Palliative Care in Pflegeheimen und -diensten -  - E-Book

Palliative Care in Pflegeheimen und -diensten E-Book

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Beschreibung

Eine gute Palliativversorgung ist ein Qualitätskriterium von Pflegeheimen und -diensten. Für Bewohner, Patienten und Angehörige sichert sie eine gute Lebensqualität auch in schwierigen Krankheitsphasen. Für die 5. Auflage wurde dieses bewährte Buch aktualisiert. Es zeigt, wie sich ein modernes Schmerzmanagement durchführen lässt, wie Ehrenamtliche und Angehörige einbezogen, psychosoziale Nöte begleitet und Krisen speziell im Team gemeistert werden können. Der komplexe Bereich der ethischen Entscheidungsfindung und Therapiezielbegrenzung am Lebensende wird praxisnah dargelegt. Dabei geht es immer auch darum, die Mitarbeiter gezielt einzusetzen und zu entlasten. Aktuell: Mit Hinweisen zum neuen Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) und zum Verbot der Suizidbeihilfe. Auf den Punkt gebracht: Palliatives Basiswissen für den Pflegealltag. Kompakt, verständlich, praxisnah. Multidisziplinär & umfassend. Aktuell: Mit Hinweisen zum neuen Hospiz und Palliativgesetz (HPG von 2015) und zum Verbot der Suizidbeihilfe

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Prof. Dr. Jochen Becker-Ebel ist Diplom-Theologe, Professor f. Palliative Care, Supervisor DGSv, Organisationsberater und Trainer.

Christine Behrens ist Diplom-Theologin, Supervisorin und Palliativtrainerin.

Günter Davids ist langjähriger Hospizkrankenpfleger und Diplom-Pflegewirt.

Michaela Pawlowski ist Diplom-Psychologin, systemisch-lösungsorientierte Therapeutin, Krankenschwester, Palliative Care-Fachkraft und Kursleiterin.

Nina Rödiger ist examinierte Altenpflegerin, PDL, Sozialmanagerin, transaktionsanalytische Beraterin und Leiterin von Palliativpflegekursen.

Meike Schwermann, M.A., ist Fachkrankenschwester (Intensiv u. Anästhesie), Palliative Care-Fachkraft und -Trainerin, Dipl.-Sozialwirtin, Dipl.-Pflegewissenschaftlerin und Hochschuldozentin.

Dr. Hans-Bernd Sittig ist Facharzt für Anästhesie, Spezielle Schmerztherapie, Palliativmedizin, Rettungsmedizin, Algesiologe DGS.

Kristin Surendorff-Belder, M.A. Bildungswissenschaften (Gesundheitswesen), ist Fachkrankenschwester (Intensiv und Anästhesie), Palliativ-Fachkraft und -Kursleiterin und Hospizkoordinatorin.

»Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.«

SENECA

pflegebrief

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0807-8 (Print)ISBN 978-3-8426-8997-8 (PDF)ISBN 978-3-8426-8998-5 (EPUB)

© 2019 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,   Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages.

Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden.

Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.

Titelbild: Halfpoint - stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort zur sechsten Auflage

Jochen Becker-Ebel

Einleitung und Überblick

Hans-Bernd Sittig

1Schmerz erkennen, verstehen und behandeln

1.1Einführung

1.2Schmerztherapie

1.3Physiologie der Schmerzen

1.4Schmerzursachen

1.4.1Tumorbedingter Schmerz

1.4.2Therapiebedingter Schmerz

1.4.3Tumorunabhängiger Schmerz

1.5Diagnostik

1.6Schmerztherapie

1.6.1Kausale Schmerztherapie

1.6.2Symptomatische Schmerztherapie

1.6.3Stufenschema der Tumorschmerztherapie

1.6.4Mechanismen-orientierte Schmerztherapie

1.6.5Applikationswege

1.6.6Koanalgetika

1.6.7Kombinationen

1.7Weitere Substanzen in der Schmerztherapie

1.7.1Tapentadol

1.7.2Cannabinoide in der palliativen Schmerztherapie

1.8Die Behandlung von Schmerzattacken

1.9Opioidwechsel

1.10Nebenwirkungen

1.11Besonderheiten in der Schmerztherapie

1.11.1Invasive Verfahren

1.11.2Schmerztherapie in der Finalphase

1.12Die Arzt-Patient-Beziehung

1.13Die »beste« Therapie

Meike Schwermann

2Schmerzen erfassen und systematisch handeln

2.1Schmerzen erfassen

2.1.1Skalen zur Messung der Schmerzintensität

2.1.2Auswahl der Schmerzintensitätsskala

2.1.3Schmerzprotokoll

2.1.4Faktoren, die das Schmerzassessment beeinträchtigen

2.2Schmerzassessments für demenziell erkrankte, kommunikationseingeschränkte Menschen

