Percy Jackson erzählt: Griechische Heldensagen und Göttersagen unterhaltsam erklärt – Band 1+2 in einer E-Box! - Rick Riordan - E-Book
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Percy Jackson erzählt: Griechische Heldensagen und Göttersagen unterhaltsam erklärt – Band 1+2 in einer E-Box! E-Book

Rick Riordan

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Beschreibung

Beide Bände der sagenhaften Bestsellerserie »Percy Jackson erzählt« von Rick Riordan im Doppelpack: Griechische Göttersagen & Griechische Heldensagen Noch nie wurden die griechischen Sagen so fesselnd erzählt! Wer könnte die griechischen Göttersagen besser nacherzählen als der Sohn des Poseidon höchstpersönlich? Percy Jackson haucht den alten Klassikern turbulentes Leben ein und gibt ganz neue Einblicke in den Alltag auf dem Olymp. Mit einem Augenzwinkern berichtet er unter anderem davon, wie Athene ein Taschentuch adoptiert, Persephone ihren Stalker heiratet und Zeus sie alle umbringt. Und beantwortet zudem, warum Perseus eine Umarmung will, Phaeton seine Fahrpüfung verpatzt und Theseus sich lieber mit Kaninchen beschäftigt. Ein urkomisches Leseerlebnis für jeden, der Spaß an griechischer Mythologie hat – und für alle anderen garantiert auch! Alle Bände der Percy-Jackson-Serie: Percy Jackson – Diebe im Olymp (Band 1) Percy Jackson – Im Bann des Zyklopen (Band 2) Percy Jackson – Der Fluch des Titanen (Band 3) Percy Jackson – Die Schlacht um das Labyrinth (Band 4) Percy Jackson – Die letzte Göttin (Band 5) Percy Jackson – Auf Monsterjagd mit den Geschwistern Kane (Sonderband) Und dann geht es weiter mit den »Helden des Olymp«!

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Rick Riordan: Percy Jackson erzählt

Noch nie wurden die griechischen Sagen so fesselnd erzählt!

Wer könnte die griechischen Göttersagen besser nacherzählen als der Sohn des Poseidon höchstpersönlich? Percy Jackson haucht den alten Klassikern turbulentes Leben ein und gibt ganz neue Einblicke in den Alltag auf dem Olymp. Mit einem Augenzwinkern berichtet er unter anderem davon, wie Athene ein Taschentuch adoptiert, Persephone ihren Stalker heiratet und Zeus sie alle umbringt. Und beantwortet zudem, warum Perseus eine Umarmung will, Phaeton seine Fahrpüfung verpatzt und Theseus sich lieber mit Kaninchen beschäftigt. Ein urkomisches Leseerlebnis für jeden, der Spaß an griechischer Mythologie hat – und für alle anderen garantiert auch!

Diese E-Box enthält zwei Bände: Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen Percy Jackson erzählt: Griechische Heldensagen

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  Band 1: Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen

  Band 2: Percy Jackson erzählt: Griechische Heldensagen

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  Leseprobe

 

Für meinen Vater, Rick Riordan sen., der mir mein erstes Buch über Mythologie vorgelesen hat.

R. R.

Einleitung

Ich hoffe, ich bekomme hierfür ein extradickes Lob.

Ein Verleger in New York meinte, ich sollte mal aufschreiben, was ich über die griechischen Götter weiß, und ich so: »Können wir das anonym machen? Dass die Olympier schon wieder sauer auf mich sind, muss ich jetzt wirklich nicht haben.«

Aber wenn es eine Hilfe für euch ist, die griechischen Götter zu kennen und ein plötzliches Zusammentreffen mit ihnen zu überleben, dann ist das hier bestimmt meine gute Tat für diese Woche.

Falls ihr mich nicht kennt: Ich heiße Percy Jackson. Ich bin ein Halbgott – ein halb göttlicher und halb sterblicher Sohn des Poseidon –, aber ich werde hier nicht viel über mich reden. Meine Geschichte steht schon in etlichen Büchern, die alle total erfunden sind (zwinker, zwinker), und ich bin einfach eine Romanfigur (hüstel – ja, klar – hüstel).

Nehmt jetzt nicht so genau, was ich euch über die Götter erzähle, okay? Es gibt ungefähr vierzig Bazillionen verschiedene Versionen der Mythen, also kommt mir bitte nicht mit ich hab das alles schon anders gehört, das stimmt nicht, was du hier sagst!

Ich werde euch die Version erzählen, die mir am meisten einleuchtet. Glaubt mir, ich habe nichts von alldem erfunden. Ich habe diese Geschichten direkt von den griechischen und römischen Typen, die sie zum ersten Mal aufgeschrieben haben. So verrückten Kram könnte ich mir gar nicht aus den Fingern saugen, das schwöre ich.

Also los geht’s. Zuerst werde ich euch erzählen, wie die Welt erschaffen wurde. Dann gehe ich eine Liste von Göttern durch und gebe zu jedem meinen Senf dazu. Ich hoffe nur, ich mache sie nicht so wütend, dass sie mich einäschern, ehe …

AAAHHHHHHHHHH!

War nur ein Witz. Bin immer noch hier.

Also, jedenfalls fange ich jetzt mit dem griechischen Schöpfungsbericht an, der übrigens das totale Chaos ist. Setzt eure Schutzbrillen auf und zieht einen Regenmantel an. Es wird Blut fließen!

Der Anfang und überhaupt

Am Anfang war ich nicht da. Ich glaube, die griechischen Götter waren das auch nicht. Niemand hatte Papier und Kugelschreiber, um sich Notizen zu machen, deshalb kann ich für das, was jetzt kommt, nicht garantieren. Aber die Griechen haben zumindest gedacht, es sei so gewesen.

Zuerst gab es mehr oder weniger nichts. Jede Menge nichts.

Der erste Gott, wenn man das so nennen kann, war Chaos – eine düstere Nebelsuppe, in der alle Materie im Kosmos einfach so umherschwamm. Das könnt ihr euch schon mal merken: Chaos bedeutet wörtlich übersetzt »Abgrund«, und genauso dramatisch sah es damals wohl aus.

Irgendwann wurde Chaos dann weniger chaotisch. Vielleicht fand Chaos es langweilig, nur düster und neblig zu sein. Ein Teil der Materie schloss sich zusammen und verfestigte sich zur Erde, die dann leider eine eigenständige Persönlichkeit entwickelte. Sie nannte sich Gaia, die Erdmutter.

Gaia war wirklich die Erde – die Felsen, die Hügel, die Täler, die ganze Enchilada. Aber sie konnte auch menschliche Gestalt annehmen. Sie wanderte gern über die Erde – also im Grunde wanderte sie über sich selbst –, in der Gestalt einer matronenhaften Frau mit einem wogenden grünen Gewand, schwarzen Locken und einem heiteren Lächeln im Gesicht. Das Lächeln verbarg einen fiesen Charakter. Das werdet ihr bald genug selber feststellen.

Nachdem sie lange Zeit allein gewesen war, schaute Gaia in das neblige Nichts über der Erde und sprach zu sich: »Weißt du, was sich echt gut machen würde? Ein Himmel. Ein Himmel könnte mir wirklich gefallen. Und es wäre auch nett, wenn sich ein hübscher Mann in mich verliebte, denn ich fühle mich irgendwie einsam, wo es doch hier nur Felsen gibt.«

Entweder hatte Chaos sie gehört und wollte ihr den Gefallen tun, oder Gaia konnte einfach ihren Willen geschehen lassen. Über der Erde bildete sich der Himmel – eine schützende Kuppel, die tagsüber blau war und nachts schwarz. Der Himmel nannte sich Ouranos – und ja, man kann das auch Uranus oder Uranos schreiben. Eigentlich ist es unmöglich, diesen Namen auszusprechen, ohne dass irgendwer kichert. Es klingt einfach total daneben. Warum er sich keinen besseren Namen ausgesucht hat – wie Todesbringer oder José –, weiß ich nicht, aber es könnte erklären, warum Uranos die ganze Zeit so miese Laune hatte.

Wie Gaia konnte Uranos menschliche Gestalt annehmen und die Erde besuchen – was gut war, denn der Himmel ist eben hoch oben und Liebe auf Distanz funktioniert auf die Dauer nie.

In physischer Gestalt sah er aus wie ein riesiger Kraftprotz mit ziemlich langen Haaren. Er trug nur einen Lendenschurz und seine Haut änderte ihre Farbe – manchmal war sie blau mit Wolkenmustern, die über seine Muskeln spielten, manchmal dunkel mit funkelnden Sternen. Hey, Gaia hatte ihn sich so zusammengeträumt. Mir dürft ihr da keine Vorwürfe machen. Manchmal seht ihr Bilder von ihm, auf denen er den Tierkreis hält und die Sternbilder zeigt, die in alle Ewigkeit wieder und wieder über den Himmel ziehen.

Also jedenfalls heirateten Uranos und Gaia.

Und lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage?

Nicht so ganz.

Ein Teil des Problems war, dass Chaos ein bisschen zu viel Spaß an der Schöpfung hatte. Es dachte in seinem nebligen, düsteren Gemüt: Erde und Himmel. Das war lustig! Mal sehen, was ich sonst noch so kann.

Bald erschuf es jede Menge anderer Probleme – und damit meine ich Götter. Wasser sammelte sich aus dem Nebel des Chaos, strömte in den tiefsten Teilen der Erde zusammen und bildete die ersten Meere, die natürlich ein Bewusstsein entwickelten – den Gott Pontos.

