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Westafrika In Etappen um die Welt Deine Erinnerungen sind ein Land, aus dem dich keiner vertreiben kann. - Afrikanisches Sprichwort - Dieses Buch zeigt faszinierende Einblicke in den Reisealltag von Frank und Gabi Wagner, die während der Tour auf knapp zehn Quadratmetern leben. Kurzweilig führen sie den Leser entlang der Westafrikanischen Küste bis zur Grenze zu Guinea Bissau. Die ewigen Weiten der Westsahara werden hier ebenso gemeistert wie die Hitzeschlacht im Senegal mit über fünfzig Grad. Tagelang durchstreifen sie die Rebellengebiete in der Casamance und lernen sie von beiden Seiten kennen ... Herzliche Gastfreundschaft durchzieht die Tour ebenso wie harte Militäreinsätze und lässt einen immer wieder schmunzeln, wie sie sich durch die eine oder andere afrikanische Grenze schummeln. Begleitet die beiden auf ihren Reisen und taucht ein in ferne Länder und andere Kulturen.
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Seitenzahl: 215
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Impressum
Gabi und Frank Wagner
»Paula on Tour – „Etappen um die Welt“
Westafrika«
www.edition-winterwork.de
© 2021 edition winterwork
Alle Rechte vorbehalten.
Satz: edition winterwork
Umschlag: edition winterwork
Druck/E-BOOK: winterwork Borsdorf
Paula on Tour – „Etappen um die Welt“
Westafrika
Gabi und Frank Wagner
Westafrika
1. Etappe um die Welt
Frank und Gabi Wagner, werden oft auch Teilzeitnomaden genannt. Sie verbringen eine Hälfte des Jahres rund um den Globus, die andere zu Hause, um über ihre Erlebnisse zu schreiben. In Etappen reisen sie so um die Welt. Es werden viele Grenzen überschritten und es sind nicht immer nur Ländergrenzen.
Kein Ziel ist zu weit, jeder Umweg wird gemeistert.
Treuer Begleiter ist dabei ihr Expeditionsmobil „Paula“. Eine ehemalige Feuerwehr, die in mühevoller Kleinarbeit ausgebaut wurde.
Geplant ist, in mehreren Etappen und über mehrere Jahre bis nach Alaska zu fahren. Von dort wollen sie versuchen nach Wladiwostok zu verschiffen und über den Landweg wieder gen Heimat zu reisen.
Dieses Buch entführt den Leser nach Marokko, Westsahara, Mauretanien, Senegal und Gambia
Für Beate.
Wir sind wahnsinnig stolz auf dich.
Eines Tages wirst du dich entscheiden müssen, für Käfig oder Freiheit, für das, was immer war oder für das, was du sonst noch alles entdecken kannst.
- Autor unbekannt -
Frank und Gabi Wagner, Jahrgang 1963 und 1966, wohnhaft in Zeithain, bei Riesa.
Reisen und Entdecken sind schon lange zu unserem Bedürfnis geworden. Nach mehreren Touren durch Namibia und Botswana bereisten wir auch Südafrika, Sambia, Uganda und Ruanda.
Wir lieben das Camperleben und reisten immer mit verschiedenen Fahrzeugen. Mal Trax, mal Hillux, mal Buschcamper. Nichts ist schöner, als abends im Busch am Lagerfeuer zu sitzen. Langsam verdaut das eben gegessene Steak und du freust dich auf einen Gin Tonic.
Die Grillen zirpen, Buschgeräusche ringsum, und ein spezieller Duft liegt in der Luft. Der Duft von Abenteuer und Freiheit.
Eine Reise durch Australien und anschließend nach Papua-Neuguinea sollte die letzte mit einem gemieteten Auto sein.
Seit 2014 gehört unser Expeditionsmobil „Paula“ zur Familie. Ein voll ausgebauter VW LT 35 mit sehr hohem Wohlfühl-Faktor. Bad, Küche sowie Wohn- und Schlafzimmer fahren praktischerweise immer mit. Baujahr 1991 und schlappe 210000 Kilometer auf der Uhr.
