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Chloe Sevres ist neu an der John Adams University in Washington. Sie ist eine von sieben diagnostizierten Psychopathen, die an einer klinischen Studie der Uni teilnehmen, natürlich komplett anonym. Chloe ist aber noch aus einem anderen Grund hier: Sie will Rache - und den Tod eines Kommilitonen, der ihr übel mitgespielt hat. In 60 Tagen wird sie ihn umbringen. Bevor sie jedoch ihren Plan in die Tat umsetzen kann, funkt ihr jemand dazwischen und tötet erst einen, dann einen zweiten Teilnehmer der Studie. Um nicht als nächstes dran glauben zu müssen, schließt Chloe ein gefährliches Bündnis mit den anderen Psychopathen - immer auf der Hut, nicht von der Jägerin zur Gejagten zu werden ...
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Seitenzahl: 538
Veröffentlichungsjahr: 2022
Chloe Sevres ist neu an der John Adams University in Washington. Sie ist eine von sieben diagnostizierten Psychopathen, die an einer klinischen Studie der Uni teilnehmen, natürlich komplett anonym. Chloe ist aber noch aus einem anderen Grund hier: Sie will Rache – und den Tod eines Kommilitonen, der ihr übel mitgespielt hat. In 60 Tagen wird sie ihn umbringen. Bevor sie jedoch ihren Plan in die Tat umsetzen kann, funkt ihr jemand dazwischen und tötet erst einen, dann einen zweiten Teilnehmer der Studie. Um nicht als nächstes dran glauben zu müssen, schließt Chloe ein gefährliches Bündnis mit den anderen Psychopathen – immer auf der Hut, nicht von der Jägerin zur Gejagten zu werden …
Vera Kurian ist Autorin und studierte Psychologin. Sie lebt in Washington, DC. P.S. Morgen bist du tot ist ihr Debüt-Roman. Weitere Informationen finden Sie auf www.verakurian.com.
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2021 by Albi Literary Inc.
Titel der englischen Originalausgabe: »Never Saw Me Coming«
Dieses Werk wurde vermittelt durch dieLiterarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Ulrike Gerstner
Titelmotiv: © shutterstock.com: e2dan | Ensuper
Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7517-2099-1
luebbe.de
lesejury.de
Für Katie
Sobald sich die Tür zu meiner neuen Wohnheimunterkunft schloss, trat ich ans Fenster und suchte auf dem Innenhof nach ihm. Es war sehr unwahrscheinlich, dass er zufällig gerade jetzt da draußen inmitten der Familien unterwegs war, die Umzugskartons schleppten, oder der wenigen Studenten, die sich auf dem Rasen räkelten.
Aber da! Ein Schopf schmutzig blonder Locken. Will. Unwillkürlich öffnete ich den Mund. Dann drehte sich die Person um, und ich sah, dass es sich bloß um ein Mädchen mit einem verunglückten Haarschnitt handelte. Im Ernst, man sollte meinen, dass sie sich zum Tag ihres Einzugs ein bisschen mehr Mühe geben würde.
Ich wandte mich wieder zu meiner leeren Unterkunft mit dem traurigen Linoleumboden um und ging im Geiste meine To-do-Liste durch: 1. Mom loswerden. Erledigt. Sie war schon weg, raste gewiss gerade die I-95 hoch und entkorkte gleich eine Sektflasche, weil sie mich endlich vom Hals hatte. 2. Den besten Platz in Beschlag nehmen, ehe meine Mitbewohnerin Yessica eintraf. 3. Mich mit sechs bis acht Leuten anfreunden, bevor ich 4. zu meinem ersten Termin in der Psychologiefakultät ging. 5. Will finden.
Das kleine Apartment hatte zwei Schlafzimmer, von denen eines eindeutig größer war als das andere. Normalerweise würde ich mir das größere schnappen, aber ich erkannte gleich, dass es damit ein Problem gab. Dieses Zimmer ging zum Innenhof. Was, wenn ich mich mitten in der Nacht durchs Fenster raus- und wieder reinschleichen wollte? Heutzutage filmten die Leute alles mit ihren Handys, was auch nur vage interessant schien, und man könnte mich leicht von den anderen Apartments und den Uniräumen mit Blick in den Innenhof sehen – zu viel Publikum für meinen Geschmack.
Ich nahm das kleinere Zimmer. Meine Großzügigkeit würde mir Pluspunkte bei meiner neuen Mitbewohnerin einbringen, aber vor allem ging mein Zimmer nun zur Seitenmauer des Gebäudes neben unserem, und von meinem Fenster aus führte eine Feuerleiter nach unten. Es war ein Leichtes, hier unbemerkt ins Zimmer und wieder raus zu gelangen – perfekt. Ich trug einige Kartons in das Zimmer, machte das Bett und legte meinen Plüschwal auf die Überdecke, um klarzumachen, dass dies mein Bett war. Die Stimmen im Wohnheim riefen nach mir, und ich musste mich hier schnell etablieren.
Ich blickte kurz in den Spiegel, ehe ich den Raum verließ, trug frischen Lipgloss auf und richtete mein Haar. Das Haar musste genau passend sein – ein loser, schlicht wirkender, seitlicher Bauernzopf, der alles andere als leicht gemacht war. Man musste den Eindruck erwecken, man hätte sich keinerlei Mühe gegeben, sondern würde einfach aus dem Bett steigen und von sich aus wie ein geiles, aber irgendwie zurückhaltendes Starlet wirken. Entspricht man einer gewissen Norm von objektiver Attraktivität, halten einen die Leute automatisch für besser, als man de facto ist – für klüger, interessanter und würdiger zu existieren. In Kombination mit der richtigen Persönlichkeit kann das enorm viel ausmachen.
Im Brewser gab es einen langen Korridor, von dem zu beiden Seiten Räume abgingen. Ich spähte in den nebenan, wo zwei brünette Mädchen eine Bettdecke aus einer Plastikverpackung zerrten. »Hi!«, rief ich freundlich. »Ich bin Chloe!« Ich konnte alles sein, was sie sich wünschten. Witzig, eine mögliche beste Freundin, jemand, dem man bei Mitternachtssnacks Geheimnisse anvertraute. Diese Formen von sozialer Interaktion waren nur kleine Rollen, die ich für wenige Momente spielte; doch auch wenn ich mich richtig reinknien muss, kann ich das. Ich kann mich jünger machen, wenn ich will, weite Sachen anziehen, um meine Figur zu verbergen, und meine Augen verblüfft glänzen lasse – die komplette Fassade der Ahnungslosigkeit. Mit Make-up und sorgsam ausgewählter Kleidung kann ich älter aussehen und mehr Haut zeigen, wenn es nötig ist. Es ist einfach, weil die Leute dazu neigen, das zu sehen, was sie sehen wollen.
Ich ging von Tür zu Tür. Zimmer 202. »Oh mein Gott, ich liebe dein Haar!«, sagte ich zu einer lebhaften Blondine, von der ich annahm, dass sie allgemein beliebt sein würde.
Zimmer 206. »Ihr seid doch keine Brüder, oder?«, fragte ich schüchtern zwei Jungen aus dem Ruderteam (nette Körper, aber Babygesichter – nicht mein Geschmack). Sie grinsten mich an, sahen auf meine Titten, und jeder versuchte, irgendwas Schlaues zu sagen. Keiner von ihnen war schlau.
In Zimmer 212 waren zwei linkische Mädchen. Ich war freundlich zu ihnen, hielt mich jedoch nicht länger auf, weil ich wusste, dass sie nichts zu melden hätten.
Während ich noch ein paar mehr Leute kennenlernte, schätzte ich gleichzeitig ein, wer von ihnen am ehesten in eine der Verbindungen gehen würde. Will war in einer – SAE –, und eines meiner ersten Vorhaben war, Zugang zu der Verbindung zu bekommen. Die Ruderer waren schon auf dem Korridor und redeten laut darüber, dass sie abends in einen Club wollten. Das war gut – sie gingen aus und schienen genau die Typen, die einer Verbindung beitraten. »Ich liebe Tanzen«, sagte ich zu Wie-hieß-er-noch-gleich, dem größeren von beiden, wobei ich mit dem Ende meines Zopfes spielte. »Das ist die beste Art, Leute kennenzulernen.« Er lächelte auf mich herab, und seine Augenwinkel kräuselten sich. Wenn mich die Highschool eines gelehrt hatte, dann, dass jedes soziale Miteinander ein Spiel war, bei dem sich alles um das geschickte Navigieren innerhalb der Hierarchien dreht. Sei jemand, den die Jungs ficken wollen, oder du bist unsichtbar für sie. Sei jemand, den die Mädchen fest in ihrer Clique wollen, ob als Freundin oder Feindin, oder stirb den Tod der völligen Bedeutungslosigkeit.
Schon nach unserem kurzen Austausch erkannte ich, dass keiner in diesem Wohnheimtrakt in meinem Programm war. Ich habe noch niemanden wie mich kennengelernt. Doch wenn es irgendwann passiert, denke ich, dass es wie die Begegnung zweier Wölfe in der Nacht sein wird, die sich beschnüffeln und den anderen als Jagdgefährten erkennen. Ich bezweifle jedoch, dass sie zwei von uns in dasselbe Wohnheim stecken würden – wir waren ja insgesamt nur sieben, und wahrscheinlich verteilten sie uns, um einen offenen Krieg zu verhindern.
