Percy Jackson 5: Die letzte Göttin - Rick Riordan - E-Book
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Percy Jackson 5: Die letzte Göttin E-Book

Rick Riordan

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Beschreibung

Action, Witz und die letzte Entscheidung! Titanen gegen die Götter des Olymp! Die ultimative Schlacht gegen Kronos steht bevor – mitten im Herzen von New York! Ausgerechnet jetzt sind alle olympischen Götter ausgezogen, um gegen das wiederauferstandene Monster Typhon zu kämpfen! Jetzt liegt es an Percy und seinen Freunden, den Sitz er Götter zu verteidigen. Er muss sich der Prophezeiung stellen und eine Entscheidung treffen, die weitreichende Konsequenzen hat und sein Leben für immer verändern wird. Die Jugendbuch-Bestsellerserie mit nachtragenden Ungeheuern und schrulligen Göttern    Als Percy Jackson erfährt, dass er ein Halbgott ist und es die Kreaturen aus der griechischen Mythologie wirklich gibt, verändert das alles. Von nun an stehen ihm und seinen Freunden allerlei Monster, göttliche Streitigkeiten und epische Quests bevor.    Gespickt mit Heldentum, Chaos und Freundschaft ist die sechsteilige Fantasy-Reihe rund um den Halbgott Percy Jackson inzwischen millionenfach verkauft. Der Mix aus Spannung, Witz und Mythologie begeistert Jung und Alt aus mehr als 40 Ländern und ist die bekannteste Serie von Rick Riordan.        ***Griechische Götter in der Gegenwart: chaotisch-wilde Fantasy für junge Leser*innen ab 12 Jahren und für alle Fans der griechischen Mythologie*** 

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Seitenzahl: 488

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Rick Riordan:

Percy Jackson – Die letzte Göttin

Aus dem Englischen von Gabriele Haefs

 

Auf Percy Jackson und seine Freunde wartet ein heißer Tanz: Ihr Todfeind Kronos holt zum letzten Schlag aus und marschiert auf den Olymp zu, mitten ins Herz von New York. Dabei sind die olympischen Götter alle ausgezogen, um gegen das Monster Typhon zu kämpfen! Gemeinsam mit den Jägerinnen der Artemis und den zum Leben erweckten Denkmälern der Stadt versuchen die jungen Halbblute den Sitz der Götter zu verteidigen. Doch sie haben einen Verräter in den eigenen Reihen.

Alle Bände der »Percy Jackson«-Serie: Percy Jackson – Diebe im Olymp (Band 1) Percy Jackson – Im Bann des Zyklopen (Band 2) Percy Jackson – Der Fluch des Titanen (Band 3) Percy Jackson – Die Schlacht um das Labyrinth (Band 4) Percy Jackson – Die letzte Göttin (Band 5) Percy Jackson – Auf Monsterjagd mit den Geschwistern Kane (Sonderband)

Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen Percy Jackson erzählt: Griechische Heldensagen

Und dann geht es weiter mit den »Helden des Olymp«!

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  Leseprobe

Ich gehe mit einer Ladung Sprengstoff auf Kreuzfahrt

Das Ende der Welt begann damit, dass ein Pegasus auf der Motorhaube meines Wagens landete.

Bis dahin war es ein toller Nachmittag gewesen. An sich durfte ich ja gar nicht Auto fahren, weil ich erst in einer Woche sechzehn werden würde, aber meine Mom und mein Stiefvater, Paul, waren mit meiner Freundin Rachel und mir zu einem Privatstrand am South Shore gefahren, und Paul lieh uns für eine kurze Tour seinen Prius.

Ich weiß, ihr denkt jetzt: Also, das war aber wirklich unverantwortlich von dem Mann, aber Paul kennt mich ziemlich gut. Er hat gesehen, wie ich Dämonen aufgeschlitzt habe und aus explodierenden Schulhäusern gesprungen bin, und da dachte er wohl, mit einem Auto ein paar Hundert Meter zu fahren, wäre nicht gerade die gefährlichste Unternehmung meines Lebens.

Rachel und ich fuhren also los. Es war ein heißer Tag im August. Rachel hatte sich ihre roten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug eine weiße Bluse über ihrem Badeanzug. Ich hatte sie bisher immer nur in zerfetzten T-Shirts und mit Farbe beklecksten Jeans gesehen, und sie sah aus wie eine Million goldene Drachmen.

»Ach, halt hier doch mal eben!«, sagte sie zu mir.

Wir hielten an einem Felsabsatz mit Blick auf den Atlantik. Ich bin immer sehr gern am Meer, aber an diesem Tag war es besonders schön – grün glitzernd und glatt wie Glas, als ob mein Dad es nur für uns ruhig hielte.

Mein Dad, übrigens, ist Poseidon. Er macht sowas mit links.

»Also.« Rachel lächelte mich an. »Was diese Einladung angeht.«

»Ach … richtig.« Ich versuchte, mich begeistert anzuhören. Ich meine, sie hatte mich für drei Tage in das Ferienhaus ihrer Familie auf St. Thomas eingeladen. Oft bekam ich solche Angebote nicht. Der Traumurlaub meiner Familie besteht aus einem Wochenende in einer heruntergekommenen Hütte auf Long Island, mit ein paar geliehenen Filmen und Tiefkühlpizzen, und jetzt wollten Rachels Eltern mich in die Karibik mitschleifen.

Außerdem war ich total urlaubsreif. Es war der härteste Sommer meines Lebens gewesen. Die Vorstellung einer Pause, und sei es nur für einige Tage, war wirklich verlockend.

Aber gerade jetzt könnte jeden Tag etwas Wichtiges passieren. Ich hatte sozusagen Bereitschaftsdienst für einen Einsatz. Und schlimmer noch, in der folgenden Woche war mein Geburtstag. Es gab eine Weissagung, nach der an meinem sechzehnten Geburtstag etwas Schreckliches passieren würde.

»Percy«, sagte Rachel. »Ich weiß, das Timing ist nicht gut. Aber das ist es bei dir doch nie, oder?«

Da hatte sie nicht Unrecht.

»Ich möchte ja wirklich gern mitkommen«, beteuerte ich. »Es ist bloß …«

»Der Krieg.«

Ich nickte. Ich sprach nicht gern darüber, aber Rachel wusste Bescheid. Anders als die meisten anderen Sterblichen konnte sie durch den Nebel blicken – den magischen Schleier, der den Blick der Menschen trübt. Sie hatte Monster gesehen. Sie war einigen der anderen Halbgötter begegnet, die gegen die Titanen und deren Verbündete kämpften. Sie war sogar im vergangenen Sommer dabei gewesen, als der zerstückelte Titanenherrscher Kronos in einer entsetzlichen neuen Gestalt aus seinem Sarg gestiegen war, und sie hatte sich für immer meine Achtung verdient, als sie ihm eine blaue Plastikbürste ins Auge gepfeffert hatte.

Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Überleg es dir einfach, ja? Wir brechen ja erst in zwei Tagen auf. Mein Dad …« Ihre Stimme versagte.

»Macht er dir das Leben schwer?«, fragte ich.

Rachel schüttelte angeekelt den Kopf. »Er versucht, nett zu mir zu sein, und das ist fast noch schlimmer. Er will mich im Herbst auf die Clarion Ladies Academy schicken.«

»Ist das die Schule, die auch deine Mom besucht hat?«

»Das ist so eine blöde Anstalt, wo Mädchen gesellschaftlichen Schliff beigebracht kriegen. Kannst du dir mich auf so einer Damenschule vorstellen?«

Ich gab zu, dass ich die Vorstellung ziemlich absurd fand. Rachel interessierte sich für großstädtische Kunstprojekte und Aktionen für Obdachlose, und sie ging zu Demos für die Rettung des aussterbenden gelbbäuchigen Saftsaugers und so. Ich hatte sie nie auch nur in einem Kleid gesehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie den perfekten Benimm lernen sollte.

Sie seufzte. »Er glaubt, wenn er so ungefähr alles für mich tut, dann kriege ich ein schlechtes Gewissen und gebe nach.«

»Weshalb er auch bereit ist, mich mit euch in den Urlaub fahren zu lassen?«

»Ja … aber Percy, du würdest mir einen riesigen Gefallen tun. Alles wäre so viel besser, wenn du mit uns kämst. Und außerdem möchte ich etwas mit dir be…« Sie verstummte ganz plötzlich.

»Du möchtest etwas mit mir besprechen?«, fragte ich. »Du meinst … es ist so ernst, dass wir nach St. Thomas fahren müssen, um darüber zu reden?«

Sie schob die Lippen vor. »Ach, vergiss es. Lass uns so tun, als ob wir zwei ganz normale Menschen wären. Wir machen einen Ausflug und schauen uns das Meer an, und es ist nett, zusammen zu sein.«

Ich merkte, dass sie irgendwas belastete, aber sie setzte ein tapferes Lächeln auf. Im Sonnenschein sahen ihre Haare aus wie Feuer.

Wir hatten diesen Sommer sehr viel Zeit miteinander verbracht. Ich hatte das eigentlich nicht vorgehabt, aber je mehr sich die Lage im Camp zuspitzte, umso größer wurde mein Bedürfnis, Rachel anzurufen und von dort wegzukommen, einfach, um Atem zu holen. Ich wollte mir bewusst machen, dass es dort draußen noch immer eine Welt der Sterblichen gab, weit weg von all den Monstern, die mich für ihren persönlichen Punchingball zu halten schienen.