2.2.1Schmerz-Ersteinschätzung bei Demenz/kognitiven Einschränkungen

2.2.2Dokumentation von Verhaltensauffälligkeiten anhand des ECPA-Bogens

3Körperliches Leid verringern

Nina Rödiger

3.1Palliative Mundpflege

3.1.1Intimbereich Mund

3.1.2Ziele und Behandlungsmöglichkeiten

3.1.3Angehörige einbeziehen

Nina Rödiger

3.2Symptomlinderung bei Übelkeit und Erbrechen

3.2.1Erfassung und Einschätzung

3.2.2Ursachen für Übelkeit und Erbrechen

3.2.3Therapie von Übelkeit und Erbrechen

3.2.4Pflegerische Maßnahmen

Günter Davids

3.3Symptomlinderung der Atemnot und anderer Respirationsprobleme

3.3.1Medikamentöse Therapie

3.3.2Weitere Therapiemaßnahmen

3.3.3Unterstützung bei Husten

3.3.4Palliativpflege bei einer Rasselatmung

Günter Davids

3.4Behandlung der Obstipation

3.4.1Obstipation erfassen

3.4.2Symptombehandlung

Günter Davids

3.5Palliative Wundversorgung

3.5.1Ziel der palliativen Wundversorgung

3.5.2Häufige Probleme

3.5.3Reinigung

3.5.4Wundauflagen und -therapeutika

3.5.5Begleitende Schmerzbehandlung beim Verbandswechsel

3.5.6Behandlung zur Linderung starker Gerüche

3.5.7Behandlung von Wundblutungen

4Psychosoziale Nöte begleiten

Michaela Pawlowski

4.1Depression und Angst

4.1.1Depression

4.1.2Angst

Christine Behrens

4.2Hilfreiche Gespräche führen

4.2.1Ein Kommunikationsmodell – die Transaktionsanalyse

4.2.2Kommunikation mit nicht mehr sprachfähigen Menschen

Christine Behrens

4.3Kommunikation mit Angehörigen

4.3.1Wie kann Angehörigenarbeit gelingen?

Christine Behrens

5Existenzielle Krisen gestalten

5.1Rituale in der Begleitung Sterbender

5.1.1Die drei Phasen der Rituale

5.1.2Rituale im Pflegealltag

5.2Trauer

5.2.1Trauerbegleitung unter Zeitdruck

5.2.2Stadien der Trauer

5.2.3Normale Trauerreaktionen

5.2.4Maßnahmen im Rahmen der Trauerbewältigung

5.2.5Risikofaktoren beim normalen Trauerverlauf

5.3Spirituelle Fragen

5.3.1Spiritualität als Ressource

5.3.2Sinnfragen

5.3.3Spiritualität als Begegnungsraum an der Todesgrenze

Christine Behrens

6Zusammenarbeiten und sich vernetzen

6.1Kommunikation im Team

6.1.1Regelmäßige Besprechungen

6.1.2Interdisziplinäre Teams

6.2Kommunikation mit Ehrenamtlichen

6.2.1Charakteristika ehrenamtlichen Engagements

6.2.2Aufgaben der Ehrenamtlichen

6.2.3Ehrenamtliche gewinnen

6.2.4Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration

6.2.5Konzept für die Integration

6.2.6Gründe gegen ein ehrenamtliches Engagement

6.3Praxisbeispiel: Das Alten- und Pflegeheim St. Nikolai, Sarstedt

Jochen Becker-Ebel

7Ethisch würdevoll und gut entscheiden

7.1Was ist (rechtlich) erlaubt? Was ist verboten?

7.1.1Euthanasie/Tötung auf Verlangen/Sterbehilfe

7.1.2Assistierter Suizid

7.1.3Erlaubter Behandlungsabbruch

7.1.4Sonderfall: Die Palliative Sedierung

7.1.5Geschäftsmäßige Suizidbeihilfe

7.2Entscheidungsdiagramm zur Behandlungszieländerung

Kristin Surendorff-Belder

8Grundhaltungen leben

8.1Die Hospizidee

8.1.1Die drei Grundprinzipien

8.2Palliative Care – eine Philosophie?

8.3Ausblick

Literatur

Autorinnen und Autoren

Glossar

Register

Vorwort zur sechsten Auflage

»Palliative Care in Pflegeheimen und -diensten« ist mit dieser sechsten Auflage weiterhin eines der erfolgreichsten nicht-pharmafinanzierten Bücher der Palliativversorgung.

Auch die allgemeine und spezialisierte Palliativpflege ist in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten gut angekommen. Immer schon wurde und wird Gutes und oft Hervorragendes in der Begleitung kranker und hochbetagter Menschen ambulant und stationär geleistet – trotz steigendem Fachkräftemangel und Bürokratie.

Mit wenigen, hilfreichen Schritten kann im Rahmen des vorhandenen Zeitbudgets in der allgemeinen palliativen Versorgung bereits viel geleistet werden. Die darüber hinaus gehende spezialisierte Versorgung – SAPV – durch Pflegedienste und in Pflegeheimen begleitet darüber hinaus die letzte Lebensphase optimal. Hier ist die (Palliativ-)Pflege in Deutschland auf einem guten Weg, wie internationale Vergleichsstudien bestätigen.

Dennoch: Mehr als drei Jahre nach der Einführung des neuen Hospiz- und Palliativgesetzes hat sich bei der flächendeckenden Umsetzung noch nicht viel getan:

•Es bestehen weiterhin Lücken in manchen Landkreisen und in großen Bereichen Ostdeutschlands bei der SAPV.

