Paradies im zweiten Anlauf - Gabriele Ketterl - E-Book

Paradies im zweiten Anlauf E-Book

Gabriele Ketterl

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Beschreibung

Kaum gelingt es Alex ihre Beziehung zu Marcos wieder einigermaßen zu kitten, holt ihre Vergangenheit sie ein. Ihr Noch-Ehemann Holger hat die Scheidung eingereicht und Alex weiß wie ernst er seine Drohung meint. Die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft schwindet. Alex muss wohl oder übel zurück nach Deutschland und sich Holger stellen auch wenn sie sich davor fürchtet. Aber sie ist nicht alleine, Marcos weicht nicht von ihrer Seite. Es stellt sich heraus, dass hinter dem verschwiegenem Canario viel mehr steckt, als sie jemals ahnen konnte. Alex schöpft endlich wieder Hoffnung und nimmt ihr Vorhaben mit neuem Mut in Angriff. Sie kann nicht ahnen, dass das Schicksal - wie so oft -seine eigenen Pläne verfolgt.

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Seitenzahl: 180

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Kurzbeschreibung:

Kaum gelingt es Alex ihre Beziehung zu Marcos wieder einigermaßen zu kitten, holt ihre Vergangenheit sie ein. Ihr Noch-Ehemann Holger hat die Scheidung eingereicht und Alex weiß wie ernst er seine Drohung meint. Die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft schwindet. Alex muss wohl oder übel zurück nach Deutschland und sich Holger stellen auch wenn sie sich davor fürchtet. Aber sie ist nicht alleine, Marcos weicht nicht von ihrer Seite. Es stellt sich heraus, dass hinter dem verschwiegenem Canario viel mehr steckt, als sie jemals ahnen konnte. Alex schöpft endlich wieder Hoffnung und nimmt ihr Vorhaben mit neuem Mut in Angriff. Sie kann nicht ahnen, dass das Schicksal - wie so oft -seine eigenen Pläne verfolgt.

Gabriele Ketterl

Puerto de Mogán

Paradies im zweiten Anlauf

Ein Gran-Canaria-Roman

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2018 by Gabriele Ketterl

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur

Lektorat: S. Lasthaus

Korrektorat: Martha Wilhelm

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-124-9

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Inhalt

1. Männer

2. Freunde und ein großer Irrtum

3. Alles Auslegungssache

4. Auf zu neuen Ufern

5. Nach Hause

6. Kleine und große Problemfälle

7. Fehltritte

8. Fehlentscheidungen und Konsequenzen

9. Ein langer Kampf

10. Immer positiv denken

11. Herausforderungen

12. Mut und Entscheidungen

13. Was lange währt …

1. Männer

Puerto de Mogán, November 2016

„Ob ich Angst habe? Und ob! Ich habe eine Heidenangst, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr kennt Holger nicht und vor allem kennt ihr Robert von Heiden nicht. Der Mann scheut sich nicht davor, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Wenn meine Leiche dabei ist, nimmt er das gewiss billigend in Kauf.“

Ihre Freundin Barbara, die nicht überzeugt schien, runzelte die Stirn. „Aber Alexandra, siehst du das nicht ein klein wenig zu schwarz? Was genau kann denn passieren? Ihr habt, dem Himmel sei Dank, keine Kinder. Vermögensverhältnisse alleine sollten sich doch relativ rasch klären lassen.“

Alex seufzte und verdrehte die Augen. „Du sagst es: sollten! Aber hier geht es um etwas ganz anderes. Einen Holger Stahl verlässt man nicht, basta. Diese Schmach, und glaub mir, als solche empfindet er es, kann er nicht auf sich sitzen lassen. Ich mag mir kaum vorstellen, was er im Büro an Lügen verbreitet hat. Es ging doch schon los, als ich noch in München war. Er hat mich beinahe schon als unzurechnungsfähig hingestellt. Nicht ganz umsonst hat er mir ja die Konten sperren lassen, so, als sei ich nicht mehr ganz richtig im Kopf.“