Nun musste ich gehen und meine neuen Freunde zurücklassen, um mich in dem neuen Programm zu melden.
Der Fachbereich Psychologie lag quer über dem Innenhof, gut zu sehen von dem Gemeinschaftsbereich meiner Unterkunft aus. Der Innenhof war eine große Rasenfläche, von gepflasterten Wegen durchzogen, auf denen in jeden Stein der Name eines Alumnus eingraviert war – John Smith, Studienjahr ’03. Witzig, Will würde nie einen Stein bekommen, ich aber schon. An einem der größeren Wohnheime, Tyler Hall, hing ein riesiges Banner mit der Aufschrift WILLKOMMENERSTSEMESTER!!! Ich blieb stehen, um ein Selfie mit dem Banner im Hintergrund aufzunehmen: Hier ist ein Mädchen, das am ersten Tag am College ganz aufgeregt ist und lauter College-Sachen macht!
Es ist quasi Schicksal, dass ich an der John Adams University gelandet bin. Ich wusste, dass ich in D.C. sein musste, was bedeutete, dass ich mich an der Georgetown, der American University, der George Washington University, der John Adams, der Catholic University und dem Trinity College bewerben musste, die sich alle in D.C. befanden. Sicherheitshalber bewarb ich mich auch noch an vertretbar nah gelegenen Colleges wie George Mason und der University of Maryland. Ich wurde an allen angenommen, außer an der Georgetown. Ernsthaft, fickt euch. Meine Bewerbung war der Hammer: Ich habe einen IQ von 135 – fünf Punkte unter Genie –, tolle Aufnahmetestergebnisse und gute Noten. Meine Garderobe war größtenteils aus Einnahmen finanziert, die ich generierte, indem ich Hausarbeiten für andere schrieb. Wer weiß, wie viele von denen ins College gekommen sind, weil sie einen herzzerreißenden Essay über eine an Krebs gestorbene Großmutter verfasst haben, die es nie gab?
Mir wurden Stipendien für diverse Hochschulen angeboten, aber nie war es mit dem vergleichbar, womit Adams aufwartete. Selbst wenn ich die Psychologie-Studie abgelehnt hätte, hätte ich immer noch ein großzügiges Stipendium bekommen, mit dem Studenten meiner Herkunft gelockt werden sollten, eine höhere Studienbildung zu absolvieren. Was mir egal war, denn Adams war wegen Will stets meine erste Wahl gewesen. Ein weiterer Bonus war, dass sich die Uni in D.C. befand: eine Großstadt mit einer relativ hohen Mordrate. Der Campus lag in dem aufstrebenden Viertel Shaw, gleich östlich vom noblen Logan Circle und südlich der U-Street, einer beliebten Ausgehmeile. In dieser Gegend kam es trotz der Nobelrestaurants häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen Betrunkenen, die sich prügelten oder gegenseitig abstachen, und Leute wurden ausgeraubt. Die Polizei war jedoch mit der steten Parade von Demonstrationen, Konferenzen und diplomatischem Auslandsbesuch beschäftigt. Wahrscheinlich pfiffen sie darauf, was im Kopf irgendeiner Achtzehnjährigen mit einem iPhone in der Hand und einem harmlosen Gesichtsausdruck vorging.
Ich mochte diesen düsteren Burgcharakter der Psychologischen Fakultät. Roter, efeuberankter Backstein, Fenster mit schwarzen Eisenrahmen und narbigem alten Glas. Drinnen wurde alles von einem Kronleuchter mit flackernden Birnen erhellt, und das gewölbeartige Foyer roch nach alten Büchern. Als ich hindurchging, stellte ich mir vor, wie mir eine Kamera folgte und sich die Zuschauer sorgten, welche gefährlichen Dinge mich hier erwarten könnten. Ich wäre die, mit der sie mitfieberten.
Ich stieg die geschwungene Treppe hinauf in den fünften Stock, wo ich mich zu meinem Programm melden sollte. Zimmer 615 lag abgeschieden ganz am Ende des Korridors. Auf einem Anschlag an der Tür stand Leonard Wyman, PhD, und Elena Torres, Doktorandin. Die Namen kannte ich aus meinen Unterlagen.
Ich klopfte an, und Sekunden später riss eine Frau die Tür auf. »Sie müssen Chloe Sevre sein!«
Sie streckte mir ihre Hand hin. Wahrscheinlich hatten sie eine ganze Akte über mich. Ich hatte schon einen Haufen Telefoninterviews mit ein paar Leuten geführt, die eine Vorauswahl trafen, dann eines mit Wyman selbst, und sie hatten auch meine Mutter und meine Beratungslehrerin von der Highschool befragt.
Die Hand der Frau war knöchern, aber warm und trocken, und ihre schokoladenbraunen Augen wirkten furchtlos. »Ich bin Elena, Dr. Wymans Doktorandin.« Sie lächelte und bedeutete mir hereinzukommen. Drinnen führte sie mich durch einen chaotischen Empfangsbereich, in dem ein Schreibtisch mit drei Laptops und lauter Papierstapeln stand, und einen Flur zu einem kleineren Büro … vermutlich ihres.
Sie schloss die Tür hinter uns. »Lassen wir Sie erst mal hier ankommen. War alles gut, was die Hilfe der Finanzierungsabteilung anging, bevor Sie hergekommen sind?« Als eine von sieben in der Studie wurde mir auch die Anreise zur John Adams University bezahlt. Im Gegenzug musste ich lediglich zustimmen, ein Vollzeitversuchskaninchen in ihrer kombinierten Längsschnittstudie zur Psychopathie zu sein.
Ich nickte und schaute mich um. Ihre Regale quollen über vor Büchern und Stapeln ausgedruckter Artikel. Da waren drei unterschiedliche Versionen von Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder. Dicke Wälzer über »abnorme« Psychologie. Robert Hares Buch Gewissenlos, das ich gelesen hatte.
»Super«, sagte Elena. Sie rief irgendwas auf ihrem Computer auf. Dann biss sie in den Scone, der auf ihrem Mousepad lag, und kaute laut. Sie war hübsch auf diese ganz bestimmte Doktorandinnenart, hatte einen mitteldunklen Teint und wohlgeformte Schlüsselbeine. Man konnte sich vorstellen, wie sie sich in einen hageren Nerd verliebte und zu spät versuchte, Kinder zu bekommen. »Hier sind Sie!« Sie klickte einige Male, und ihr Drucker wurde wach. Als sie aufstand, um die Papiere zu holen, beugte ich mich vor, um auf den Monitor zu sehen, doch sie hatte einen Bildschirmfilter. Ich wusste nicht, ob es geheim sein sollte oder so, aber ich hatte herausgefunden, wie viele Studenten in dem Programm waren, als mir jemand aus der Verwaltung erklärte, was alles von der Studie finanziert wurde. Und ich starb vor Neugier, wer die anderen sechs waren. Die bizarre Elite.
Elena gab mir einen Stapel zusammengehefteter Unterlagen. Es waren Einverständniserklärungen für die Studie, Bestätigungen, dass meine Daten unter Verschluss bleiben würden, aber ein minimales Risiko im Zusammenhang mit digitalisierten Daten bliebe; dass die Blutabnahmen von einer zugelassenen Punktionskraft durchgeführt würden, bla, bla, bla. Noch mehr über Datenschutz, Personenortung – hier las ich gründlicher –, und wie es um ihre gesetzlichen Meldepflichten stand, sollte die Gefahr drohen, dass ich mich selbst oder andere verletze. Oh bitte! Ich hatte nicht vor, irgendwelche Drohungen publik zu machen.
Als ich alles unterschrieben hatte, sah ich, dass Elena ein kleines Päckchen aus einem Safe nahm. Sie zog etwas Glänzendes aus einem Kästchen. »Und hier ist Ihre Smartwatch.« Ich mochte sie sofort. Sie war schmal und schwarz, wie ein Ding aus einem Agentenfilm. »Die müssen Sie immerzu tragen, wie vereinbart. Sie misst Ihren Herzschlag und registriert Ihren Schlafrhythmus – oh, und sie ist übrigens wasserfest, also brauchen Sie sie beim Duschen nicht abzunehmen. Sie können sogar damit schwimmen.« Ich hielt meinen Arm hin, und wie eine Juwelierin legte sie mir die Uhr an meinem linken Handgelenk an. »Falls sie nicht zu Ihrem Outfit passt, können Sie auch die Armbänder abnehmen und die Uhr als Kette unter Ihrem Oberteil tragen. Wenn Sie ein Mood-Log abgeben sollen, erscheint dieses Icon.« Sie tippte etwas in ihren Computer, und auf dem schwarzen Uhr-Display leuchtete ein kleines rotes Ausrufezeichen auf. Elena bedeutete mir, es anzutippen, und es kam ein Text, der mich fragte, was ich gerade mache, gefolgt von der Frage Wie glücklich fühlen Sie sich im Moment? 1 2 3 4 5 6 7. »Die Mood-Logs sind ziemlich kurz«, erklärte sie. »Sie dauern nur ein paar Minuten. Und Sie müssen die nicht sofort beantworten, wenn das Symbol erscheint – es ist lediglich ein Versuch, zu messen, wie es Leuten über den Tag geht, nicht in einer künstlichen Laborsituation. Aber es ist okay, wenn Sie warten, falls Sie gerade in einer Prüfung sitzen. Es soll ja kein Professor denken, dass Sie schummeln oder so.«
»Wissen die Professoren hier, dass ich in der Studie bin?«
»Nein. Ihre Teilnahme wie auch Ihre Diagnose sind vertraulich.«
»Und die Uhr ortet mich die ganze Zeit?«
»Nein. Ich meine, wahrscheinlich tut es ein Satellit irgendwo, aber nein, wir erfahren Ihren Aufenthaltsort nur, wenn Sie ein Mood-Log abgeben, weil wir einschätzen wollen, in welchem Kontext Sie die jeweilige Stimmung erleben. Ich denke, es wird Sie interessieren zu sehen, wie es Ihnen helfen kann, Ihre Gefühle zu verstehen.« Sie lächelte mich an, wobei ein schiefer Zahn zu sehen war. Ich war erleichtert, was die Ortung anging. Natürlich hatte ich einen Plan B – dass ich die Smartwatch abnehmen und in meinem Zimmer lassen würde oder sie in Yessicas Sachen verstecken, damit sie geortet wurde und nicht ich, falls ich etwas vorhatte. So wurde das Problem zu einem Alibi: Die Uhr sagt, dass ich zu Hause gelernt und ein Glas Milch getrunken habe!