Mit ihr erkundeten wir den Großteil von Europa und einen kleinen Zipfel der Ukraine. 2016 ging es dann für zwei Monate nach Marokko. Im Hohen Atlas kam die Motorleistung von Paula gewaltig an ihre Grenzen. Mehr und mehr dachten wir über einen „echten“ Lkw nach.
Im Februar 2017 ergatterten wir eine Feuerwehr auf Basis eines 917 Mercedes LKW. Baujahr 1994, gerade einmal 15000 Kilometer in der Feuerwehr von Wuppertal gearbeitet und von deren Einsatzkräften bestens gepflegt. Ideal, um jetzt den „Arbeitgeber“ zu wechseln und künftig als Expeditionsmobil für uns tätig zu werden. Sehr gutes Arbeitsklima, abwechslungsreiches, weltweites Betätigungsfeld, artgerechte Haltung, hohe Anerkennung, reichlich Freizeit und vor allem Familienanschluss werden geboten.
Auf der Abenteuer Allrad Messe in Bad Kissingen entschieden wir uns für die Firma „Terracab“. Sie fertigten den Koffer mit Fenstern, Tür, Stauklappen, Bad- und Bettabtrennung sowie die Lagerung. Danke Ingo und Daniel für eure gute Arbeit.
In Döbeln, keine dreißig Kilometer von uns entfernt, fanden wir eine Firma, die uns die gesamte Solaranlage auf das Dach gebaut hat. Dort wurden wir erstklassig beraten. Danke Herr Stein.
Und dann wurde das gesamte Jahr gebaut und gebaut und gebaut und gebaut…. Ehrlich, es gab Zeiten, da konnten wir das Auto nicht mehr sehen. Ziel war es jedoch, mit unserer neuen „Paula“ am 05.03.2018 in Tanger auf die Fähre in Richtung Marokko zu gehen und unsere erste Tour mit dem neuen Truck zu starten. Also Zähne zusammenbeißen und durch!!! Nachdem wir alle Vorarbeiten geleistet haben, blieben für unseren Tischler Jens Schubert in Peritz noch ganze zwei Wochen. Ohne zu murren ging er diese Aufgabe an.
Genau wie unser Schwager Dietmar, der in mühevoller Kleinarbeit die Elektrik gelegt hat. Das wäre für uns nicht machbar gewesen. Den Kampf gegen Kabel und Holz hätten wir haushoch verloren. Weder das Wissen, noch die Geduld hätten wir dafür aufbringen können. Vielen lieben Dank.
Wir hatten keine Zeit, eine Nacht in Paula zu schlafen, um zu schauen, ob für uns die Matratzen passen, alles Licht und Solar funktionieren oder der Kocher auch geht. Wir haben nur unsere vorbereiteten Packlisten abgearbeitet und ohne Probelauf ging es direkt zur Fähre.
Paula ist ein Mercedes 917 AF (Allrad Feuerwehr) und hat 9,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. Sie hat umgebaut ein Tankvolumen von 650 Liter Diesel und 250 Liter Wasser. Damit sind wir für circa vier Wochen autark. Das setzt allerdings einen extrem sparsamen Wasserverbrauch voraus. Von der Elektrizität sind wir komplett unabhängig. Per Solar können wir all unseren Strom alleine produzieren, indem wir einfach die Sonne anzapfen. Wir kochen mit Gas und heizen mit Diesel.
Die Kabine sitzt auf einer Vierpunktlagerung und ist 4,20 x 2,30 Meter groß. Darin verbaut sind Bett, Küche, Sitzecke und Bad.
Mit 170 PS und fünf Gängen kommen wir gut durch die Welt. Natürlich wären mehr PS und ein sechster Gang besser, aber man kann nicht immer alles haben.
Bei normalen Straßenverhältnissen kommen wir auf einen durchschnittlichen Verbrauch von 21 Liter Diesel. In hartem Gelände oder in tief sandigen Gebieten kann das schon mal das Doppelte sein. Darüber gibt es keine Statistiken, Paula darf sich bei Geländefahrten nehmen, was sie braucht. Da schauen wir großzügig darüber hinweg.
Gewiss, jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, dass Recht aber, diese Meinung mit der Wahrheit zu identifizieren und für Andersdenkende Scheiterhaufen zu errichten, das hat er nicht.