„Das klingt nicht gut. Andererseits, wie ich schon sagte: Egal, was er auffährt, es gibt Gesetze, es gibt Regeln und es gibt vor allem ein Scheidungsgesetz mit Regeln, an die sich auch dein zukünftiger Exmann halten muss.“

Alex betrachtete mit flauem Gefühl im Magen einige vorbeifliegende Möwen, die sich lautstark bemerkbar machten. Ihr Blick folgte den Vögeln, bis sie hinaus auf den Atlantik flogen und dort einige Fischerboote umkreisten, die gerade von ihrer letzten Fangfahrt zurückkehrten.

Es war zehn Uhr am Morgen und sie und ihre mütterliche Freundin saßen bei einem großen Milchkaffee auf dem Balkon vor der Küche der Casa Vista. Barbara rührte vor sich hin sinnierend in ihrer Tasse. Alex war sich dessen bewusst, dass sie nach den richtigen Worten suchte, um sie zu beruhigen, doch nach Holgers schriftlicher Drohung war das nicht leicht. Ja, es gab Gesetze, aber da war auch noch Holgers Skrupellosigkeit, die ihm in seinem Job gewiss zugutekam. Holger wusste sicher mittlerweile von dem Geld, das ihr Vater ihr vererbt hatte und das sie ihrem Mann aus gutem Grund verschwiegen hatte. Ansonsten wäre es so sicher wie das Amen in der Kirche gewesen, dass die komplette Summe wahlweise in der Wohnung oder in irgendwelchen Fonds verschwunden wäre und sich ihre allerletzte Absicherung in Wohlgefallen aufgelöst hätte. Nein, so war das von ihrem Vater nicht gedacht gewesen. Alex versuchte sich zusammenzunehmen, was leichter gesagt als getan war.

„Es hilft nichts. Ich muss wohl oder übel Koffer packen und einen Flug nach München organisieren. Wenn ich nicht erscheine, dann sehe ich keinen einzigen Cent von dem, was mir zusteht.“

Barbara schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich durchforste das Internet nach günstigen Flügen und du bleibst ganz ruhig und rufst erst einmal Marcos an. Vertrau mir, der weiß, was zu tun ist.“

Alex verzog ungläubig das Gesicht. „Marcos ist ein intelligenter, kreativer und zielstrebiger Mann, aber glaub mir, gegen Holger und seine Winkelzüge kann er nicht bestehen. Mal ganz abgesehen von den Unverschämtheiten, die Robert auf Lager hat.“

„Abwarten, glaub mir, da könntest du dich irren.“ Barbaras Lächeln erschien ihr einen Hauch zu überzeugt.

„Vertrau du mir, ich kenne meinen Ex. Sein einziges Ziel ist es, meinen Ruf in Deutschland zu ruinieren und dafür zu sorgen, dass ich dort wirklich nie mehr auf die Füße komme. Ich wage zu behaupten, dass er es über Auslandskontakte sogar schaffen könnte, mir hier in die Parade zu fahren. Es wäre ihm ein Fest, wenn es ihm irgendwie gelänge, meine Pläne zunichtezumachen, sobald er Wind davon bekommt.“

„Das wird nicht passieren. Und jetzt beruhige dich, ruf Marcos an, ich werfe mich ins Internet wegen der Flüge.“ Für Barbara war das Thema damit offenbar geklärt.

Wäre sie sich selbst doch nur annähernd so sicher wie die Freundin! Unsicher lief sie die Stufen zu ihrem Zimmer nach oben und suchte ihr Handy. Sie setzte sich in einen der beiden Korbstühle auf der großzügigen Dachterrasse. Hier tippte sie zuerst einmal Leonies Nummer ein und ließ, während es in Deutschland schon klingelte, ihren Blick über das herrliche Panorama schweifen. Nein, es durfte Holger einfach nicht gelingen, ihren Traum zu zerstören. Sah sie es wirklich zu dramatisch?