»Wie oft muss ich zu den anderen Experimenten kommen?«
»Es sind nicht immer Experimente. Manchmal sind es nur Fragebögen. Aber es wird nicht häufiger als ein- oder zweimal die Woche sein, und die MRTs werden Wochen vorher angekündigt.«
Ich bewunderte meine neue Uhr. Als ich sie berührte, leuchtete das Display auf und zeigte mir eine Reihe von schlauen Icons. »Was ist mit den anderen sechs Studenten? Lerne ich sie kennen?«
»Nicht von Angesicht zu Angesicht, aber es könnte sein, dass Sie später mal mit ihnen kommunizieren.«
Das klang tatsächlich spannend. Sicher, ich war wegen des Stipendiums hier, und um in der Stadt zu sein, in der Will war, doch seien wir ehrlich: Menschen lieben Psychologie, weil sie narzisstisch sind. Und als Psychopathin bin ich besonders narzisstisch.
Elena stapelte einige Blätter zusammen und schlug die Kanten auf den Schreibtisch, um sie bündig zu machen. »Sie werden diese Woche ein Aufnahmetreffen mit Dr. Wyman haben, aber ansonsten brauchen wir heute nichts mehr von Ihnen, also willkommen in der Studie!«
Mit meinem neuen Spielzeug am Arm ging ich zurück über den Innenhof und hoffte, dass Yessica angekommen war. Sie war die heikelste Leerstelle in meinem Plan, denn sie könnte mein Leben absichtlich oder unabsichtlich sehr schwierig machen. Deshalb musste ich herausfinden, wie meine Mitbewohnerin war. War sie cool, könnten wir das Powerpaar im Brewser sein. War sie neugierig, wäre sie noch ein Problem, um das ich mich kümmern musste.
Ich hörte Bewegungen von drinnen, bevor ich hineinging. Ein schlaksiges, nussbraunes Mädchen mit Unmengen dunkler Locken schob einen Karton in die Ecke. »Chloe!«, rief sie, kam mit einem breiten Grinsen auf mich zu und schüttelte mir die Hand. »Ich bin Yessica!« Sie hatte riesige dunkle Augen mit dichten, möglicherweise künstlichen Wimpern. Pluspunkte bekam sie schon mal für ihre schöne Haut und die flachen, elfenhaften Stiefel. Doppelte Punkte gab es für den Minikühlschrank. »Ich bin gerade angekommen! Und ich fühle mich so mies. Bist du sicher, dass du das kleinere Zimmer willst?«
»Ja, alles okay. Ich finde es besser zur Seite raus.« Wir halfen uns gegenseitig beim Auspacken, plapperten, wie es Mädchen tun, und entschieden, was wohin sollte, während ich sie beobachtete. Ich beschloss, dass sie eher eine positive als eine negative Ergänzung war. Sie war hübsch, witzig und schien entspannt – nicht wie jemand, der heimlich in meinen Computer sehen oder eine Augenbraue hochziehen würde, wenn ich einen Jungen mitbrachte. Nachdem wir unsere Sachen verstaut hatten, gingen wir auf den lauten Korridor, um mehr Leute kennenzulernen. Es gab noch mehr Gerede von Ausgehen.
Ich war ungeduldig. Mir war klar, dass es das Richtige war – Allianzen bilden, einen guten Eindruck machen –, aber ich wollte die Dinge in Bewegung setzen. Es war der 24. August, der Beginn der Orientierungszeit für Studienanfänger. Sechzig Tage bis zum 23. Oktober. Dies war das Datum, das ich sorgfältig ausgewählt hatte. Es ließ mir genug Spielraum, doch vor allem wäre an dem Tag eine gigantische Demo in D.C., die sich hauptsächlich auf die National Mall konzentrierte. Genau genommen kamen mehrere verschiedene Demonstrationen zusammen: eine für Redefreiheit, eine Pro-Amtsenthebungsverfahren und ein Marsch für die Erde. Den sozialen Medien, Airbnb und den Busticketverkäufen nach prophezeiten die Experten, dass die Massen eine Herausforderung für die Ressourcen der Stadt darstellen würden. Das Timing war günstig. In den Nachrichten hatten sie bereits berichtet, dass bei solch riesigen Events oft die Mobilfunknetze wegen Überlastung zusammenbrachen. Die Polizei hätte alle Hände voll mit den Protestlern und den überall aufflammenden Unruhen zu tun, wie es schon die letzten Jahre war. Es würde Chaos herrschen.
Der ideale Tag, um Will Bachman umzubringen.
Folgendes weiß ich über Will Bachman.
Er wohnt Nummer 1530 Marion Street NW, exakt 510 Meter von meinem Wohnheim entfernt. Von der nächsten Polizeiwache zu seinem Haus fährt man fünf Minuten. Es handelt sich um ein Reihenhaus inmitten anderer Reihenhäuser. Die Fenster im Erdgeschoss und das in der Haustür sind vergittert. Im letzten Jahr gab es dreiunddreißig Gewaltverbrechen nahe dem Haus, zumeist bewaffnete Raubüberfälle.
Von seinen diversen Online-Accounts habe ich auch einiges erfahren.
Will Bachman ist Mitglied von Sigma Alpha Epsilon – SAE –, deren Verbindungshaus ein paar Blocks weit weg ist. Sein Mitbewohner ist Cordy, ebenfalls in der SAE. Will Bachman studiert Politikwissenschaft im Hauptfach und überlegt, noch Wirtschaft im Nebenfach zu nehmen. Er ist im Lacrosse-Team, schwimmt aber auch gern. Als wir noch Kinder waren, bin ich mit ihm geschwommen. Er mag House Music und raucht Gras. Er hat einen schwarzen VW-Jetta, in den irgendein Arschloch auf einem Giant-Supermarktparkplatz eine Delle reingefahren hat. Er liest den Drudge Report und denkt, dass alle Weicheier aussortiert gehören. Seine Mutter trägt Perlen und arbeitet ehrenamtlich beim Roten Kreuz, und er hat einen kleinen Bruder. Seine Familie wohnt in der Nummer 235 Hopper Street, Toms River, N.J., 08754.
Ich würde tippen, dass Will in dem Giant in Shaw einkauft, weil dort sein Wagen gerammt wurde und er auch schon geschrieben hat, dass der Safeway in der Marion Street »voller Fotzen war, die jede Kassenschlange ewig aufhalten«. Ich weiß, dass er oft in der Buttercream Bakery ist, weil er gepostet hat, dass er jeden zehnten Kaffee umsonst bekommt. Einmal hat er sein Handy zwischen P and S Streets in der 14th Street verloren, als er besoffen nach Hause getorkelt ist, also wird er oft in der Gegend abhängen. Er geht ungern weiter nach Osten als bis zur 7th Street, »wegen der Leute da«. Es gibt einen Muffin-Shop in Sichtweite von Wills Haustür. Die Art Laden, bei dem man mit einem Kaffee stundenlang draußen an einem Tisch hocken kann, und keiner bemerkt, dass man das Haus schräg gegenüber beobachtet und plant.
Ich würde schätzen, dass Will Bachman einen Meter fünfundachtzig groß ist. Adams hat ein anständiges Lacrosse-Team, also wird er zweifellos durchtrainiert und körperlich stärker als ich sein – was ich niemals vergessen darf. Er hat dichtes blondes Haar und eine schmale Oberlippe. Am liebsten trägt er Polohemden und Baumwollhosen. Und er hat eine weiße Kette aus kleinen Muschelschalen um.