Dann drehte Chaos endgültig durch und dachte: Ich hab’s! Wie wäre es mit einem Gewölbe wie dem Himmel, nur eben unter der Erde? Das wäre doch super!

Also entstand unter der Erde noch ein Gewölbe, aber es war dunkel und schmutzig und absolut nicht nett, denn es blieb dem Tageslicht ja immer verborgen. Das war Tartaros, die Grube des Bösen; und ihr könnt euch bei dem Namen schon denken, dass er nicht gerade Beliebtheitswettbewerbe gewann, als er dann eine göttliche Persönlichkeit entwickelte.

Das Problem war, dass Pontos und Tartaros in Gaia verliebt waren, und das war nun wieder eine Belastung für Gaias Beziehung zu Uranos.

Dann tauchte noch ein Haufen Götter der ersten Stunde auf, aber wenn ich die alle aufzählen wollte, wären wir in drei Wochen noch nicht fertig. Chaos und Tartaros hatten zusammen ein Kind (fragt mich nicht, wie, ich weiß es nicht) namens Nyx, die Verkörperung der Nacht. Danach bekam Nyx, auf irgendeine Weise ganz allein, eine Tochter namens Hemera, den Tag. Die beiden konnten sich nie vertragen, denn sie waren so verschieden wie … na ja, ihr wisst schon.

Einigen Erzählungen zufolge hat Chaos auch Eros erschaffen, den Gott der Vermehrung … mit anderen Worten, Mamagötter und Papagötter, die viele kleine Babygötter kriegten. Andere Geschichten behaupten, Eros sei der Sohn der Aphrodite gewesen. Dazu kommen wir später noch. Ich weiß nicht, welche Version stimmt, aber sicher ist jedenfalls, dass Gaia und Uranos dann Kinder bekamen – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Zuerst kamen gleich zwölf – sechs Mädchen und sechs Jungen, genannt die Titanen. Diese Kinder sahen aus wie Menschen, waren aber viel größer und viel mächtiger. Man sollte ja meinen, dass zwölf Kinder reichen würden, oder? Bei einer so großen Familie hat man doch eigentlich seine eigene Dokusoap.

Und als die Titanen dann erst geboren waren, gerieten Uranos und Gaia in eine Ehekrise. Uranos hing immer mehr im Himmel ab. Er kam nicht zu Besuch. Er kümmerte sich nicht um die Kleinen. Gaia war sauer. Die beiden stritten sich. Als die Kinder älter wurden, brüllte Uranos sie immer wieder an und führte sich wie der Horrorpapa schlechthin auf.

Gaia und Uranos unternahmen einige Versuche, um ihre Ehe zu kitten. Gaia dachte, wenn sie vielleicht noch einen Schwung Kinder bekämen, würde sie das näher zusammenbringen …

Ich weiß. Miese Idee.

Sie brachte Drillinge auf die Welt. Das Problem: Diese Kinder waren einfach die HÄSSLICHKEIT in Person. Sie waren so groß und stark wie die Titanen, aber eben unförmig und bestialisch, und sie hätten dringend eine gründliche Enthaarungskur gebraucht. Das Schlimmste von allem war, dass jedes mitten auf der Stirn ein einziges Auge hatte.

Klarer Fall von einem Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann. Und Gaia liebte diese Typen. Sie nannte sie die Älteren Zyklopen und später zeugten die dann ein ganzes Geschlecht von anderen, jüngeren Zyklopen. Aber das war sehr viel später.

Als Uranos die zyklopischen Drillinge sah, drehte er durch. »Das können nicht meine Kinder sein! Die sehen mir ja nicht mal ähnlich!«

»Das sind deine Kinder, du Versager!«, kreischte Gaia. »Wag es ja nicht, mir die Erziehung allein zu überlassen!«

»Keine Sorge, das werde ich nicht«, knurrte Uranos.

Er stürzte davon und kam zurück mit dicken Ketten, die aus der Finsternis der Nacht geschmiedet waren. Er fesselte die Zyklopen und stieß sie in den Tartaros, den einzigen Teil der Schöpfung, wo Uranos sie wirklich niemals wiedersehen müsste.

Ganz schön krass, was?

Gaia schrie und heulte, aber Uranos weigerte sich, die Zyklopen freizulassen. Niemand sonst hatte den Mumm, sich seinen Befehlen zu widersetzen, denn inzwischen hatte er schon einen Ruf als verdammt fieser Mistkerl.

»Ich bin der König des Universums!«, brüllte er. »Wie könnte ich das nicht sein? Ich stehe doch wortwörtlich über allem anderen!«

»Ich hasse dich!«, jammerte Gaia.

»Bah! Du wirst tun, was ich dir sage. Ich bin der erste und beste aller Götter.«

»Ich bin älter als du!«, widersprach Gaia. »Du wärst ja nicht mal hier, wenn ich nicht …«

»Komm mir ja nicht so!«, fauchte er. »Ich hab noch jede Menge andere Ketten der Finsternis.«

Wie ihr euch denken könnt, hatte Gaia einen totalen Erdbebenanfall, aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Ihre ersten Kinder, die Titanen, waren jetzt fast erwachsen. Ihnen tat ihre Mom leid. Sie schwärmten auch nicht gerade für ihren Dad – Gaia hatte immer schlecht über ihn gesprochen, und das aus gutem Grund! –, aber die Titanen hatten Angst vor Uranos und wussten nicht, wie sie ihm das Handwerk legen sollten.

Ich muss die Familie für die Kinder zusammenhalten, dachte Gaia. Vielleicht sollte ich es noch mal mit Uranos versuchen.

Sie arrangierte einen schönen romantischen Abend – Kerzen, Rosen, Schmusemusik. Offenbar hatten sie etwas von der alten Magie entfachen können. Einige Monate darauf gebar Gaia abermals Drillinge.

Als ob sie noch weitere Beweise dafür gebraucht hätte, dass ihre Ehe mit Uranos nicht mehr zu retten war …

Die jüngsten Kinder waren noch üblere Monster als die Zyklopen. Jedem wuchsen hundert Arme aus der Brust wie die Tentakel von Seeigeln, und alle hatten fünfzig winzige Köpflein, die sich auf ihren Schultern drängten. Gaia war das egal. Sie liebte ihre kleinen Gesichter – alle hundertfünfzig. Sie nannte die Drillinge die Hunderthändigen. Sie hatte aber kaum Zeit genug, ihnen Namen zu geben, denn nun kam Uranos anmarschiert, sah sie einmal kurz an und riss sie aus Gaias Armen. Ohne ein Wort legte er sie in Ketten und warf sie wie Müllsäcke in den Tartaros.

Der Himmelskerl hatte ganz offenbar Probleme.

Na ja, das war dann für Gaia so ziemlich das Ende. Sie heulte und jammerte und löste so viele Erdbeben aus, dass ihre titanischen Kinder angerannt kamen und wissen wollten, was denn los sei.

»Euer Vater ist ein totaler …!«

Ich weiß nicht, wie sie ihn nannte, aber ich habe das Gefühl, dass damals die ersten Schimpfwörter erfunden wurden.

Sie erzählte, was passiert war. Dann hob sie die Arme und ließ den Boden unter sich grollen. Sie orderte das härteste Material, das sie in ihrem irdischen Reich finden konnte, formte es mit ihrer Wut und schuf die erste Waffe aller Zeiten – eine geschwungene Eisenschneide von knapp einem Meter. Sie befestigte daran einen hölzernen Griff, den sie aus einem Ast eines in der Nähe stehenden Baumes gemacht hatte, dann präsentierte sie den Titanen ihre Erfindung.

»Seht euch das an, meine Kinder!«, sagte sie. »Das Instrument meiner Rache. Ich werde es Sense nennen.«

Die Titanen murmelten untereinander: Wozu soll das gut sein? Warum ist es geschwungen? Schreibt man das mit e oder mit ä?

»Einer von euch muss eingreifen!«, schrie Gaia. »Uranos hat es nicht verdient, König des Kosmos zu sein. Jemand muss ihn umbringen und seinen Platz einnehmen.«

Die Titanen fühlten sich gar nicht wohl in ihrer Haut.

»Also … dann erklär mal das mit dem Umbringen«, sagte Okeanos. Er war der älteste Titanenbruder, aber er trieb sich meistens am anderen Ende des Meeres mit dem ersten Wassergott herum, den er Onkel Pontos nannte. »Was bedeutet das genau?«

»Wir sollen unseren Dad abschlachten«, vermutete Themis. Sie war eines der intelligentesten Mädchen und hatte sofort das Konzept begriffen, jemanden wegen eines Vergehens zu bestrafen.

»Geht das denn überhaupt?«, fragte ihre Schwester Rhea. »Ich dachte, wir seien allesamt unsterblich.«

Gaia stöhnte vor Frust. »Seid nicht so feige! Das ist doch ganz einfach. Ihr nehmt diese scharfe spitze Klinge und schneidet euren Dad in kleine Stücke, damit er uns nie wieder auf die Nerven gehen kann. Wer immer das macht, wird der Herrscher des Universums sein. Und ich backe dann diese Plätzchen, die ihr immer so gern gegessen habt. Mit Schokosplittern.«

Heutzutage haben wir ein Wort für diese Art von Verhalten. Wir nennen das psycho.

Aber damals nahm man das mit den Benimmregeln noch nicht so genau. Vielleicht findet ihr eure eigenen Verwandten jetzt nicht mehr so schlimm, da ihr nun wisst, dass die erste Familie überhaupt auch die erste dysfunktionale Familie war.

