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Das Buch erzählt von dem Leben eines jungen Mannes, welcher auf der Suche nach Glück war.
Das E-Book Pazifist von Pannonien wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
pazifist,Krieg,Frieden,Europa,Pazifismus
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Seitenzahl: 72
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein Buch für die Nachwelt, welches den Beginn einer Geschichtserzählung markiert, die sich über Jahre hinweg erstrecken wird.
Angaben zur Schreibenden Person:
Scheinperson
Herbst 1914, Auf dem Weg zur Ostfront
Sommer 1895, ein Vorort von Nis, Serbien
Sommer 1895, irgendwo in Nordserbien
Sommer 1895, Eine Stadt in Ungarn
Frühling 1899, Budapest
Frühling 1899, Wien
Frühjahr 1908, Wien
Sommer, 1908, Wien
Frühjahr 1909, Budapest
Frühjahr 1909, Wien
Sommer 1910, Wien
Frühjahr 1914, Wien
28. Juni 1914, Wien
11. Juli 1914, Wien
28. Juli 1914, Kriegserklärung der Donaumonarchie an Serbien
30. November 1914, Wien
12. Dezember 1914, Ostfront
25. Dezember 1914, Ostfront
27. Dezember 1914, Ostfront
3. März 1915, irgendwo in Europa
13. Juli 1914, Ort unwichtig
14. Juli 1915, Budapest
1. August 1915, irgendwo zwischen Rumänien und dem Osmanischen Reich
26. Oktober 1915, Ort unwichtig
Wien
Gestern noch liebend und geliebt, heute schon verachtend und verachtet. Gestern noch den Abend gemütlich, wie so oft, vor dem Kamin verbracht, doch heute schon im Zug an die Ostfront sitzend. Niemand kann sich diese lange, langsame Fahrt, von Wien beginnend vorstellen, der nicht dabei war. Was soll man in solchen Momenten denken? Man wird in Züge verfrachtet, um dem verhassten Feind vielleicht schon am nächsten Morgen das Bajonett in die Brust zu rammen. Die Gefühlslage, in der ich mich befinde, ist unbeschreiblich. Wut, Trauer, Hass, Heimweh, Müdigkeit, Enttäuschung, Liebe, Schuld, Hoffnung, Verantwortung. All diese Gefühle liegen mir zu Last. Wie soll ich diese Gefühlsexplosion vertragen? Ich muss mich von den Gedanken über die Zukunft ablenken, denn so sehr ich auch versuche Positives zu finden, so finde ich nur den Tod.
Ich werde über die Vergangenheit nachdenken. Sie war zwar nicht immer schön, auch sie trug den Tod oft mit, doch sie bescherte mir auch viele schöne Momente, die ich in dieser kleinen Biografie, die ich während der Zugfahrt schreiben möchte, wiedergeben werde. Falls ich sterbe, erreicht diese Schrift hoffentlich irgendwann meine Tochter, denn sie konnte ihren Vater bis jetzt noch nicht ordentlich kennenlernen, da sie noch sehr klein ist. Hoffentlich erfährt sie, dass ich einer der Menschen war, die den Krieg verachteten, und nicht einer der Jubelnden.
Ich werde auch versuchen, nach Beendigung der Biografie, Tagebucheinträge zu verfassen, die die Nachwelt an dieses dämonische Treiben erinnern sollen.
Wächst man im Krieg auf, wünscht man sich nur Eines. Den Frieden.
Ich wusste schon gar nicht mehr, wer gegen wen kämpft, wer gut und wer böse ist, wer Recht hat und wer im Unrecht ist. Irgendwie hatte ich aber das Gefühl, es wäre im Krieg sowieso egal, weil er unabhängig von den Kriegsgründen die Opfer nie rechtfertigen kann.
Als man zu mir kam, einem Jungen ohne Eltern, in einem kleinen, fast verfallenen Haus lebend, man mir sagte die einzige Möglichkeit ein menschenwürdiges Leben zu führen wäre der Armee beizutreten, um die Unruhen im Land zu bekämpfen, wusste ich sofort was zu tun war. Ich sagte voller Begeisterung zu, erbat einen Tag, um mich von meinem Geburtshaus zu verabschieden und wartete, bis diese komischen Gestalten außer Sichtweite waren. Ich wusste, da sie mich entdeckt hatten, würden sie keine Ruhe mehr geben und mich zur Not zwingen mitzugehen, so wie alle anderen Jugendlichen, deren Eltern der Krieg einforderte.
Ich packte so wenig wie möglich, damit ich mein einziges Heim auf Erden schnell verlassen konnte, jedoch ohne zu wissen wohin. Doch nur eines war mir wichtig. Niemals werde ich dieses barbarische Treiben der Armeen unterstützen, auch wenn es mich mein Leben kostet.
Der Krieg bedeutet immer eine Lüge. Ich sterbe jederzeit, überall für die Wahrheit, doch für eine Lüge möchte ich keine Sekunde leben.
Glücklicherweise kannte ich mich mit meinen damals achtzehn Jahren im Gelände bestens aus, denn viele Tage verbrachten wir Kinder vor dem Krieg in den Feldern. Auch die Natur war mit ihren Bäumen als Versteck, ihren Flüssen als Nahrungsquelle, sehr großzügig.