Seine Freunde sind selbstverständlich andere Verbindungsbrüder und Lacrosse-Spieler: mehrheitlich weiß, die Gesichter gerötet von Bier, die auf verschwommenen Bildern auf irgendwelche Sachen zeigen. Sie trinken Bier, feiern Themenpartys und segeln auf dem Potomac. Es ist keine echte Party, ehe nicht jemand mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus landet. #YOLO
Dann ist da Cordy, der eine Menge über Videogames und die NFL postet. Cordy hat eine On-off-Beziehung mit Miranda Yee, und wenn sie gerade »on« sind, schläft er oft in ihrem Apartment am Dupont Circle und nicht zu Hause, sodass Will allein in dem Reihenhaus ist. Mit zu der Crew gehört Mike Arie, ebenfalls Lacrosse-Spieler und SAE-Mitglied. Mike erscheint auf Bildern mit einer Reihe von Mädchen am Arm, die ihre Zungen rausstrecken. Sie gehören zu der Sorte Mädchen, die ich ohne Weiteres sein könnte, jemand, der unauffällig im Leben anderer auftauchen und wieder verschwinden kann. Will, Cordy und Mike waren kürzlich bei einem Event von einem Charles Portmont. Charles ist auch in der SAE, und sein Instagram quillt über von Posts, auf denen Feiernde zu sehen sind. Eines der letzten Bilder zeigte Will und seine Freunde ganz in Weiß bei einer Spendengala. Eine kurze Internetrecherche ergab, dass Charles Portmonts Vater Luke Vorsitzender der Republikaner von Virginia ist. Bei dem Event gab es Hummer und Craft-Cocktails. #ClassicCharles.
Will Bachman hat keine Freundin, denn Bruder kommt vor Luder, und einer Schlampe sollte man nie trauen.
Will Bachman hat wegen der strengen Gesetze in D.C. wahrscheinlich keine Waffe.
Will Bachman postet zur Genüge über seine Kurse, sodass jede intelligente Person wie ich leicht seinen Stundenplan nachvollziehen kann. Der Hashtag #SAElife wird oft genug genutzt, um zu verraten, was die Bros an welchem Wochenende vorhaben; wo sie hinwollen, mit wem und wie besoffen sie sein werden.
Will Bachman trinkt zu viel und hängt mit Leuten rum, die nicht auf ihn aufpassen.
Will Bachman hat einige Fehler gemacht.
Will Bachman hat noch sechzig Tage zu leben.
Leonard öffnete die Tür und bat Chloe Sevre herein. »Ich bin Dr. Wyman, Leiter des Programms, aber sagen Sie ruhig Leonard.« Das Mädchen trat ein und blickte sich neugierig in seinem Büro um. »Suchen Sie sich einen Platz aus«, sagte er und deutete zu den unterschiedlichen Sitzgelegenheiten vor seinem Schreibtisch. Sie war circa einen Meter fünfundsechzig mit klarer Haut und einem etwas blassen Teint. Große blaue Augen. Sie trug Leggings und eine weite Tunika, das dunkelbraune Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Und sie sah jünger aus als achtzehn, zumindest jetzt gerade. In den sozialen Medien hatte er andere Versionen von ihr gesehen. Mit dramatischem Make-up, engen Kleidern und hohen Schuhen. Ihre Accounts waren sorgsam kuratiert, und die »spontanen« und »sorglosen« Aufnahmen waren viel zu perfekt, um eines von beidem zu sein.
Sie wählte einen großen Sessel und winkelte die Beine unter sich an. »Funktioniert das wie eine normale Therapiesitzung?«, fragte sie.
»Mehr oder minder, obwohl wir an Ihrer Diagnose arbeiten und Ihnen Methoden beibringen, mit ihr umzugehen. Wie ist Ihre erste Woche bisher?«
»Die fliegt nur so«, sagte sie, hob eine Hand an ihren Mund und biss auf einen Fingernagel. »Ich habe so viele Leute kennengelernt, dass ich mir die Namen kaum merken kann. Aber ich habe alle Kurse bekommen, die ich wollte.«
»Haben Sie schon Freunde gefunden?«
Sie nickte. »Meine Mitbewohnerin ist cool, und einige aus meinem Wohnheim. Wir waren tanzen. Sie haben mir noch kein Quiz geschickt, oder?«
»Das sind keine Quizze, sondern Logs. Es gibt keine richtige oder falsche Antwort. Sie sagen uns bloß, wie Sie sich in einem bestimmten Moment fühlen.«
Wieder nickte Chloe und blickte zu den Büchern in dem Regal hinter ihm. »Wann lerne ich die anderen kennen?«
»Es ist keine Spielgruppe«, scherzte er.
Sie zeigte auf ihre Uhr. »Benutzen Sie die hier mit der Unipolizei oder so? Um zu wissen, wo wir sind?«
Leonard musste vorsichtig antworten. »Selbstverständlich nicht. Chloe, es ist nicht illegal, diese Diagnose zu haben.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Die Leute tun, als wären wir Monster. Meine alte Beratungslehrerin, meine Mom.«
»Sie sind kein Monster.«
»Und warum haben Sie mir dann eine schlimmere Diagnose gestellt als die in meiner Highschool?«
»Psychopathie ist nicht ›schlimmer‹ als Antisoziale Persönlichkeitsstörung – nur etwas anderes, und leider benutzen jede Menge Leute diese Begriffe, als wären sie austauschbar. Ich denke, dass Sie, wie auch viele andere, Teil jener Untergruppe sind, bei denen ASPS diagnostiziert wird anstelle von Psychopathie, die meiner Meinung nach keine ›Persönlichkeitsstörung‹ im klassischen Sinne ist. Bedauerlicherweise haftet dem Wort Psychopath der Makel von Kriminalität an, weil einer der ersten Forscher zu dem Thema – Robert Hare – sich in seiner Forschung auf Kriminelle konzentrierte. Ich würde diesen Terminus gerne nutzbarer machen.«
»Dann halten Sie mich nicht für gefährlich?«
Leonard war es gewohnt, dass seine Patienten ihre Diagnose anfangs missverstanden, was an dem Halbwissen liegen könnte, das ihnen in Polizeiserien und Horrorfilmen vermittelt wurde. Den meisten von ihnen wurde von völlig überforderten Ärzten eine Diagnose gestellt und an ihn verwiesen. Allerdings eigneten sich nur wenige Ausgewählte für die Längsschnittstudie zu Psychopathie. Sie mussten jung sein, klug und gewillt, es zu versuchen. »Das ist ein gängiges Missverständnis. Meiner Schätzung nach sind etwa zwei bis drei Prozent der amerikanischen Bevölkerung psychopathisch – können Sie sich das Chaos vorstellen, wären die alle gefährlich? Ich gehe es anders als die meisten Klinikärzte an, schon allein, weil ich die Psychopathie studiere, was so wenige tun, aber auch, weil ich sie als eine unter vielen anderen biologisch bedingten Störungen betrachte, wie beispielsweise Schizophrenie.«
»Also wie eine Geisteskrankheit.« Sie sagte es matt, als wäre sie enttäuscht.
»Okay, sagen wir lieber, es ist wie eine biologisch bedingte Hemmung, die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen zu fühlen und zu verstehen, oder eine niedrigere Impulskontrolle.«
»Bei Ihnen hört es sich wie Dyslexie oder so an. Meine Mom sagt, es ist pathologische Selbstsucht.«
»Ich würde nicht das Wort pathologisch benutzen. Ihnen mangelt es an Empathie, weil Ihr Gehirn so arbeitet, wie es arbeitet. Weil Sie Furcht nicht auf dieselbe Weise empfinden wie andere, suchen Sie letztlich nach Abenteuern. Es gibt eine affektive Dimension zu der Krankheit – mangelnde Empathie, Manipulationsdrang, oberflächlicher Charme und eine antisoziale Dimension –, die eher mit Kriminalität assoziiert werden. Impulskontrolle, Neigung zu riskantem Verhalten und dergleichen. Aber vieles davon lässt sich auf Biologie zurückführen.«
»Wenn es biologisch ist, warum können Sie mir dann nicht einfach ein Medikament geben?«
»Das ist die ewige amerikanische Frage, nicht? Es hat nie ein erfolgreiches Protokoll für die Behandlung von Psychopathie gegeben. Ich hoffe, das genauso zu ändern wie die Wahrnehmung der Krankheit. Und die Terminologie – jedes Mal, wenn ein geisteskranker Serienmörder oder ein Massenmörder auftaucht, wird von einem Psychopathen gesprochen.«
»Aber landen nicht viele von uns im Gefängnis?«, konterte sie. Sie erkannte seine Überlegenheit nicht direkt an, was etwas Interessantes über sie verriet. Sie stellte ihn auf die Probe.