Die Titanen murmelten vor sich hin und zeigten gegenseitig auf sich, so nach dem Motto: »Hey, Dad umzubringen wäre doch was für dich.«

»Äh, nein, ich finde, das machst besser du.«

»Ich würde Dad ja zu gern umbringen, echt, aber ich muss jetzt dringend was erledigen …«

»Ich mach’s!«, sagte ganz hinten eine Stimme.

Der Jüngste der zwölf bahnte sich einen Weg durch seine Geschwisterschar. Kronos war kleiner als seine Brüder und Schwestern. Er war nicht der Klügste oder der Stärkste oder der Schnellste. Aber er war der Machtgeilste. Ich nehme an, als Jüngster von zwölfen sucht man immer nach einer Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Der jüngste Titan fand die Vorstellung, die Weltherrschaft zu übernehmen, wunderbar. Vor allem, weil er dann auch bei seinen Geschwistern das Sagen haben würde. Die Plätzchen mit Schokosplittern waren außerdem auch sehr verlockend.

Kronos war ungefähr zwei Meter siebzig, was für einen Titanen eher mickerig war. Er sah nicht so gefährlich aus wie einige seiner Brüder, aber der Kleine war schlau. Er hatte von seinen Geschwistern schon den Spitznamen »der Gerissene« abbekommen, weil er bei ihren Ringkämpfen miese Tricks anwandte und nie da war, wo sie ihn vermuteten.

Er hatte das Lächeln und die dunklen Locken seiner Mutter. Er hatte die Grausamkeit seines Vaters. Wenn er jemanden ansah, wusste man nie, ob er einen Witz erzählen oder seinem Gegenüber eine reinhauen wollte. Sein Bart war auch irgendwie beunruhigend. Kronos war eigentlich zu jung für einen Bart, aber er ließ schon seine Koteletten zu einem spitzen Stachel zusammenwachsen, der von seinem Kinn ragte wie ein Rabenschnabel.

Als Kronos die Sense sah, funkelten seine Augen. Er wollte diese Eisenklinge. Er begriff als Einziger unter seinen Geschwistern, wie viel Schaden man damit anrichten könnte.

Und seinen Dad umzubringen – warum nicht? Uranos beachtete ihn ja kaum. Gaia tat das übrigens auch nicht. Seine Eltern wussten vermutlich nicht einmal seinen Namen.

Kronos fand es schrecklich, übersehen zu werden. Er hatte es satt, der Kleinste zu sein und die blöden abgelegten Kleider der älteren Titanen tragen zu müssen.

»Ich mach’s«, sagte er noch einmal. »Ich werde Dad zerhacken.«

»Mein Lieblingssohn!«, rief Gaia. »Du bist hinreißend! Ich hab ja gewusst, dass ich mich auf dich verlassen kann, äh … wie heißt du doch noch gleich?«

»Kronos.« Er schaffte es auch jetzt noch, zu lächeln. Aber hey, für eine Sense, Plätzchen und die Möglichkeit, einen Mord zu begehen, konnte Kronos seine wahren Gefühle verbergen. »Es wird mir eine Ehre sein, für dich zu töten, Mutter. Wir müssen es jedoch so machen, wie ich sage. Zuerst musst du Uranos dazu bringen, dir einen Besuch abzustatten. Sag ihm, dass es dir leidtut. Sag ihm, alles sei deine Schuld und du wolltest ihm als Entschuldigung ein Festmahl kochen. Schaff ihn heute Abend irgendwie her und tu so, als ob du ihn noch immer liebtest.«

»Uääh!«, sagte Gaia entsetzt. »Spinnst du?«

»Tu einfach so«, beharrte Kronos. »Wenn er erst in menschlicher Gestalt neben dir sitzt, dann komme ich und greife ihn an. Aber ich werde Hilfe brauchen.«

Er drehte sich zu seinen Geschwistern um, die sich plötzlich alle wahnsinnig für ihre Füße interessierten.

»Hört mal, Leute«, sagte Kronos. »Wenn das schiefgeht, wird Uranos sich an uns allen rächen! Wir können uns keine Fehler leisten. Ich brauche vier von euch, die ihn festhalten und dafür sorgen, dass er nicht in seinen Himmel fliehen kann, ehe ich ihn ganz umgebracht habe.«

Die anderen schwiegen. Sie versuchten vermutlich, sich vorzustellen, wie ihr mickeriger kleiner Bruder Kronos ihren riesigen gewalttätigen Dad angriff, und die Chancen kamen ihnen gar nicht gut vor.

»Ach, kommt schon!«, forderte Kronos sie heraus. »Das Aufschlitzen und Zerfetzen übernehm ich doch! Ihr sollt ihn einfach nur festhalten. Wenn ich König bin, werde ich meine vier Mitstreiter belohnen! Ich gebe jedem eine Ecke der Welt zur Herrschaft – Norden, Süden, Osten und Westen. Das Angebot mach ich aber nur einmal. Also, wer ist dabei?«

Die Mädchen waren zu klug, um sich in einen Mord hineinziehen zu lassen. Sie brachten ihre Entschuldigungen vor und verschwanden dann ganz schnell. Der älteste Bruder, Okeanos, nagte nervös an seinem Daumen. »Ich muss noch mal eben ins Meer, aus, äh, aquatischen Gründen. Tut mir leid …«

Damit waren nur noch vier von Kronos’ Brüdern übrig – Koios, Iapetos, Krios und Hyperion.

Kronos lächelte sie an. Er nahm Gaia die Sense aus der Hand, testete ihre Schneide und ließ einen Tropfen goldenen Blutes aus seinem Finger quellen. »Sieh an, vier Freiwillige. Fein!«

Iapetos räusperte sich. »Äh, eigentlich …«

Hyperion versetzte Iapetos einen Rippenstoß. »Wir sind dabei, Kronos«, sagte er »Du kannst dich auf uns verlassen.«

»Hervorragend«, sagte Kronos, und damit hatte zum ersten Mal ein angehender Auftragskiller »hervorragend« gesagt. Dann weihte er sie in seinen Plan ein.

An diesem Abend ließ sich Uranos tatsächlich blicken.

Er wanderte in das Tal, wo er sich meistens mit Gaia traf, und runzelte die Stirn, als er den üppig gedeckten Tisch sah. »Ich hab deine Nachricht bekommen. Willst du dich wirklich mit mir versöhnen?«

»Unbedingt.« Gaia trug ihr bestes grünes ärmelloses Kleid. Ihre Locken waren mit Edelsteinen geschmückt (die sie sich leicht besorgen konnte, sie war ja schließlich die Erde), und sie duftete nach Rosen und Jasmin. Sie ließ sich im lauschigen Kerzenlicht auf dem Sofa zurücksinken und winkte ihren Gatten zu sich.

Uranos kam sich in seinem Lendenschurz nicht richtig angezogen vor. Er hatte sich nicht mal gekämmt. Seine Nachthaut war dunkel und mit Sternen übersät, aber das zählte vermutlich nicht als Abendgarderobe für ein Festmahl. Er dachte schon, er hätte sich wenigstens die Zähne putzen sollen.

Hatte er einen Verdacht? Ich weiß es nicht. Vergesst nicht, in der Geschichte des Kosmos war bisher noch niemand in einen Hinterhalt gelockt und in Stücke gehackt worden. Er würde der Erste sein. Der Glückliche! Und er fühlte sich mittlerweile auch einsam, wenn er so viel im Himmel herumhing. Seine einzige Gesellschaft waren die Sterne, der Luftgott Äther (der wirklich nur Luft im Kopf hatte), und Nyx und Hemera, Mutter und Tochter, die sich in jeder Morgen- und Abenddämmerung stritten.

»Also …« Uranos hatte schweißnasse Hände. Er hatte vergessen, wie schön Gaia sein konnte, wenn sie ihn nicht gerade zusammenstauchte. »Du bist nicht mehr böse auf mich?«

»Überhaupt nicht«, beteuerte Gaia.

»Und … es macht dir nichts aus, dass ich unsere Kinder in Ketten gelegt und in den Abgrund geworfen habe?«

Gaia knirschte mit den Zähnen und rang sich ein Lächeln ab. »Das macht mir nichts aus.«

»Gut«, grunzte er. »Diese kleinen Wichte waren aber auch wirklich HÄSSLICH.«

Gaia klopfte auf das Sofa. »Komm und setz dich zu mir, mein Gatte.«

Uranos grinste und trottete auf sie zu.

Sowie er sich gesetzt hatte, flüsterte Kronos hinter dem nächsten Felsquader: »Jetzt!«

Seine vier Brüder sprangen aus ihren Verstecken. Kronos hatte sich als Strauch verkleidet. Koios hatte sich ein Loch gebuddelt und es mit Zweigen bedeckt. Hyperion hatte sich unter dem Sofa verkrochen (es war ein großes Sofa), und Iapetos versuchte auszusehen wie ein Baum mit Armen als Äste. Aus irgendeinem Grund funktionierte das.

Die vier Brüder packten Uranos. Jeder nahm einen Arm oder ein Bein, und dann rangen sie ihren Dad zu Boden und spreizten seine Glieder.

Kronos trat aus den Schatten. Seine eiserne Sense funkelte im Sternenlicht.

»Was hat das zu bedeuten?«, brüllte Uranos. »Gaia, sag ihnen, sie sollen mich loslassen!«

»HA!« Gaia sprang vom Sofa auf. »Du hattest keine Gnade für deine Kinder, mein Gatte, also hast du selbst auch keine verdient. Und davon mal ganz abgesehen, wer kommt im Lendenschurz zu einem Festmahl? Ich bin empört.«

Uranos wehrte sich vergebens. »Wie könnt ihr es wagen! Ich bin der Herr des Kosmos!«

»Nicht mehr.« Kronos hob die Sense.

