schäden zu reparieren und die Wunden zu heilen. Glücklicherweise waren zwei Betten und eine Couch vorhanden, so dass er alle untergebracht hatte. Adam war guter Dinge als er noch einmal die Runde schaute. Er hatte eigentlich keine Zeit dafür, er hätte weitermüssen, den Stützpunkt suchen, aber sein Bauch sagte ihm, es war richtig hier zu helfen. So oft hatte er Hilfeschreie ignoriert, war weitermarschiert, doch hier hatte niemand um Hilfe gebeten, niemand gerufen, doch sein Instinkt hatte ihm gesagt was zu tun war und der war bisher immer ein guter Berater gewesen.

Wären Adams Kopf und seine Gedanken und Gefühle darin wie bei einem Gipfeltreffen der vereinten Nationen an einem Tisch im Kreis versammelt, so hätte sein Instinkt, seine Intuition einen der wichtigsten Plätze und würde die Führungsarbeit leisten und da er selten falsch lag, würden die anderen Gefühle am Tisch zuhören und ihm Vertrauen schenken.

Die Sonne versteckte sie langsam hinter den ersten Baumwipfeln und man merkte wie der nächtliche Schlaf begann sich wie eine Decke über das Land auszubreiten. Adam spürte die Müdigkeit in seinen Knochen, es war Zeit zu ruhen. Er holte einen Sessel, welchen er gegenüber der Türe positionierte. Der Raum war mit vier Leuten eigentlich überfüllt, aber für eine Nacht sollte es reichen. Die Türe sicherte er wieder mit dem Kasten und die Fensterläden konnte er jetzt, nachdem die Bretter rausgerissen worden waren, problemlos schließen.

Als er auf dem Sessel saß, gegenüber der Türe, diese anstarrte und den Geräuschen lauschte und dabei auf Gefahren aufpasste, ließ er den Tag Revue passieren. Der Morgen bei dem verlassenen Wohnwagen auf dem verwahrlosten Parkplatz, der Marsch durch die Äcker, Wälder und über die Route 111, Überquerung des Obey River, das Versteck auf dem Tulpenbaum und dann die Beseitigung der Zombies und die Rettung dieser drei Seelen, auch wenn sicher die dreifache Menge gestorben war, doch besser drei gerettet als niemanden. Mit diesem Gedanken schloss er ab und fiel auch in einen erholsamen Schlaf, doch ein Ohr immer bereit, um Gefahren zu identifizieren.

276

Es war ein tiefer Schlaf, was aber wichtiger war, es war ein guter Schlaf, erholsam, gesundheitsfördernd. Er öffnete seine Augen, der Blick wanderte durch das schäbige dreckige Zimmer. Links ein Bett neben dem Fenster, darauf ein schwarzer Teenager, bewusstlos. Vor ihm neben der Türe eine Couch mit einer schwarzen Frau darauf, ebenfalls bewusstlos, vor der Türe ein alter Kleiderkasten, umgeworfen. Rechts ein kleineres Bett, darauf ein weißer Junge, noch nicht im Teenageralter, genauso bewusstlos. Keine Bewegungen, keine Geräusche, nicht mal ein Zwitschern von Vögeln, welche jemanden aufwecken hätten können. Tiere sind nicht intelligent, aber klug und lernen zu überleben, Geräusche locken Zombies an, entweder du bist leise oder Essen. Es war daher ruhig, überall.

Der Tag hatte viele Tätigkeiten vor sich und so räumte Adam auf, reinigte ein wenig das Haus, versorgte die Patienten, achtete auf die Zufuhr von Wasser, stapelte die Kadaver der Zombies außen, genauso die Leichen der Gruppe vom Vortag und des Bärtigen, dessen Leben er so schnell genommen hatte. Der Fluss war voller Fische, denn Zombies waren zu langsam, um sie zu fangen und sie reagierten auf Geräusche. Der Fluss war laut, Rauschen, das alles überdeckte. Hier konnte man kein Essen finden als Zombie, also gab es nie Zombies an Flüssen, man war viel sicherer als im freien Gelände. Fischen konnte Adam gut und so hatte er ausreichend Essen beisammen, als der Tag voranschritt.