»Die Gefängnisse sind überproportional mit Psychopathen gefüllt, was jedoch mehr über einen Mangel an Impulskontrolle aussagt als irgendetwas anderes. Die meisten Psychopathen enden nicht im Gefängnis und können, mit der richtigen Anleitung, ein produktives Leben führen, ohne die Beziehungen um sich herum zu zerstören.«
»Und ohne die richtige Anleitung? Was ist, wenn sie denken, mit ihnen sei nichts verkehrt?«
»Wenn sie nicht herausfinden, wie sie allein in der Welt zurechtkommen, ja, dann können sie schlechte Entscheidungen treffen und im Gefängnis landen, oder sie nutzen eine Person nach der anderen aus, bis sie die Stadt wechseln müssen und am Ende allein sind.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Und Sie denken, ich werde nicht so enden?«
»Dessen bin ich mir sicher. Sie haben hervorragende Noten, die beweisen, dass Sie durchaus über Impulskontrolle verfügen, wenn Sie sie brauchen. Sie haben Freunde, sich an außerschulischen Aktivitäten beteiligt und keine Polizeiakte.«
»Bloß, weil ich nie erwischt wurde«, scherzte sie. Wie so viele Psychopathen besaß sie eine Menge Selbstvertrauen. Da war nichts von der Verlegenheit oder Unsicherheit, wie man sie oft bei jungen Erwachsenen erlebte, die sich noch nicht mit ihrem eigenen Körper angefreundet hatten. »Was ist dann der Unterschied zwischen einer Psychopathin wie mir und denen, die im Todestrakt sitzen, weil bei ihnen eine Sammlung abgetrennter Köpfe gefunden wurde?«
»Nun, zunächst mal der, dass es ihnen an Geschick fehlte, der Überführung zu entgehen«, witzelte er, und sie lachte laut. »Deswegen müssen Sie sich keine Sorgen machen. Solche Leute haben oft noch eine ganze Reihe anderer Probleme. Traumatische Hirnverletzungen in der Kindheit, eine Tendenz zum Sadismus. Doch es kann Ihnen auch an Empathie mangeln, ohne dass Sie sadistisch sind.«
»Oh«, sagte sie und sah stirnrunzelnd zum Fenster. »Aber was ist, wenn ich es bin? Was ist, wenn meine Mom mich als Baby fallen gelassen hat und ich mit dem Kopf aufgeschlagen bin?«
»Es spielen eine Menge Faktoren eine Rolle, wenn Leute so enden. Wollten Sie jemals jemanden physisch verletzen?«
»Na, das ist eine hinterlistige Frage. Jeder wird mal wütend und denkt, Gott, denen würde ich gerne eine verpassen!«
»Aber Sie wollten noch nie jemanden verletzen, jemandem so richtig wehtun, um zu sehen, wie diejenigen Schmerzen haben?«
Sie zuckte mit den Schultern und nagte wieder an ihrem Fingernagel. »Nur in meiner Fantasie.«
»Haben Sie jemals ein Tier verletzt oder getötet?«
»Nein«, antwortete sie.
Da erzählt Ihre Mutter etwas anderes, dachte er und merkte sich die exakte Zeit. Sie hatte es so prompt und ernst gesagt, ohne jedes Zögern. Später würde er die Daten von ihrer Smartwatch überprüfen, ob sich ihr Puls verändert hatte. Das Ding war nicht annähernd ein Lügendetektor – sofern man an die glaubte –, aber die physiologischen Feinheiten von Psychopathen faszinierten ihn immer schon.
»Ich will nur ein normales Leben. Ich möchte Ärztin werden, einen festen Freund haben, viele Freunde und vielleicht einen Vlog.«
»Und viele Leute wie Sie haben genau das. Wahrscheinlich haben Sie sogar schon einige im Alltag kennengelernt – Journalisten, Ärzte, Lehrer und auch CEOs.«
Sie lächelte schüchtern. Leonard erinnerte es daran, warum er diesen Job liebte. Wegen der Möglichkeiten! »Dann könnte ich immer noch Ärztin werden?«
»Solange Sie die Techniken lernen und üben, die wir Ihnen beibringen, und sich ans Gesetz halten, warum nicht? Sie können alles sein.«
Andre lief die Treppe hinunter, um eine Plastikbox mit seinem Kram an die Haustür zu stellen, da roch er Waffeln. Normalerweise machte ihn der Geruch hungrig, aber heute Morgen hatte er vor Nervosität einen Knoten im Bauch. Er und seine Mutter hatten während seiner letzten zwei Highschooljahre eine neue Sitte eingeführt: Er stand früh auf, um mit ihr zu frühstücken, bevor er zur Schule und sie zur Arbeit ging. Ihm gefielen die ruhigen Minuten allein mit seiner Mutter. Sein Vater arbeitete oft Nachtschichten, und es war ja nicht so, als würde Isaiah, Andres Bruder, jemals vor mittags aufstehen.
»Hast du alles?«, fragte sie, als er in die Küche kam. Sie hatte die hellblaue Klinikkluft an und goss ihm ein Glas Orangensaft ein.
»Ich glaube, ja, und ich komme wieder, wenn es sein muss«, sagte er und setzte sich hin. Seine Eltern waren davon ausgegangen, ihm beim Umzug zu helfen, aber Andre hatte sie gebeten, es zu lassen. Er hatte gesagt, dass es unnötig war, einen Riesenaufriss daraus zu machen, denn sie wohnten in Brookland, im Nordostquadranten von D.C., und die John Adams University war nur eine halbe Stunde mit dem Bus entfernt. Ihre Enttäuschung, weil sie ihm nicht beim Einzug helfen durften, hatte ihn innerlich tausend Tode sterben lassen, aber es war wirklich wichtig, dass seine Eltern so wenig Zeit wie möglich an der Adams verbrachten. Deshalb hatte er so getan, als wäre es ihm peinlich.
Beim Frühstück sahen sie die Nachrichten auf dem kleinen Fernseher in der Küche. Es wurde gezeigt, wie ein Hurrikan in North Carolina für Überschwemmungen gesorgt hatte. Das, gefolgt von einem Bericht über eine Atomwaffe, reichte schon, um seiner Mutter einen missbilligenden Laut zu entlocken. »Andre, mach lieber deinen Abschluss, bevor die Welt untergeht.« Sie lachten ein wenig verbittert und auf die hilflose Art, wie es Leute in den letzten Jahren taten, in denen Schulschießereien zunahmen und Politiker sich gegenseitig anbrüllten.
Nach dem Frühstück hob Andre seine Plastikbox an und ging mit seiner Mutter nach draußen, wo sie sich verabschieden würden, weil sie zu unterschiedlichen Bushaltestellen mussten. Sie blieb stehen, um ihn zu umarmen. Seine Mutter war dünn – das waren alle Jensens. Es war egal, was sie aß, sie nahm nie zu. Andre bereitete es Sorgen, wie schmal sie war, als wäre es gleichbedeutend mit schlechter Gesundheit, dabei waren ihre Umarmungen heftig. »Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst? Ich kann mir freinehmen …« Andre schüttelte den Kopf. »Schreib mir, wenn du da bist«, sagte sie, als bräche er nach Übersee auf.
Andre bejahte stumm und ging zu seiner Haltestelle. In der Lawrence Street standen hauptsächlich kleine Einfamilienhäuser mit penibel gepflegten Vorgärten. Andres Haus hatte wie die meisten eine Veranda nach vorn, auf der sich die Leute oft trafen.
Er stieg in den Bus, setzte sich und hob die Plastikbox auf seinen Schoß. Dann holte er tief Luft. Okay, dachte er, als der Bus losschaukelte, jetzt bin ich so weit gekommen. Der Rest wird auch gut werden.
Der Bus bremste langsam ab und ächzte pneumatisch, als er sich senkte, um jemanden einsteigen zu lassen, der die Stufen nicht bewältigen konnte. Eine kleine Frau kam herein, und als Andre sie sah, hob er eine Hand, um ihr zu winken. Ms. Baker gehörte zur selben Kirche wie seine Mutter und hatte zu allem eine Menge zu sagen.
»Andre Jensen«, japste sie, als sie sich ihm gegenüber hinsetzte. Natürlich sah sie die Plastikbox mit den neuen Schreibblöcken und der Kleidung unten. »Geht’s zum College? Was nimmst du als Hauptfach?«
»Ich bin bisher nicht mal in einem Kurs gewesen!«
»Dir muss doch irgendwas vorschweben.«
»Journalistik, schätze ich.« Er kam sich albern vor, als er es sagte. Vor zwei Jahren noch war ihm ein Studium wie ein Hirngespinst vorgekommen.
»Tja, dann bring lieber lauter Einsen nach Hause!« Ms. Baker klopfte ihm liebevoll auf die Schulter und nahm ihr Strickzeug hervor. Beim leisen Klackern der Nadeln fragte Andre sich, ob sie alles den Frauen in der Kirche erzählen würde. So ziemlich jeder in dem Viertel hatte seine Ansichten zu den Jensens. Eine Mittelklassefamilie, die von einer bizarren Tragödie gezeichnet war. Aber die Jensens hielten durch, nun als vier-, nicht als fünfköpfige Familie. Das war eine gewaltige Nummer, die sie durchgezogen hatten – Waffeln zum Frühstück, viel Theater um Andres College-Eintritt –, ein breites Lächeln, um die Schlucht von Trauer zu überbrücken. Kiara hätte die Erste in der Familie sein sollen, die ans College ging.
Der Bus schunkelte weiter, überquerte die 13th Street. Andre versuchte, nicht an Kiara zu denken, doch wie der Knubbel innen an seiner Wange, auf dem er manchmal kaute, kehrten seine Gedanken schmerzhaft zu ihr zurück. Er war zwölf gewesen an dem Tag, an dem seine Mom in ihrer Krankenhauskleidung in seiner Schule aufgetaucht war, um ihn aus dem Unterricht zu zerren. Sie fehlte nie bei der Arbeit, deshalb wusste er gleich, dass etwas passiert war. Als sie rausgingen und den Weg nach Hause einschlugen, hatte sie es ihm erklärt. »Deine Schwester hatte einen Asthmaanfall.«
»Okay?«, sagte er.
»Beim Tanzunterricht. Er war sehr schlimm.« Seine Mutter hatte komisch ausgesehen. Aschfahl, die Züge wie gefroren.
»Sie ist gestorben, Andre«, antwortete seine Mutter. Ein Motorrad röhrte an ihnen vorbei, übertönte halb, was sie sagte, und versicherte ihm, dass er sie falsch verstanden hatte.