»Okay«, sagte ich. »Einfach ein normaler Nachmittag und zwei normale Menschen.«

Sie nickte. »Und nur mal rein theoretisch, wenn diese beiden Menschen einander leiden könnten, was müsste passieren, damit der blöde Typ das Mädchen küsst, hm?«

»Oh …« Ich kam mir vor wie eine der heiligen Kühe des Apollo: träge, blöd und knallrot. »Öh …«

Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht viel an Rachel gedacht hätte. Es war so viel leichter, mit ihr zusammen zu sein als mit … na ja, als mit einigen anderen Mädchen, die ich kannte. Ich musste mir keine große Mühe geben oder meine Worte auf die Goldwaage legen oder mir das Gehirn zermartern bei dem Versuch, ihre Gedanken zu erraten. Rachel verbarg nichts vor mir. Sie sagte einfach, wie ihr zumute war.

Ich bin nicht sicher, was ich als Nächstes getan hätte. Ich war so abgelenkt, dass ich die riesige schwarze Gestalt, die vom Himmel herabschoss, erst bemerkte, als vier Hufe mit einem WUMP-WUMP-KRACH auf der Motorhaube des Prius landeten.

He, Boss, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Nette Karre!

Blackjack der Pegasus war ein alter Freund, deshalb versuchte ich, mich über die Krater, die er soeben in die Motorhaube getreten hatte, nicht zu sehr zu ärgern. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass mein Stiefdad entzückt davon sein würde.

»Blackjack«, seufzte ich. »Was willst du …?«

Dann sah ich, wer auf seinem Rücken saß, und ich wusste, dass dieser Tag noch viel komplizierter werden würde.

»Hi, Percy.«

Charles Beckendorf, Hüttenältester in der Hephaistos-Hütte, hätte die meisten Monster nach ihrer Mama schreien lassen. Er war riesig, hatte gewaltige Muskeln, weil er jeden Sommer in der Schmiede arbeitete, war zwei Jahre älter als ich und einer der besten Waffenschmiede im Camp. Er stellte wirklich geniale Apparate her. Einen Monat zuvor hatte er auf dem Klo eines Ausflugsbusses, der eine Bande von Monstern durch das Land kutschierte, eine griechische Feuerbombe hergestellt. Die Explosion riss eine ganze Legion von Kronos’ fiesen Kumpels mit sich, sowie die erste Harpyie die Spülung betätigte.

Beckendorf trug seine Kampfausrüstung: eine bronzene Brustplatte und einen Kriegshelm, dazu eine schwarze Tarnhose und ein umgeschnalltes Schwert. Seine Sprengstofftasche hatte er sich über die Schulter geworfen.

»Zeit?«, fragte ich.

Er nickte düster.

Ich spürte einen Kloß im Hals. Ich hatte gewusst, dass der Tag kommen würde. Wir bereiteten uns schon seit Wochen darauf vor, aber irgendwie hatte ich doch gehofft, dass es niemals passieren würde.

Rachel schaute zu Beckendorf hoch. »Hallo.«

»Ach, hi. Ich bin Beckendorf. Und du musst Rachel sein. Percy hat mir erzählt … äh, ich meine, er hat dich mal erwähnt.«

Rachel hob eine Augenbraue. »Echt? Gut.« Sie schaute zu Blackjack hinüber, der mit seinen Hufen auf die Motorhaube des Prius trommelte. »Ich vermute mal, ihr Jungs müsst jetzt die Welt retten.«

»So ungefähr«, sagte Beckendorf zustimmend.

Ich sah Rachel hilflos an. »Würdest du meiner Mom sagen …?«

»Mach ich. Sie ist sicher schon daran gewöhnt. Und das mit der Motorhaube erkläre ich Paul.«

Ich nickte zum Dank. Ich befürchtete, dass Paul mir wohl zum letzten Mal sein Auto geliehen hatte.

»Viel Glück.« Rachel küsste mich, ehe ich überhaupt reagieren konnte. »Und jetzt los mit dir, Halbblut. Bring ein paar Monster für mich um.«

Als ich ein letztes Mal zurückblickte, saß sie mit verschränkten Armen auf dem Beifahrersitz des Prius und sah zu, wie Blackjack immer höher kreiste und Beckendorf und mich in den Himmel trug. Ich hätte gern gewusst, worüber Rachel mit mir sprechen wollte, und ich fragte mich, ob ich wohl lange genug leben würde, um es in Erfahrung zu bringen.

»Also«, sagte Beckendorf. »Ich gehe mal davon aus, dass ich gegenüber Annabeth diese kleine Szene nicht erwähnen soll.«

»Bei allen Göttern«, knurrte ich. »Denk da nicht mal dran.«

Beckendorf kicherte, und zusammen schossen wir über den Atlantik davon.

Es war fast dunkel, als wir unser Ziel erreichten. Die Prinzessin Andromeda leuchtete am Horizont – ein riesiges gelb und weiß beleuchtetes Kreuzfahrtschiff. Aus der Ferne konnte man es einfach für ein Partyschiff halten anstatt für das Hauptquartier des Titanenherrschers. Im Näherkommen bemerkte man dann die überdimensionale Galionsfigur – ein dunkelhaariges Mädchen in einem griechischen Chiton, mit Ketten umwickelt und mit total verängstigtem Gesicht, als ob sie den Gestank der vielen Monster riechen könnte, die sie transportieren musste.

Beim Anblick des Schiffes verkrampfte sich alles in mir. Ich wäre auf der Prinzessin Andromeda zweimal fast ums Leben gekommen. Jetzt steuerte sie geradewegs New York an.

»Du weißt, was wir zu tun haben?«, schrie Beckendorf durch den lauten Wind.

Ich nickte. Wir hatten in den Docks von New Jersey geübt, mit verlassenen Schiffen als Zielscheiben. Ich wusste, wie wenig Zeit wir haben würden. Aber ich wusste auch, dass dies unsere größte Chance war, Kronos’ Invasion zu beenden, ehe sie wirklich angefangen hatte.

»Blackjack«, sagte ich. »Setz uns auf dem untersten Deck achtern ab.«

Alles klar, Boss, sagte er. Mann, ich hasse den Anblick dieses Kahns.

Drei Jahre zuvor war Blackjack auf der Prinzessin Andromeda gefangen gehalten worden, hatte dann aber mit Hilfe von meinen Freunden und mir entkommen können. Ich glaube, er würde sich lieber wie My Little Pony die Mähne zu Zöpfchen flechten lassen, als dieses Schiff noch einmal zu betreten.

»Du brauchst nicht auf mich zu warten«, sagte ich zu ihm.

Aber Boss …

»Glaub mir«, sagte ich. »Wir kommen schon allein da raus.«

Blackjack faltete seine Flügel zusammen und ließ sich wie ein schwarzer Komet auf das Schiff hinabfallen. Der Wind pfiff in meinen Ohren. Ich sah Monster, die über die oberen Decks patrouillierten – Dracaenae, Höllenhunde, Riesen und diese menschenähnlichen Seehundsdämonen, die Telchinen genannt werden –, aber wir jagten so schnell vorüber, dass niemand Alarm schlug. Wir schossen auf das Heck des Schiffs zu, Blackjack breitete seine Flügel aus und setzte dann geschmeidig auf dem untersten Deck auf. Ich stieg von seinem Rücken, und mir war jetzt schon schlecht.

Viel Glück, Boss, sagte Blackjack. Lass dich von denen ja nicht zu Pferdewurst machen.

Mit diesen Worten flog mein alter Freund in die Nacht davon. Ich zog meinen Kugelschreiber aus der Tasche und drehte die Kappe herunter, und Springflut öffnete sich zu seiner vollen Größe – neunzig Zentimeter tödliche himmlische Bronze glühten in der Abenddämmerung.

Beckendorf zog ein Stück Papier aus der Tasche. Ich hielt es für eine Landkarte oder so, aber dann ging mir auf, dass es ein Foto war. Er starrte es im trüben Licht an – das lächelnde Gesicht von Silena Beauregard, Tochter der Aphrodite. Sie waren seit dem vergangenen Sommer zusammen, nachdem wir anderen jahrelang gesagt hatten: »Hört mal, ihr mögt euch doch offenbar!« Trotz der vielen gefährlichen Einsätze war Beckendorf in diesem Sommer glücklicher gewesen, als ich es je erlebt hatte.

»Wir schaffen es zurück ins Camp«, versprach ich.

Für einen Moment sah ich Sorge in seinen Augen. Dann setzte er sein altes zuversichtliches Lächeln auf.

»Davon kannst du ausgehen«, sagte er. »Komm, jetzt sprengen wir Kronos wieder in eine Million Fetzen.«

Beckendorf ging voraus. Wir folgten einem engen Gang zum Treppenaufgang fürs Bootspersonal, wie wir es geübt hatten, erstarrten aber, als wir über uns Geräusche hörten.

»Mir doch egal, was deine Nase sagt«, fauchte eine halb menschliche, halb hündische Stimme – ein Telchine. »Als du das letzte Mal Halbblut gerochen hast, hat es sich als Hamburger entpuppt.«

»Hamburger schmecken gut«, fauchte eine andere Stimme zurück. »Aber ich schwöre, das hier ist Halbblut-Geruch. Sie sind an Bord.«

»Ja, aber dein Gehirn ist nicht an Bord!«

Sie stritten sich weiter, und Beckendorf zeigte nach unten. Wir stiegen, so leise wir konnten, die Treppe hinunter. Zwei Stock tiefer verklangen die Stimmen der Telchinen.

Endlich erreichten wir eine Metallluke. Beckendorf formte mit den Lippen das Wort »Maschinenraum«.