»Hüte dich! Wenn du das tust … Äh, wie war doch gleich dein Name?«

»KRONOS!«

»Wenn du das tust, Kronos«, sagte Uranos, »dann werde ich dich verfluchen. Eines Tages werden deine eigenen Kinder dich vernichten und dich vom Thron stoßen, so, wie du es jetzt mir antust.«

Kronos lachte nur. »Das sollen sie mal versuchen.«

Er schlug mit der Sense zu.

Die traf Uranos genau am … na ja, wisst ihr, was? Ich bring das einfach nicht über die Lippen. Die Jungs unter euch sollen sich die Stelle vorstellen, wo es am meisten wehtun kann.

Genau. Da war das.

Kronos säbelte los und Uranos heulte vor Schmerz. Es war wie der allerfieseste Low-Budget-Horrorfilm, den ihr euch vorstellen könnt. Alles war voller Blut – nur ist das Blut der Götter golden und heißt Ichor.

Ichortropfen fielen auf die Felsen, und das Zeug war so mächtig, dass später, als gerade niemand hinsah, Wesen daraus entstanden – drei zischende geflügelte Daimonen, die Furien genannt wurden, die Geister der Bestrafung. Sofort flohen sie in die Finsternis des Tartaros. Andere Tropfen Himmelsblut fielen auf den fruchtbaren Boden, wo sie sich irgendwann in wilde, aber sanftere Wesen namens Nymphen und Satyrn verwandelten.

Das meiste Blut aber spritzte einfach so durch die Gegend. Echt, diese Flecken konnten niemals aus Kronos’ Hemd herausgewaschen werden.

»Gut gemacht, Brüder!« Kronos grinste von einem Ohr zum anderen und seine Sense troff vor Blut.

Iapetos musste sich sofort übergeben. Die anderen lachten und klopften sich gegenseitig auf die Schulter.

»Ach, meine Kinder!«, sagte Gaia. »Ich bin so stolz. Plätzchen und Bowle für alle!«

Ehe die Party losging, packte Kronos die Überreste seines Vaters in eine Tischdecke. Vielleicht war er auf seinen ältesten Bruder, Okeanos, sauer, weil der ihm nicht beim Mord geholfen hatte. Jedenfalls schleppte Kronos den Kram zum Meer und warf ihn hinein. Das Blut vermischte sich mit dem salzigen Wasser und … na ja, ihr werdet noch sehen, was dabei herausgekommen ist.

Und jetzt fragt ihr sicher: Na gut, aber wenn der Himmel umgebracht wurde, wieso kann ich den dann immer noch sehen, wenn ich nach oben schaue? Antwort: Weiß ich auch nicht.

Ich vermute mal, dass Kronos die physische Gestalt des Uranos getötet hat, deshalb konnte der Himmelsgott nicht mehr auf der Erde auftauchen und die Herrschaft für sich beanspruchen. Sie haben ihn eigentlich in die Luft verbannt. Er ist also nicht direkt tot, aber er kann eben nur noch die harmlose Kuppel über der Welt sein.

Und schließlich kehrte Kronos zurück ins Tal, und alle Titanen feierten.

Gaia ernannte Kronos zum Herrn des Universums. Sie machte ihm ein supertolles Sammlerstück von goldener Krone und überhaupt. Kronos hielt sein Versprechen und übergab seinen vier hilfsbereiten Brüdern die Herrschaft über die vier Ecken der Erde. Iapetos wurde der Titan des Westens, Hyperion bekam den Osten. Koios nahm den Norden und Krios den Süden.

An diesem Abend hob Kronos sein Nektarglas – Nektar war das Lieblingsgetränk der Unsterblichen. Er versuchte zuversichtlich zu lächeln, denn Könige sollten immer zuversichtlich aussehen, aber tatsächlich machte er sich schon Sorgen wegen des Fluchs, den Uranos ausgesprochen hatte – dass sich eines Tages Kronos’ eigene Kinder seiner entledigen würden.

Trotzdem schrie er: »Meine Geschwister, ein Prosit! Mit uns beginnt ein goldenes Zeitalter!«

Und wenn ihr auf jede Menge Lügen, Diebstahl, Verrat und Kannibalismus steht, dann lest weiter, denn in dieser Hinsicht war es definitiv ein goldenes Zeitalter.

Das goldene Zeitalter des Kannibalismus

Zuerst war Kronos gar kein so übler Kerl. Er musste noch daran arbeiten, ein totaler Kotzbrocken zu werden.

Er befreite die Älteren Zyklopen und die Hunderthändigen aus dem Tartaros, was Gaia glücklich machte. Die monströsen Typen erwiesen sich dann auch als nützlich. Sie hatten die Zeit im Abgrund genutzt und gelernt, Metall zu schmieden und mit Steinen zu bauen (ich vermute, viel mehr gab es da unten auch nicht zu tun), und aus Dankbarkeit für ihre Freiheit errichteten sie für Kronos oben auf dem Berg Othrys, der damals der höchste Berg in Griechenland war, einen gewaltigen Palast.

Der Palast war aus pechschwarzem Marmor. Hohe Säulen und riesige Hallen funkelten im Licht magischer Fackeln. Der Thron des Kronos war aus einem massiven Obsidianblock gehauen und mit Gold und Diamanten verziert – das klingt großartig, aber sonderlich bequem war es sicher nicht. Kronos war das egal. Er konnte dort den ganzen Tag sitzen, die gesamte Welt unter sich betrachten und aasig krächzen: »Meins! Alles meins!«

Seine fünf titanischen Brüder und seine sechs titanischen Schwestern mochten ihm nicht widersprechen. Sie hatten sich ihre Lieblingsgebiete schon ausgesucht – und außerdem, seit sie gesehen hatten, wie Kronos die Sense schwang, wollten sie sich lieber nicht mit ihm anlegen.

Kronos war nun nicht nur der König des Kosmos, er wurde auch noch der Titan der Zeit. Er konnte zwar nicht im Strom der Zeit herumhüpfen wie Doctor Who oder so, aber ab und an verlangsamte oder beschleunigte er die Zeit. Wenn ihr in einer furchtbar langweiligen Unterrichtsstunde sitzt, die einfach kein Ende nehmen will, dann beschwert euch bei Kronos. Und wenn euer Wochenende viel zu kurz war, dann ist auch daran Kronos schuld.

Vor allem interessierte ihn die zerstörerische Macht der Zeit. Da er unsterblich war, konnte er kaum glauben, was ein paar kurze Jahre mit einem sterblichen Leben so alles anrichten. Nur so aus Jux reiste er um die Welt und spulte das Leben von Bäumen, Pflanzen und Tieren vor, um ihnen beim Verwelken und Sterben zuzusehen. Davon bekam er einfach nie genug.

Was seine Brüder betrifft: Die vier, die ihm beim Mord an Uranos geholfen hatten, bekamen die vier Ecken der Welt – was eigentlich komisch ist, da die Griechen die Welt für eine große runde Scheibe hielten, wie einen Schild, also hatte sie eigentlich keine Ecken. Aber egal.

Krios war der Titan des Südens. Er nahm sich den Widder als Symbol, da das Sternbild Widder am Südhimmel aufgeht. Seine marineblaue Rüstung war von Sternen übersät. Widderhörner ragten aus seinem Helm. Krios war von der dunklen, schweigsamen Sorte. Er stand oft am südlichen Rand der Welt, sah sich die Sternbilder an und versank in Gedanken – oder vielleicht dachte er auch nur, er hätte einen aufregenderen Job verlangen sollen.

Koios, der Titan des Nordens, lebte am gegenüberliegenden Ende der Welt (ist ja logisch). Er wurde manchmal Polus genannt, weil er über den Nordpol herrschte. Das war, lange ehe der Weihnachtsmann dort einzog. Koios war zudem der erste Titan, der die Gabe der Weissagung besaß. Koios bedeutet sogar wörtlich übersetzt »Frage«. Er konnte dem Himmel Fragen stellen, und manchmal flüsterte der Himmel Antworten. Unheimlich? Ja. Ich weiß nicht, ob er sich vielleicht mit dem Geist des Uranos unterhielt, aber seine Blicke in die Zukunft waren so nützlich, dass die anderen Titanen ihm immer wieder brennende Fragen stellten wie: »Wie wird das Wetter am Sonntag? Wird Kronos mich heute umbringen? Was soll ich zu Rheas Sause anziehen?« Solche Dinge eben. Später vererbte Koios die Gabe der Weissagung dann seinen Kindern.

Hyperion, der Titan des Ostens, war der Auffälligste der vier. Da das Tageslicht jeden Morgen aus dem Osten kam, nannte er sich den Herrn des Lichts. Hinter seinem Rücken nannten alle ihn Kronos light, weil er immer tat, was Kronos ihm sagte, und weil er eigentlich wie Kronos war, nur mit weniger Kalorien und ohne Geschmack. Jedenfalls trug er eine lodernd goldene Rüstung und ging immer wieder in Flammen auf, was auf Partys natürlich der Knaller war.

Sein Gegenstück, Iapetos, war lockerer, als Titan des Westens. Bei einem schönen Sonnenuntergang möchte man sich doch immer gern entspannen. Trotzdem wollte man aber keinen Ärger mit dem Typen. Er war ein hervorragender Kämpfer, der mit einem Speer nur zu gut umgehen konnte. Iapetos bedeutet »der Durchbohrer«, und ich bin ziemlich sicher, den Namen hatte er nicht bekommen, weil er im Einkaufszentrum Ohrlöcher stach.