»Was?« Seine Mutter blickte stur geradeaus zum Horizont, als wäre alles besser, wären sie erst dort. »Sie hatte einen Asthmaanfall, einen schlimmen. Sie hatten einen Krankenwagen gerufen, aber der ist erst nach vierzig Minuten gekommen.« Sie sprach leise. Um sie herum schien niemand die Schwere dessen zu bemerken, was sie sagte. Ein Mann führte einen alten Hund aus. Eine Frau spielte mit ihrem Handy, blickte nicht mal auf, als sie an ihnen vorbeigingen. Andres Mutter sah ihn nicht an, als sie nach Hause eilten, und in dem Moment hatte es wehgetan, aber er wusste, dass sie es nicht konnte, weil sie dann weinen müsste. Was sie auch tat, als sie sicher in ihrem Haus waren, umgeben von sprachlosen Angehörigen.
Und jetzt, da er es knapp aufs College geschafft hatte, war er der Stolz der trauernden Familie. Ein Jugendlicher, der nach einem entsetzlichen Unglück die Kurve bekommen hatte. Kiara war eine Einser-Schülerin gewesen. Wahrscheinlich hätte sie Jura studiert. Noch ein schwarzes Leben verloren, und niemand zählte mit.
Andres Handy meldete eine Benachrichtigung. Rasch steckte er seine Kopfhörer in die Ohren. Eine neue Folge von Cruel and Unusual war gerade herausgekommen, der neueste True-Crime-Podcast, nach dem er süchtig geworden war. In diesem Monat lief eine zehnteilige Serie über den Zodiac-Killer – und die ersten sechs Folgen hatte Andre schon mehrmals gehört.
Die raspelnde Erzählerstimme wurde zu einem seltsamen Soundtrack, als die Stadt zunehmend weißer wurde, je weiter sich der Bus nach Westen bewegte – weniger Wohnhäuser, mehr Cafés und Restaurants. Andre konnte nicht umhin, trotz allem ein bisschen aufgeregt zu sein. Er rollte die Schultern, um seinen verspannten Nacken zu lockern, ähnlich einem Boxer, bevor er in den Ring stieg. Der Bus fuhr an die Haltestelle in Shaw, die der Adams am nächsten war.
Andre fand Tyler Hall, wo er die nächsten neun Monate wohnen sollte. Es war ein lang gezogener Bau, der die Hälfte des Blocks einnahm, mit Backsteinfassade und einer ordentlichen Fensterreihe, in der diverse Banner prangten: Flaggen unterschiedlicher Nationen, mehr als ein Impeach!-Zeichen, Refugees Welcome und Black Lives Matter.
Er betrat das Gebäude, in dem vorn drei aufgedrehte weiße Mädchen an einem Klapptisch standen und die Leute eincheckten. »Andre Jensen?«, sagte er.
»Jensen, Jensen, ah, hier«, antwortete das Mädchen, das einen Stapel brauner Umschläge durchsah. Sie hakte ihn auf einer Liste ab und reichte ihm einen Umschlag. »Da drin ist eine Menge Orientierungsmaterial – Karten, ein Verzeichnis aller Räume und so weiter. Die Karte ist ein Studentenausweis – den brauchst du praktisch für alles. Mit dem kommst du auch ins Wohnheim. Normalerweise ist ein Student gleich drinnen, der dich darauf hinweist, die Karte durch das Lesegerät zu ziehen. Deine Schlüssel sind auch in dem Umschlag, und, nur zur Info, wenn du dich aussperrst, kostet es nach dem dritten Mal jedes Mal eine Gebühr. Wie es aussieht, ist dein Mitbewohner noch nicht da. Falls du irgendwelche Fragen hast, dein Ansprechpartner Devon ist auf deinem Flur.«
Andre klemmte sich den Umschlag unter den Arm und stieg die Treppe hinauf zum Zimmer 203. Es war ein rechteckiger Raum mit zwei Einzelbetten an gegenüberliegenden Wänden. Links ging ein kleines sauberes Bad mit weißen Fliesen ab.
Er holte das sorgsam in zwei Sweatshirts gewickelte Bündel ganz unten aus seiner Box: Die Kamera, die ihm seine Eltern zum Geburtstag geschenkt hatten. Laut seinem Vater, der im Internet zu Kameras recherchiert hatte – immer mit einem prüfenden Blick durch seine Gleitsichtbrille –, war sie ein echtes Upgrade zu der, die Andre sich gebraucht auf eBay gekauft hatte. Eine gute Spiegelreflex, mit der man sich ernsthaft der Fotografie widmen konnte. Andre hatte nur ein paar Kurse im Gemeindezentrum gemacht, bevor er die Highschool abschloss, und dachte, wohin ihn das Leben auch führte – Journalismus, Blogging, Podcasting –, er sollte imstande sein, gute Fotos zu schießen.
Ihm blieben noch einige Stunden, bis er sich in der Psychologischen Fakultät melden sollte. In mehreren Telefonaten mit dem Büro für Finanzierungshilfen hatte er geklärt, dass er an der John Adams University angenommen war und seine Studiengebühren komplett gedeckt waren. Nein, es war kein Scherz.
Andre hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss bewegte. Ein Junge kam herein und sah ihn an. Er war klein, hatte den Kopf kahl rasiert und trug einen blauen Pulli über einem Oberhemd sowie eine rote Fliege, obwohl es noch sommerlich warm war. »Meinst du, sie packen alle Schwarzen zusammen?«, fragte er.
Andre lachte – er hatte genau dasselbe gedacht.
Der andere stellte sich als Sean vor, und sie unterhielten sich, während sie auspackten. Sean war aus P.G.-County in Maryland. (Mörrilind sprach er es aus.) Er war der Jahrgangsbeste an seiner Highschool gewesen. Und er bestand darauf, dass Andre so weit wie möglich zurücktrat, damit Sean ein gigantisches Filmplakat aufhängen konnte. Andre stellte erfreut fest, dass es ein Aliens-Poster war. »Der beste Horrorfilm aller Zeiten!«, sagte Sean.
»Ach, ich weiß nicht.« Sie diskutierten freundschaftlich über Horrorfilme, und Andre war froh, dass sie etwas gemeinsam hatten.
Anschließend gingen sie zusammen zum Uniladen und redeten unterwegs. Mir gefällt der Typ irgendwie, stellte Andre fest. Und er musste die erste Entscheidung treffen, was seinen College-Plan betraf: Sollte er Sean erzählen, dass der Mitbewohner, mit dem er das nächste Jahr zusammenleben würde, ein Psychopath war?
Die erste Lüge fiel ihm leicht: Andre sagte, er müsse zum Büro für Studentenförderung, als es Zeit wurde, zur Psychologischen Fakultät zu gehen. Sean schluckte sie bereitwillig, und Andre sah in seine Campus-Karte. Als hätte er nicht schon genug Grund, nervös zu sein, wirkte der Fachbereich auch noch regelrecht unheimlich. Irgendwie gotisch, obwohl er mitten auf einem modernen Campus lag. Als er langsam die Treppe hinaufstieg, fragte Andre sich, ob das ganze Spiel in dem Moment platzen würde, in dem Dr. Leonard Wyman ihn sah. Immerhin hatte er einen PhD.
Andre klopfte an die offene Tür von Raum 615, und ein älterer Weißer, vielleicht in den Siebzigern, hob entschuldigend die Hände. Er aß ein enormes, verlockend aussehendes Pastrami-Sandwich. Verlegen zeigte er auf seinen Mund und bedeutete Andre, ihm in ein Büro zu folgen. Andre setzte sich und beobachtete, wie Wyman kauend einen Stapel Papiere zusammensammelte. »Verzeihung, ich wusste ja, dass Sie kommen, aber ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen!«, erklärte er schließlich.
Andre überkam ein eigenartiges Gefühl, als der Mann ihm die Hand schüttelte.
»Andre … Jensen … Jensen«, murmelte Wyman und suchte etwas in seinem Computer. »Ah, hier haben wir es.«
Dann begriff Andre, was ihm zu schaffen machte, auch wenn es gar keinen Sinn ergab. Er war Wyman nie zuvor begegnet – sie hatten nicht einmal telefoniert –, und Andre wusste, dass das hundertprozentig stimmte. Doch wenn dem so war, warum kam ihm dieser Wildfremde so bekannt vor?
Ruderer-Billy war einer der beiden babygesichtigen Jungen auf meinem Flur im Brewser. Das Glück, das Schicksal, oder wie immer man es nennen will, war auf meiner Seite. An jenem ersten Abend, als mein ganzer Flur zum Tanzen ausging, habe ich ihn erwähnen hören, dass sein großer Bruder in der SAE war. Ich flirtete mit ihm, denn das hieß, dass ich zu Partys oder sonstigen Späßen eingeladen würde, bei denen möglicherweise Will Bachmans Freunde mitmachten. Billy erwähnte auch, wo das Verbindungshaus war, und sagte, er könne mich mit hinnehmen, wenn sie ihre Begrüßungsparty gaben.
Die Party sollte erst am Wochenende stattfinden, und ich konnte es nicht erwarten. Jedes Mal, wenn ich zwischen den Kursen über die bevölkerten Campuswege ging, suchte ein Teil von mir nach Will. Ich wusste nicht, was ich tun würde, sollte ich ihn sehen, und fast fürchtete ich, ich könnte gedankenlos zuschlagen. Es war nicht garantiert, dass er mich erkennen würde – er hatte mich vor Jahren zuletzt gesehen. In jedem neuen Kurs – Biologie, Physik – blickte ich mich unter den anderen Studenten nach seinem blonden Schopf um. Natürlich war er nicht da. Er war im dritten Studienjahr und würde kaum Einführungskurse für Studienanfänger belegen.