Leonies fröhliche Stimme riss sie aus ihren trüben Gedanken.

„Da ist sie ja mal wieder. Ich dachte schon, du hättest dich in einer Guanchenhöhle* verbarrikadiert und seist auf Nimmerwiedersehen verschwunden.“

Nun musste sie doch lachen. „Nichts mit Guanchenhöhle, obwohl die mir gerade weitaus lieber wären als der Ureinwohner, der mich derzeit meinen Schlaf kostet.“

„Ureinwohner? Du sprichst von deinem Noch-Ehemann?“ Leonie kombinierte schnell.

„Wie kommst du denn da so schnell drauf? Ja, ich habe die Scheidungspapiere zugestellt bekommen. Mit einem handgeschriebenen Liebesbrief.“

Alex erzählte von den Geschehnissen der vergangenen Tage. Sie sparte auch das Positive mit Marcos und der Finca nicht aus, kam aber nicht umhin, mit ihrer derzeitigen Angst zu enden.

Leonie sah das wohl ähnlich wie Barbara. „Süße, lass dich nicht verunsichern von diesem Möchtegern-Macho. Der ist doch nur stinksauer, weil du es gewagt hast, ihn endlich zu verlassen. Diese Barbara liegt goldrichtig. Es gibt Gesetze, die auch für Herrn Stahl gelten, ob er das nun wahrhaben will oder nicht.“

„Ich wünschte, ich hätte nur einen Teil von eurem Optimismus.“ Alex nagte unsicher an ihrem Daumennagel.

„Ähm, Süße, nur für den Fall, dass du wieder an deinem Fingernagel herumkaust, hör sofort damit auf, ja?“

So viel dazu, wenn die Freundin einen besser kannte als man sich selbst. „Mache ich. Sag mal, kann ich während des Termins für die Vorbereitung der Scheidung wieder in das entzückende Gästezimmer ziehen? Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das noch nicht die endgültige Scheidung, die kommt erst nach dem Trennungsjahr.“

„Was ist denn das für eine Frage? Natürlich wohnst du bei mir. Wahrscheinlich war das einer der Hintergedanken deines Ex. Wenn du in eurer Wohnung wohnen würdest, wäre es das fürs Erste mit dem Trennungsjahr. Also, sag Bescheid, wenn du kommst, ich freue mich auf dich.“

Na immerhin, Punkt eins wäre geklärt. Nachdem Leonie ihr in Sachen Marcos noch ein Loch in den Bauch gefragt hatte, musste sie das Gespräch beenden, da Kunden in ihre Boutique kamen. Das war die Gelegenheit, endlich auch Marcos zu informieren.

Schön, dass alle absolut ruhig und gelassen waren und nur sie selbst am Rande eines Nervenzusammenbruches herumkrabbelte. Ganz prima! Marcos war vollkommen cool geblieben. Im Gegenteil, er erklärte ihr ruhig und vernünftig, dass die Scheidung vorerst sowieso eine Farce war. So wie er es sah, war das Ganze offenbar Teil eines seltsamen Planes von Holger, um sie, zumindest kurzfristig, wieder bei sich zu haben und sie mürbe zu machen.

„Es würde mich sehr wundern, wenn er nicht wie alle anderen das Trennungsjahr abwarten müsste. Finanziell kann dir kein Schaden entstehen, da dir einfach ein Teil des gemeinsamen Vermögens zusteht.“

So weit, so gut. Theorie war ja etwas Feines, wäre da nicht die böse Praxis. Wenn sie noch nicht geschieden werden konnten, was zum Teufel bezweckte Holger dann mit dieser Aktion?

Barbara riss sie mit der Nachricht, dass es am Sonntag vor dem Gerichtstermin einen passenden Flug gebe, aus ihren Grübeleien und machte damit alles noch greifbarer. Das bedeutete, dass sie in zwei Wochen nach Deutschland musste. Ein Gedanke, der ihr gar nicht behagte.