Der letzte Bruder schließlich, Okeanos, kümmerte sich um die Gewässer, die die Welt umgaben. Deshalb wurden die großen Meere auf der Welt Ozeane genannt. Es hätte schlimmer sein können. Wenn Iapetos die Meere übernommen hätte, dann würden wir heute vom Atlantischen Iapet und von Seeleuten sprechen, die über den blauen Iapet segeln, und das würde einfach nicht so gut klingen.

Aber ehe ich mich jetzt den sechs Titanendamen zuwende, muss ich noch eine unangenehme Angelegenheit klären.

Denn irgendwann sagten sich also die Titanenjungs: Dad war mit Gaia verheiratet. Aber wen sollen wir heiraten? Dann sahen sie sich die Titanendamen an und dachten, hm …

Ich weiß. Jetzt schreit ihr: KRASS! Die Brüder wollten ihre eigenen Schwestern heiraten?

Ja, ich finde das auch ganz schön widerlich, aber das ist eben so: Die Titanen haben die Familienbeziehungen anders gepflegt als wir.

Erstens, wie schon gesagt, waren die Benimmregeln damals noch längst nicht so streng. Und man hatte auch keine große Auswahl, was mögliche Ehepartner anging. Man konnte sich nicht einfach bei TitanFlirt.com einloggen und die perfekte Seelengefährtin auftun.

Noch wichtiger ist aber, dass Unsterbliche nun mal ganz anders sind als Menschen. Sie leben mehr oder weniger für immer. Sie haben geniale Fähigkeiten, Ichor statt Blut und DNA, und es ist ihnen egal, ob ihre Ichorgruppen zueinander passen. Deshalb sehen sie diese Bruder-Schwester-Kiste eben anders. Du und das Mädchen, das dir gefällt, ihr habt vielleicht dieselbe Mom, aber wenn ihr dann erwachsen seid, betrachtest du dieses Mädchen nicht unbedingt als deine Schwester.

Das ist meine Theorie. Oder vielleicht waren die Titanen einfach alle totale Freaks. Entscheidet ihr.

Jedenfalls haben nicht alle Brüder alle Schwestern geheiratet, aber so ungefähr lief das ab:

Theia war die Älteste. Wer ihre Aufmerksamkeit wollte, brauchte bloß vor ihrer Nase mit etwas Glänzendem herumzuwedeln. Sie liebte funkelnde Dinge und schöne Landschaften. Jeden Morgen tanzte sie vor Glück, wenn das Tageslicht zurückkehrte. Sie kletterte auf Berge, nur um meilenweit sehen zu können. Sie buddelte sogar im Boden, holte kostbare Steine heraus und nutzte ihre magischen Kräfte, um sie zum Funkeln und Glitzern zu bringen.

Sie wurde zur Titanin der klaren Sicht. Weil sie so total auf Blingbling stand, heiratete sie schließlich Hyperion, den Gott des Lichtes. Wie ihr euch vorstellen könnt, verstanden sich die beiden glänzend, aber wie sie je schlafen konnten, wenn Hyperion die ganze Nacht leuchtete und Theia »glänzend! Glänzend!« kicherte, weiß ich wirklich nicht.

Ihre Schwester Themis? Ganz anders. Sie war ruhig und nachdenklich und versuchte nie Aufmerksamkeit zu erregen, und immer legte sie sich ein schlichtes weißes Tuch über die Haare. Sie wusste schon sehr früh, dass sie ein natürliches Gespür dafür hatte, was richtig und falsch war. Sie begriff, was fair war und was nicht. Wenn sie Zweifel hatte, behauptete sie, Weisheit direkt aus der Erde ziehen zu können. Ich glaube aber nicht, dass sie damit Gaia meinte, denn Gaia nahm die Sache mit richtig und falsch ja nicht so wichtig.

Jedenfalls war Themis unter ihren Geschwistern hoch angesehen. Sie konnte noch bei den schlimmsten Streitereien vermitteln. Sie wurde die Titanin der natürlichen Gesetze und der Fairness. Sie heiratete keinen ihrer sechs Brüder, und das zeigt doch schon, wie weise sie war.

Dritte Schwester: Tethys, und ich verspreche euch, das ist der letzte T-Name bei den Mädels, denn sogar ich finde das inzwischen verwirrend. Sie liebte Flüsse, Quellen und fließendes Süßwasser jeglicher Art. Sie war sehr nett und bot ihren Geschwistern immer etwas zu trinken an, obwohl die anderen es irgendwann nicht mehr hören mochten, dass der durchschnittliche Titan jeden Tag vierundzwanzig große Glas Wasser braucht, um nicht zu dehydrieren. Tethys hielt sich für die Oberpflegerin der ganzen Welt, schließlich müssen alle trinken. Sie heiratete Okeanos, was sich irgendwie von selbst verstand. »Du stehst auf Wasser? Ich auch! Wir sollten uns zusammentun!«

Phoebe, die vierte Schwester, lebte mitten im geografischen Zentrum der Welt, was für die Griechen das Orakel von Delphi bedeutete – ein heiliger Quell, wo man manchmal die Zukunft flüstern hören konnte, wenn man wusste, wie man richtig zuhört. Die Griechen nannten diesen Ort den Omphalos, also den Nabel der Welt, aber sie stellten nie klar, ob dieser Nabel sich nach innen oder nach außen stülpte.

Phoebe war eine der Ersten, die herausfanden, wie man die Stimmen von Delphi hört, aber sie war keine düstere, mysteriöse Wahrsagerin. Ihr Name bedeutet »hell«, und sie sah in allem immer das Positive. Ihre Weissagungen waren wie Glückskekse – immer gut. Was sicher in Ordnung war, wenn man nur gute Nachrichten hören wollte, aber nicht so toll, wenn man ein schwerwiegendes Problem hatte. Wenn ich zum Beispiel morgen sterben müsste, würde Phoebe mir nur sagen: »Äh, also, wegen der Matheklausur nächste Woche brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«

Phoebe heiratete Koios, den nördlichen Typen, denn auch der besaß die Gabe der Weissagung. Leider sahen sie sich nur alle Jubeljahre einmal, weil sie weit voneinander entfernt lebten. Der Vorteil: Sehr viel später übernahm Phoebes Enkel, ein gewisser Apollo, das Orakel. Weil er ihre Kräfte geerbt hatte, wurde er manchmal auch Phoebus Apollo genannt.

Titanenschwester Nummer fünf war Mnemosyne – und Himmel, ich als Legastheniker musste den Namen an die zwanzig Mal durch das Rechtschreibprogramm jagen und hab ihn vermutlich noch immer falsch geschrieben. Ich glaube, das wird so ungefähr Nemosine ausgesprochen. Jedenfalls wurde Mnemosyne mit einem fotografischen Gedächtnis geboren, lange ehe irgendwer wusste, was eine Fotografie überhaupt ist. Wirklich, sie erinnerte sich einfach an alles – an die Geburtstage ihrer Schwestern, ihre Hausaufgaben, dass sie den Müll rausbringen und die Katzen füttern musste. Einerseits war das ja gut. Sie kannte die Familiengeschichte und merkte sich alles. Aber es war auch nervig, sie in der Nähe zu haben, weil sie dafür sorgte, dass auch die anderen nie irgendetwas vergaßen.

Dieser peinliche Zwischenfall, als du acht Jahre alt warst? Genau, an den erinnerte sie sich. Dass du vor drei Jahren versprochen hast, ihr das geliehene Geld zurückzuzahlen? Das wusste sie noch.

Und das Schlimmste: Mnemosyne erwartete von allen anderen ein ebenso gutes Erinnerungsvermögen. Einfach um behilflich zu sein, erfand sie Buchstaben und Schrift, damit wir armen Würstchen ohne perfektes Gedächtnis über alles pausenlos Buch führen könnten. Wenn ihr das nächste Mal für einen Vokabeltest büffeln oder euch die Hauptstädte von allen fünfzig US-Staaten einprägen müsst, dann könnt ihr euch bei Mnemosyne bedanken. Solche Aufgaben waren auf ihrem Mist gewachsen. Von den anderen Titanen wollte sie keiner heiraten. Wen wundert’s.

Schließlich war da noch Schwester Nummer sechs: Rhea. Die arme Rhea. Sie war die liebste und die schönste Titanin, was natürlich bedeutete, dass sie mehr Pech und ein härteres Leben als alle anderen hatte. Ihr Name bedeutet entweder »Strom« oder »Gelassenheit«. Beides passt. Sie ließ sich immer mit dem Strom treiben und konnte alle anderen zur Gelassenheit bewegen. Sie wanderte durch die Täler der Erde, besuchte ihre Geschwister, sprach mit den Nymphen und Satyrn, die aus dem Blut des Uranos entstanden waren. Sie liebte außerdem Tiere. Ihr Favorit war der Löwe. Wenn ihr Bilder von Rhea seht, dann hat sie fast immer zwei Löwen bei sich, und deshalb konnte sie ungefährdet durch die Gegend laufen, sogar durch die übelsten Viertel.

Rhea wurde die Titanin der Mutterschaft. Sie liebte Babys und half ihren Schwestern immer bei den Geburten. Schließlich verdiente sie sich den Titel »Große Mutter«, als sie dann selber Kinder bekam. Leider musste sie heiraten, ehe es so weit kommen konnte, und damit fing der ganze Ärger an …

Aber hey, alles war doch wunderbar! Was konnte da überhaupt noch schiefgehen?

Das dachte Erdmutter Gaia auch. Sie freute sich so darüber, dass ihre Kinder die Welt im Griff hatten, dass sie beschloss, für eine Weile zurück in die Erde zu sinken und einfach … na ja, die Erde zu sein. Sie hatte so viel durchgemacht. Sie hatte achtzehn Kinder geboren. Sie hatte eine Ruhepause verdient.