•Seit Ende 2016 ist es möglich, mit Krankenkassenfinanzierung Pflegeheimbewohner zur Palliativversorgung zu informieren und zu ethischen Entscheidungsfindungen zu beraten, doch haben erst wenige Pflegeheime derartige Beratungen strukturell verankert.

Über die Jahre hat sich die Aufgabenstellung dieses Buchs geändert. Neben den Altenpflegenden lesen auch viele Gesundheits- und Krankenpflegende dieses Buch. Nicht nur für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Pflegeheimen, sondern auch für jene von Pflegediensten und ebenso für Pflegende von nicht-palliativen Krankenhausabteilungen sind die hier gesammelten Informationen zunehmend hilfreich. Unser Buch dient ihnen allen als praktische und umsetzbare Antwort auf alle anfallenden Fragen.

Mit diesem Buch sind Sie, liebe Leser und Leserinnen, weiterhin auf den verschiedenen Versorgungsformen im Palliative Care gut vorbereitet – spezifisch auf die Palliativpflege des hochbetagten Menschen. So sind die Medikamentenempfehlungen in ihren hier besonders hervorgehobenen (oft niedrigeren) Dosierungen leitlinienkonform gerade für den älteren Menschen gezielt modifiziert.

Im Bereich der Ethik am Lebensende hat sich in den letzten Jahren viel getan. Damit Sie eine eigene Haltung finden können, tragen wir aktuelle Informationen zusammen:

•zur Diskussion zum stets straffreien Suizid sowie zur Garantenstellung im Kontext einer Beihilfe zum Suizid.

•zum neuerdings eingeführten Strafgesetz des Verbots der Suizid-Bewerbung, das vom Bundesverfassungsgericht nach Verfassungsbeschwerden derzeit überprüft wird. Eine Entscheidung zu diesem § 217 StGB wird erst nach Drucklegung dieser 6. Auflage erwartet.

•zu Patientenverfügungen, die seit den BGH-Urteilen vom 6.7.2016 und 8.2.2017 zunehmend wichtig sind, aber nur wenn sie konkret genug abgefasst werden. Dies hat ein neues BGH-Urteil vom 14.11.2018 nochmals konkretisiert. Die Selbstbestimmung der Betroffenen ist gestärkt.

•zur Palliativ-Beratung nach Paragraf 132g SGB V.1 Sie kann im Rahmen des neuen Hospiz- und Palliativgesetzes auch durch Pflegeheime selbst erbracht werden. In den dazu veröffentlichten Rahmenvereinbarungen finden sich Hinweise zur Qualität für die Umsetzung.2

Unser Buch bereitet in seiner sechsten, aktualisierten Auflage Palliativpflegende, -beraterInnen und palliative Einrichtungen gut auf diese Neuregelungen vor. Freuen Sie sich auf umfassende Informationen sowie Handlungsanleitungen in verständlicher Sprache.

09. Februar 2019

Für die Autoren:Prof. Dr. Jochen Becker-EbelProfessor f. Palliative Care

_________________

1Vgl. www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/132g.html

2Vgl. www.dhpv.de/tl_files/public/Service/Gesetze%20und%20Verordnungen/2018_Vereinbarung_nach_132g_Abs_3_SGBV_GVP.pdf

Einleitung und Überblick

Jochen Becker-Ebel

Palliativversorgung wird zunehmend zum Qualitätskriterium von Pflegeheimen und Pflegediensten. Für Patienten, Bewohner und Angehörige ist sie ein wichtiges Signal für eine gute Lebensqualität – auch in schwierigen Krankheitsphasen. Doch Palliativversorgung ist mehr: Neben der radikalen Patientenorientierung sind Vernetzung und Multiprofessionalität sowie die besondere Einbeziehung der Angehörigen wichtig.

Bereits 2000 schrieben die norwegischen Pflegeheimärzte und Palliativmediziner Dr. Bettina Sandgathe und Professor Dr. Stein Husebø (Bergen) in der Zeitschrift für angewandte Schmerztherapie (StK 2/2000): »Bislang wurde die Palliativmedizin völlig zu Unrecht in der Geriatrie vernachlässigt, obwohl viele Probleme entstehen, wenn alte Menschen ernsthaft erkranken und im weiteren Verlauf sterben.« Die namhafte Palliativmedizinerin Cicely Saunders gibt zu: »Ich habe mich bewusst der Versorgung von Tumorpatienten gewidmet. Ich wusste, dass es mir nicht gelingt, die Misere in der Versorgung unserer alten Mitbürger aufzugreifen. Das Problem ist mir zu groß gewesen.« Zunehmend kritisieren die internationalen Gremien der Palliative Care die einseitige Fokussierung auf Krebspatienten und fordern, dass die großen Fortschritte auch anderen Patientengruppen zugutekommen sollten.

Die Aufgabe ist weiterhin groß und auch 15 Jahre später noch nicht in vollem Umfang erkannt und bewältigt. Doch gemeinsam wird es gehen. Altenpflegekräfte im ganzen deutschsprachigen Raum wollen das Sterben und den Tod in ihren Einrichtungen nicht weiter tabuisieren und in die Ecke drängen. Sie wollen die Vorzüge der Hospizarbeit in ihre eigenen Einrichtungen auf angepasste Art und Weise integrieren und von der Palliativmedizin und Palliativpflege lernen, um die Schwerstkranken auf ihren letzten Wegen stets besser zu begleiten.