Drinnen dröhnten und brummten gelbe Turbinen in der Größe von Getreidesilos. Druckmessgeräte und Computerterminals waren an der Wand gegenüber aufgereiht. Ein Telchine beugte sich über eine Konsole, aber er war dermaßen in seine Arbeit vertieft, dass er uns nicht bemerkte. Er war an die eins fünfzig und hatte glattes schwarzes Seehundsfell und klumpige kleine Füße. Sein Kopf sah aus wie der eines Dobermanns, aber seine Krallenhände waren fast menschlich. Er knurrte und murmelte vor sich hin, während er auf seiner Tastatur herumklimperte. Vielleicht hatte er seinen Freunden auf uglyface.com etwas mitzuteilen.

Ich trat vor und er erstarrte – vermutlich roch er, dass etwas nicht stimmte. Er sprang zur Seite, auf einen riesigen roten Alarmknopf zu. Als ich ihm den Weg vertrat, zischte er und wollte mich angreifen, aber ein Hieb mit Springflut ließ ihn zu Staub explodieren.

»Einer weniger«, sagte Beckendorf. »Bleiben noch an die fünftausend.« Er warf mir ein Glas mit einer zähen grünen Flüssigkeit zu – griechisches Feuer, eine der gefährlichsten magischen Substanzen auf der ganzen Welt. Dann ließ er ein weiteres unverzichtbares Werkzeug für Halbgötter und Helden folgen – Klebeband.

»Papp das auf die Konsole«, sagte er. »Ich kümmere mich um die Turbinen.«

Wir gingen ans Werk. Der Maschinenraum war heiß und feucht, und bald waren wir in Schweiß gebadet.

Das Schiff tuckerte immer weiter. Als Sohn des Poseidon kann ich mich auf See perfekt orientieren. Fragt mich nicht, warum, aber ich wusste, wir waren jetzt bei 40,19° Nord und 71,90° West und machten achtzehn Knoten, was bedeutete, dass das Schiff in der Morgendämmerung in den Hafen von New York einlaufen würde. Und das hier war unsere einzige Chance, es daran zu hindern.

Ich hatte soeben ein zweites Glas mit griechischem Feuer an der Kontrollkonsole befestigt, als ich Füße auf Metallstufen hörte – es kamen so viele Wesen die Treppe herunter, dass ich sie über das Brummen der Motoren hören konnte. Kein gutes Zeichen.

Ich schaute Beckendorf an. »Wie lange noch?«

»Zu lange.« Er tippte seine Armbanduhr an, die unser Auslöser war. »Ich muss noch den Empfänger anschließen und die Sprengladung einstellen. Noch mindestens zehn Minuten.«

Aber nach den Schritten zu urteilen, blieben uns noch zehn Sekunden.

»Ich lenke sie ab«, sagte ich. »Wir sehen uns beim Treffpunkt.«

»Percy!«

»Wünsch mir Glück.«

Er sah aus, als ob er widersprechen wollte. Wir hatten vorgehabt, uns unbemerkt auf das Schiff und wieder hinunter zu schleichen, aber jetzt würden wir improvisieren müssen.

»Viel Glück«, sagte er.

Ich stürzte zur Tür hinaus.

Ein halbes Dutzend Telchinen trampelte die Treppe herunter. Ich mähte sie mit Springflut nieder, ehe sie auch nur fiepen konnten. Dann kletterte ich los – vorbei an einem weiteren Telchinen, der so überrascht war, dass er seine Proviantdose für das liebe Dämönchen fallen ließ. Ich ließ ihn am Leben – erstens, weil mir die Proviantdose gefiel, und zweitens, damit er den Alarm auslösen und hoffentlich seine Freunde dazu bringen könnte, mich zu verfolgen, statt den Maschinenraum anzusteuern.

Ich riss die Tür zu Deck 6 auf und rannte weiter. Ich bin sicher, die mit Teppichen ausgelegte Halle war einmal sehr elegant gewesen, aber nach drei Jahren Besetzung durch Monster waren Tapeten, Teppiche und Türen vollkommen zerkratzt und so schleimig, dass sie aussah wie das Innere einer Drachenkehle (hier spreche ich leider aus Erfahrung).

Bei meinem ersten Besuch auf der Prinzessin Andromeda hatte mein alter Feind Luke zur Tarnung einige verwirrte Touristen an Bord gehabt – in Nebel gehüllt, damit sie nicht merkten, dass sie auf einem monsterverseuchten Schiff unterwegs waren. Jetzt konnte ich keine Touristen entdecken. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, was aus ihnen geworden war, aber ich glaubte eigentlich nicht, dass sie mit ihrem Bingo-Gewinn nach Hause gegangen waren.

Ich erreichte die Promenade, eine riesige Einkaufspassage, die die ganze Mitte des Schiffs einnahm, und schrak zurück. Mitten auf der Promenade stand ein Springbrunnen. Und in dem Springbrunnen hockte ein riesiger Krebs.

Ich meine nicht »riesig« wie in »Königskrebse aus Alaska satt für $ 7,99«. Ich meine riesiger als der Springbrunnen. Das Monster ragte drei Meter aus dem Wasser heraus. Sein Panzer war blau und grün gesprenkelt, seine Scheren länger als ich.

Wenn ihr je ein Krebsmaul gesehen habt, schaumüberzogen und mit einem fiesen Schnurrbart und wie gemacht zum Zuschnappen, dann könnt ihr euch bestimmt vorstellen, dass es in dieser Größe nicht besser aussah. Die schwarzen Knopfaugen starrten mich wütend an, und ich sah darin Intelligenz – und Hass. Die Tatsache, dass ich der Sohn des Meeresgottes war, würde mir bei dem Krebserich keine Punkte einbringen.

»FFFTTTT«, fauchte er, und Meerschaum tropfte von seinem Maul. Er stank wie ein Mülleimer voller Krabbensticks, der eine ganze Woche lang in der Sonne gestanden hat.

Der Alarm schrillte los. Bald würde ich jede Menge Gesellschaft haben, und ich musste weiter.

»He, Krebserich!« Ich schob mich am Rand der Passage entlang. »Ich lauf nur schnell an dir vorbei, und dann …«

Der Krebs bewegte sich mit überraschender Schnelligkeit. Er rutschte aus dem Brunnen und kam mit schnappenden Scheren direkt auf mich zu. Ich ließ mich in einen Andenkenladen fallen und riss ein Gestell voller T-Shirts um. Eine Krebsschere schlug die Glaswände zu Scherben und strich suchend durch den Laden. Ich sprang keuchend wieder hinaus, aber das Monster machte kehrt und kam hinter mir her. »Da«, sagte eine Stimme über mir auf einem Balkon. »Eindringling.«

Wenn ich für Ablenkung hatte sorgen wollen, dann war mir das gelungen, aber ich hatte hier keinen Kampf ausfechten wollten. Wenn ich mitten im Schiff angegriffen wurde, war ich Krebsfutter.

Das dämonische Krustentier schlug nach mir. Ich hieb mit Springflut zu und säbelte die Spitze seiner Schere ab. Es zischte und schäumte, wirkte aber nicht übermäßig beeinträchtigt.

Ich versuchte, mich an irgendetwas aus den alten Geschichten zu erinnern, das mir bei diesem Ding helfen könnte. Annabeth hatte mir mal von einem Riesenkrebs erzählt – hatte Herkules den nicht zertreten? Hier würde das nicht funktionieren. Dieser Krebs war etwas größer als meine Reeboks.

Dann kam mir ein seltsamer Gedanke. Im vergangenen Jahr waren meine Mom und ich mit Paul Blofis zu unserer alten Hütte in Montauk gefahren, wo wir schon so oft gewesen waren. Paul war mit mir Krebse fangen gegangen, und als er ein Netz voll von den Viechern hochgeholt hatte, hatte er mir gezeigt, dass Krebse einen Spalt im Panzer haben, direkt in der Mitte ihres fiesen Bauches.

Das einzige Problem war, an den fiesen Bauch heranzukommen.

Ich schaute zu dem Springbrunnen hinüber, dann sah ich den nach dem Hin und Her des Krebses schon glitschigen Marmorboden an. Ich streckte die Hand aus, konzentrierte mich auf das Wasser und der Springbrunnen explodierte. Wasser spritzte in alle Richtungen, drei Stockwerke hoch, und übergoss die Balkone und die Fahrstühle und die Schaufenster der Läden. Dem Krebs war das egal, der liebte Wasser. Er lief seitlich in meine Richtung, schnappte und zuckte, und ich rannte voll auf ihn zu und schrie »AHHHHH!«.

Unmittelbar vor dem Zusammenstoß warf ich mich auf den Boden und rutschte auf dem nassen Marmor glatt unter dem Vieh durch. Es war, wie unter einem Sieben-Tonnen-Panzer durchzuflutschen. Der Krebs hätte sich nur hinzusetzen und mich zu zerquetschen brauchen, aber ehe er kapierte, was vor sich ging, bohrte ich Springflut in den Spalt in seinem Panzer, stieß mich vom Griff ab und kam hinter ihm wieder zum Vorschein.

Das Monster bebte und zischte. Seine Augen lösten sich auf und sein Panzer wurde hellrot, als seine Innereien verdampften. Der leere Panzer fiel krachend auf den Boden und blieb als großer Haufen dort liegen.

Mir blieb keine Zeit, um mein Werk zu bewundern. Ich stürzte zur nächstgelegenen Treppe, während überall um mich herum Halbgötter und Monster Befehle brüllten und ihre Waffen zogen. Meine Hände waren leer. Als magisches Schwert würde Springflut früher oder später in meiner Tasche auftauchen, aber für den Moment steckte es irgendwo im Wrack des Krebses, und ich hatte keine Zeit, es zu holen.