Sie war sicher, dass Kronos den Laden schmeißen und für immer und ewig ein guter König sein würde. (Ja, wirklich.) Deshalb legte sie sich hin, um ein kleines Nickerchen zu machen, was in geologischen Begriffen ein paar Jahrtausende bedeutete.

Die Titanen bekamen inzwischen ihre eigenen Kinder, also die zweite Titanengeneration. Okeanos und Tethys, Herr und Frau Wasser, bekamen eine Tochter namens Klymene, die die Titanengöttin des Ruhmes wurde. Ich vermute, sie stand auf Glamour, weil sie auf dem Grunde des Ozeans aufgewachsen war, wo niemals etwas passierte. Sie liebte Tratsch, las alle Klatschmagazine und wusste immer, was gerade in Hollywood abging … oder das hätte sie gewusst, wenn es Hollywood schon gegeben hätte. Wie viele Leute, die von Ruhm besessen sind, zog sie nach Westen. Und am Ende verliebte sie sich in den Titanen des Westens, Iapetos.

Ich weiß, genau genommen war er ihr Onkel. Widerlich. Aber wie schon gesagt, die Titanen tickten anders. Ich rate euch einfach, nicht zu sehr darüber nachzudenken.

Jedenfalls bekamen Iapetos und Klymene einen Sohn namens Atlas, der sich als fantastischer Kämpfer und dazu als ziemlicher Mistkerl entpuppte. Später wurde er dann zur rechten Hand von Kronos und zu seinem wichtigsten Vollstrecker.

Als Nächstes bekamen Iapetos und Klymene einen Sohn namens Prometheus, der fast so clever war wie Kronos. Einigen Sagen nach erfand Prometheus eine mindere Form von Lebewesen, von denen ihr vielleicht schon mal gehört habt – Menschen. Eines Tages spielte er einfach so am Flussufer herum und baute Dinge aus feuchtem Lehm, und dann formte er zwei komisch aussehende Gestalten, die Ähnlichkeit mit den Titanen hatten. Nur waren die viel kleiner und leichter zu zerquetschen. Vielleicht war ein bisschen Blut des Uranos in den Lehm geraten oder vielleicht hatte Prometheus diesen Figuren ganz bewusst Leben eingehaucht – ich weiß es nicht. Aber die Lehmfiguren wurden lebendig und waren die ersten beiden Menschen.

Bekam Prometheus deshalb einen Orden? Nö. Für die Titanen waren die Menschen ungefähr das, was für uns Wüstenrennmäuse sind. Einige Titanen fanden die Menschen irgendwie niedlich, auch wenn sie furchtbar schnell starben und eigentlich auch zu nichts gut waren. Andere Titanen hielten sie für widerwärtige Nagetiere. Manche Titanen achteten überhaupt nicht auf sie. Die Menschen dagegen hockten meistens in ihren Höhlen oder wuselten herum und versuchten nicht von den Titanen zertreten zu werden.

Die Titanen bekamen immer mehr Titanenbabys. Ich will die jetzt nicht alle erwähnen, sonst sitzen wie hier so lange, wie Gaia ihr Nickerchen gehalten hat, aber Koios und Phoebe, das Weissagungspaar, hatten eine Tochter namens Leto. Die beschloss, dass sie die Hüterin der Jugend sein wollte, und war die erste Babysitterin der Welt. Darüber freuten sich natürlich alle Dad- und Mom-Titanen.

Hyperion und Theia, Herr und Frau Funkel, bekamen Zwillinge namens Helios und Selene, die sich um Sonne und Mond kümmerten. Leuchtet doch ein, oder? Mehr strahlen als Sonne und Mond kann man ja wohl kaum.

Helios fuhr jeden Tag mit dem Sonnenwagen über den Himmel, was einen furchtbaren Kilometerstand ergab. Helios fand sich ganz schön heiß und hatte die nervige Angewohnheit, die Sonne als seinen »Frauenmagnet« zu bezeichnen.

Selene war nicht ganz so prachtvoll. Sie fuhr nachts mit ihrem silbernen Mondwagen über den Himmel und war meistens allein, aber einmal hat sie sich doch verliebt, und das war die traurigste Geschichte aller Zeiten. Aber dazu kommen wir noch.

Jedenfalls, ein gewisser Titan heiratete nicht und bekam auch keine Kinder … nämlich Kronos, der Herr des Universums. Er saß einfach nur im Palast auf dem Othrys auf seinem Thron und wurde ziemlich sauer, als er sah, dass alle anderen sich köstlich amüsierten.

Erinnert ihr euch an den Fluch, den Uranos ihm auferlegt hatte – dass eines Tages Kronos’ eigene Kinder ihn stürzen würden? Kronos konnte diesen Fluch einfach nicht vergessen.

Zuerst sagte er sich: Ach, ist doch egal, dann heirate ich eben nicht und kriege keine Kinder!

Aber es ist einfach blöd, allein zu sein, wenn alle anderen sich zusammentun und Familien gründen. Kronos hatte sich den Thron ja redlich verdient, aber der Fluch verdarb ihm die ganze Freude darüber, dass er seinen Dad zerhackt hatte. Jetzt musste er Angst davor haben, entmachtet zu werden, während alle anderen das Leben genossen. Das war doch gemein!

Seine Verwandten besuchten ihn auch nur noch selten. Als Gaia erst einmal in der Erde verschwunden war, kamen sie nicht mehr zum Sonntagsessen in den Palast. Sie behaupteten, sie seien beschäftigt, aber Kronos hatte den Verdacht, dass seine Brüder, Schwestern, Nichten und Neffen sich ganz einfach vor ihm fürchteten. Er hatte wirklich das Temperament und den Sinn für Grausamkeiten seines Vaters geerbt. Seine Sense war beängstigend. Außerdem besaß er die leicht befremdliche Angewohnheit, »Ich bring dich um!« zu schreien, wenn er sich über jemanden ärgerte. Aber war das denn seine Schuld?

An einem Morgen ging er dann wirklich an die Decke. Er wurde davon geweckt, dass ein Zyklop vor seinem Schlafzimmerfenster ein Stück Bronze zurechthämmerte. Um sieben Uhr morgens, und noch dazu am Wochenende!

Kronos hatte seiner Mom versprochen, die Älteren Zyklopen und die Hunderthändigen aus dem Tartaros zu befreien, aber er hatte seine hässlichen Verwandten inzwischen ganz schön satt. Sie wurden immer widerlicher, je älter sie wurden. Sie stanken wie ein Klohäuschen. Sie hatten null Sinn für Hygiene und machten dauernd Krach – bauten irgendwas, hämmerten auf Metall, zerschlugen Steine. Sie hatten sich beim Bau des Palastes nützlich gemacht, aber jetzt gingen sie ihm nur noch auf die Nerven.

Kronos rief Atlas und Hyperion und einige von seinen anderen Schlägerkumpels. Die trieben die Zyklopen und die Hunderthändigen zusammen und erzählten ihnen, sie würden jetzt einen netten Ausflug aufs Land machen und sich die Wiesenblumen ansehen. Dann machten sie sich über die armen Typen her, legten sie wieder in Ketten und warfen sie zurück in den Tartaros.

Wenn Gaia erwachte, wäre sie sicherlich darüber überhaupt nicht erfreut – aber wen kümmerte es? Jetzt war Kronos König. Seine Mom würde eben damit leben müssen.

Danach war es im Palast viel ruhiger, aber Kronos war noch immer stocksauer. Es war einfach nicht fair, dass er keine Freundin haben durfte.

Er dachte dabei an ein ganz bestimmtes Mädchen.

Heimlich war er in Rhea verknallt.

Sie war einfach hinreißend! Immer, wenn die Titanenfamilie zusammenkam, schaute Kronos sie verstohlen an. Wenn er merkte, dass einer der anderen Typen mit ihr zu flirten versuchte, zog er ihn zur Seite, sprach mit der Sense in der Hand unter vier Augen mit ihm und schärfte ihm ein, das nie wieder zu tun.

Er liebte Rheas Lachen. Ihr Lächeln war heller als Helios’ Frauenmagnet … öh, ich meine natürlich die Sonne. Er liebte es, wie ihre dunklen Locken über ihre Schultern fielen. Ihre Augen waren so grün wie die Wiesen und ihre Lippen … also, Kronos träumte davon, diese Lippen zu küssen.

Rhea war außerdem lieb und freundlich und alle waren vernarrt in sie. Kronos dachte: Wenn ich so eine Frau hätte, würde meine Familie sich nicht ganz so sehr vor mir fürchten. Sie würden häufiger in den Palast kommen. Rhea würde einen besseren Titanen aus mir machen. Das Leben wäre wunderbar! Aber ein anderer Teil von ihm dachte: Nein! Ich darf nicht heiraten, da ist ja dieser blöde Fluch.

Kronos knurrte vor Frust. Er war der König des verdammten Universums. Er konnte machen, was immer er wollte. Vielleicht hatte Uranos ihm nur Angst einjagen wollen und es gab überhaupt keinen Fluch! Oder vielleicht hätte er ja Glück und würde keine Kinder bekommen.

Wichtig: Wenn man versucht keine Kinder zu haben, sollte man nicht die Titanin der Mutterschaft heiraten.

Kronos wollte sich wirklich zusammenreißen, aber am Ende hielt er es nicht mehr aus. Er lud Rhea zu einem romantischen Abendessen ein und gestand ihr seine Gefühle. Er machte ihr auf der Stelle einen Heiratsantrag.

Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob Rhea den Typen liebte oder nicht. Wenn nicht, dann hatte sie wahrscheinlich zu große Angst, um Nein zu sagen. Das hier war ja schließlich Kronos, der Gerissene – der Kerl, der ihren Dad umgebracht hatte. Der König des verdammten Universums.

Dass während des ganzen Essens gleich hinter ihm seine Sense an einem Haken an der Wand hing, machte es auch nicht besser. Die Schneide funkelte im Kerzenlicht, als ob noch immer goldenes Ichor daran klebte.

Rhea war bereit, ihn zu heiraten.

Vielleicht glaubte sie, ihn bessern zu können. Vielleicht glaubte Kronos das auch. Sie hatten schöne Flitterwochen. Einige Monate später, als Kronos hörte (welch Überraschung!), dass Rhea ihr erstes Kind erwartete, versuchte er sich einzureden, alles sei wunderbar. Er sei glücklich! Er werde niemals so ein mieser Vater sein wie Uranos. Es spielte keine Rolle, ob das Baby ein kleiner Titan oder eine kleine Titanin wäre. Kronos würde es lieben und den alten Fluch ganz einfach vergessen.

Dann wurde das Kind geboren – ein wunderschönes kleines Mädchen.

Rhea hatte sich insgeheim Sorgen gemacht, dass sie vielleicht einen Zyklopen oder einen Hunderthändigen gebären könnte. Vielleicht hatte Kronos auch zu oft davon geredet. Aber nix. Das Kind war perfekt.

Es war sogar ein bisschen zu perfekt.

Rhea nannte das Mädchen Hestia. Sie wickelte das Baby in weiche Decken und zeigte es dem stolzen Papa. Zuerst lächelte Kronos. Das Kind war kein Monster – es war niedlich! Aber als er die Kleine unter dem Kinn kitzelte und ihr in die Augen schaute und die üblichen neckischen Dutzi-dutzi-Geräusche machte, ging Kronos auf, dass Hestia gar keine Titanin war.

Sie war kleiner als ein Titanenbaby, aber schwerer und perfekt proportioniert. Ihre Augen waren viel zu intelligent für ein Neugeborenes. Sie strahlte Macht aus. Da Kronos sich mit der Zeit auskannte, konnte er sich sehr leicht vorstellen, wie dieses Mädchen als Erwachsene aussehen würde. Sie würde immer kleiner sein als die Titanen, aber zu großen Dingen fähig. Sie würde bei allem, was sie sich auch vornahm, jeden Titanen übertreffen.

Hestia war wie eine verbesserte Version der Titanen – Titan 2.0. Die nächste große Errungenschaft. Eigentlich war sie überhaupt keine Titanin. Sie war eine Göttin – das erste Mitglied einer ganz neuen Stufe der unsterblichen Evolution.

Als er sie ansah, kam Kronos sich vor wie ein uraltes Handy, welches das allerneueste Smartphone anglotzt. Er wusste, dass seine Tage gezählt waren.

Sein stolzes Papa-Lächeln verflog. Dieses Kind durfte einfach nicht heranwachsen, oder Uranos’ Weissagung würde sich erfüllen. Kronos musste auf der Stelle handeln. Er wusste, dass Rhea niemals damit einverstanden wäre, ihr Kind zu töten, und sie hatte ja wie immer diese blöden Löwen bei sich. Er konnte im Thronsaal keinen Kampf lostreten. Er musste Hestia sofort und unwiderruflich beseitigen.

Er riss den Mund auf – superweit, weiter als er es überhaupt für möglich gehalten hätte. Sein Unterkiefer war so ausgeklinkt wie bei einer Riesenschlange, die eine Kuh fressen kann. Er stopfte sich Hestia in den Mund und schluckte sie hinunter.

Einfach so: SCHLUCK, und weg war sie.

Wie ihr euch denken könnt, drehte Rhea durch.

»Mein Baby«, schrie sie. »Du … du bist doch …«

»Oh, wow«, rülpste Kronos. »Wie peinlich. Tut mir leid.«

Rheas Augen quollen hervor. Sie kreischte noch eine Runde. Sie hätte sich am liebsten auf Kronos gestürzt und ihn mit ihren Fäusten bearbeitet, oder ihren Löwen auf ihn gehetzt. Aber sie hatte Angst, ihr Baby zu verletzen, das jetzt in ihm steckte.

»Würg sie raus!«, verlangte Rhea.

»Geht nicht«, sagte Kronos. »Ich habe doch einen superstarken Magen. Wenn da erst mal etwas drin ist, dann kommt es nicht mehr hoch.«

»Wie konntest du sie verschlingen«, brüllte Rhea. »Das war unser Kind!«

»Ja, also, was das betrifft …«, Kronos versuchte ein schuldbewusstes Gesicht zu machen. »Hör mal, Schatz, das mit diesem Kind wäre nie gut gegangen.«

»Gut gegangen?«

»Da ist doch dieser Fluch.« Kronos erzählte ihr, was Uranos prophezeit hatte. »Herzchen, dieses Baby war ja nicht mal eine richtige Titanin. Sie hätte nur Ärger gemacht, das hab ich gleich gesehen. Beim nächsten Kind wird alles besser, da bin ich sicher.«

Für Kronos hörte sich das total vernünftig an, aber aus irgendeinem Grund gab Rhea sich damit nicht zufrieden. Sie stürzte wütend davon.

Man sollte jetzt meinen, Rhea hätte ihm nie verziehen. Ich meine, dein Mann verschlingt dein erstgeborenes Kind wie einen fetten Hamburger … die typische Mutter vergisst so was wohl nicht

Aber Rheas Lage war nicht so einfach.

Zum einen hatte Kronos die kleine Hestia in einem Stück verschlungen. Hestia war wie ihre Eltern unsterblich. Sie konnte nicht sterben, nicht einmal im Magen ihres Vaters. Unangenehm da drinnen? Ja! Ein wenig beengend? Und wie. Aber tödlich? Nein.

Sie lebt noch, tröstete sich Rhea. Ich finde eine Möglichkeit, sie zurückzuholen.

Das beruhigte sie ein wenig, aber sie hatte noch keinen Plan. Sie konnte sich nicht mit Gewalt durchsetzen. Rhea war eine sanfte Göttin. Selbst, wenn sie zu kämpfen versuchte, würden die meisten der stärksten Titanen, wie Hyperion und dieser riesige Schläger Atlas, zu Kronos halten.

Sie konnte ihn nicht heimlich mit einem Messer oder der Sense überfallen und ihre Löwen auf ihn hetzen, denn dabei hätte sie das Baby möglicherweise verletzt.

Vielleicht denkt ihr jetzt: Moment mal! Wenn das Kind unsterblich ist, warum hat Rhea dann Angst, es zu verletzen? Aber es ist so: Unsterbliche können schwer verletzt werden, verkrüppelt oder verstümmelt. Eine Wunde bringt sie zwar nicht um, aber sie verheilt eben auch nicht immer. Dann bleiben sie für immer verkrüppelt. Zu einigen Beispielen dafür kommen wir später noch.

Rhea hatte also nicht vor, Kronos aufzuschneiden und dabei aus Versehen ihr Baby zu zerhacken, denn in Stücken lebt es sich nicht gut, schon gar nicht, wenn man bis in alle Ewigkeit leben muss.

Sie konnte sich von Kronos nicht scheiden lassen, denn Scheidung war noch nicht erfunden. Und selbst wenn, dann hätte Rhea sich nicht getraut. Euch ist vielleicht schon aufgefallen, dass Kronos ein verdammt mieses Stück war. Rhea wusste das, seit er ihren Dad mit der Sense zerstückelt und dann auf der Party danach mit seinem ichorbefleckten Hemd herumgelaufen war und »Geiler Mord, Jungs! High five!« gegrölt hatte.

Sie konnte nicht fliehen, weil Kronos der Herrscher über die ganze Welt war. Wenn sie nicht in den Tartaros springen wollte (was nicht der Fall war), dann gab es keinen Zufluchtsort.

Sie konnte also nur durchhalten, abwarten, und eine Möglichkeit suchen, sich Hestia zurückzuholen.

Kronos bemühte sich, nett zu ihr zu sein. Er kaufte ihr Geschenke und lud sie zum Essen ein, als ob sie dann das Baby in seinem Magen vergessen könnte.

Als Kronos fand, es sei nun genug Zeit vergangen – so an die drei oder vier Tage –, bestand er darauf, es noch einmal mit Kindern zu versuchen.

Warum? Vielleicht war er insgeheim lebensmüde. Vielleicht war er besessen von der Weissagung des Uranos und wollte wissen, ob das nächste Kind ein echter Titan oder einer von diesen furchtbaren, zu mächtigen, zu perfekten kleinen Göttern sein würde.

Also bekam Rhea noch ein Kind – ein kleines Mädchen, das sogar noch niedlicher war als das erste. Rhea nannte sie Demeter.

Rhea wagte zu hoffen. Demeter war einfach hinreißend, vielleicht würde sie Kronos’ Herz zum Schmelzen bringen. Er konnte sich von diesem kleinen Wonneproppen unmöglich bedroht fühlen!

Kronos nahm das Kind auf den Arm und sah sofort, dass auch Demeter eine Göttin war. Sie verströmte eine Aura, die noch mächtiger war als Hestias. Sie war ÄRGER in Großbuchstaben.

Diesmal zögerte er nicht. Er riss den Mund auf und schluckte sie hinunter.

Es folgte Moms Schreianfall. Dann kamen die Entschuldigungen.