- Hedwig Dohm -
Wir möchten darauf hinweisen, dass der Inhalt dieses Buches auf den Erfahrungen unserer Reise basiert. Beziehen wir eine Meinung, dann muss dies weder richtig sein, noch muss jeder diese Meinung mit uns teilen. Es ist lediglich unsere Auffassung der jeweiligen Situation. Auch möchten wir nicht durch schriftstellerische Brillanz glänzen, denn das können wir nicht. Wir heißen weder Kishon noch Pilcher.
Wir möchten euch einfach nur an unseren Erlebnissen teilhaben lassen und hoffen ihr habt beim Lesen ebenso viel Spaß wie wir beim Erleben.
Lehnt euch zurück und begleitet uns auf unseren
Etappen um die Welt.
Einige Namen wurden aus Schutz vor der Privatsphäre von uns geändert.
Wer sich bewusst macht, dass ein schönes Gespräch, ein Kaffee unter freiem Himmel, eine herzliche Umarmung oder der prasselnde Regen genügen, um die Seele auszugleichen, hat die Chance jeden Tag glücklich zu leben.
- Estragül Schönast -
Wir starten am Samstagmorgen und planen zwei Zwischenübernachtungen bis nach Genua ein. In Chemnitz holen wir bei Herrn Stein, der hier seinen Lehrgang zum Meister macht, noch ein Teil für die Solaranlage. Alles schön auf den letzten Drücker….
In Spieß bei Lauf legen wir eine Pause ein, um bei ganz lieben Freunden Kaffee zu trinken und zu plaudern. Unterhalb von Nürnberg übernachten wir das erste Mal. In der Schweiz an einem tollen Fischteich das zweite Mal. Hier erreicht uns auch die Nachricht, dass sich das Auslaufen der Fähre um zwölf Stunden verschiebt. Was solls, wir können uns jetzt aufregen, ändern werden wir es damit aber auch nicht.
Bei schönem Wetter erreichen wir Genua.
Genua Stadt und Genua Hafen scheinen aus allen Nähten zu platzen. Überall wuseln Leute herum und spielen uns ein geschäftiges Bild vor. Vielleicht sind sie es auch wirklich, wer weiß das schon?
Am Nachmittag wird der Fährtermin nochmals auf den nächsten Morgen verschoben. Wir suchen uns einen Stellplatz und landen im Außengelände des Bahnhofes. Sicher, wir haben schon schöner gestanden, aber es ist kostenlos und für eine Nacht muss es reichen.
Am Morgen machen wir uns auf zum Hafen. Es gab keinerlei Nachrichten, also gehen wir davon aus, dass die Fähre im Laufe des Vormittags auslaufen wird.
Wir fahren zwei Mal kilometerweit in die falsche Richtung. Der Hafen ist erschreckend groß und die Leute, die wir nach dem Weg fragen, wissen nicht immer viel mehr als wir.
Endlich kommen wir am richtigen Anleger an. Die Fähre steht schon bereit, und die ersten Autos werden bereits eingefahren. Wir gehen erst einmal mit allen Papieren ins Büro. Durch die Räume windet sich eine ewig lange Schlange, das kann dauern.
Vor uns stehen zwei junge Männer und schauen sich im Handy ein Video an. Ich habe freien Blick darauf und kann sehen, wie Autos, Lkw und Motorräder reihenweise umkippen und ein ziemliches Chaos anrichten.
„Oh mein Gott“, entfährt es mir. Beide drehen sich um.
„Ja, das war auf der letzten Überfahrt mit der Fähre. Da gab es einen schweren Sturm, der hat viel Schaden gemacht“, erklären sie in gebrochenem Englisch.
Ich weiß nicht, ob ich das jetzt überhaupt wissen wollte. Hätte ich doch nicht so neugierig auf das Video geschaut. Frank schaut es sich auch an und runzelt die Stirn.
„Wir haben ruhige See“, ist sein einziger Kommentar.
„Na sein Wort in Gottes Gehörgang“, denke ich und versuche das Gesehene zu vergessen.