In der Palliativversorgung steht die Ganzheitlichkeit im Vordergrund. Das bedeutet, dass nicht die Erkrankungen allein betrachtet werden, sondern der ganze Mensch, mit seiner Seele, seinem Denken und Glauben und mit seiner sozialen Identität. Daraus entstand das auch heute verwandte Modell des »Total Pain«, zu Deutsch in etwa: »ganzheitlich-umfassender Schmerz«, der oben bereits erwähnten Gründerin der modernen Hospizund Palliativbewegung Dame Cicely Saunders.

Praktische Palliativpflege – was gehört dazu?

Die praktische Palliativpflege wirft viele Fragen auf:

•Wie führen wir ein gutes Schmerzmanagement ein?

•Wie gestalten wir einen Rahmen für den Einsatz Ehrenamtlicher?

•Wie meistern wir ethische Krisen?

•Wie helfen uns Notfallpläne, Krisenvorsorge und ethische Fallgespräche?

•Was brauchen unsere Mitarbeiter zur eigenen Entlastung bei zunehmend höheren Sterbezahlen im Heim?

•Welche Angebote machen wir trauernden Angehörigen?

•Wie werden Angehörige unsere Partner?

Dieses Buch gibt praktische Antworten – präzise, ausführlich und leicht verständlich. Und es lädt ein zum Mitmachen, Ausprobieren und Umsetzen.

Abb. 1: Das »Total-Pain« /»Total-Care« /»Palliative-Care«-Modell nach Saunders.

Tab. 1: die vier Dimensionen des Schmerzes

Auf diese vier Dimensionen des Leides und des Schmerzes antworten alle Berufsgruppen innerhalb eines palliativen Behandlungsteams mit ihren spezifischen Angeboten. So entsteht »Palliative Care« – eine ganzheitliche Fürsorge am Lebensende. Pflegende und Ärzte arbeiten zusammen mit Sozialarbeitern, Psychologen und Seelsorgern und decken so miteinander die verschiedenen Dimensionen der notwendigen Fürsorge ab. Das geschieht immer schon auf eine anfangs gute Art und Weise auch im Pflegeheim, aber oft nicht für jeden und zu jeder Zeit und in der bisweilen nötigen Intensität.

Palliative Care ist ein Zusammenspiel von Menschen aus verschiedenen Berufen. Deshalb haben wir dieses Buch auch gemeinsam geschrieben, als multidisziplinäres Team. Aus unserer bisherigen Zusammenarbeit in Palliativ- Weiterbildungen, Gremien und Organisationsberatung (siehe auch: www.palliativkurse.de) und bei anderen gemeinsamen Publikationen ist bei uns der Wunsch entstanden, ein einfach verständliches, knappes und preisgünstiges Buch für den alltäglichen Gebrauch im Pflegeheim zu schreiben. Dieses Buch kommt aus der eigenen Praxis heraus, denn innerhalb des weiten Feldes »Palliative Care« haben wir schon vor mehreren Jahren unseren eigenen Handlungs-Schwerpunkt auf »Palliative Care im Pflegeheim« gelegt. Mittlerweile sind wir fast ausschließlich für die bessere palliative Begleitung älterer Menschen tätig. Auch da leitet unser Interesse ein weiteres großes Anliegen von Dame Cicely Saunders, das sie bereits Mitte der Achtziger Jahre äußerte:

»Historisch betrachtet zog die Hospizbewegung ja aus dem Gesundheitssystem aus und entwickelte eigene Modelle (»models of care«, d. h.: Hospize etc.). Es gilt nun, die Haltungen, die Kompetenzen und Erfahrungen der Hospiz- und Palliativversorgung in die Regelversorgung zu reintegrieren (d. h.: in Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulante Dienste), damit die Haltungen und das Wissen zurückfließen kann (»… so that attitudes and knowledge could come back«

Zitiert aus einem IFF-Symposium und nach James & Field 1992.

Bei diesem Zurückfließen geht es zunehmend um einen gegenseitigen Lernprozess. Der mit einer Prise Überheblichkeit gewürzte Auszug aus der Regelversorgung und das Gründen eigener Hospiz-Versorgungsorte hat alle Nebengeschmäcker zu verlieren, damit ein gemeinsamer Lernprozess gelingen kann. Wir Autoren staunen stets erneut, was wir an sozialer Kompetenz, Zuneigung und gutem Willen in den Pflegeheimen bereits antreffen. Es ist ein gemeinsames Lernen und nicht ein »1:1«-Übertragen von palliativem Wissen in die palliativ-ungebildete Regelversorgungslandschaft. Palliative Care entdeckt jetzt erst die Alten, die Hochbetagten, die Menschen mit Demenz. Im gemeinsamen Lernen wird Palliative Care im Pflegeheim noch umfassender werden, noch mehr Palliative Care sein und insbesondere für alle da sein, auch für jene, die still und leise von hier gehen und nicht im Licht der Öffentlichkeit mit ihrem eigenen Sterben sind.