Sonntag, 11. Dezember 2016

Alex saß auf einem gepackten Koffer. Der Flug ging zwar erst um kurz vor sechs Uhr, ihr war aber einfach nicht mehr danach, den letzten Tag auf der Insel zu genießen. Marcos schien ihre Nervosität nicht länger ertragen zu können und verabschiedete sich schon um die Mittagszeit.

„Ich muss noch einiges organisieren. Ich hol dich dann um kurz vor vier ab, in Ordnung?“

Was blieb ihr schon, außer zustimmend zu nicken? Sie konnte ja schlecht verlangen, dass er stundenlang Händchen hielt.

Brigitte und Barbara taten ihr Bestes, um sie zu trösten. Der duftende Zitronenkuchen und die Vanillemilch halfen sogar ein wenig, machten sie aber gleichzeitig traurig. Sie wollte hier nicht weg. Schon gar nicht um diese Jahreszeit. In München erwarteten sie minus vier Grad und Graupelschauer – ein Traum! Ein einziger Lichtblick blieb. Sobald sie zurückkam, würde sie zu Marcos nach Mogán ziehen. Brigitte ging es immer besser, sie achtete in letzter Zeit sehr sorgsam auf sich, und Alex’ Entschluss stand fest. Ihr graute schon jetzt davor, sich am Flughafen von Marcos zu verabschieden. Das, was sie für den Canario empfand, ließ sich kaum in Worte fassen. Noch nie hatte sie einen Mann so sehr begehrt und geliebt wie ihn. Wie auch? Ihr Männerbild war von Holger geprägt worden – miese Voraussetzungen.

„Nun komm schon, iss noch ein Stück Kuchen, Alexandra. Wer weiß, wann du wieder etwas zwischen die Zähne bekommst.“ Brigitte schien ernsthaft um sie besorgt.

Schmunzelnd wehrte sie ab. „Keine Bange, ich befürchte, Leonies Kühlschrank platzt aus allen Nähten. Sie ist so ähnlich gepolt wie ihr.“

„Stimmt“, Barbara reckte bestimmend ihr Kinn nach vorne, „da war ja etwas. Leonie lädst du bitte baldmöglichst ein. Und sie soll dann bei uns wohnen, in deinem Zimmer. Sie scheint eine sehr nette Person zu sein.“

„Das gebe ich gerne weiter und natürlich lade ich sie ein.“ Alex warf einen unsicheren Blick auf ihre Uhr. „Schon kurz nach halb vier. Ich mach mich lieber fertig, nicht, dass Marcos warten muss.“

„Als ob ihn das umbringen würde. Außerdem wartet der gerne auf dich.“ Brigitte lehnte sich zufrieden in ihrem Sessel zurück. „Aber wenn es dich beruhigt, dann hol eben deine Sachen.“

Täuschte sie sich oder waren die beiden heute irgendwie seltsam? Seltsamer als sonst. Um sich darüber weitere Gedanken zu machen, fehlte allerdings die Zeit. Alex warf einen letzten Blick auf das geliebte Zimmer, hängte sich den kleinen Lederrucksack um, schleppte ihren Koffer nach unten und ließ sich prustend wieder in den Sessel fallen. „Ich bin jetzt schon mit den Nerven komplett am Ende.“

„Du arme kleine Maus.“ Liebevoll tätschelte Barbara Alex’ Wange. „Das wird schon alles, mach dich jetzt nur nicht verrückt. Alles wird gut, lass dich überraschen.“

Alex runzelte die Stirn. „Geht’s noch ein wenig kryptischer bitte?“

Barbara schloss sie lachend in die Arme und drückte sie an ihre Brust. „Nein, leider nicht. Aber so sind wir eben.“

Alex musterte die beiden Frauen liebevoll, die ihr in den drei Monaten seit ihrer Ankunft zu guten Freundinnen geworden waren. „Ja, und genau darum werdet ihr mir sehr fehlen.“

„Alexandra, du bist zwei Wochen weg, keine zwei Jahre. Nun beruhige dich mal wieder. Ah, ich höre Marcos’ Auto, los, lasst uns in den Patio gehen, dann kann er gleich vorne an der Straße stehen bleiben.“

Wie auf Kommando öffnete sich unten das große Holzportal.