Vor dem Fahrstuhl auf Deck 8 rutschten zwei Dracaenae vor mir vorbei. Von der Hüfte aufwärts waren sie Frauen mit grüner Schuppenhaut, gelben Augen und gespaltenen Zungen; von der Hüfte abwärts hatten sie doppelte Schlangenleiber anstelle von Beinen. Sie hatten Speere und mit Gewichten beschwerte Netze bei sich, und ich wusste aus Erfahrung, dass sie damit umgehen konnten.

»Wasssss isssst dasss?«, fragte die eine. »Ein Preisssss für Kronossss.«

Ich war nicht in der Stimmung für Schlangenbeschwörung, aber vor mir war ein Sockel mit einem Modell des Schiffs, von der Sorte »Sie befinden sich hier«. Ich riss das Ding vom Sockel und schleuderte es auf eine Dracaena. Das Boot traf sie im Gesicht, und sie ging zu Boden. Ich sprang über sie hinüber, schnappte mir den Speer ihrer Freundin und schwang sie im Kreis. Sie knallte in den Fahrstuhl, und ich rannte weiter zum Bug des Schiffes.

»Haltet ihn!«, schrie sie. Höllenhunde bellten. Von irgendwoher pfiff ein Pfeil an meinem Gesicht vorbei und blieb in der Wand des Treppenhauses stecken.

Mir war das egal – solange ich nur die Monster vom Maschinenraum weghalten und Beckendorf mehr Zeit geben konnte.

Als ich die Treppe hochrannte, kam mir ein Junge entgegen. Er sah aus wie gerade aufgewacht und hatte seine Rüstung nur zur Hälfte angelegt. Als er sein Schwert zog und »Kronos« schrie, hörte er sich eher verängstigt als zornig an. Er konnte nicht älter als zwölf sein – ungefähr so alt wie ich bei meiner Ankunft im Camp Half-Blood.

Dieser Gedanke stimmte mich traurig. Der Kleine hatte eine Gehirnwäsche hinter sich – ihm war eingeredet worden, dass er die Götter hasste und bekämpfen musste, nur weil er ein halber Olympier war. Kronos nutzte ihn nur aus, und doch hielt der Kleine mich für seinen Feind.

Ich wollte ihn nicht verletzen und gegen ihn brauchte ich keine Waffe. Ich sprang vor ihn und packte seine Handgelenke, dann presste ich ihn gegen die Wand. Klappernd fiel ihm das Schwert aus der Hand.

Was ich danach tat, hatte ich nicht geplant. Es war wahrscheinlich dumm von mir. Auf jeden Fall brachte es unsere Mission in Gefahr, aber ich konnte mich nicht beherrschen.

»Wenn du überleben willst«, sagte ich zu ihm, »dann verlass sofort das Schiff. Und sag den anderen Halbgöttern auch Bescheid.« Dann stieß ich ihn die Treppe hinunter und er landete ein Geschoss tiefer.

Ich lief weiter aufwärts.

Böse Erinnerungen: An der Cafeteria führte eine Galerie entlang. Annabeth, mein Halbbruder Tyson und ich hatten uns drei Jahre zuvor bei meinem ersten Besuch hier vorbeigeschlichen.

Ich stürzte auf das Hauptdeck hinaus. Vor dem Bug verfärbte sich der Himmel backbords von Lila zu Schwarz. Das gesamte Schiff wirkte gespenstisch verlassen.

Ich brauchte nur auf die andere Seite zu gehen. Dann könnte ich die Treppe zum Hubschrauberlandeplatz hinunterlaufen – unserem Treffpunkt für den Notfall. Mit etwas Glück würde Beckendorf dort zu mir stoßen. Wir würden ins Meer springen. Meine Macht über das Wasser würde uns beide schützen und aus einer Entfernung von dreihundert Metern würden wir die Sprengladung hochgehen lassen.

Ich hatte bereits das halbe Deck hinter mich gebracht, als der Klang einer Stimme mich erstarren ließ. »Du bist spät dran, Percy.«

Luke stand über mir auf dem Balkon, ein Lächeln auf seinem narbigen Gesicht. Er trug Jeans, ein weißes T-Shirt und Flipflops, wie ein ganz normaler Collegestudent, aber seine Augen verrieten die Wahrheit. Sie waren aus massivem Gold.

»Wir warten schon seit Tagen auf dich.« Zuerst klang er ganz normal, wie Luke eben. Aber dann verzerrte sich sein Gesicht. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als ob er gerade etwas wirklich Grauenvolles getrunken hätte. Seine Stimme wurde tiefer, uralt und mächtig – die Stimme des Titanenherrschers Kronos. Was er sagte, schrappte wie eine Messerklinge über mein Rückgrat. »Na los, verbeuge dich vor mir.«

»Das hättest du wohl gern«, knurrte ich.

Laistrygonische Riesen zogen auf der anderen Seite des Schwimmbades auf, als hätten sie nur auf ein Stichwort gewartet. Jeder war zwei Meter fünfzig groß und hatte tätowierte Arme, eine Lederrüstung und eine Stachelkeule. Über Luke auf dem Dach erschienen Halbgötter mit Bögen. Zwei Höllenhunde sprangen vom gegenüberliegenden Balkon und bleckten vor mir die Zähne. In Sekundenschnelle war ich umstellt. Das war eine Falle: Niemals hätten sie so schnell in Stellung gehen können, wenn sie nicht gewusst hätten, dass ich kommen würde. Ich schaute zu Luke hoch und in mir kochte die Wut. Ich wusste nicht, ob Lukes Bewusstsein in diesem Körper überhaupt noch am Leben war. Vielleicht schon, so wie seine Stimme sich verändert hatte … aber vielleicht lag das nur daran, dass Kronos sich seiner neuen Gestalt anpasste. Ich sagte mir, dass das keine Rolle spielte. Luke war schon lange, ehe Kronos von ihm Besitz ergriffen hatte, verkorkst und böse gewesen.

Eine Stimme in meinem Kopf sagte: Irgendwann muss ich sowieso gegen ihn kämpfen. Also warum nicht jetzt?

Der Großen Weissagung zufolge würde ich mit sechzehn eine Entscheidung treffen müssen, die die Welt retten oder zerstören würde. Das war nur noch sieben Tage hin. Warum also nicht jetzt? Wenn ich wirklich diese Macht hatte, was konnte eine Woche da für eine Rolle spielen? Ich könnte die Gefahr hier und jetzt beenden, indem ich Kronos erledigte. Es war ja nicht so, als müsste ich zum ersten Mal gegen Monster und Götter kämpfen.

Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, lächelte Luke. Nein, es war ja Kronos. Das durfte ich nicht vergessen.

»Dann komm her«, sagte er. »Wenn du dich traust.«

Die Menge der Ungeheuer teilte sich. Ich ging mit hämmerndem Herzen die Treppe hoch und war sicher, dass mich jemand von hinten erstechen würde, aber sie ließen mich durch. Ich griff in meine Tasche und mein Kugelschreiber wartete dort auf mich. Ich drehte die Kappe herunter und Springflut wuchs zu einem Schwert heran.

Auch Kronos’ Waffe erschien in seiner Hand – eine fast zwei Meter lange Sense, zur Hälfte aus himmlischer Bronze, zur Hälfte aus sterblichem Stahl. Beim bloßen Anblick wurden meine Knie weich. Aber ehe ich mir die Sache anders überlegen konnte, griff ich an.

Die Zeit wurde langsamer. Ich meine, wirklich langsamer, denn Kronos besaß die Macht über sie. Ich hatte das Gefühl, mich durch Sirup zu bewegen. Meine Arme waren so schwer, dass ich mein Schwert kaum heben konnte. Kronos lächelte, schwang in normalem Tempo seine Sense und wartete darauf, dass ich in den Tod kroch.

Ich versuchte, gegen seinen Zauber anzukämpfen. Ich konzentrierte mich auf das Meer, das uns umgab – den Quell meiner Kraft. Ich hatte im Laufe der Jahre immer besser gelernt, diese Kraft zu lenken, aber jetzt schien gar nichts zu passieren.

Ich machte einen weiteren langsamen Schritt vorwärts. Riesen feixten, Dracaenae zischten vor Lachen.

He, Ozean, flehte ich. Jede Hilfe ist willkommen.

Plötzlich verkrampfte sich alles in mir vor Schmerz. Das Boot bekam Schlagseite und die Monster fielen um. An die zehntausend Liter Salzwasser schossen aus dem Schwimmbecken und übergossen mich und Kronos und alle anderen an Deck. Das Wasser belebte mich wieder und brach den Zeitzauber, und ich griff an.

Ich schlug nach Kronos, war aber noch immer zu langsam. Ich beging den Fehler, ihm ins Gesicht zu blicken – in Lukes Gesicht –, das Gesicht eines Typen, der früher einmal mein Freund gewesen war. Sosehr ich ihn auch hasste, es war schwer, ihn zu töten.

Kronos kannte dieses Zögern nicht. Er schlug mit seiner Sense zu. Ich sprang rückwärts, und die schreckliche Schneide verfehlt mich um Haaresbreite und riss zu meinen Füßen ein Loch ins Deck.

Ich versetzte Kronos einen Tritt gegen die Brust. Er taumelte rückwärts, war aber schwerer, als Luke es gewesen wäre. Es war, wie einem Kühlschrank einen Tritt zu versetzen.