Nachmittags, als er wieder nach den Patienten sah, da erwiderte jemand seinen Blick. Denise schaute ihn benommen an und Adam war abermals erstaunt was diese Frau aushielt, nicht viele hätten den Schlag und die Operation so weggesteckt und schon gar nicht einen halben Tag später das Bewusstsein erlangt.

„Wie ist es gelaufen?“ fragte sie mit einer noch krächzenderen Stimme als am Vortag.

„Bisher überlebt.“ antwortete Adam. „Also sind die anderen Szenarien wohl nicht eingetreten.“

Er kontrollierte ihre Schwellung am Bauch, diese war deutlich geringer geworden. Er lächelte und musste nichts zusätzlich sagen, sie wusste was er meinte und lächelte so gut es ging zurück. Dann schaute sie zu den beiden Jungs. „Und da?“

„Beide am Leben, versorgt, aber noch immer ohne Bewusstsein.“ Währenddessen betrachtete er nochmals die beiden Betten. „Ich habe Essen und Wasser geholt. Ich denke zur Stärkung wäre das wichtig. Ich bringe es später hoch.“ fuhr er fort. „Möchte nur vorher etwas kontrollieren.“

„Was denn?“ wollte Denise wissen.

„Ich habe Geräusche aus dem Keller gehört. Möchte nur verhindern, dass wir auf einer Horde Zombies sitzen. Wer weiß was der Irre hier zuvor so getrieben hat.“

Denise nickte nur, dann hustete sie und krümmte sich vor Schmerz. Ihr Hinterkopf schmerzte ebenso, sie strich sich über die Beule und erinnerte sich, wie er sie auf die Tischplatte geschlagen hatte. Ihr Blick wurde vorwurfsvoll.

„Besser so, als mit Schmerzensschreien noch ein paar tausend Zombies anlocken.“ verteidigte er sich.

„Eine Vorwarnung wäre schön gewesen.“ sagte sie, als sie sich aufsetzte und versuchte aufzustehen.

„Was wird das?“

„Ich dachte wir checken den Keller.“

„Nicht wir… ICH!“ betonte Adam deutlich.

„Ich muss mich bewegen und geh mit.“ schoss sie zurück.

„Genau das Gegenteil musst du. Du musst rasten.“

„Ich kann nicht noch länger auf dieser blöden Couch liegen. Mein Arsch wird flach. Ich kann nicht riskieren, dass ich meine schönen Rundungen verliere.“ Sie hielt ihm ihre Hand hin, er sollte ihr beim Aufstehen helfen, was er auch tat und dabei ihre Rundungen kontrollierte. Sie grinste trotz der Schmerzen beim Aufstehen. Schön, dass man in der Zombieapokalypse Männer jeglicher Hautfarbe noch ein wenig manipulieren konnte.

Adam hatte keine Lust mit ihr zu streiten, also half er ihr die Treppe runter in das Erdgeschoss und zeigte ihr die neuen Vorräte. Dann suchte er nach seinem Bunsenbrenner. Als er ihr diesen zeigte, sagte er kurz und bündig: „Keine Taschenlampe.“

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Modriger, fauliger Geruch stach in Adams Nase, nachdem er die Kellertüre geöffnet hatte. Modrig wunderte ihn nicht, so nahe an einem Fluss war ein vor Jahrzehnten errichteter Stein-Boden-Keller immer feucht und roch modrig. Aber der faulige Gestank war unüblich, zu unüblich für einen gewöhnlichen Keller, allerdings nicht unüblich für einen Keller in der modernen Zeitrechnung „Zombie“.

Während Adam die Holzstufen nach unten schritt, nahm der stechende Gestank zu, aber es war unbekannter Gestank, weder Zombiegeruch noch ein fauliger Keller allein. Er legte seine Hand an die Wand und spürte die Oberflächenfeuchtigkeit an den jahrzehntealten Flusssteinen, welche den Kellerraum bildeten, vermischt mit dem Dreck und dem Moos, das sich gebildet hatte. Langsam tastete er sich seinen Weg nach unten.