1 Schmerz erkennen, verstehen und behandeln

Hans-Bernd Sittig

1.1Einführung

Die Palliativmedizin bietet inkurablen, unter körperlichen und seelischen Beschwerden leidenden Patienten flankierende Hilfen zur Verbesserung der Lebensqualität an. Angestrebt wird die ambulante Behandlung in der häuslichen Umgebung, die nur gelingt, wenn eine umfassende Stabilisierung der Patienten auf Symptomebene zu erreichen ist. Wenn Entgleisungen zur stationären Aufnahme führen, ist das Behandlungsziel die schnelle, den Betroffenen zufriedenstellende Linderung der Beschwerden, gefolgt von der Rehabilitation in die vertraute Umgebung. Tumorschmerz ist das von vielen am meisten gefürchtete Symptom der Krebskrankheit.

Info

Was ist Schmerz? Ein/e

•Warnsignal (deskriptiv),

•Stimulus (neurophysiologisch),

•Hilferuf (psychosozial),

•Erfahrung des Lebens (lernen),

•rein subjektives Gefühl.

Definition gemäß der IASP3 1979: »Schmerz ist ein unangenehmes Sinnesoder Gefühlserlebnis, das mit potenzieller oder tatsächlicher Gewebsschädigung einhergeht oder mit den Begriffen einer solchen beschrieben wird. Schmerz ist immer subjektiv.«

Fazit Schmerz ist, was der Patient als Schmerz empfindet

Das Vorhandensein oder der Nachweis einer somatischen Läsion ist also keine zwingende Voraussetzung für das Erleben von Schmerzen. Schmerz ist also immer das, was der Patient selbst sagt, das es ist. Niemand außer dem Betroffenen selbst kann diesen Schmerz fühlen, niemand außer ihm selbst kann sagen, wie stark dieser sein Schmerz ist und wie stark er unter diesem Schmerz leidet.

Akute und chronische Schmerzen sind ein wesentliches Symptom einer Tumorerkrankung. Ihr Einfluss auf alle Bereiche der Lebensqualität kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Seit fast 20 Jahren gibt es zur Behandlung von Tumorschmerzen validierte Therapieoptionen mit einem Effektivitätsgrad mehr als 90 Prozent. Trotzdem wird die Mehrzahl der Patienten in Deutschland noch völlig unzureichend behandelt. Leider wurde der Inhalt der Leitlinien zur Tumorschmerztherapie oft unzulässig auf die rein medikamentöse Therapie verkürzt und alle anderen Optionen der Schmerzpalliation – insbesondere die tumorspezifischen Methoden, wie Bestrahlung, Operation und Chemo- oder Radioisotopentherapie – außer Acht gelassen. Auch darf der Beitrag nichtmedikamentöser Maßnahmen zur Tumorschmerztherapie, wie Lymphdrainage, Verordnung von Prothesen und Orthesen, optimierte Lagerung, Massagen, Physiotherapie und nicht zuletzt psychotherapeutische Interventionen, keineswegs unterschätzt werden.

Tumorschmerzpatienten leiden in der Regel gleichzeitig an weiteren physischen Störungen sowie psychologischen, kulturellen, sozialen und spirituellen Problemen, die mit dem Prozess der Krankheitsverarbeitung zusammenhängen und eine symptomverstärkende Rolle spielen. Gerade für den Schmerz des Krebskranken gilt das biopsychosoziale Modell, ist dieser Patient doch einer existenziellen Bedrohung durch die Krebserkrankung ausgesetzt (»Total Pain«). Aus diesen Gründen ist eine Tumorschmerztherapie unter Einbeziehung vieler Fachdisziplinen (Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Psychologen, Seelsorger) zu leisten und setzt die Einbindung des Patienten und seiner Familie voraus.

Dies impliziert auch die Aufklärung über Wirkung und Nebenwirkungen der Behandlung. Da der »Morphinmythos« trotz aller Bemühungen noch lebt, sollten auch Themen, wie und warum der Patient ein »Betäubungsmittelrezept« erhält, wenn er ein wirksames Schmerzmittel braucht, oder warum dieses aus dem »Giftschrank« kommt, offen angesprochen werden.

1.2Schmerztherapie

In der Schmerztherapie muss der Grundsatz der Wahrhaftigkeit dem Patienten gegenüber stets gewahrt werden. Er impliziert, dass dem Patienten stützende Angebote zur Krankheitsbewältigung angeboten werden müssen. Die Schmerztherapie soll dem Patienten ein soweit irgend möglich schmerzarmes normales Leben ermöglichen.

Wichtig Haben Sie Schmerzen?

Der Schmerz muss bei jeden Palliativ-Patienten aktiv vom Arzt und Pflegepersonal erfragt werden, da viele Patienten nicht von selbst über ihre Schmerzen berichten. Sie haben Angst, der Arzt könne nichts tun, sie würden lästig fallen, eine Therapie übergestülpt bekommen, die sie selbst gar nicht wollen.