Kronos schwang noch einmal seine Sense. Ich fing den Schlag mit Springflut ab, aber sein Hieb war so mächtig, dass meine Klinge ihn nur ablenken konnte. Die Kante der Sense fetzte den Ärmel von meinem Hemd und schrammte über meinen Arm. Es konnte keine schlimme Wunde sein, aber mein halber Körper explodierte vor Schmerz. Mir fiel ein, was ein Meeresdämon einst über Kronos’ Sense gesagt hatte: Vorsichtig, du Trottel. Eine Berührung, und die Klinge trennt dir die Seele vom Körper. Jetzt begriff ich, was er gemeint hatte. Ich verlor nicht nur Blut. Ich konnte spüren, wie meine Kraft, mein Wille, meine Identität verrannen.

Ich taumelte rückwärts, nahm mein Schwert in die linke Hand und stieß verzweifelt zu. Meine Klinge hätte ihn durchbohren müssen, aber sie glitt an seinem Bauch ab, als ob ich massiven Marmor getroffen hätte.

Kronos lachte. »Schwache Leistung, Percy Jackson. Luke hat mir schon gesagt, dass du es beim Schwertkampf nie mit ihm aufnehmen konntest.«

Mir verschwamm alles vor den Augen. Ich wusste, dass mir nicht viel Zeit blieb. »Luke fand sich ganz schön toll«, sagte ich. »Aber wenigstens fand er sich selbst toll.«

»Eine Schande, dich jetzt schon umzubringen«, sagte Kronos nachdenklich. »Ehe wir zum eigentlichen Schluss kommen. Ich würde gern das Entsetzen in deinen Augen sehen, wenn dir aufgeht, wie ich den Olymp zerstören werde.«

»Dieses Schiff kriegst du doch nie nach Manhattan.« Mein Arm pochte. Schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen.

»Und warum nicht?« Kronos’ goldene Augen glitzerten. Sein Gesicht – Lukes Gesicht – wirkte wie eine Maske: unnatürlich und von hinten her von irgendeiner bösen Macht erleuchtet. »Zählst du vielleicht auf deinen Freund mit dem Sprengstoff?«

Er schaute zum Schwimmbecken hinunter und rief: »Nakamura!«

Ein Teenager in voller griechischer Rüstung drängte sich durch die Menge. Sein linkes Auge war von einer schwarzen Klappe bedeckt. Ich kannte ihn natürlich: Ethan Nakamura, Sohn der Nemesis. Ich hatte ihm im vergangenen Sommer im Labyrinth das Leben gerettet, und zum Dank hatte der kleine Dreckskerl Kronos bei der Rückkehr ins Leben geholfen.

»Befehl ausgeführt, hoher Herr«, rief Ethan. »Wir haben ihn gefunden, wie uns gesagt worden war.«

Er klatschte in die Hände und zwei Riesen kamen angetrampelt und schleiften Charles Beckendorf zwischen sich. Mein Herz wäre fast stehen geblieben. Beckendorf hatte ein geschwollenes Auge und sein Gesicht und seine Arme waren mit Wunden übersät. Seine Rüstung war verschwunden und von seinem Hemd waren nur noch Fetzen übrig.

»Nein!«, schrie ich.

Beckendorf fing meinen Blick auf. Er schaute zu seiner Hand, wie um mir etwas zu sagen. Seine Uhr. Die hatten sie ihm noch nicht abgenommen, und sie war der Auslöser. Konnte es sein, dass der Sprengstoff noch aktiv war? Die Monster hatten ihn doch sicher gleich entschärft.

»Wir haben ihn mittschiffs gefunden«, sagte der eine Riese. »Er hat versucht, sich in den Maschinenraum zu schleichen. Können wir ihn jetzt aufessen?«

»Bald.« Kronos musterte Ethan stirnrunzelnd. »Seid ihr sicher, dass er den Sprengstoff noch nicht aktiviert hat?«

»Er war auf dem Weg zum Maschinenraum, hoher Herr.«

»Woher wisst ihr das?«

»Äh …« Ethan trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Er ging in diese Richtung. Und er hat es uns gesagt. Er hat die Tasche noch immer voll Sprengstoff.«

Langsam verstand ich. Beckendorf hatte sie ausgetrickst. Als ihm aufgegangen war, dass sie ihn fangen würden, hatte er sich umgedreht, um auszusehen, als sei er in die andere Richtung unterwegs. Er hatte sie davon überzeugt, dass er noch nicht im Maschinenraum gewesen war. Das griechische Feuer konnte also immer noch hochgehen. Aber das half uns nicht weiter, solange wir das Schiff nicht verlassen und die Explosion auslösen konnten.

Kronos zögerte.

Kauf es ihm ab, flehte ich ihn in Gedanken an. Mein Arm tat jetzt so weh, dass ich mich kaum auf den Füßen halten konnte.

»Macht seine Tasche auf«, befahl Kronos.

Einer der Riesen riss Beckendorf die Tasche mit dem Sprengstoff von der Schulter. Er schaute hinein, grunzte und stellte sie auf den Kopf. Voller Panik sprangen die anderen Monster zurück. Wenn die Tasche wirklich mit Gefäßen voller griechischem Feuer gefüllt gewesen wäre, wären wir jetzt alle in die Luft geflogen. Aber es fiel nur ein Dutzend Konservendosen voller Pfirsiche heraus.

Ich konnte hören, dass Kronos schwer atmete und sich große Mühe gab, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten.

»Habt ihr«, sagte er, »diesen Halbgott vielleicht in der Nähe der Kombüse gefangen?«

Ethan erbleichte. »Äh …«

»Und habt ihr vielleicht jemanden losgeschickt, um mal im MASCHINENRAUM NACHZUSEHEN?«

Ethan taumelte voller Entsetzen rückwärts, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürzte davon.

Ich fluchte in Gedanken. Jetzt blieben uns nur Minuten, bis die Bomben entschärft werden würden. Wieder fing ich Beckendorfs Blick auf und stellte eine stumme Frage, in der Hoffnung, dass er mich verstehen würde: Wie lange?

Er krümmte Finger und Daumen zum Kreis. Null. Der Zeitzünder war nicht auf Verzögerung eingestellt. Wenn er auf den Auslöser drückte, dann würde das Schiff sofort hochgehen. Wir würden niemals weit genug wegkommen, ehe wir es sprengten. Die Monster würden uns vorher umbringen oder die Sprengladung entschärfen oder beides.

Kronos drehte sich mit triumphierendem Grinsen zu mir um. »Du musst meine unfähigen Assistenten entschuldigen, Percy Jackson. Aber es macht keinen Unterschied, denn jetzt haben wir dich. Wir haben schon seit Wochen gewusst, dass du kommen würdest.«

Er streckte die Hand aus und an seinem Handgelenk baumelte ein kleines silbernes Armband mit einer Sense als Anhänger – das Symbol des Titanenherrschers.

Die Wunde in meinen Arm beeinträchtigte meine Denkfähigkeit, aber ich murmelte: »Kommunikationsgerät … Spion im Camp …«

Kronos schmunzelte. »Auf Freunde ist kein Verlass. Die lassen einen immer im Stich. Luke hat für diese Lektion bitter bezahlen müssen. Jetzt lass dein Schwert fallen und ergib dich, sonst stirbt dein Freund.«

Ich schluckte. Einer der Riesen legte die Hand um Beckendorfs Hals. Ich konnte ihn nicht retten, und wenn ich es versuchte, würde er sterben, ehe ich ihn auch nur erreicht hätte. Und ich auch.

Beckendorfs Lippen formten ein Wort: Geh.

Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte ihn einfach nicht im Stich lassen.

Der zweite Riese durchwühlte noch immer die Pfirsichdosen, was bedeutete, dass Beckendorfs linker Arm frei war. Langsam hob er ihn – in Richtung der Uhr an seinem rechten Handgelenk.

Ich wollte schreien: NEIN!

Dann zischte unten am Schwimmbecken eine Dracaena: »Wassss macht er da? Wassss isssst dasss an sssseinem Arm?«

Beckendorf schloss die Augen und berührte die Uhr mit der Hand.

Mir blieb keine Wahl. Ich schleuderte mein Schwert wie einen Wurfspeer auf Kronos. Es prallte von seiner Brust ab, ohne ihn zu verletzen, lenkte ihn aber immerhin ab. Ich drängte mich durch die Monster und sprang von der Reling – auf das über dreißig Meter unter mir liegende Wasser zu.

Ich hörte tief unten im Schiff ein Grollen. Monster schrien mir von oben hinterher. Ein Speer segelte an meinem Ohr vorbei. Ein Pfeil durchbohrte meinen Oberschenkel, aber ich hatte kaum Zeit, um den Schmerz zu registrieren. Ich fiel ins Meer und beschwor die Strömung, mich weit, weit wegzubringen – hundert Meter, zweihundert Meter.

Noch aus der Ferne ließ die Explosion die Welt erbeben. Hitze versengte meinen Hinterkopf. Die Prinzessin Andromeda flog in die Luft, ein massiver Feuerball aus grünen Flammen, der in den dunklen Himmel aufstieg und alles verschlang.

Beckendorf, dachte ich.

Dann verlor ich das Bewusstsein und sank wie ein Anker auf den Meeresboden.

Ich begegne meiner fischigen Verwandtschaft

Träume von Halbgöttern sind Mist.

Das Problem ist, dass sie nie einfach nur Träume sind. Sie müssen immer gleich Visionen, Omen und der ganze andere mystische Kram sein, von dem mir das Gehirn wehtut.