Erst am Ende der Treppe zündete er seinen Miniflammenwerfer und begann die Umgebung auszuleuchten. Der Geruch war ganz unten noch intensiver, die Geräusche deutlicher. Es waren ungewohnte Laute, Adam war unklar was genau es sein konnte, aber ein Tier war es kaum. Ein Stöhnen war es auch nicht, es war schwer zu identifizieren, aber das Zombiestöhnen klang etwas anders. Der Gestank war äußerst intensiv. Adam fragte sich was der bärtige Mann hier wohl getan hatte.

Der Lichtschein der Flamme wanderte der Wand entlang, warf Gesehenes in einen dunklen Schatten, um Neues zu zeigen. Flusssteine, alt, moosig, überzogen mit Spinnweben und plötzlich… Adam schrak kurz zurück, noch gefasst, aber ein EKG hätte einen Anstieg der Menge an Herzschlägen zeigen können. Zu weit weg, um es zu erkennen, daher bewegte Adam sich wieder etwas näher an die Nische gegenüber der Treppe. Er hatte es richtig gesehen, da war Haut, aber etwas war falsch, unter der Haut sah er Knochen und diese waren verdreht. Adam entschied sich wieder Abstand davon zu nehmen und weiterzusuchen.

„War da etwas?“ fragte Denise noch auf einer der obersten Stufen stehend. Sie hielt sich mit der rechten Hand den verletzten Bauch und die mit jedem Herzschlag pochende Wunde, mit der linken Hand stütze sie sich an der feuchten Kellerwand.

„Ja, aber ich muss erst noch was suchen.“

„Was denn?“ wollte sie wissen.

„Ein Aggregat!“ war Adams kurze Antwort mit einem scharfen Ton, der sagte ich muss jetzt suchen und hab keine Zeit zu quatschen.

Er spürte, wie der Gestank sich langsam in seine Sinne einnistete. Es war intensiv und teilweise betäubend, man hatte das Gefühl nicht ausreichend Sauerstoff in die Lunge zu bekommen, sondern darin zu ersticken. Das Gefühl bei jedem Atemzug war bedrückend.

„Warum sollte hier ein Aggregat sein?“ Denise hatte den scharfen Ton ignoriert, sie wollte wissen was vor sich ging.

Langsam drehte sich Adam zu ihr um und schaute die Treppe nach oben, der Bunsenbrenner erhellte sein Gesicht. „Der Typ, der hier gelebt hat, der hat hier irgendetwas getrieben, hier im Keller, und ich glaube, dass er sich auch deswegen den Jungen, der jetzt kein Auge mehr hat, schnappen wollte.“

„Justin.“ unterbrach Denise ihn. „Der Junge heißt Justin.“

„Gut für ihn. Trotzdem war Justin nur ein Teil des Ganzen. Ich glaube der Typ hatte hier im Keller was am Laufen und ich will wissen was, solange ich hier im Haus bleibe. Nicht, dass der Kerl hier Zombies gehalten hat und die kommen irgendwann nach oben und essen uns während wir schlafen. Aber egal was er hier gemacht hat, er hat es nicht im Dunkeln gemacht. Es gibt schon länger keinen Strom mehr und was denkst du wie er so weit ab vom Schuss schon früher hier im Keller Strom hatte?“

„Ein Aggregat!“ antwortet Denise.

„Ein Aggregat!“ gab Adam zurück. Er drehte wieder um und suchte weiter. Er musste langsam gehen, denn es war ein Erdkeller, der Boden war matschig, die Feuchtigkeit war auf den Boden getropft und hatte einen Brei gebildet, der nun bleiern an den Schuhen hing und jeden Schritt schwieriger machte. Einige Male stieß Adam gegen etwas, was am Boden lag, ein Stuhl, eine Kiste, noch eine Kiste. Dann fand er endlich was er suchte, bevor der Gestank seine Gedanken übermannen konnte.