Hatte ich mich vergewissert, dass er nicht im selben Raum saß, entspannte ich mich und schätzte mein Territorium ab. Ich lernte nach Gehör und musste mir selten Notizen machen, deshalb verbrachte ich einen Großteil der ersten Kurse damit, meine Mitstudenten zu beschnuppern. Ich brauchte einen kompletten Tag, um zu kapieren, dass nicht jedes Mal, wenn ich eine schmale schwarze Smartwatch sah, es notwendigerweise interessant sein musste. Eine Menge Leute trugen die, nicht bloß Studenten in meinem Programm. Aber diese Leute wären meine Konkurrenten um einen Platz an der medizinischen Hochschule und meine künftigen Freunde und Feinde. Sie könnten Komplizen oder Hindernisse sein. Liebhaber sogar. In letzter Zeit hatte ich Lust auf Sex. Ich beäugte einen Jungen in der vorderen Reihe, der breite Schultern hatte. Doch als er sich halb umdrehte, sah ich sein Pferdegesicht. Schade.
Ich gewöhnte mir an, einen Umweg zurück zu meinem Wohnheim zu nehmen, sodass ich am SAE-Haus vorbeikam. Es stand an einer Kreuzung zweier baumgesäumter Straßen auf einem Eckgrundstück. Das Gebäude selbst war groß, dreigeschossig und viktorianisch mit dunkeloranger Klinkerfassade und schwarzen Dachschindeln. Den Garten vermüllten Bierdosen, platte Fußbälle und ein paar verbeulte Grills. Manchmal saßen Verbindungsbrüder auf Gartenstühlen draußen, tranken Bier und beobachteten die Studenten – genauer gesagt: die Studentinnen –, die vorbeikamen.
Ich blieb nie stehen, hielt meine Laptoptasche an meiner Seite und prägte mir Einzelheiten zum Haus ein. Die beiden Türen (eine vorn, eine hinten), wie nah die Nachbarn waren (in Wurfweite) und ob man unauffällig aus dem Haus verschwinden konnte (ja, über die Gasse hinten, die dunkel war und in der es keine Sicherheitskameras gab). Will sah ich bei diesen Gelegenheiten nie. Ich musste herausfinden, wie oft er dort war. Doch am dritten Tag saßen drei Jungen draußen, als ich vorbeiging. Einer sah mich direkt an, und ich warf ihm ein kleines, schüchternes Lächeln zu, um ihm zu signalisieren, dass ich leicht zu beeindrucken war. »Hey!« Er setzte sich auf. »Wie heißt du?« Allein sein Tonfall suggerierte, dass er sich über mich lustig machte.
»Chloe«, antwortete ich und ging ein wenig näher. Rasch blickte ich nach rechts, und mein Herz schlug schneller. Einen der anderen Jungen erkannte ich sofort von meiner Online-Recherche: Cordy, Wills Mitbewohner. Ich würde sie dazu bringen, mich zu mögen, was nicht schwer wäre. Sei hübsch, widersprich nicht und hör hauptsächlich zu – man brauchte kein einziges Wort zu sagen, und ein Typ würde immer noch schwärmen, wie toll er mit einem reden konnte.
»Willst du ein Bier?«, bot der Erste an.
»Klar«, sagte ich. Ich stieg über den niedrigen Gusseisenzaun, der ihr Grundstück einrahmte, und fühlte, wie sie mich anschauten. Sie stellten sich vor und boten mir einen Gartenstuhl an, der sich klamm anfühlte, als ich mich draufsetzte. Der, der mir das Bier angeboten hatte, war Chris, ein Student im zweiten Jahr. Cordy war Cordy, und der dritte war Derek, im dritten Studienjahr. Sie fingen an, mir zweideutige Fragen zu stellen, und ich flirtete entsprechend und lachte, als wären sie brillant.
Ich ließ eine Bemerkung zu Lacrosse fallen, doch niemand schnappte nach dem Köder. Eine Weile lang tranken wir Bier und hechelten die Leute durch, die vorbeigingen. Ich versuchte, es langsam anzugehen, und sagte mir, dass Informationen zu sammeln Geduld erforderte und sich alles, was sie erwähnten, irgendwann als nützlich erweisen könnte. Eigentlich wollte ich ins Haus eingeladen werden, um mir einen Überblick zu verschaffen, aber es schien zu verdächtig, wenn ich jetzt schon um eine Führung bat, nachdem ich sie gerade zwanzig Minuten kannte. Zumindest solange ich nicht riskieren wollte, dass mir einer von ihnen gleich an die Wäsche ging.
Ich merkte mir die Namen der anderen Verbindungsbrüder, von denen sie redeten. Wie nahe standen sich die Brüder? Falls Will verschwand, würden sie umgehend einen Suchtrupp bilden oder einfach weiter Studienanfängerinnen mit billigem Bier anlocken? Sie sprachen über die Demos. »Oh, verdammt, ja«, sagte Cordy. »Ich bin da gewesen und habe alles live gestreamt. Wartet nur ab, wenn die Aufstände losgehen.« Ich speicherte es ab. Es könnte gut sein, dass Will bei irgendwelchen Unternehmungen von Cordy dabei war.
»Ich glaube, dieses Wochenende ist wieder eine Demo. Bei der im Oktober verziehe ich mich aus der Stadt. Ich will nichts mit den Massen zu tun haben – diesem Haufen von Möchtegern-Anarchisten«, sagte Derek. Er reckte sein Kinn in meine Richtung. »Was ist mit dir, Premed?« Sie hatten angefangen, mich so zu nennen, als wäre es witzig, wenn ein Mädchen schon zu College-Beginn wusste, dass sie Ärztin werden wollte. Und gewiss hatte es rein gar nichts mit der statistisch belegten Tatsache zu tun, dass Frauen weniger häufig das College abbrachen als Männer.
»Habe ich noch nicht entschieden«, antwortete ich.
Chris sah auf sein Handy. »Der schreckliche Charles hat wieder ein Ding in dem Haus am See. Kostenlose Getränke.«
Das Gespräch pausierte, als eine kreischende Rückkopplung aus einem Fenster im zweiten Stock zu hören war. »Bogey!«, schrien zwei von ihnen im Chor.
Die Fliegentür hinten im Haus ging auf, und ein Junge kam heraus. Mein Atem stockte. Es war nicht Will, trotzdem lenkte er mich von meiner gegenwärtigen Aufgabe ab. Er war ein bisschen älter und blickte auf sein iPhone. Er war etwas über einen Meter achtzig groß und hatte die Art Körper, die ich mochte – schmale Hüften, einiges an Muskeln, aber nicht zu viel. Im Gegensatz zu den anderen war er gut gekleidet: Designer-Jeans und ein leichter dunkelgrüner Pullover. Als er aufschaute, war ich zufrieden. Sein Gesicht war im klassischen Sinne schön – definierte Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase und Augen, die selbst aus der Entfernung grün wirkten. Dazu ein sinnlicher Mund. Sein Haar war hellbraun und mit dieser Stirntolle gestylt, die man neuerdings häufiger bei Jungen sah.
»Wenn man vom Teufel spricht!«, sagte Cordy.
Der Junge steckte sein Telefon wieder ein und kam herüber, um ein Bier aus der Kühlbox zu nehmen.
»Schrecklicher Charles, dies ist unsere neue Freundin Chloe. Sie ist im ersten Jahr«, informierte Cordy.
Gut, also mochte Cordy mich. Ich musterte den schrecklichen Charles und versuchte, mir alles an ihm einzuprägen.
Er nahm mich kaum zur Kenntnis. »Willkommen an der Adams. Versuch, einen Bogen um Arschlöcher wie diese drei zu machen.«
Sie johlten. Der schreckliche Charles grinste, allerdings galt es mehr ihnen als mir. Er hatte perfekte weiße Zähne. Dann öffnete er sein Bier. »Ich muss mich um Wahlkram kümmern. Wir sehen uns.«
Ich war enttäuscht, aber mit seinem Verschwinden konnte ich wieder denken. »Wartet mal, Charles? War das Charles Portmont?«
Chris nickte.
Charles Portmont von Wills Instagram! Mit noch jemandem aus Wills Entourage auf Sicht rückte ich noch ein Stück näher. Wie ein Geier, der wachsam kreiste.
Auf meiner Smartwatch erschien ein Ausrufezeichen. Ich schätzte, dass es nun genug mit meinem Erstkontakt zur SAE war, und weil ich nicht noch mehr Zeit vergeuden wollte, wenn Will nicht aufkreuzte, verabschiedete ich mich. Immer dann gehen, wenn sie in einer positiven Stimmung sind. Wenn sie mehr wollen.
Außerdem war ich neugierig auf diese Mood-Logs. Ich ging halb die Straße hinunter, weil ich nicht nahe beim Verbindungshaus geortet werden wollte. Die Bäume zu beiden Seiten waren voller Herbstlaub, und es war fast die goldene Stunde – die Stunde unmittelbar vor Sonnenuntergang mit idealem Licht für Selfies. Ich blieb an einer der Holzbänke stehen, die Alumni gewidmet waren, machte ein Foto und wandte mich meiner Smartwatch zu.