In meinem Traum war ich in einem dunklen Palast oben auf einem Berg. Leider erkannte ich ihn: Es war der Palast der Titanen auf dem Gipfel des Othrys, auch bekannt als Mount Tamalpais, in Kalifornien. Die Haupthalle lag offen in der Nacht, sie war umstanden von schwarzen griechischen Säulen und Statuen der Titanen. Fackelschein loderte vor dem schwarzen Marmorboden. Mitten im Saal krümmte sich ein Riese in Rüstung unter dem Gewicht eines wirbelnden Wolkentrichters – Atlas, der den Himmel trug.

Zwei weitere Riesen standen neben einem bronzenen Kohlenbecken und sahen sich Bilder in den Flammen an.

»Ganz schöne Explosion«, sagte einer. Er trug eine schwarze Rüstung, die mit Silberpunkten besetzt war und aussah wie eine sternklare Nacht. Sein Gesicht war von einem Kriegshelm bedeckt, an dem sich auf jeder Seite ein Widderhorn krümmte.

»Spielt keine Rolle«, sagte der andere. Er trug goldene Gewänder und hatte goldene Augen wie Kronos. Sein ganzer Körper leuchtete. Er erinnerte mich an Apollo, den Sonnengott, nur war der Schein dieses Titanen greller und seine Miene grausamer. »Die Götter haben die Herausforderung angenommen. Bald werden sie vernichtet sein.«

Die Bilder im Feuer waren nicht schwer zu deuten: Stürme, einstürzende Gebäude, vor Entsetzen schreiende Sterbliche.

»Ich gehe nach Osten, um unsere Truppen zusammenzurufen«, sagte der goldene Titan. »Krios, du bleibst hier, um den Othrys zu hüten.«

Der Typ mit den Widderhörnern grunzte. »Immer krieg ich die blöden Jobs. Herr des Südens. Herr der Sternbilder. Jetzt muss ich auch noch bei Atlas den Babysitter spielen, während du Spaß hast.«

Unter dem Wirbelwind aus Wolken brüllte Atlas vor Qual. »Lasst mich raus, verdammt noch mal! Ich bin euer größter Krieger! Nehmt meine Last, damit ich kämpfen kann!«

»Klappe halten!«, schrie der goldene Titan. »Du hast deine Chance gehabt, Atlas. Du hast versagt. Kronos will dich genau da haben, wo du bist. Und was dich angeht, Krios, tu deine Pflicht.«

»Und wenn du weitere Krieger brauchst?«, fragte Krios. »Unser Neffe, dieser Verräter im Smoking, wäre dir in einem Kampf keine große Hilfe.«

Der goldene Titan lachte. »Mach dir um ihn keine Gedanken. Außerdem werden die Götter schon mit unserer ersten kleinen Herausforderung kaum fertig – und sie haben keine Ahnung, wie viele wir noch im Ärmel haben. Glaub mir, in wenigen Tagen wird der Olymp eine Ruine sein und wir werden uns hier wieder treffen, um das Heraufziehen des Sechsten Zeitalters zu feiern.«

Der goldene Titan ging in lodernden Flammen auf und war verschwunden.

»Aber klar doch«, murrte Krios. »Er geht in Flammen auf. Und ich muss diese blöden Widderhörner tragen.«

Die Szene wechselte. Jetzt stand ich vor dem Palast und versteckte mich im Schatten einer griechischen Säule. Ein Junge stand neben mir und belauschte die Titanen. Er hatte dunkle seidenweiche Haare, eine bleiche Haut und dunkle Kleider – mein Freund Nico di Angelo, der Sohn des Hades.

Er sah mir mit düsterer Miene ins Gesicht. »Siehst du, Percy?«, flüsterte er. »Die Zeit läuft dir davon. Glaubst du wirklich, du kannst sie ohne meinen Plan schlagen?«

Seine Worte spülten so kalt wie die Meereswogen über mich hinweg und meine Träume wurden schwarz.

»Percy?«, fragte eine tiefe Stimme.

Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er in Alufolie in der Mikrowelle erhitzt worden. Ich öffnete die Augen und sah einen riesigen Schatten über mir aufragen.

»Beckendorf?«, fragte ich hoffnungsvoll.

»Nein. Bruder.«

Ich stelle scharf und sah einen Zyklopen vor mir – ein missgestaltetes Gesicht, mausbraune Haare, ein großes, von Besorgnis erfülltes braunes Auge. »Tyson?«

Mein Bruder verzog seinen Mund zu einem zahnreichen Grinsen. »Jawoll! Dein Gehirn funktioniert!«

Ich war mir da nicht so sicher. Mein Körper fühlte sich schwerelos und kalt an und meine Stimme hatte einen falschen Klang. Ich konnte Tyson hören, aber es wirkte eher wie Schwingungen in meinem Schädel, nicht wie echte Töne.

Ich setzte mich auf und eine hauchdünne Decke glitt von mir herab. Ich befand mich auf einem Bett aus seidenweichem gewebtem Seetang, in einem mit Abalonenschalen getäfelten Zimmer. Leuchtende Perlen von Basketballgröße schwebten unter der Decke und leuchteten uns. Ich war unter Wasser.

Als Sohn des Poseidon und so hatte ich damit keine Probleme. Unter Wasser kann ich problemlos atmen und meine Kleidung wird nicht einmal nass, solange ich das nicht will. Aber es war trotzdem noch ein ziemlicher Schock, als ein Hammerhai durch das Schlafzimmerfenster hereinschwamm, mich ansah und dann gelassen auf der anderen Seite des Zimmers wieder hinausglitt.

»Wo …?«

»Daddys Palast«, sagte Tyson.

Unter anderen Umständen hätte ich mich gefreut. Ich hatte das Reich Poseidons noch nie besucht und seit Jahren davon geträumt. Aber mein Kopf tat weh. Mein Hemd war noch immer mit Brandspuren von der Explosion übersät. Die Wunden an meinen Armen und Beinen waren verheilt – bei mir reicht es, einfach im Meer zu sein, wenn es lange genug ist –, aber ich hatte noch immer das Gefühl, dass ein laistrygonisches Fußballteam in Stollenschuhen auf mir herumgetrampelt war.

»Wie lange …?«

»Wir haben dich gestern Abend gefunden«, sagte Tyson. »Als du durch das Wasser gesunken bist.«

»Und die Prinzessin Andromeda?«

»Hat ka-bumm gemacht«, bestätigte Tyson.

»Beckendorf war mit an Bord. Habt ihr …?«

Tysons Gesicht verdüsterte sich. »Keine Spur von ihm. Tut mir leid, Bruder.«

Ich starrte aus dem Fenster in tiefblaues Wasser. Beckendorf hätte im Herbst aufs College gehen sollen. Er hatte eine Freundin, eine Menge Freunde und das ganze Leben noch vor sich. Er konnte doch nicht einfach verschwunden sein. Vielleicht hatte er es wie ich geschafft, das Schiff zu verlassen. Vielleicht war er über Bord gesprungen … und dann? Im Unterschied zu mir konnte er einen Fall von über dreißig Metern ins Wasser nicht überlebt haben. Er konnte sich nicht weit genug von der Explosion entfernt haben.

Ich spürte in meinem Bauch, dass er tot war. Er hatte sich geopfert, um die Prinzessin Andromeda zu vernichten, und ich hatte ihn im Stich gelassen.

Ich dachte an meinen Traum: die Titanen, die über die Explosion gesprochen hatten, als ob sie keine Rolle spielte. Nico di Angelo, der meinte, ich könnte Kronos niemals besiegen, ohne Nicos Plan zu befolgen – eine gefährliche Idee, der ich seit über einem Jahr auswich.

Ein Knall in der Ferne ließ den Raum erzittern. Grünes Licht loderte draußen auf und das ganze Meer war plötzlich taghell erleuchtet.

»Was war das?«, fragte ich.

Tyson machte ein besorgtes Gesicht. »Daddy wird das erklären. Komm. Er lässt Monster in die Luft hüpfen.«

Der Palast hätte der aufregendste Ort sein können, den ich je gesehen hatte, wenn er nicht gerade zerstört würde. Wir schwammen durch eine lange Halle und schossen dann auf einem Geysir aufwärts. Als wir über die Dächer aufstiegen, hielt ich den Atem an – na ja, soweit man unter Wasser den Atem anhalten kann.

Der Palast war so groß wie die Stadt auf dem Olymp, mit großen Innenhöfen, Gärten und Säulenhallen. Die Gärten waren mit Korallenkolonien und leuchtenden Seepflanzen geschmückt. Es gab zwanzig oder dreißig aus Abalonenschalen erbaute Gebäude – weiß, aber in allen Farben des Regenbogens schimmernd. Fische und Kraken jagten durch die Fenster ein und aus. Die Wege waren mit glühenden Perlen gesäumt wie mit Christbaumkerzen.

Der Haupthof war voller Krieger – Meermänner mit Fischschwänzen von der Taille abwärts und menschlichen Oberkörpern, nur war ihre Haut blau, was ich noch nie gesehen hatte. Einige kümmerten sich um Verwundete. Andere wetzten Speere und Schwerter. Einer kam eilig an uns vorbeigeschwommen. Seine Augen waren leuchtend grün, wie dieses Zeug in Glo-Sticks, und er hatte Haizähne. Sowas kriegt man in der Kleinen Meerjungfrau nicht zu sehen.

Vor dem Haupthof standen Verteidigungsanlagen – Türme, Mauern und Waffen –, aber die meisten waren zerstört worden. Andere loderten in einem seltsamen grünen Licht, das ich sehr gut kannte – griechisches Feuer, das auch unter Wasser brennt.