Die Abfertigung ist aufwendig, zeitintensiv und für uns mal wieder nicht durchschaubar. Aber wir müssen es ja auch nicht begreifen, Hauptsache wir haben alle Stempel. Links und rechts von uns stehen Autos beladen bis die Achsen zu brechen scheinen. Der Handel und der Schmuggel zwischen Spanien und Marokko erblühen hier zum vollen Leben. Und um alles auf die Fähre drauf und wieder runter zu bekommen, wahrscheinlich auch die Korruption.
Einem Senegalesen ist die Seitenscheibe in alle Einzelteile gesprungen und wir können ihm mit jeder Menge Frischhaltefolie wenigstens ein wenig helfen, sie abzudichten. Ein breites Lachen, mit schlohweißen Zähnen, zwischen denen zwei Goldzähne in der Sonne funkeln, ist unser Lohn. So eine Fährabfertigung ist trotz der Wartezeit sehr kurzweilig, immer gibt es etwas zu sehen und die Geräuschkulisse ist enorm.
Als eines der letzten Autos fahren wir ein und haben einen tollen Platz zwischen der Bordwand und einem großen Laster. Umkippen ist somit fast unmöglich, da müsste der Kutter schon ganz gewaltige Kapriolen vollführen. Wir schnappen uns unsere Rucksäcke, die wir für die kommenden zwei Tage gepackt haben und machen uns auf den Weg zu unserer Kabine.
Das Bordpersonal ist freundlich, die Kabine lässt zu wünschen übrig. Unter dem Bett liegen noch jede Menge leere Flaschen von unserem Vorgänger. Wir hatten nicht viel erwartet von dem Standard einer Fähre, also sind wir auch nicht allzu schockiert. Schließlich haben wir keine Kreuzfahrt gebucht.
Unsere Schlafsäcke halten uns von der nicht so sauberen Bettwäsche fern, das Bad kann man benutzen. Unsere Rucksäcke bleiben unausgepackt in der Ecke stehen, so schön ist der Schrank nun doch nicht.
Ein Grollen geht durch den Rumpf des Schiffes und „pünktlich“, achtzehn Stunden nach dem eigentlichen Abfahrtstermin, setzt sich alles in Bewegung. Die nächsten zwei Stunden erkunden wir den Dampfer, dann haben wir alles gesehen und uns graut vor der Zeit die vor uns liegt.
„Was sollen wir die zwei Tage nur machen?“, frage ich Frank. Er zuckt mit den Schultern.
„Ich habe keinen blassen Schimmer“, antwortet er mir ehrlich. Wir gehen in die Cafeteria und Frank holt zwei Kaffee, während ich mich an einen Tisch am Fenster setzte. Die Aussicht ist nicht die Schlechteste, aber nach einiger Zeit bleibt das Meer eben auch nur das Meer.
„Unseren Kaffeekonsum müssen wir strikt eindämmen, die Tasse kostet zwei achtzig, die Preise für ein Baguette sind der blanke Wucher. Gut, dass wir Brot und Wurst mitgenommen haben“, brummt Frank.
Ich kann mir ein Grinsen nicht verbergen. Wann hat mein lieber Mann eigentlich die Verwandlung von „was kostet die Welt“ zu „brauche ich das wirklich“ begonnen? Eigentlich war ich immer der Sparfuchs von uns beiden, jetzt stehen wir auf einer Stufe. Nicht, dass wir uns nichts gönnen. So ist es nicht. Aber überzogene Preise sind wir nicht gewillt zu bezahlen und mal ehrlich, wenn man sich das eine oder andere Mal fragt, ob man diese oder jene Sache wirklich braucht, ist die Antwort so oft ein klares „Nein“.
Wer braucht schon zwanzig T-Shirts oder mehr als zehn Hosen, Schränke voller Socken und Unterwäsche? Und doch haben wir alle diese Mengen im Schrank liegen….Der Kaffee ist gut und ich denke, dass es trotz des Preises die eine oder andere Tasse während der Fahrt sein muss. Bei mir dreht sich morgens ohne Kaffee so gut wie kein Rad.
Bis zum späten Abend bleiben wir hier gemütlich sitzen, schlendern dann noch einmal über Deck und verschwinden in unserer Kabine.
Wir fallen zusammen wie zwei leere Kartoffelsäcke.