Ich tippte das Display an. Oben erschien die Uhrzeit, die verblasste, bevor Text auftauchte: Auf einer Skala von 1 bis 7, wobei 7 die höchste Stufe einer Emotion ist und 1 bedeutet, dass sie gar nicht empfunden wird, beantworten Sie bitte, wie sehr Sie jetzt eines der folgenden Gefühle spüren.
Ich berührte das Display, um das Programm fortzusetzen.
Glücklich.
2, tippte ich.
Ängstlich.
1
Aufgeregt.
5
Wütend.
6
Yessica und ich waren mit einer Horde Mädchen aus unserem Wohnheim in der Buchhandlung gewesen und trotteten mit schweren Taschen voller überteuerter Lehrbücher zurück. »Ich verstehe nicht, warum ich die zehnte Auflage kaufen muss, wenn die fünfzig Scheine mehr kostet als die neunte«, beschwerte sich Yessica, als sie ihre Taschen auf den Boden unseres Apartments fallen ließ. Alle hatten ihre Türen offen und brüllten zustimmend über den Flur.
»Das ist Abzocke!«, schimpfte jemand lauthals.
»Hat irgendwer von euch Poster-Strips?«, rief jemand anderes.
Ich hielt inne, nachdem ich meine neuen Bücher auf meinem Schreibtisch aufgestellt hatte. Der FOMO-Teil in mir wollte bleiben, mit den Leuten abhängen und tun, was alle anderen in ihrer ersten Woche am College taten. Aber dann war da der zweite Teil von mir. Mein einziger Trost war, dass ich, sobald ich mit Will fertig war, mich mit Haut und Haaren auf das stürzen konnte, worum es auf dem College ging: romantische Intrigen, zum Spaß blöde Kriege mit anderen Mädchen anzetteln, Affären mit Professoren haben.
Ich nahm meine Laptoptasche und behauptete, mein Job an der Psychologischen Fakultät riefe. Zu sagen, ich hätte dort eine Teilzeitstelle, war ein besseres Cover gegenüber Yessica, als ihr zu erzählen, dass ich mehrere Termine und Untersuchungen dort hätte, weil mir Psychopathie bescheinigt wurde. Jeder mit einem weniger umfangreichen Verständnis meines Geisteszustands hätte wahrscheinlich etwas dagegen, mit einem »Psycho« zusammenzuwohnen, erst recht, wenn besagter Psycho auch noch das Studium geschenkt bekam, während man selbst einen fetten Stafford-Kredit aufnehmen musste.
Ich ging die Marion Street hinauf und stellte erfreut fest, dass nur ein paar Leute in dem Muffin-Laden waren, abgesehen von den beiden jungen Mädchen an der Kasse, die immer wieder »Oh, Miiist, nein«, ausriefen, bevor sie zurück ins Arabische oder Amharische verfielen. Ich wählte einen kleinen Tisch gegenüber dem Fenster, von dem aus ich einen klaren Blick auf Will Bachmans Haus hatte. Dann öffnete ich meinen Laptop und mein Biologiebuch und legte meine Auswahl an Markern aus. Ich las ein halbes Kapitel, blickte auf, um zu beobachten, und markierte jedes Mal mit einem Haken, wenn jemand vor dem Haus vorbeiging. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, wie viel in der Straße los war.
Dann weckte ich meinen Laptop und sah mir Wills neueste Instagram-Posts an. Er hatte ein Bild von sich und einem anderen Verbindungsbruder eingestellt, wie sie versuchten, ein Fass hinten in einen Wagen mit Fließheck zu laden. #WelcomeWeekParty.
Anschließend ließ ich meinen Cursor über die Google-Seite kreisen. »Charles Portmont« tippte ich. Sofort erschien eine Website. Anscheinend kandidierte der schreckliche Charles für den Vorsitz des Studentenrats. Da war ein Bild von ihm, aber kein sehr schönes, weil es von hinten aufgenommen war und seinen Rücken zeigte, als er eine Rede vor einer Menschenmenge hielt. Er hatte die Unterstützung der Unizeitung, der Daily Owl (die allerdings nur einmal die Woche erschien), sowie die von zwei Studentenvereinigungen. Verdammt, in D.C. nahmen sie Politik richtig ernst. Wen interessierte denn, wer dem Studentenrat vorsaß?
Es gab ein Kästchen, in dem man anonym Fragen stellen konnte. Habt ihr Fragen an unseren Kandidaten? Bist du ein so seelenloser Arsch wie deine Verbindungsbrüder?
Wieder sah ich zu Wills Haus, und mich packte ein starker Drang, hinüberzugehen und es mal genauer anzusehen. Natürlich wusste mein Verstand, dass es keine gute Idee war – es war helllichter Tag und zu viel Betrieb. Doch manchmal gewinnt der schlangenhafte Reptilienteil meines Gehirns, der ungeduldig und impulsiv ist. Die Schlange wollte Fenster einschlagen, sein Zimmer durchwühlen, den Kühlschrank öffnen und in seine Milch spucken. Ich stopfte alle meine Sachen in meinen Rucksack, verließ den Laden und überquerte die Straße.
Der Trick, wollte man unbemerkt etwas ausfressen, bestand darin, so zu wirken, als wäre man bloß auf dem Weg nach Hause, um die Wäsche zu machen. Ich sah mir Wills Haustür genau an, die zwei Schlösser hatte. Online hatte ich mir ein Dietrichset besorgt, aber die YouTube-Videos dazu ließen es leichter aussehen, als es in Wirklichkeit war. Ich hatte zu Hause und bei wenigen Nachbarhäusern geübt, war jedoch alles andere als ein Profi.
Um hinter das Haus zu gelangen, musste ich einen halben Block gehen und dann in eine Seitengasse abbiegen, die auf die Rückseite der Reihenhäuser führte. Ich ging auf Wills Haus zu, während ich in meiner Tasche kramte, als suchte ich etwas – einen Schlüsselbund vielleicht. So habe ich es oft gemacht, wenn ich in Läden klaute – mich mit irgendwas beschäftigt, damit es schien, als würde ich sonst was tun, nur nicht stehlen. Spannung baute sich in mir auf wie eine Feder, die gedrückt wurde, während ich mich der Nummer 1530 Marion Street näherte. Beim Haus nebenan waren zwei Handwerker, die mit einer lauten Maschine Ziegelsteine zuschnitten. Der Lärm wäre eine gute Deckung, aber es waren eben auch zwei Typen dort. Wills Haus hatte eine verrottet wirkende Holzterrasse hinten mit einer Glasschiebetür. Ein halbes Dutzend vermoderte Steinstufen führten zu einem Untergeschoss, dessen Fenster schwarz waren. Ich ging langsamer, gab vor, von meinem Handy abgelenkt zu sein, und hoffte, dass die Handwerker mich nicht bemerkten.
Als ich zu der schmutzig gelben Hausverkleidung aufsah, sagte der kluge Teil von mir, dass ich gehen solle, weil ich erwischt werden könnte. Die Schlange in mir wies darauf hin, dass die Fenster im Erdgeschoss zwar vergittert waren, doch die Schiebetür sich vielleicht aufbrechen ließ. Und falls nicht, war da ein Rohr, das stabil genug aussah, um daran nach oben zu klettern.
Er könnte drinnen sein, dachte ich. Aber nein, jetzt war nicht die Zeit für irgendeine Konfrontation.
Ich meine, es sei denn, sie war es trotzdem.
Oder er war nicht einmal zu Hause.
Ich könnte eine Bärenfalle in sein Bett legen.
An der Glastür vorbeizukommen wäre schwierig. Allerdings war da das Rohr zum Dach hinauf, und dort gab es ein Fenster, das ziemlich alt aussah. Es war nicht sehr hoch. Ich konnte recht anständig klettern, hatte keine Höhenangst, und dank meines allgemeinen Lebensstils hatte ich die Fähigkeit entwickelt, lautlos zu schleichen, zu klettern und in Häuser einzusteigen. Ich war immer das Mädchen gewesen, das auf einen Baum stieg und vom Dach in den Pool sprang, ohne mir auch nur einen Kratzer zu holen.
Schon fühlte ich, wie sich meine Muskeln anspannten und sich vorwärtsbewegen wollten, als mich ein Geräusch bremste. Einer der Handwerker pfiff mir zu. Ich bedachte ihn mit einem angewiderten Blick und ging schnell weg, fast wütender auf mich, weil ich unvorsichtig gewesen war, als auf ihn. Ich weiß, dass Rache am besten kalt serviert wird, aber keiner hat mir je gesagt, wie es sein würde, die letzten Momente abzuwarten, wenn sie noch dampfend auf dem Servierwagen direkt neben dem Tisch stand. Ich wollte Will vollkommen in meiner Gewalt haben. Er sollte sich winden. Es sollte perfekt sein. Also musste ich warten.
Außerdem war morgen Abend die SAE-Party, auf der er definitiv sein würde, reif und bereit, gepflückt zu werden.
Ich war unterwegs zu meinem ersten Experiment im Fachbereich Psychologie, meiner letzten offiziellen Aufgabe des Tages. Als ich die schwarzen Holztüren zu der Burg aufzog, war drinnen alles still. Staubpartikel schwebten in den Lichtstrahlen, die durch die hohen Fenster hinter der geschwungenen Treppe hereinfielen. Etwas an dem Gebäude erinnerte mich an eine Kirche, in der es spukte. Ich ging hinauf in den fünften Stock und von dort in die Richtung weg von Dr. Wymans Büro.