Dahinter erstreckte sich der Meeresboden in die Finsternis. Ich konnte tobende Schlachten erahnen – Energieblitze, Explosionen, das Funkeln von aufeinanderprallenden Armeen. Ein normaler Mensch hätte in dieser Dunkelheit nichts sehen können. Aber was rede ich, ein normaler Mensch wäre schließlich auch vom Druck zerquetscht worden und vor Kälte erfroren. Nicht einmal meine wärmesensitiven Augen konnten genau erkennen, was hier vor sich ging.

Am Rand des Palastkomplexes explodierte ein Tempel mit einem roten Korallendach und ergoss sich in Zeitlupe als Feuer und Schutt über die Gärten. Aus der Dunkelheit darüber löste sich eine riesige Gestalt – ein Tintenfisch, der größer war als ein Wolkenkratzer. Er war umgeben von einer funkelnden Staubwolke – das dachte ich jedenfalls zuerst, bis mir aufging, dass es sich um einen Schwarm von Meermännern handelte, die versuchten, das Ungeheuer anzugreifen. Der Tintenfisch ließ sich auf den Palast sinken und schlug mit seinen Tentakeln um sich, wobei er eine ganze Gruppe von Kriegern zerquetschte. Dann ergoss sich vom Dach eines der höchsten Häuser ein leuchtender Bogen aus blauem Licht. Das Licht traf den riesigen Tintenfisch und das Ungeheuer löste sich im Wasser auf wie Lebensmittelfarbe.

»Daddy«, sagte Tyson und zeigte in die Richtung, aus der das Licht gekommen war.

»Das war er?« Plötzlich wuchs meine Hoffnung. Mein Dad besaß unglaubliche Kräfte. Er war der Gott des Meeres. Er würde mit diesem Angriff fertig werden, oder? Vielleicht würde er mich dabei helfen lassen.

»Hast du mitgekämpft?«, fragte ich Tyson voller Bewunderung. »Ich meine, hast du mit deiner wahnsinnigen Zyklopenkraft Köpfe eingeschlagen und so?«

Tyson verzog unglücklich das Gesicht und sofort bereute ich diese Frage. »Ich habe … Waffen heile gemacht«, murmelte er. »Komm. Wir gehen zu Daddy.«

Ich weiß, das hört sich für Leute mit, na ja, normalen Eltern vielleicht seltsam an, aber ich hatte meinen Dad in meinem Leben erst vier- oder fünfmal gesehen und nie länger als einige Minuten. Die griechischen Götter hängen schließlich nicht bei den Basketballspielen ihrer Kinder herum. Aber ich hätte trotzdem gedacht, ich würde Poseidon auf den ersten Blick erkennen.

Das war ein Irrtum.

Das Dach des Tempels war ein großes offenes Deck, das als Kommandozentrale eingerichtet worden war. Ein Mosaik auf dem Boden zeigte eine detaillierte Karte des Palastes und des ihn umgebenden Ozeans, aber das Mosaik hielt nicht still. Die bunten Steine, die unterschiedliche Armeen und Meeresungeheuer darstellten, bewegten sich, wenn die Truppen ihre Stellung änderten. Gebäude, die im wirklichen Leben einstürzten, stürzten auch im Bild ein.

Um das Mosaik herum stand eine seltsame Ansammlung von Kriegern, die mit düsteren Gesichtern die Schlacht beobachteten, aber keiner von ihnen sah aus wie mein Dad. Ich hielt Ausschau nach einem großen Mann mit sonnengebräunter Haut und einem schwarzen Bart, der Bermudashorts und ein Hawaiihemd trug.

Aber so jemanden gab es hier nicht. Ein Meermann hatte zwei Fischschwänze statt nur einen. Seine Haut war grün und seine Rüstung mit Perlen besetzt. Seine schwarzen Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, und er sah jung aus – aber bei Nichtmenschen weiß man das nie, sie könnten genauso gut tausend Jahre alt sein oder nur drei. Neben ihm stand ein alter Mann mit einem buschigen weißen Bart und grauen Haaren. Er schien seine Rüstung kaum tragen zu können. Er hatte grüne Augen und Lachfältchen um die Augen, aber jetzt lächelte er nicht. Er musterte die Karte und stützte sich auf einen riesigen Metallstab. Rechts neben ihm stand eine schöne Frau in grüner Rüstung mit langen schwarzen Haaren. Und ich sah einen Delphin, einen ganz normalen Delphin, aber auch er war in die Betrachtung der Karte vertieft.

»Dauphin«, sagte der alte Mann. »Schick Palaimon und seine Hai-Legion an die Westfront. Wir müssen diese Leviathane neutralisieren.«

Der Delphin redete mit Zwitscherstimme, aber in Gedanken konnte ich ihn verstehen. Ja, hoher Herr. Er schwamm eilig davon.

Entsetzt sah ich Tyson und dann wieder den alten Mann an.

Es schien mir nicht möglich, aber … »Dad?«, fragte ich.

Der alte Mann schaute auf. Ich erkannte das Funkeln in seinen Augen, aber sein Gesicht … Er sah vierzig Jahre älter aus.

»Hallo, Percy.«

»Was – was ist mit dir passiert?«

Tyson versetzte mir einen Rippenstoß. Er schüttelte so energisch den Kopf, dass ich Angst hatte, er könnte herunterfallen, aber Poseidon schien nicht beleidigt zu sein.

»Ist schon gut, Tyson«, sagte er. »Percy, bitte entschuldige mein Aussehen. Dieser Krieg hat mir arg zu schaffen gemacht.«

»Aber du bist unsterblich«, sagte ich leise. »Du kannst aussehen … wie auch immer du willst.«

»Ich spiegele den Zustand meines Reiches wider«, sagte er. »Und der ist im Moment ziemlich übel. Percy, ich sollte dich wohl vorstellen – ich fürchte, du hast meinen Leutnant Dauphin, den Gott der Delphine, verpasst. Das hier ist meine, äh, Frau Amphitrite. Meine Liebe …«

Die Dame in der grünen Rüstung musterte mich kalt, dann verschränkte sie die Arme. »Entschuldige mich, mein Gemahl. Ich werde in der Schlacht benötigt.«

Sie schwamm weg.

Ich fühlte mich gar nicht wohl in meiner Haut, aber ich konnte ihr wohl keine Vorwürfe machen. Ich hatte nie weiter darüber nachgedacht, aber mein Dad hatte eine unsterbliche Gemahlin. Seine ganzen Romanzen mit Sterblichen, auch die mit meiner Mutter … na ja, Amphitrite war davon vermutlich nicht gerade begeistert.

Poseidon räusperte sich. »Und, na ja … das ist mein Sohn Triton. Äh, mein anderer Sohn.«

»Dein Sohn und Erbe«, korrigierte der grüne Typ. Sein doppelter Fischschwanz schlug hin und her. Er lächelte mich an, aber in seinen Augen lag keine Freundlichkeit. »Hallo, Perseus Jackson. Kommst du uns endlich zu Hilfe?«

Er tat so, als ob ich zu spät käme oder faul wäre. Wenn man unter Wasser rot werden kann, dann wurde ich das vermutlich.

»Sag mir, was ich tun soll«, sagte ich.

Triton lächelte, als sei das ein rührender Vorschlag – als wäre ich ein putziger Hund, der für ihn bellte oder so. Er drehte sich zu Poseidon um. »Ich kümmere mich um die Frontlinie, Dad. Keine Sorge. Ich werde nicht versagen.«

Er nickte Tyson höflich zu. Wieso wurde mir nicht so viel Achtung zuteil? Dann schoss er durchs Wasser davon.

Poseidon seufzte. Er hob seinen Stab und der verwandelte sich in seine übliche Waffe, einen riesigen Dreizack. Die Zinken glühten bläulich und das Wasser um sie herum brodelte vor Energie.

»Tut mir leid«, sagte er.

Eine große Seeschlange tauchte über uns auf und senkte sich in Spiralen auf das Dach herab. Sie war grellorange und ihr Maul mit den riesigen Zähnen war groß genug, um eine Turnhalle zu verschlingen.

Poseidon schaute kurz hoch, zielte mit dem Dreizack auf das Monstrum und ließ blaue Energie darauf los. Ka-bumm. Das Ungeheuer zerbarst in eine Million Goldfische und alle schwammen panisch davon.

»Meine Familie macht sich Sorgen«, redete Poseidon weiter, als sei nichts passiert. »Die Schlacht gegen Okeanos läuft gar nicht gut.«

Er zeigte auf den Rand des Mosaiks. Mit dem Ende des Dreizacks tippte er auf das Bild eines Meermannes, der größer war als die anderen und Stierhörner trug. Er fuhr in einer Kutsche, die von Langusten gezogen wurde, und statt eines Schwertes schwenkte er eine lebende Schlange.

»Okeanos«, sagte ich und versuchte, mich zu erinnern. »Der Titan des Meeres?«

Poseidon nickte. »Im ersten Krieg zwischen den Göttern und den Titanen war er neutral. Aber Kronos hat ihn überredet zu kämpfen. Das ist … na ja, es ist kein gutes Zeichen. Okeanos würde nie Stellung beziehen, wenn er nicht sicher wäre, dass er auf den Sieger setzt.«

»Er sieht ziemlich blöd aus«, sagte ich und versuchte, fröhlich zu klingen. »Ich meine, wer kämpft denn mit einer Schlange?«

»Daddy wird sie zusammenknoten«, sagte Tyson voller Überzeugung.