„Wie sollen wir das nur überstehen?“, frage ich resigniert. Frank greift grinsend in seinen Rucksack und befördert eindeutige Schmuggelware aus der Seitentasche
„Die Flasche Obstler wird uns vielleicht helfen, die Zeit zu überbrücken“, sagt er und schwenkt sie gewichtig in seiner Hand.
„Na hoffentlich wird er wenigstens eine Einschlafhilfe sein“, antworte ich und reiche ihm gleich meinen Kaffeebecher hin.
An viel Schlaf ist trotz des Schlummertrunks nicht zu denken. So viel kann man gar nicht trinken.
Der altersschwache Kutter ächzt und knarrt, als hätte sein letztes Stündlein geschlagen. Der Seegang wird uns nicht umbringen, aber das Nichtstun vielleicht. Dann gibt es bei sternenklarer Nacht ein Gewitter mit spektakulären Blitzen, Donnergrollen und einem heftigen Hagelschauer. Endlich mal was los hier ….
Der nächste Tag vergeht ebenso gleichmütig und völlig unaufgeregt. Die Nacht langwierig und ereignislos.
Nach einer schier endlosen Zeit spuckt uns der alte Seelenverkäufer wieder aus. Endlich sind wir in Tanger in Marokko angekommen.
Die Einreiseformalitäten sind relativ unkompliziert und zügig gemacht. Wir waren im vorigen Jahr schon einmal hier und erinnern uns, wo wir was erledigen müssen.
Wir lassen uns noch circa einhundert Kilometer treiben und suchen uns einen Platz zum Übernachten. Toll gelegen an der Küste mit „unverbaubarem“ Blick auf das Meer. Die Nacht ist traumhaft ruhig, nur das gleichmäßige Schlagen der Wellen ist zu hören.
Wir fahren am nächsten Morgen weiter nach Rabat und kommen durch gigantisch grüne Landschaften. Das ist ungewöhnlich für diese Region. Am aufgeweichten Boden ist zu sehen, dass es hier sehr, sehr viel Regen gab. Eigentlich zu viel.
Selbst bezeichnen sie sich als al-Mamlaka al Maghribiyya, das westlichste Königreich. Offiziell heißt das Land Königreich Marokko und ist ein Staat im Nordwesten Afrikas. Er grenzt im Norden an das Mittelmeer, im Westen an den Atlantischen Ozean und im Osten an Algerien. Marokkos Südgrenze ist wegen des Westsahara-Konfliktes wegen der zukünftigen Zugehörigkeit der Westsahara international umstritten.
Marokko ist seit 1956 wieder unabhängig und seit 1992 eine konstitutionelle Monarchie unter König Mohammed VI. Die bedeutendsten Städte sind die Hauptstadt Rabat, Casablanca, Fes, Marrakesch, Agadir, Tanger und Meknes.
Mit einer Fläche von 446.550 km² (mit der Westsahara 712.550 km²) ist Marokko eher klein, jedoch mit 81 Einwohner pro km² recht dicht besiedelt.
Amtssprache ist Arabisch und Tamazight (Berberisch) sowie Französisch. Die Staatsreligion ist der Islam. Etwa 45% der Bevölkerung sind Berber. Sie sind heute meist sesshafte Bauern, nur eine Minderheit lebt noch als Nomaden oder Halbnomaden in abgelegenen Gebieten des Mittleren Atlas oder auf den Hochplateaus im Osten des Landes.
Das Gesundheitswesen ist im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten gut entwickelt. Hauptprobleme sind Parasiten, Durchfallerkrankungen, Malaria und teilweise noch Mangelernährung. Seit etwa zwanzig Jahren werden die Bildungsanstrengungen stark erhöht, aber die Abbrecherquoten sind nach wie vor extrem hoch. Marokko bildet mit Jemen und Irak eines der Schlusslichter der Schulleistung arabischer Länder.
Wir erreichen die Hauptstadt, Residenz des Königs und mit 1,4 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Marokko. Hier befinden sich unter anderem das Mausoleum von Mohammed II., der das Land in die Unabhängigkeit führte. Eine über alle Dimensionen ausgeschmückte Grabanlage aus weißem Marmor.