„Amor, bist du fertig? Parkplätze sind mal wieder rar. Ich stehe im Parkverbot.“ Marcos, sehr elegant im schwarzen Hemd, schwarzen Jeans und schwarzem Lederblazer, strahlte sie fröhlich an.

Er sah auch heute wieder so unverschämt gut aus, dass es ihr nur mühsam gelang, sich auf das Wichtige zu konzentrieren. Eilig raffte sie ihre Sachen zusammen und umarmte Barbara und Brigitte, während Marcos schon mit ihrer Reisetasche entschwand.

„Viel Glück, meine Liebe! Du bist bald wieder hier, vertrau uns.“

In Marcos’ Auto drückte sie ihre dicke Strickjacke, die sie in weiser Voraussicht mitschleppte, wie einen Schutzschild an sich. Er kannte sie bereits viel zu gut, um nicht zu bemerken, wie es in ihr aussah. Seine Hand umfasste die ihre. „Na komm, mi amor, das schaffst du alles mit links. Ehe du dich’s versiehst, bist du wieder hier.“

Sie zog eine beleidigte Grimasse. „Du könntest wenigstens so tun, als seist du traurig, dass ich wegfliege. Warum habe ich das Gefühl, dass ihr alle das viel zu entspannt seht? Mir graut wirklich vor dem, was Holger und Robert da ausgeheckt haben könnten.“

„Ich bin todunglücklich, dass du wegfliegst.“

„Das klang nun ein klitzekleines bisschen unaufrichtig, das ist dir schon klar, oder?“ Grummelnd blickte sie zu ihm hinüber. Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, verunsicherte sie.

Sie erhielt keine Antwort. Marcos legte lediglich seine Hand an ihren Kopf, zog sie zu sich heran und küsste sie auf den Scheitel. „Schimpf nicht mit mir. So bin ich eben.“

Sie verließen die Autopista del Norte und bogen auf das Flughafengelände ab. Hier steuerte Marcos nicht das Terminal an, sondern einen der beiden großen Parkplätze.

„Na, immerhin kommst du noch mit rein.“ Alex schulterte ihren Rucksack.

„Nun ja, da bleibt mir wohl keine andere Wahl, oder?“

Warum grinste er noch immer so komisch und warum war er plötzlich so … uncharmant? Marcos parkte den Wagen und ging zu ihrer Überraschung zu einem der Parkwächter, um ihn zu bezahlen. Als er zurückkam, öffnete er wortlos den Kofferraum und nahm ihren Koffer heraus, verschloss ihn jedoch dann nicht, sondern nahm einen kleinen schwarzen Ledertrolley, sperrte den Rover ab und lächelte sie herausfordernd an.

„Nun komm schon, auf, auf, zügig, wenn ich bitten darf. Unser Flug geht zwar erst in einer guten Stunde, aber ich möchte doch vorab noch einen Kaffee. Die Brühe im Flugzeug kann man ja nicht trinken.“

Alex starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Willst du etwa sagen, du kommst mit mir? Du fliegst wirklich mit nach Deutschland?“

Mit ernster Miene zeigte Marcos auf seinen Rollkoffer. „Wonach sieht es für dich aus, mi amor?“

Sie konnte es kaum fassen. „Ernsthaft? Du glaubst nicht, wie sehr mich das freut. Ich hätte nie gewagt, dich zu fragen. Oh mein Gott, was bin ich erleichtert.“

Er grinste sie herausfordernd an. „Schon gut, nur nicht übertreiben. Du kannst mich weiter Marcos nennen. Und nun lass uns gehen. Hast du tatsächlich geglaubt, ich lasse dich alleine in die Höhle des Löwen? Also wirklich!“

Plötzlich war alles ganz leicht. Die Sonne schien schon wieder heller, ihre Schritte waren nicht mehr so schwer, als trüge sie Blei auf den Schultern, und die Angst war wie weggeblasen.