Ein Diesel-Aggregat, hier mit der offenen Flamme im Detail zu suchen, war keine gute Idee. Sinnvoll war es den Bunsenbrenner in sicherer Entfernung abzusetzen. Dann suchte Adam nach einer Startmöglichkeit, tastete gefühlvoll mit seinen Händen den Motorblock ab, dann spürte er den Griff der Startschnur. Das Aggregat war wie eine Kettensäge zu starten.

Mit Bedacht wählte er eine sichere Standposition und startete den Versuch den Motor in Gang zu setzen. Immer wieder zog er an der Schnur. Einmal, zweimal, dreimal… nichts tat sich. Nach knapp zwanzig Versuchen, fragte sich Adam, ob denn überhaupt ausreichend Treibstoff in dem Aggregat war, vielleicht war es leergelaufen, nachdem er den Pfeil durch den Kopf des Hausbesitzers geschossen hatte. Doch wie sollte er das überprüfen ohne eine feuerlose Lichtquelle zu besitzen.

Als er seinen Atem wieder gefunden hatte, startete er erneut. Wsch, die Schnur schoss aus dem Motorblock und wieder zurück hinein. Wsch und wsch und wsch und ratatatata… Das Aggregat hatte wohl doch noch Leben in sich. Adam riss noch zwei Mal an der Schnur, immer mehr hörte er wie der Motor versuchte in Fahrt zu kommen. Wssscchhh… ein dritter, kräftiger, intensiver Zug an der Schnur und der Motor sprang endlich an. Langsam stotterte er vor sich hin und kam immer mehr auf Touren, bis er endgültig in seinem vollen Lauf war, was dessen fortgeschrittenes Alter noch hergab.

Mehrere lose Glühbirnen im Keller flackerten im Takt zum Stottern des Motors und versuchten dann halbwegs durchgängig zu leuchten. Adam konnte hören wie Denise erschrak und entsetzt die Hand vor ihren Mund schlug. Behutsam drehte er den Bunsenbrenner ab, behielt ihn aber in der Hand, denn falls das Aggregat ausfiel, wollte er nicht im Dunkeln stehen.

Zuerst blickte er zu der Nische, wo er die Haut gesehen hatte. Dort war ein Mensch, ein sehr junger Mensch, männlich, vollkommen nackt und umgedreht mit den Füßen ausgespreizt an eine Metallstange befestigt. Der Körper hing vollkommen gerade nach unten, die Hände hinter ihm an einen Haken an der Wand angebunden. Der Mund war geknebelt. Der Bursche war aufgrund seiner körperlichen Entwicklung bereits in seinen Teenagerjahren, aber nicht viel älter. 15 oder 16 Jahre hätte Adam geschätzt, wenn ihn jemand gefragt hätte. Der Junge wackelte immer wieder hin und her und gab die Geräusche von sich, die Adam laufend gehört hatte. Deshalb klang es nicht wie ein Zombie, da er durch diesen Ballknebel grunzte. Das Geräusch an sich ließ für Adam aber nicht viel Hoffnung übrig, denn wenn er so klang, war er wohl schon tot.

Rechts von der Nische stand ein Bett mit Metallrahmen, darauf eine alte, dreckige Matratze und darauf ein Mädchen, ebenfalls nackt, mit allen v#Vieren an die Bettpfosten gebunden. Ebenfalls ein Knebel in ihrem Mund. Sie bewegte sich nicht, lag bewegungslos auf dem Bett, ein großer roter Fleck getrockneten Blutes rund um ihren Schritt. Das Bett war gut ausgeleuchtet und es standen zwei Kameras auf Stativen am Ende des Bettes und auf der Seite, um wohl den Missbrauch genau zu dokumentieren.