Nach dem Tod meiner Eltern, wurde mein Onkel für etwa 3 Jahre mein Ersatzvater. Er kümmerte sich in dieser Zeit darum, mir so viel wie nur möglich beizubringen, damit ich selbstständig leben kann. Das Fischen lernte ich von ihm, das Verbrennen nassen Holzes, die Aufzucht von Schweinen, sowie anderen Nutztieren, aber auch einige Ansätze der deutschen Sprache konnte ich von ihm lernen, denn er war ein Kaufmann, der auf die internationale Kommunikation angewiesen war. Soweit mir bekannt, sprach er Deutsch, Bulgarisch, Russisch, Serbisch und Italienisch. Erstaunlich viele Sprachen für einen Mann, der eigentlich nie etwas anderes machte als Gegenstände oder Tierprodukte gegen Geld zu tauschen. Er erzählte mir immer von den wunderbaren Städten außerhalb unserer Gegend, in denen man jeden Tag andere Menschen sieht. Unendliche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung habe man dort. Zu Hause sah ich immer die gleichen Gesichter. Es gab nichts zum Zeitvertreib außer ein paar Büchern auf Deutsch, die er mir gelassen hatte bevor er ging, doch es fiel mir sehr schwer sie zu verstehen.
So ging ich nun durch die Wälder flussaufwärts, ohne Ziel, ohne Zeitgefühl, ohne geografische Kenntnisse. Wo sollte ich hin? Ein junger Pazifist, dessen Eltern, eine Bulgarin und ein Serbe, die auf Grund „verbotener Liebe“ ermordet wurden.
Ich verabscheute den Krieg, der überall zu toben schien, ich verabscheute den Hass, den man den Menschen in den Augen ablesen konnte.
Ich gehöre keiner Nationalität an, denn wenn man im Krieg töten muss, um irgendeiner Nationalität anzugehören, dann bin ich lieber nationalitätslos.
Nach mehrtägigem Spazieren, Marsch möchte ich es nicht nennen, denn dafür ließ ich mir zu viel Zeit, um die Natur zu genießen, erreichte ich erstmals einige Dörfchen, in denen ich gesammelte Dinge wie Kräuter, von denen ich nicht wusste, wozu sie zu gebrauchen waren, oder auch schöne Steine, die ich fand, unter Benutzung meines einzigen Talentes, der Kommunikation, geschickt verkaufen konnte. Ich wäre ein Reisender, die Steine aus griechischem Gebirge, die Kräuter, mit besonderen Heilkräften jahrelang getrocknet und erworben im Osmanischen Reich. Die Menschen in diesen kleinen Dörfern waren freundlich, sowie überaus gutgläubig. Ich hätte ihnen wahrscheinlich sogar Blätter von den Bäumen in ihren eigenen Gärten verkaufen können, ohne dass sie Verdacht geschöpft hätten, betrogen zu werden. Mit dem erhaltenen Geld konnte ich mir einige Essensvorräte kaufen. Mit der Zeit reichte die ertauschte Summe sogar für das Erwerben von neuen Kleidungsstücken aus.
Mir gefiel es einen Reisenden zu verkörpern. Die Menschen waren freundlich zu mir, ich wusste, sie träumten alle im geheimen die Welt zu erkunden, anstatt mit ihren alten Verwandten am Tisch zu sitzen, um jeden Tag die gleichen Geschichten zu hören, die die gleichen Menschen erzählten, mit denen sie die gleichen Mahlzeiten verspeisten.
Ich entschied weiterzugehen, bis an einen unbekannten Ort, in den ich mich auf Anhieb verlieben würde. Ich wusste es muss eine Stadt geben, in die ich gehöre, ich war nur noch nicht dort gewesen.
Nach zweiwöchiger Reise war ich schon ein Vollblutreisender geworden. Ich hatte mit so vielen Menschen gesprochen, dass ich schon anhand ihres Gesichtsausdruckes erkannte, was sie sagen würden, wenn ich vorbeigehe. Die einen grüßten freundlich, andere schauten mich schief an, manche sprangen auf, boten mir sofort ein Bad, ein Bett an; einige ignorierten mich jedoch auch vollkommen.
Ich genoss diese Reise unglaublich. Ich war nicht mehr der Sohn einer dreckigen Bulgarin, wie mich die Menschen in meinem Geburtsort nannten, denn niemand kannte meine Identität. Ich war ein willkommener Gast, kleine Kinder wollten die Geschichten eines Reisenden hören, auch wenn die meisten erfunden waren.
Ich lernte mich in dieser Zeit selbst kennen, in dieser Zeit, in der ich niemand sein musste.
Wochen vergingen, der Sommer neigte sich dem Ende zu. Ich wusste, ich könnte nicht im Freien überwintern. Doch wo sollte ich hin? Seit ich losging, ging ich an keinem Ort vorbei, an dem ich mir zu bleiben hätte vorstellen können. Ich wollte nie wieder ein Junge vom Dorf sein, den niemand beachtet. Ich wollte die wundervollen Städte kennenlernen, von denen mein Onkel mir erzählte. Doch wie ist es möglich, dass ich in den ganzen Wochen meiner Reise noch an keiner der besagten Städte vorbeikam? Die einzige Stadt, wenn man so sagen darf, die ich bis dahin sah, war Belgrad. Belgrad kannte ich jedoch schon von Ausflügen im Kindesalter. Ich ging und ging, ab Belgrad einen Fluss entlang, der wie ich später erfuhr die Donau war. Ich wusste noch nicht einmal, dass ich das serbische Königreich bereits verlassen hatte, da meine geografischen Kenntnisse damals unter aller Würde waren.