Bei Tumorpatienten kommt es im Verlauf ihrer Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu behandlungspflichtigen Schmerzzuständen. Dieses Symptom tritt in Abhängigkeit von Tumorart und -stadium, vom Metastasierungsgrad und dem Ort der Schmerz verursachenden Läsion sowie von individuellen und psychosozialen Faktoren zu unterschiedlichen, im Allgemeinen nicht vorhersagbaren Zeitpunkten und mit variabler Intensität auf.

Zum Zeitpunkt einer entsprechenden Diagnosestellung leiden bereits bis zu 50 Prozent aller Tumorpatienten an Schmerzen, die sich in diesem Stadium in vielen Fällen durch tumorspezifische Maßnahmen (Chemotherapie, Operation, Strahlentherapie) reduzieren bzw. gelegentlich sogar gänzlich beseitigen lassen. In einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium werden derartige Schmerzzustände bei über 75 Prozent der Patienten beobachtet. Auch in dieser Situation sollte neben der Durchführung einer symptomatischen Behandlung der Einsatz tumorspezifischer Maßnahmen im Rahmen einer sorgfältigen Nutzen-/Risikoabschätzung erwogen werden.

»Tumorschmerz« ist keine Diagnose. Schmerzen bei Malignomen werden durch verschiedene Schmerzursachen hervorgerufen, die sowohl einzeln als auch in Kombination auftreten können.

1.3Physiologie der Schmerzen

Schmerzentstehung

Überall in der Haut, in den Muskeln, Knochen, Gefäßen, in den Organen und Gelenken dienen vor allem freie Nervenendigungen oder spezielle Nozizeptoren als Schmerzrezeptoren. Unabhängig von der zugrundeliegenden Gewebeschädigung werden diese durch mechanische oder thermische Reize, Botenstoffe oder chemische Stoffe, die bei Gewebsschädigung oder bei Entzündungsreaktion aus den betroffenen Zellen freigesetzt werden, aktiviert oder in ihrer Aktivität moduliert.

Schmerzleitung

Durch die schnell leitenden A-Delta-Fasern und die langsameren C-Fasern, die den peripheren Nerven beigemischt sind, gelangen die Nervensignale zum Rückenmark. Dort endet das erste Neuron der Schmerzleitungsbahn. Es beginnt das zweite Neuron der Schmerzbahn, der Vorderseitenstrang des contralateralen Rückenmarks. Die Neurone des Tractus Spinothalamicus enden in den spezifischen oder unspezifischen Thalamuskernen, andere im Hirnstamm oder Zwischenhirn. Aus den unspezifischen Thalamuskernen gelangen Fasern des dritten Neurons der Schmerzleitung in die affektiven Großhirnareale, aus den spezifischen Kernarealen des Thalamus gelangen andere Fasern in den sensorischen Neokortex.

Zentrale Schmerzwahrnehmung

Erst wenn die Schmerzsignale in die sensorischen Großhirnrindenfelder gelangen, dringt der Schmerz ins Bewusstsein. Aus den affektiven Großhirnarealen werden die Gefühlsqualität und der Effekt beigesteuert.

Schmerzhemmung

Die Schmerzbahn ist keine »Einbahnstraße«. Vom Hirn aus gelangen absteigend- hemmende Bahnen zum Rückenmark, sodass bereits auf Rückenmarksebene die Weiterleitung von Schmerzsignalen moduliert, verändert, verstärkt oder gar unterdrückt werden kann.

Schmerz und Neuroplastizität

Durch länger bestehende oder sehr heftige Schmerzen werden die Schmerzrezeptoren sensibilisiert, sodass Reize, die normalerweise den Rezeptor nicht aktivieren, jetzt ausreichen, um den Rezeptor zu aktivieren. Außerdem vergrößert sich das sogenannte »rezeptive Feld«. Der Radius um den Rezeptor, in dem ein Ereignis den Rezeptor aktiviert, wird größer, die rezeptiven Felder beginnen sich zu überlappen, was dann wieder einen verstärkten neuronalen Input zur Folge hat.

Auch auf Rückenmarksebene kommt es bei anhaltenden Schmerzimpulsen schnell zu einer strukturellen Veränderung der schmerzleitenden Nervenzellen. Das Genom und die Rezeptorbelegung der prä- und postsynaptischen Nervenmembran verändern sich, sodass Schmerzimpulse immer leichter weitergeleitet und kaum noch gehemmt werden können. Es kommt zu einer »Bahnung«. Es werden bald Botenstoffe aus dem zweiten Neuron der Nervenleitungsbahn in den synaptischen Spalt abgegeben, die eine Ausschüttung von schmerzvermittelnden Mediatoren aus dem ersten Neuron in den synaptischen Spalt erleichtern. Ein »Teufelskreis« ist entstanden.

Auch im Kortex kommt es bei anhaltenden Schmerzen schnell zu strukturellen Veränderungen. In der Großhirnrinde vergrößern sich die Repräsentanzfelder von dauerhaft schmerzhaften Körperregionen.

Schmerzschwelle und Schmerztoleranz

Während die Schmerzschwelle, oberhalb derer ein Schmerzreiz ins Bewusstsein dringt, bei fast allen Menschen ungefähr gleich ist, ist die Schmerztoleranz, nämlich die Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen, individuell und zeitlich sehr unterschiedlich. Insbesondere bei Angst, Depression, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Schlaflosigkeit oder Dauerschmerzen sinkt die Schmerztoleranz sehr rasch.