Vor jedem Tor stehen Gardesoldaten mit bunten Uniformen und weiten Umhängen. Die Außentore werden ebenfalls von Uniformierten bewacht, allerdings zu Pferde. Wir schlendern gemütlich durch die weitläufige Anlage. Alles ist ruhig und wirkt irgendwie entrückt. In der Ecke sitzt ein Geistlicher im Schneidersitz. Auf seinen Knien liegt ein ziemlich großes, dickes und schweres Buch. Mit geschlossenen Augen spricht er vor sich hin und fährt dabei Zeile um Zeile in seinem Buch ab.
Er ist eindeutig nicht im Hier und Jetzt oder vielleicht gerade doch?
Wahrscheinlich zelebriert er sehr vorbildlich ein altes Zen-Zitat:
„Wenn ich sitze, sitze ich. Wenn ich stehe, stehe ich.
Wenn ich gehe, gehe ich. Wenn ich esse, esse ich.
Wenn ich spreche, spreche ich.“
Das würde vielen von uns auch mal guttun. In unserer schnelllebigen Zeit nimmt man viele Dinge gar nicht oder nur noch am Rande war. Wir sind so dankbar für diese langen Auszeiten und Einblicke in andere Kulturen. Und doch bringt uns eine zweitägige Fahrt auf einer Fähre, während dessen wir zum Nichtstun verdammt sind, fast vor Langeweile um. Wir müssen noch hart an uns arbeiten!
Wir fahren weiter nach Casablanca.
Man braucht zwei Jahr um sprechen zu lernen und fünfzig um zu schweigen.
- Ernest Hemingway -
Casablanca ist das eigentliche wirtschaftliche Zentrum und mit 2,9 Millionen Einwohnern die größte Stadt Marokkos. Gleichzeitig befindet sich hier der größte Hafen Nordafrikas. Und da hier alles groß ist, setzt man mit der Moschee Hassan II. noch einen drauf.
Nach Mekka steht hier die größte Moschee der arabischen Welt mit geschätzten Baukosten von 420 Millionen Euro!!! Auf den Außenplätzen können 85.000 Menschen beten und im Inneren haben 25.000 Gläubige Platz.
Unsere Besichtigung beschränkt sich auf ein Minimum. Frank geht es von Stunde zu Stunde schlechter. Er klagt über Halsschmerzen und Unwohlsein. Ich verfrachte ihn erst einmal auf den Beifahrersitz. Ob das so eine gute Idee ist, weiß ich auch noch nicht. Der Verkehr ist die Hölle. War er in Rabat mörderisch, könnte man ihn in Casablanca leicht als tödlich beschreiben, denn hier wird um jeden Zentimeter gekämpft, als ginge es ums Überleben. Wir kämpfen mit und haben mit unserer Größe keine so schlechten Karten. Wir bleiben stur auf der Mittelspur, so haben wir wenigstens eine kleine Chance, wenn wir nach links oder rechts abbiegen müssen. Auto an Auto, Stoßstange an Stoßstange wälzt sich die Blechlawine durch die Stadt.
Durch jede noch so kleine Lücke quetschen sich die Mopedfahrer. Alles begleitet von einem nicht enden wollenden Hupkonzert aus allen Richtungen. Wir haben schon viele Städte dieser Welt bezwungen, aber Casablanca bekommt für heute die Krone. Ich bin völlig durchgeweicht, als wir endlich wieder in ländliches Gebiet kommen und das liegt nicht an der nicht vorhandenen Klimaanlage….
Frank ist mittlerweile völlig stumm geworden und sitzt wie ein Häufchen Elend neben mir.
„Wir gehen heute auf einen Stellplatz, da können wir Hilfe holen, wenn es noch schlimmer wird“, sage ich bestimmt. Er ist schon zu schwach zum Protestieren und nickt nur.
In der Nähe ist ein Stellplatz, der von Franzosen geführt wird und wir verbringen die nächsten zwei Tage hier. Frank hat vereiterte Mandeln und wir beginnen sofort mit Antibiotika. Gut, dass wir immer einen Vorrat davon dabeihaben. In der ersten Nacht habe ich mehrmals Angst, dass er erstickt. Am nächsten Tag erfrage ich bei den Betreibern die Adresse des nächsten Arztes, falls es zu Schwierigkeiten kommt. Sie sind sehr nett und bieten uns an, dass wir sie jeder Zeit wecken können und der Mann uns dann zum Arzt fährt.