„Marcos.“

Er wandte sich, ihre Tasche und den Trolley hinter sich herziehend, zu ihr um. „Ja, Alex?“

„Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?“

Sie fand es wunderschön, dass man in solchen Augenblicken seine Gefühle auf seinem Gesicht ablesen konnte. Wie pure Freude bei Marcos aussah, wusste sie nun auf jeden Fall.

* Guanchen – Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln, die einst in Höhlen im Landesinneren lebten.

2. Freunde und ein großer Irrtum

„Er ist der Hammer!“ Leonies Meinung in Sachen Marcos stand dann schon mal fest.

Schmunzelnd kuschelte Alex sich in ihren Sessel. „Habe ich das am Telefon etwa nicht erwähnt?“

Leonies hochgezogene Augenbrauen sagten mehr als tausend Worte.

Alex griff nach ihrer Tasse mit dampfendem Zimt-Chai und nahm einen großen Schluck. „Ah, das tut so gut. Insbesondere nach dem Temperaturschock am Flughafen. Ich weiß nicht, wie Marcos das so leicht wegsteckt.“

„Leicht? Da bin ich mir nicht ganz so sicher. Immerhin steht er nun schon seit fünf Minuten unter der Dusche. Ich könnte ja schwören, dass er nicht kalt duscht.“ Leonie warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Flur. „Ich könnte ja mal nachsehen.“

„Tu dir keinen Zwang an. Ansehen ist absolut in Ordnung. Aber du weißt ja …“

„Das Berühren mit den Pfoten ist verboten!“

Kichernd wie zwei Schulmädchen umarmten sie sich.

Leonie musterte sie neugierig. „Ich muss schon sagen, dafür, dass du am Telefon vor lauter Panik beinahe gestorben wärst, siehst du jetzt recht entspannt und vor allem verdammt happy aus.“

„Als ich im Panikmodus war, wusste ich auch noch nicht, dass Marcos mit mir fliegen würde. Ganz ehrlich, das habe ich nicht zu hoffen gewagt.“ Alex’ Hände schlossen sich fest um die bauchige Teetasse. „Hach, ist das schön warm.“

„Je länger ich darüber nachdenke, und vor allem, nachdem ich deinen Adonis jetzt gesehen habe, muss ich sagen, du hast das einzig Richtige getan, als du im September in den Flieger gestiegen bist. Du siehst total verändert aus. Deine Gesichtszüge sind entspannt, deine Augen strahlen, du wirkst um ein paar Jahre jünger und – sehr wichtig – dein Lächeln ist so … Ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll.“ Leonie runzelte die Stirn. „Glücklich trifft es ganz gut.“

Alex nippte gedankenverloren an ihrem Tee, während sie die Worte ihrer langjährigen Freundin Revue passieren ließ. Leonie lag schon richtig. Es war schön, am Morgen aufwachen zu können und nicht sofort daran denken zu müssen, dass um Punkt sieben Uhr der Kaffee und drei Scheiben Toast mit Käse, Parmaschinken und frisch gepresster Orangensaft auf dem Tisch stehen mussten. Einmal ganz abgesehen von den akkurat gebügelten Hemden, in denen kein Knitterfältchen sein durfte. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Wann war ihre Beziehung dermaßen gekippt? Oder war sie das gar nicht, sondern war sie selbst nur so blind gewesen? Sie trank ihren Tee aus und stellte die Tasse zurück auf den runden Couchtisch.