1.4Schmerzursachen

Generell ist zu beachten, dass mit unterschiedlichen Schmerzarten auch differente Begleitsymptome einhergehen, die mit recht unterschiedlichen Beeinträchtigungen der individuellen Lebensqualität verbunden sein können. Die bei Tumorpatienten zu beobachtenden Schmerzen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren. Dabei müssen sowohl ätiologische als auch pathogenetische Faktoren berücksichtigt werden. Solche differentialdiagnostischen Überlegungen sind sinnvoll, da sich aus den zugrunde liegenden Mechanismen und Ursachen eines Schmerzsyndroms sowohl therapeutische als auch prognostische Konsequenzen ergeben. Beim gleichen Patienten können verschiedene, voneinander abgrenzbare Schmerzsyndrome parallel vorliegen: akute Schmerzen können in chronische übergehen bzw. akute und chronische Schmerzen können gleichzeitig bestehen. Die Kenntnis der Ätiologie und des Pathomechanismus sowie des zeitlichen Musters der Schmerzen ist eine unbedingt notwendige Voraussetzung zur suffizienten Durchführung einer spezifischen Schmerztherapie.

Tab. 2: Schmerzursachen bei Tumorerkrankungen

Wichtig Vor der Therapie steht die Ursachenforschung

Wenn immer möglich, sind daher vor Beginn einer Tumorschmerzbehandlung die Schmerzursachen sowie die zugrunde liegenden pathophysiologischen Störungen zu klären, da hiervon die analgetische Therapie und die Medikamentenauswahl abhängen.

Auch somatische Schmerzen werden nicht isoliert von der psychosozialen Gesamtsituation des Tumorpatienten gesehen, sondern unter Berücksichtigung aller Symptome und Verstärkungsfaktoren innerhalb eines palliativmedizinischen Gesamtkonzeptes behandelt. Die Erfassung und Klassifizierung der Schmerzsyndrome bei Tumorpatienten erfolgt zu allererst durch sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung. Eine Analgetikamedikation zur Linderung bestehender Schmerzen sollte den Patienten aber keinesfalls bis zum Abschluss der diagnostischen Prozeduren vorenthalten werden. Manchmal ist eine frühzeitige medikamentöse Schmerztherapie schon allein deswegen erforderlich, um die Durchführung der apparativen Untersuchungen zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen.

1.4.1Tumorbedingter Schmerz

Bei tumorbedingten Schmerzen wird hinsichtlich der Ätiologie unterschieden zwischen

•Nozizeptorschmerz und

•neuropathischen Schmerzen.

Bei den meisten Patienten treten im Verlauf der Erkrankung verschiedene Schmerztypen und auch Kombinationen auf. Nach epidemiologischen Daten treten Knochen- oder Weichteilschmerzen bei 35 Prozent der Patienten auf, viszerale Schmerzen bei 17 Prozent, neuropathische Schmerzen bei 9 Prozent und bei 39 Prozent der Patienten sind mehrere Schmerztypen kombiniert.

Nozizeptorschmerz

Knochen- und Periostschmerz

Knochenmetastasen erregen über einen lokalen Druck, Volumenzunahme, Ausschüttung von Schmerzmediatoren (TNF: Tumornekrose Faktoren, Substanz P, Interleukine u. a.) oder Infiltration Nozizeptoren im Periost und lösen dadurch Schmerzen aus. Außerdem werden die freien, demyelinisierten Nerven, die den Knochen durchziehen, irritiert und erregt. Anfänglich treten die Schmerzen meist nur bei körperlicher Belastung und bei bestimmten Bewegungen auf, später sind selbst in Ruhe Schmerzen vorhanden. Die Schmerzen können streng lokal bei einer Solitärmetastase oder sehr diffus bei disiminierten Metastasen auftreten.

Insbesondere nachts werden typischerweise die Knochenmetastasenschmerzen stärker, da durch die »Bettwärme« das Knochenmetastasenödem zunimmt. Deshalb klagen die Patienten über Schlafstörungen, weil sie nicht mehr ruhig liegen können. Rippenmetastasen können die Atemexkursionen schmerzhaft eingeschränkten, sodass der Patient nicht mehr richtig abhusten kann.

Weichteilschmerz

Weichteilschmerzen können nach Infiltrationen von Skelettmuskulatur oder Bindegewebe entstehen. Häufig sind es Dauerschmerzen, die unabhängig von Bewegungen auftreten. Sie verstärken sich bei Druck wie auch beim Sitzen. Die Schmerzen sind eher diffus lokalisiert.

Ischämieschmerz

Kommt es zu einer Kompression oder Infiltration von Blutgefäßen, entsteht im entsprechenden Versorgungsgebiet ein Sauerstoffmangel. Neben einem anfänglichen belastungsabhängigen Claudicatio-Schmerz klagen Patienten mit Ischämieschmerzen in fortgeschrittenen Stadien über Dauerschmerzen. Je mehr die Patienten ihre Extremitäten bewegen und belasten, desto stärker werden die Schmerzen. Bei der Untersuchung fällt häufig die bläulich- livide Verfärbung der Haut auf.