In der kommenden Nacht schläft Frank wie ein Bär und ist am Morgen schon wieder guter Dinge.
„Das ging jetzt aber flott“, kann ich mir nicht verkneifen.
„Denkst du, ich will ewig der Beifahrer sein“, bekomme ich zur Antwort.
Ja, die große Klappe geht schon wieder. Er ist eindeutig gesundet.
Liebe Mutti,
wir haben nun die ersten Kilometer auf afrikanischem Boden zurückgelegt und doch fühlt es sich keineswegs afrikanisch an. Nordafrika hat eben rein gar nichts mit Südafrika, dem Schwarzafrika, zu tun. Nicht umsonst sagt man, dass Afrika erst unterhalb des Ecuadors beginnt. Trotzdem gefällt es uns. Vor allem, dass wir endlich wieder unterwegs sind. Die Sonne lacht uns ins Gesicht und die Kompassnadel zeigt stetig gen Süden. Wir haben nun schon mehrfach in unserer Paula übernachtet und wir fühlen uns pudelwohl. Es funktioniert alles und bisher gibt es keine Beschwerden. Weder von uns noch von ihr.
Wir stehen kurz vor Agadir und sind mittlerweile schon fast zweitausend Kilometer gefahren. Rund um uns stehen einige Autos. Sie gehören zu den Surfern, die hier ihr Lager aufgeschlagen haben. Der Platz ist toll gelegen, etwas oberhalb vom Strand mit freiem Blick auf das Meer. Die Surfer sind schon eine Truppe für sich, sie sind nicht aus dem Wasser zu bekommen. Immer und immer wieder warten sie auf ihren Brettern liegend auf die perfekte Welle. Stunde um Stunde. Tag für Tag. Rechts von uns steht ein schickes Mobil mit einem schon ziemlich hoch betagten Herrn. Er versucht sich auch beim Surfen, kommt aber nicht von der Stelle und irgendwie schwimmt er den anderen immer nur im Wege herum. Wir können sie bis hier hoch schimpfen hören.
Gefühlt macht er wahrscheinlich alles falsch. Tja, das neuste Equipment macht eben auch keinen Könner. Er gibt nach kurzer Zeit auf und tut mir schon ein wenig leid. Vielleicht wollte er auch zu den jungen und knackigen Typen dazugehören, obwohl er die „Reiseflughöhe“ schon seit geraumer Zeit verlassen hat….
Langsam wird es dunkel und wir können mal wieder einen perfekten Sonnenuntergang erleben. Der „Oberaufseher“ der Surfer versucht die Letzten aus dem Wasser zu holen und hat seine liebe Mühe sich durch zusetzten. Wir beobachten lächelnd mit einem Glas Rotwein die Szene.
Gestern waren wir doch noch bei einem Arzt, damit er sich den Hals von Frank ansieht. Er hat nochmal ein Antibiotikum verschrieben und so konnten wir unsere Bestände wieder auffüllen und ich bin beruhigt.
Frank ist nun wieder der Alte und ich bin sehr froh, dass es ihm wieder gut geht. Du weißt, dass er nicht der Gesprächigste ist, aber wenn er so gar nichts sagt, das ist dann schon ziemlich ungewöhnlich. Vor allem, wenn er nicht einmal rein plappert, wenn ich der Fahrer bin. Da hat er ja bekanntlich immer was zu meckern.
Wahrscheinlich ging seine Genesung so schnell, weil ich ihn strikt auf den Beifahrersitz verwiesen habe. Das muss ich mir merken….
Morgen werden wir weiter nach Tafraoute fahren. Wir freuen uns schon sehr, denn dort treffen wir Marc und Doro (www.landy2go.de). Du weißt, die beiden, die mit dem Steyer unterwegs sind. Sie kommen gerade von Mauretanien hoch und werden uns mit Reiseinfos und Routenplanungen versorgen.
Wir werden uns wieder melden. Uns geht es gut, sei ganz lieb gegrüßt
Frank und Gabi
Eines Tages wirst du aufwachen und keine Zeit mehr haben, für die Dinge, die du immer wolltest. Tu sie jetzt.