Rhea hatte nun wirklich Lust, ihre Löwen zu rufen, aber nun war die Gefahr ja noch größer. Kronos hatte zwei Babys im Bauch.

Ich weiß, ihr denkt jetzt, es muss in den Eingeweiden des Titanenherrn ganz schön eng gewesen sein. Aber Götter sind flexibel, was ihre Größe angeht. Manchmal sind sie riesig. Manchmal sind sie nicht größer als Menschen.

Ich war zum Glück nie in Kronos’ Magen, aber ich nehme mal an, die kleinen unsterblichen Babys haben sich ganz klein gemacht. Sie wurden älter, wurden aber nicht größer. Sie waren wie Metallfedern, die immer fester angespannt werden, und sie hofften, dass sie eines Tages erwachsen herauskommen würden. Und jeden Tag beteten sie, dass Kronos sich zum Mittagessen keine scharfe Soße servieren ließ.

Die arme Rhea. Kronos wollte es unbedingt noch einmal versuchen.

»Beim nächsten Kind wird alles besser«, versprach er. »Keine Babys mehr zum Frühstück!«

Das dritte Kind? Wieder ein Mädchen. Rhea nannte sie Hera, und sie war die bisher untitanischste, göttlichste. Rhea war wirklich die Große Mutter. Sie machte ihre Sache sogar ein bisschen zu gut. Jedes ihrer Kinder war mächtiger und besser als das davor.

Rhea wollte Kronos die kleine Hera nicht zeigen, aber es war damals eben so Brauch. Dad musste das Baby auf den Arm nehmen. Das war ein Naturgesetz, auf dem Themis immer bestand. (Es gab auch ein Naturgesetz, das es verbot, die eigenen Babys zu fressen, aber Themis traute sich nicht, das Kronos gegenüber zu erwähnen.)

Und so nahm Rhea all ihren Mut zusammen. »Mein Herr und Gemahl, darf ich dir deine Tochter Hera vorstellen?«

SCHLUCK!

Diesmal verließ Rhea den Thronsaal ohne einen hysterischen Anfall. Sie war viel zu betäubt vor Schmerz und Elend und Unglauben. Sie hatte einen pathologischen Lügner geheiratet, der noch dazu ein Mörder und kannibalischer Babyfresser war.

Konnte es also noch schlimmer kommen?

Aber Moment! Er war auch der König des Universums und hatte eine Menge mächtiger Schläger, deshalb konnte sie nicht zurückschlagen oder weglaufen.

Ja. Es konnte noch schlimmer kommen.

Noch zweimal brachte sie perfekte, wunderbare kleine Götter zur Welt. Der vierte war ein Junge namens Hades. Rhea hoffte, Kronos werde ihn am Leben lassen, denn jeder Dad wünscht sich doch einen Jungen zum Fangenspielen, oder? Nix da. Rein in den Schlund, Kumpel!

Das fünfte Kind war wieder ein Junge, Poseidon. Also noch mal dasselbe. Runter damit.

Jetzt floh Rhea aus dem Palast. Sie weinte und jammerte und wusste sich keinen Rat. Sie ging zu ihren Brüdern und Schwestern, ihren Nichten und Neffen, zu allen, die ihr zuhören mochten. Sie flehte um Hilfe. Die anderen Titanen hatten entweder zu große Angst vor Kronos (wie Themis) oder sie arbeiteten für Kronos (wie Hyperion) und sagten ihr, sie solle nicht so herumflennen.

Schließlich besuchte Rhea ihre Schwester Phoebe beim Orakel von Delphi, aber leider war auch das Orakel keine Hilfe. Rhea rannte zur nächstbesten Wiese, ließ sich auf den Boden fallen und fing an zu weinen. Plötzlich hörte sie aus der Erde ein Flüstern. Es war die Stimme von Gaia, denn nicht einmal im Schlaf konnte die Erdmutter die Klagen ihrer wunderschönen Tochter ertragen.

Wenn die Geburt deines nächsten Kindes unmittelbar bevorsteht, flüsterte Gaia, bring es auf Kreta zur Welt. Dort wirst du Hilfe finden. Dieses Kind wird seine Geschwister retten!

Rhea schniefte und versuchte, sich zusammenzureißen. »Wo ist Kreta?«

Das ist eine Insel im Süden, sagte Gaias Stimme. Fahre auf dem Ionischen Meer bis ungefähr Kalamata. Dann biegst du nach links ab und – weißt du, was? Das findest du schon.

Als es dann so weit war und Rheas Bauch sehr dick wurde, holte sie einige Male tief Luft, sammelte sich und watschelte in den Thronsaal.

»Mein Gemahl Kronos«, sagte sie. »Ich geh jetzt nach Kreta. Ich komm dann mit dem Baby zurück.«

»Kreta?«, Kronos runzelte die Stirn. »Warum Kreta?«

»Äh, na ja«, sagte Rhea. »Du weißt doch, dass Koios und Phoebe manchmal für einen Moment in die Zukunft blicken können?«

»Ja?«

»Ich wollte die Überraschung nicht verderben, aber sie haben gesagt, wenn ich das Kind auf Kreta bekomme, wird es dir am besten von allen gefallen. Und natürlich, mein Gemahl, will ich nichts mehr, als dass es dir gefällt.«

Kronos runzelte die Stirn. Er war misstrauisch, aber er dachte auch: He, ich habe fünf Kinder gefressen und Rhea ist noch immer hier. Wenn sie irgendwelche Gemeinheiten plante, hätte sie die schon längst ausgeführt.

Außerdem konnte er jetzt auch nicht mehr so klar denken. In seinen Eingeweiden zappelten fünf junge Götter herum und kämpften um Platz, deshalb hatte er immer das Gefühl, gerade eine Riesenmahlzeit verdrückt zu haben und sich eine Runde hinlegen zu müssen.

Ich meine, fünf Götter in einem Magen – Himmel. Das reicht doch für eine Doppelpartie Tennis samt Schiri. Sie waren jetzt schon so lange da unten, dass sie sicher hofften, Kronos würde bald ein Kartenspiel oder ein Monopoly verschlucken.

Jedenfalls sah Kronos Rhea an und fragte: »Du bringst mir das Baby dann sofort?«

»Natürlich.«

»Na gut. Dann los. Wo liegt Kreta?«

»Weiß nicht so genau«, sagte Rhea. »Ich find es schon.«

Und so war es dann auch. Als sie erst einmal da war, kamen sofort einige hilfsbereite Nymphen, die ebenfalls Gaias Stimme gehört hatten. Sie führten Rhea in eine gemütliche verborgene Höhle zu Füßen des Bergs Ida. Der Bach der Nymphen floss ganz in der Nähe vorbei, deshalb hatte Rhea genug frisches Wasser. Im fruchtbaren Wald gab es jede Menge zu essen.

Ja, ich weiß: Unsterbliche ernähren sich vor allem von Nektar und Ambrosia, aber in einer Notlage können sie auch andere Dinge essen. Es würde doch keinen Spaß machen, ein Gott zu sein, wenn man nicht ab und zu eine Pizza genießen dürfte.

Rhea bekam einen gesunden kleinen Gott. Er war das schönste und perfekteste Baby bisher. Rhea nannte ihn Zeus, was, je nachdem, wen man fragt, entweder »Himmel« oder »glänzend« oder schlicht »lebendig« bedeutet. Ich bin eigentlich für Letzteres, denn ich stelle mir vor, dass Rhea jetzt nur noch eines für dieses Kind wollte – es am Leben zu erhalten und vor feindlichen Mägen zu bewahren.

Zeus fing an zu weinen, vielleicht, weil er die Angst seiner Mutter spürte. Das Geräusch hallte in der Höhle wider und war auf der ganzen Welt zu hören. So laut, dass alle – auch die Titanenmutter – wussten, dass ein Baby geboren worden war.

»Ach, wunderbar«, murmelte Rhea. »Ich habe doch versprochen, das Kind sofort zu Kronos zu bringen. Und jetzt wird Kronos mitbekommen, dass es wieder mal Kinderfresszeit ist.«

Der Boden der Höhle dröhnte. Ein riesiger Stein hob sich aus dem Lehm – ein glatter ovaler Stein, der genauso groß war und genauso viel wog wie ein frisch geborener Gott.

Rhea war nicht dumm. Sie wusste, das hier war ein Geschenk von Gaia. Normalerweise wärt ihr ja nicht gerade begeistert, wenn eure Mom euch einen Felsbrocken schenkte, aber Rhea begriff sofort, was sie damit machen sollte. Sie wickelte den Felsbrocken in Windeln und überließ das echte Baby Zeus bis auf weiteres den Nymphen. Sie hoffte nur, den Trickbetrug durchziehen zu können, wenn sie erst im Palast wäre.

»Ich werde, sooft ich kann, zu Besuch kommen«, versprach Rhea den Nymphen. »Aber wie werdet ihr für das Baby sorgen?«

»Mach dir keinen Kopf«, sagte Neda, eine der Nymphen. »Wir können ihm Honig von den Bienen hier geben. Und Milch bekommen wir von einer umwerfenden unsterblichen Ziege.«

»Wovon bitte?«, fragte Rhea.

Die Nymphen schleppten die Ziege Amaltheia an, die hervorragende magische Ziegenmilch in vielen Geschmacksrichtungen lieferte – sogar fettarm, Schokolade und Muttermilchersatz.

»Nette Ziege«, gab Rhea zu. »Aber was ist, wenn das Baby weint? Kronos hört da oben auf dem Othrys unvorstellbar gut. Euch ist vielleicht schon aufgefallen, was dieser Kleine hier für ein lautes Organ hat. Kronos wird Verdacht schöpfen.«