Viszeraler Schmerz

Der viszerale, typischerweise kolikartige Schmerz wird durch Nozizeptoren vermittelt, die im kardiovaskulären System, im Gastrointestinal-, Respirations- und im Urogenitaltrakt lokalisiert sind. Verdrängt der Tumor zum Beispiel im Bereich des Abdomens Verdauungsorgane oder verschließt er Hohlorgane, zum Beispiel Gallengang, Ductus pancreaticus, Coecum, werden solche viszeralen Afferenzen erregt. Schmerzen können auch bei Entzündungen, Kapseldehnungen und Schleimhautulzerationen der Haut zur Ausprägung kommen.

Neuropathischer Schmerz

Infiltration oder Kompression von peripheren Nerven, Nervenplexus oder im zentralen Nervensystem führen zu neuropathischen, typischerweise einschießende, brennende Schmerzen. Sensible und/oder auch motorische Ausfälle sowie erhöhte Reizbarkeit oder Missempfindungen in den schmerzhaften Arealen weisen auf eine Nervenschädigung hin, nicht immer müssen objektivierbare neurologische Symptome auftreten. Neuropathische Schmerzen im Rahmen einer Tumorerkrankung können durch den Tumor selbst, die Chemotherapie, eine Operation oder durch Bestrahlung entstehen.

Bei der körperlichen Untersuchung fällt häufig eine Berührungsempfindlichkeit der Haut auf. Eine normalerweise nicht schmerzhafte leichte Berührung auf der Haut kann stärkste Schmerzhaftigkeit hervorrufen, die den Reiz zeitlich überdauert (Allodynie), oder ein leichter Schmerzreiz wird als extrem stark empfunden (Hyperalgesie). Dabei sind zum Teil erhebliche Sensibilitätsstörungen im Sinne einer Hypoästhesie oder Hyperästhesie zu finden. In seltenen Fällen sind zusätzlich Hinweise für eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems vorhanden (Brennschmerz, Hauttrophik gestört, Ödem, Temperaturunterschied).

1.4.2Therapiebedingter Schmerz

Die Tumortherapie kann Ursache für anhaltende Schmerzen sein. Eine Chemotherapie hinterlässt mitunter schmerzhafte Polyneuropathien, aseptische Knochennekrosen oder Mukosaentzündungen. Unter Umständen Monate bis Jahre nach Bestrahlungen treten Schmerzsyndrome durch Fibrosierung des Arm- oder Lumbosacralplexus auf. Myelopathien und durch Radiatio induzierte periphere Nerventumoren und Knochennekrosen treten ebenfalls auf. Weitere therapiebedingte Schmerzen sind beispielsweise der Postthorakotomieschmerz oder Stumpf- und Phantomschmerzen nach Amputationen einer Extremität wegen Tumorbefalls.

1.4.3Tumorunabhängiger Schmerz

Tumorpatienten können auch unter akuten oder chronischen Schmerzen leiden, die nicht mit der Tumorerkrankung oder der Therapie im Zusammenhang stehen. Ein schon lange bestehender Kopfschmerz oder Rückenschmerzen können sich gerade in der Krisensituation einer Tumorerkrankung verstärken. Auch die langsam nachlassende Reduktion des Allgemeinzustandes und zunehmende Immobilität können zu einer Schmerzverstärkung nicht tumorbedingter Schmerzen beitragen.

Akuter Schmerz

Akute Schmerzen haben immer eine Alarmfunktion und bedürfen intensiver somatischer, funktioneller und psychosozialer Diagnostik, Abklärung und zielgerichteter, nach Möglichkeit kausaler Therapie.

Tab. 3: Schmerzarten bei Palliativpatienten

Tab. 4: Schmerzform und therapeutische Konsequenz

Chronischer Schmerz

Von chronischen Schmerzen wird vereinbarungsgemäß gesprochen, wenn Schmerzen über eine längere Zeit (früher: mehr als sechs Monate) bestehen. Doch ist die Zeitdauer nicht das einzige Kriterium, das chronische Schmerzen auszeichnet. Der chronische Schmerz ist auch gekennzeichnet durch kognitive und verhaltensspezifische, soziale und interaktionelle Merkmale des betroffenen Patienten und seines sozialen Umfeldes.

Durchbruchschmerzen

Als Durchbruchsschmerzen bezeichnet man unvermittelte, heftige, nur kurz dauernde Schmerzattacken unter einer ansonsten zufriedenstellenden, suffizienten Schmerzbehandlung der Dauerschmerzen.

Somatoformer Schmerz

Ferner kennen wir den somatoformen Schmerz (d. h. der Schmerz »sieht nur so aus, als ob er eine körperliche Ursache hätte«), bei dem die Patienten auf psychosoziale Stressoren mit körperlichen Beschwerden/Schmerzen reagieren. Oft finden sich somatische Bagatellbefunde, die aber das Ausmaß der vom Patienten geklagten Schmerzen nicht erklären.

»Ich habe Schmerzen« kann bedeuten:

•Zahnprobleme

•Appendizitis

•Angina pectoris

•Ich habe Krebs.