- Paolo Coelho -
Zwischen Sidi Ifni am Meer und Quarzazate am Fuß des Hohen Atlas erhebt sich der Anti-Atlas. Er ist älter als der Hohe und grenzt die Sahara nach Norden hin ab. Im Herzen dieses Gebietes liegt Tafraoute umgeben von bizarren Felsen, die leicht rosa in der Sonne schimmern. So fügen sich die rot getünchten Moscheen und Häuser harmonisch in die Landschaft ein. Auf einer Hochebene außerhalb der Stadt liegen, wie auf einem Spielplatz der Riesen, viele verstreute Steinbrocken. Der Künstler Jaen Verame hat hier mit über achtzehn Tonnen Farbe mehrere Steine bunt bemalt. Ähnliche Projekte hat er unter anderem im Sinai-Gebirge in Ägypten und im Tibesti-Gebirge im Tschad unternommen.
Wir fahren durch eine super schöne Landschaft. Verwunschene Pfade wechseln mit gut geteerter Straße. Diese verwandeln sich wieder in geschotterte Pisten und Straßen, auf denen der Belag sich seit geraumer Zeit klammheimlich verabschiedet hat. Rotes Gebirge klafft zu beiden Seiten hoch empor, die angelegten Terrassen dazwischen schimmern grün wie Oasen und sind von einzelnen Palmen gesäumt.
Dörfer unterbrechen in regelmäßigen Abständen die abwechslungsreiche Fahrt. Mal sind sie sehr belebt, mal wirken sie regelrecht ausgestorben.
Wir erreichen Tafraoute auf einer kleinen Nebenstraße und fahren gleich die wenigen Kilometer zu unserem Treffpunkt weiter.
Es gibt kein zufälliges Treffen. Jeder Mensch in unserem Leben ist entweder ein Test, ein Geschenk oder eine Lektion.
Der Steyer steht oberhalb auf einem winzigen Plateau, genau wie Marc es gesagt hat und wir stellen uns genau daneben. Es ist nicht so leicht, auf dem winzigen Platz noch ein Eckchen zu finden, auf dem man auch geradesteht. Von den beiden fehlt allerdings jede Spur. Wir sind ein wenig enttäuscht, wollten wir doch voller Stolz unsere neue Paula vorstellen. Wo können sie nur sein? Wir richten uns erst einmal gemütlich ein, doch eine Stunde später greifen wir doch zum Telefon.
„Wo seid ihr, wir stehen schon seit einer Stunde neben eurem Steyer?“, fragt Frank nach.
„Waaas, das kann doch nicht sein, wir sitzen in Tafraoute im Café an der Straße. Ihr müsst doch hier vorbeikommen. Wir haben uns extra so positioniert, damit wir euch schon hier abfangen und überraschen können“, antwortet Marc.
„Wir sind von hinten über die kleinen Nebenwege gekommen“, meint Frank.
„Na, da können wir euch ja nicht gesehen haben. Wir dachten, ihr kommt die Hauptstraße rein. Schade, Überraschung misslungen. Wir schwingen uns sofort aufs Moped und kommen rauf“, schiebt er noch lachend hinterher.
Kurze Zeit später gibt es ein großes Hallo. Paula wird besichtigt und bis ins Kleinste inspiziert. Während Marc und Frank alle technischen Details klären, prüfen Doro und ich die Funktionalität im Inneren. Nach einiger Zeit wird Paula wieder „freigegeben“ und für super gelungen erklärt. Vor allem die kurze Bauzeit bewundern beide.
„Als ihr uns voriges Jahr zur Abenteuer Allrad Messe gesagt habt, dass ihr schon Anfang März mit dem neuen Fahrzeug starten wollt, hab ich gedacht, die spinnen, die beiden. Zwischendurch hab ich gesagt, wenn es jemand schafft, dann die beiden verrückten Ossis. Und heute muss ich sagen, Hut ab. Tolle Leistung“, meint Marc. Doro nickt zustimmend mit dem Kopf. Und wir sitzen den beiden mit sichtbar stolz geschwollener Brust gegenüber.