Poseidon lächelte, aber er sah müde aus. »Ich freue mich über euer Vertrauen. Wir sind jetzt seit fast einem Jahr im Krieg. Meine Kräfte sind bald am Ende. Und er rekrutiert immer noch neue Truppen, die er mir entgegensenden kann – Meeresungeheuer, so uralt, dass ich sie vergessen hatte.«

In der Ferne hörte ich eine Explosion. Ungefähr einen Kilometer entfernt löste sich ein Berg aus Korallen unter dem Gewicht von zwei riesigen Wesen auf. Ich konnte ihre Umrisse nur ahnen. Eines war ein Hummer. Das andere war ein riesiges menschenähnliches Geschöpf, wie ein Zyklop, aber es war von einem Gewimmel aus Gliedern umgeben. Zuerst dachte ich, es trage ein Bündel aus riesigen Tintenfischen mit sich herum. Dann ging mir auf, dass es seine Arme waren – hundert wirbelnde, kämpfende Arme.

»Briareos!«, rief ich.

Ich war glücklich über seinen Anblick, aber er schien um sein Leben zu kämpfen. Er war der Letzte seiner Art – ein Hunderthändiger, ein Vetter der Zyklopen. Wir hatten ihn im vergangenen Sommer aus dem Kerker des Kronos gerettet und ich wusste, dass er sich zu Poseidon begeben hatte, um ihm zu helfen, aber ich hatte seit damals nichts mehr von ihm gehört.

»Er ist ein guter Kämpfer«, sagte Poseidon. »Ich wünschte, ich hätte eine ganze Armee von seinesgleichen, aber er ist der Einzige.«

Ich sah zu, wie Briareos vor Wut aufschrie und den Hummer hochhob, der zappelte und mit seinen Scheren zuschnappte. Der Riese warf ihn vom Korallenberg und der Hummer verschwand in der Dunkelheit. Briareos schwamm hinterher, seine hundert Arme wirbelten herum wie die Schraube eines Motorbootes.

»Percy, vielleicht haben wir nicht viel Zeit«, sagte mein Dad. »Erzähl mir von deiner Mission. Hast du Kronos gesehen?«

Ich erzählte ihm alles, obwohl meine Stimme versagte, als ich zu Beckendorf kam. Ich schaute in die Höfe hinunter und sah Hunderte von verwundeten Meermännern auf Behelfsbetten liegen. Ich sah Reihen von Korallenhügeln, bei denen es sich um eilig ausgehobene Gräber handeln musste. Mir ging auf, dass Beckendorf nicht der erste Tote war. Er war einer von Hunderten, vielleicht Tausenden. Ich hatte mich noch nie so wütend und hilflos gefühlt.

Poseidon strich sich den Bart. »Percy, Beckendorf hat sich für den Heldentod entschieden. Du trägst daran keine Schuld. Der Armee des Kronos ist ein Schlag zugefügt worden. Viele wurden vernichtet.«

»Aber wir haben ihn nicht getötet, oder?«

Als ich das sagte, wusste ich, dass es eine naive Hoffnung war. Wir konnten vielleicht sein Schiff sprengen und seine Monster zerlegen, aber ein Titanenherrscher würde sich nicht so leicht umbringen lassen.

»Nein«, gab Poseidon zu. »Aber ihr habt unserer Seite ein wenig Zeit erkauft.«

»Auf dem Schiff waren Halbgötter«, sagte ich und dachte an den Jungen, den ich auf der Treppe gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich es mir durchgehen lassen, mich nur auf die Monster und auf Kronos zu konzentrieren. Ich hatte mir eingeredet, dass es in Ordnung war, ihr Schiff zu zerstören, weil sie schlecht waren, weil sie meine Stadt angreifen wollten und weil sie außerdem nicht richtig getötet werden konnten. Monster lösten sich einfach in Luft auf und nahmen irgendwann wieder Gestalt an. Aber Halbgötter …

Poseidon legte mir die Hand auf die Schulter. »Percy, auf dem Schiff waren nur wenige Halbgottkrieger, und alle haben freiwillig für Kronos gekämpft. Vielleicht haben sie deine Warnung beherzigt und sich gerettet. Wenn nicht … dann war das ihre Entscheidung.«

»Sie hatten eine Gehirnwäsche durchgemacht!«, sagte ich. »Jetzt sind sie tot und Kronos ist noch am Leben. Und ich soll mich deshalb besser fühlen?«

Ich starrte wütend das Mosaik an – winzige Explosionen zerstörten die Monster. Es sah so leicht aus, wenn es nur ein Bild war.

Tyson legte den Arm um mich. Wenn das irgendein anderer versucht hätte, hätte ich ihn weggestoßen, aber Tyson war zu groß und zu stur. Er umarmte mich, ob ich das wollte oder nicht. »Nicht deine Schuld, Bruder. Kronos explodiert nicht gut. Nächstes Mal nehmen wir mehr Sprengstoff.«

»Percy«, sagte mein Vater. »Beckendorf hat sich nicht umsonst geopfert. Du hast die Invasionstruppe zerschlagen. New York wird für einige Zeit sicher sein, und damit können die Olympier sich der größeren Bedrohung widmen.«

»Der größeren Bedrohung?« Ich dachte daran, was der goldene Titan in meinem Traum gesagt hatte: Die Götter haben die Herausforderung angenommen. Bald werden sie vernichtet sein.

Ein Schatten legte sich auf das Gesicht meines Vaters. »Du hattest genug Kummer für einen Tag. Frag Chiron, wenn du wieder im Camp bist.«

»Im Camp? Aber du hast hier Probleme. Ich möchte helfen.«

»Das kannst du nicht, Percy. Deine Aufgabe liegt anderswo.«

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Hilfesuchend sah ich Tyson an.

Mein Bruder nagte an seiner Lippe. »Daddy … Percy kann mit dem Schwert kämpfen. Er ist gut.«

»Das weiß ich«, sagte Poseidon sanft.

»Dad, ich kann helfen«, sagte ich. »Ich weiß, dass ich das kann. Ihr haltet hier nicht mehr lange durch.«

Eine Feuerkugel jagte hinter den feindlichen Linien in den Himmel. Ich dachte, Poseidon würde sie ablenken oder so, aber sie landete in der äußeren Ecke des Hofes und explodierte, wobei ein paar Meermänner durch das Wasser geschleudert wurden. Poseidon zuckte zusammen, als sei er getroffen worden.

»Geh zurück ins Camp«, sagte er dringlich. »Und sag Chiron, dass es Zeit ist.«

»Zeit wozu?«

»Du musst die Weissagung hören. Die gesamte Weissagung.«

Ich brauchte nicht zu fragen, welche Weissagung. Ich hörte seit Jahren von der »Großen Weissagung«, aber niemand hatte sie mir jemals ganz verraten wollen. Ich wusste nur, dass ich eine Entscheidung fällen musste, die das Schicksal der Welt entscheiden würde – aber ich sollte mich nicht unter Druck gesetzt fühlen.

»Und was, wenn das die Entscheidung ist, die ich fällen muss?«, fragte ich. »Ob ich hierbleibe und kämpfe oder ob ich gehe? Was, wenn ich dich verlasse und du …?«

Ich konnte nicht »stirbst« sagen. Götter können eigentlich nicht sterben, aber ich hatte es schon erlebt. Und auch wenn sie nicht starben, konnten sie zu fast nichts reduziert werden, in die Verbannung geschickt oder in den Tiefen des Tartarus eingekerkert wie Kronos.

»Percy, du musst weg hier«, drängte Poseidon. »Ich weiß nicht, wie deine Entscheidung am Ende aussehen wird, aber dein Kampf muss oben in der Welt stattfinden. Und du musst auf jeden Fall deine Freunde im Camp warnen. Kronos kannte deine Pläne. Es gibt einen Spion bei euch. Wir halten hier schon durch. Uns bleibt ja nichts anderes übrig.«

Tyson packte verzweifelt meine Hand. »Du wirst mir fehlen, Bruder.«

Als er uns ansah, schien unser Vater um weitere zehn Jahre zu altern. »Tyson, auch du hast deine Aufgabe, mein Sohn. Du wirst in der Waffenschmiede gebraucht.«

Tyson schmollte noch immer.

»Dann geh ich eben«, schniefte er. Er presste mich so fest an sich, dass er mir fast die Rippen gebrochen hätte. »Percy, sei vorsichtig! Lass dich nicht von den Monstern totmachen!«

Ich versuchte, zuversichtlich zu nicken, aber das alles war zu viel für den Großen. Er schluchzte und schwamm zur Waffenschmiede, wo seine Vettern Schwerter und Speere reparierten.

»Du solltest ihn kämpfen lassen«, sagte ich zu meinem Vater. »Er findet es schrecklich, in der Waffenschmiede festzusitzen, siehst du das nicht?«

Poseidon schüttelte den Kopf. »Es ist schlimm genug, dass ich dich in die Gefahr hinauslassen muss. Tyson ist zu jung. Ich muss ihn beschützen.«

»Du solltest ihm vertrauen«, sagte ich. »Und nicht versuchen, ihn zu beschützen.«

Poseidons Augen loderten auf. Ich dachte, ich sei zu weit gegangen, aber dann schaute er auf das Mosaik hinab und seine Schultern sackten nach unten. Auf den Fliesen kam der Seeheini mit dem Langustenkarren immer näher an den Palast heran.

»Okeanos ist im Anmarsch«, sagte mein Vater. »Ich muss mich ihm zum Kampf stellen.«

Ich hatte noch nie Angst um einen Gott gehabt, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie mein Dad diesen Titanen besiegen sollte.

»Ich werde die Stellung halten«, versprach Poseidon. »Ich werde mein Reich nicht hergeben. Aber sag mal, Percy, hast du noch mein Geburtstagsgeschenk vom vorigen Sommer?«