„Das liegt einfach daran, dass ich rundum glücklich bin. Das Leben in der Casa Vista ist so herrlich unkompliziert, nicht einfach, nein, aber jeder hat stets ein Lächeln auf den Lippen. Dazu dann noch Marcos, der ein wunderbarer Mann ist und den ich um ein Haar verloren hätte, da ich ihn an Holger gemessen habe. Ein blöder Fehler.“

„Was ist mit mir und was habe ich falsch gemacht?“ Marcos war im Türrahmen erschienen und strich sich mit fragendem Blick die noch feuchten, langen Haare aus dem Gesicht.

Sofort schaltete Alex auf Spanisch um. „Du hast gar nichts falsch gemacht. Wir sprechen gerade von meinem verqueren Männerbild.“

Ratlos huschte Leonies Blick von ihr zu Marcos. „Jetzt wird’s kompliziert.“

Marcos zog eine amüsierte Grimasse. „Kommunikationsprobleme? Wie wäre es mit Englisch?“

Der Abend war gerettet. Wie sich rasch zeigen sollte, war das auch notwendig, denn Leonie wusste einiges zu erzählen. Unter anderem, dass Holger mehrmals bei ihr in der Boutique aufgetaucht war, um sie zunehmend ungehalten darüber auszufragen, wo Alex sich aufhalte. Er war sich nicht zu schade gewesen, ihr massiv zu drohen. „Jeder hat Leichen im Keller, auch du, liebe Leonie. Sollte ich welche finden, bestünde durchaus die Möglichkeit, dass du dich von deiner geliebten Boutique verabschieden kannst.“

Leonie schüttelte sich wie ein junger Hund. „Der Kerl ist das Letzte. Kann er denn nicht mit Anstand verlieren? Muss das jetzt sein?“

Marcos schüttelte sehr bedächtig den Kopf. „Das ist typisch für diese Art Mann. Sein Eigentum muss funktionieren. In dem Augenblick, in dem ihm etwas entgleitet, beginnt er, um sich zu schlagen. Das ist auch der Moment, in dem er richtig gefährlich wird.“ Er wandte sich an Alex. „Ich weiß, es ist schon spät, aber bitte tu mir den Gefallen und hol dieses Schreiben von seinem Anwalt. Ich möchte es mir noch einmal durchlesen, damit ich nichts übersehe. Winkelzüge von Anwälten kenne ich zur Genüge.“

Sie saßen bis lange nach Mitternacht über dem Brief, den Robert von Heiden verfasst hatte, und Marcos ließ ihn sich bis ins kleinste Detail übersetzen. Erst als sie ihn zwei Mal komplett durchgekaut hatten, schien er einigermaßen zufrieden.

„Gut, ich denke, ich weiß, worauf er hinauswill.“

„Weihst du mich ein oder darf ich weiterhin Albträume haben?“ Alex war angespannt.

Er aber wehrte ab. „Nein, bitte hab einfach Vertrauen. Wann genau ist der Termin?“

„Übermorgen, in der Kanzlei von Heiden.“

„Also haben wir noch etwas Zeit, um uns wirklich gut vorzubereiten.“ Immerhin schien Marcos sich seiner Sache sicher zu sein.

„Kommst du mit in die Kanzlei?“ Sie wagte es zwar kaum zu hoffen, aber fragen konnte man ja.

„Was denkst du denn? Natürlich komme ich mit. Beginnen wir doch damit, dass wir vorab ankündigen, dass die Gespräche auf Englisch geführt werden müssen. Hat der gute Herr Anwalt seine E-Mail-Adresse auf dem Briefbogen stehen?“

Sie suchten und fanden Roberts Mailadresse, und so erhielt die Kanzlei noch in derselben Nacht eine Nachricht, in der Marcos mitteilte, dass darum gebeten werde, sich auf eine auf Englisch geführte Unterhaltung einzustellen.

Schon am nächsten Tag kam die nicht sehr freundliche Antwort, dass man sehr erstaunt über dieses Anliegen sei, jedoch angesichts der Wichtigkeit gerne zustimme. Alex kannte Robert lange genug, um zu wissen, dass diese sehr förmlich gehaltene Nachricht höchste Verwunderung ausdrückte.