‚Spitzenidee!‘ dachte sich Adam sarkastisch. ‚Und wenn du keinen Treibstoff für das Stromaggregat mehr hast, wie schaust du die Videos dann an. So würde ich auch meine Energiereserven nutzen, wenn die Zivilisation den Bach runter gegangen ist. Vermutlich ist sie es deswegen auch, wegen Trotteln wie dem toten Sack, den er so leichtfertig ausgeknipst hatte.‘

Noch weiter rechts an der gegenüberliegenden Wand waren massenweise Geräte befestigt. Viele waren von landwirtschaftlichem Gebrauch, aber auch einige, welche man klar nur in gewissen Kreisen bekommen konnte, um Menschen zu quälen. Neben 2 morschen Schränken war ein Tisch, auf welchem weiteres Werkzeug und Folterinstrumentarium lag und darunter war ein Käfig für Hunde und in dem Käfig lag ein Kind, gut verschnürt und genauso bewegungslos wie das Mädchen auf dem Bett. Geknebelt und die Augen verbunden lag das Kind auf dem Gitterboden des Käfigs, die Hände am Rücken zusammengebunden und die Beine ebenso gut verschnürt.

Denise stöhnte, ihre linke Hand an die nasse Kellerwand gedrückt, langsam versagten ihr die Knie und sie sackte mit ihrem Hintern auf die morschen Treppen, wobei sie ein wenig Moos bei der Abwärtsbewegung von der Wand riss. Sie versuchte zu sprechen, aber ein Kloß von der Größe einer Grapefruit steckte in ihrem Hals. Adam deutet ihr, dass sie nichts sagen müsste. Er war ein Mann, zusätzlich trainiert, um schlimmes zu sehen, was er über die Jahre auch hatte. Daher war er gefasst, aber ihm war klar, wie emotional eine verwundete Frau, deren Bruder in einem Koma lag, reagierte bzw. zu reagieren hatte.

Begleitet von dem selbigen Schlürfgeräusch wie auf dem Weg zum Aggregat, watete er wieder zum Ende der Treppe und beobachtete den Körper des Teenagers. Dunkle Kopf- und Körperbehaarung, bereits großflächig verteilt, die Beine waren fast zur Gänze behaart. Dieser Junge war schon ziemlich sicher über 16 Jahre alt. Noch immer gab er die verstörenden Geräusche von sich und wackelte in seiner Fesselung. Adam legte die Hand vorsichtig auf den Oberkörper des jungen Mannes.

Mit enttäuschendem Blick und zugehöriger Tonlage sagte er: „Eiskalt. Also tot.“ Denise nickte, noch immer an ihrem Kloß im Hals schluckend. Adam ging in die Knie, holte ein Outdoor-Messer aus seiner Tasche und schob es dem Teenager vom Wirbelansatz langsam in das Kleinhirn. Die Bewegungen und Geräusche stoppten. Denise würgte vor sich hin, unterbrochen von Schluchzen.

Wieder inklusive Schlürfen ging Adam zum Bett und berührte das Mädchen ebenfalls auf der Brust. Sie war maximal 11 oder 12 Jahre alt. Diesmal strahlte sein Gesicht, als der zu Denise blickte. „Lauwarm.“ Er stoppte und fühlte weiter. „Und ich spüre einen Herzschlag. Sie lebt noch.“ Beide tauschten Überraschung und Freude mit ihren Blicken aus.

Schnell ging er zum Käfig. Erst als er angekommen war, sah Denise von ihrer Position, dass da noch jemand war, ein kleiner Junge, maximal zehn Jahre alt. Adam berührte was er durch den Käfig an Haut erreichen konnte. „Der ist auch noch warm und ich kann Atembewegungen sehen.“

„Die zwei können wir noch retten, wenn wir schnell reagieren.“

„Worauf warten wir dann noch?“ Die Frage war rhetorisch und der Kloß im Hals war verschwunden, nicht runtergeschluckt, sondern durch die positive Nachricht zwei von drei Kindern retten zu können aufgelöst. Denise hatte wieder ein Ziel vor Augen und vergaß den pochenden Schmerz in ihrer Bauchgegend.

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Zwei Stunden später lagen zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, ärztlich versorgt je in einem Bett in einem Nachbarzimmer von Maurice und Justin. Denise war glücklich, auch wenn alle vier Kinder bzw. drei Kinder und ihr Teenager-Bruder bewusstlos waren, so waren doch alle am Leben und so gut versorgt wie in der aktuellen Zeit noch möglich.