Perry Rhodan 142: Der Psi-Schlag (Silberband) - H. G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 142: Der Psi-Schlag (Silberband) E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Der endgültige Kampf um die Endlose Armada steht bevor. Perry Rhodan und seine Begleiter an Bord der Galaktischen Flotte treten gegen die Armadaschmiede an. Beide wollen den gigantischen Heerwurm aus Millionen von Raumschiffen, der seit Äonen durch das Universum zieht, unter ihre Kontrolle bringen.   Das Ziel der Endlosen Armada liegt in weiter Ferne; gesucht wird der legendäre Frostrubin. Als ein Herz der Armada erweist sich das sogenannte Loolandre. Dort stellt sich dem Kommandounternehmen der Menschen ihr übermächtiger Feind entgegen.   Zwischen kosmischen Geheimnissen und uralten Hinterlassenschaften müssen Rhodan und seine Gefährten um ihr Leben kämpfen. Dann zünden die Armadaschmiede eine verheerende Waffe – es ist der Psi-Schlag. Doch auch das kann die Terraner nicht zurückhalten. In der legendären Halle der Sterne kommt es zum Finale ...

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Nr. 142

Der Psi-Schlag

Cover

Klappentext

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-30

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

Kapitel 31-41

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Der endgültige Kampf um die Endlose Armada steht bevor. Perry Rhodan und seine Begleiter an Bord der Galaktischen Flotte treten gegen die Armadaschmiede an. Beide wollen den gigantischen Heerwurm aus Millionen von Raumschiffen, der seit Äonen durch das Universum zieht, unter ihre Kontrolle bringen.

Das Ziel der Endlosen Armada liegt in weiter Ferne; gesucht wird der legendäre Frostrubin. Als ein Herz der Armada erweist sich das sogenannte Loolandre. Dort stellt sich dem Kommandounternehmen der Menschen ihr übermächtiger Feind entgegen.

1.

An Bord der BASIS herrschte extreme Anspannung. Nach dem vergeblichen Versuch, das Leben der Clansmutter zu retten, setzte die Galaktische Flotte ihren für wenige Tage unterbrochenen Flug durch die Lichtsphäre fort. Die Menschen brannten darauf, endlich das Loolandre zu sehen und seine Geheimnisse aufzudecken.

Das galt nicht zuletzt für Nachor von dem Loolandre, den Armadaprinzen. Seit die BASIS an der Spitze der Galaktischen Flotte und der Kranen wieder Fahrt aufgenommen hatte, musterte Nachor immer öfter das große Panoramaholo.

Perry Rhodan saß neben Waylon Javier an der erhöhten Kommandokonsole. Soeben baute sich ein Holo vor ihm auf – ein grün leuchtendes »H«, das Signet der Hamiller-Tube.

»Was gibt es?«, fragte der Terraner.

»Die allgegenwärtige durchdringende Helligkeit wurde analysiert«, antwortete die Hauptpositronik. »Es handelt sich um normales Licht, Quanten und Wellenfunktion sind unbenommen. Trotzdem steht es im Widerspruch zu allen bekannten Naturgesetzen. Es dringt in den Hyperraum ein und beeinträchtigt zunehmend alle Messungen.«

Waylon Javier räusperte sich. »Das war zu erwarten«, bemerkte er. »Wir wissen längst, wie wirksam das Armadaherz abgesichert ist.«

»Da ist etwas!«, sagte Nachor von dem Loolandre. »Vor uns. Ich fühle es.«

»Die Ortung liefert kaum brauchbare Ergebnisse«, wandte die Hamiller-Tube ein. »Ich versuche dennoch, das Geschehen darzustellen.«

Nach wenigen Sekunden erschien im Hintergrund der Wiedergabe etwas, das optisch einer zu dünnen Filamenten zerfaserten Nebelwolke glich.

Rhodan runzelte die Stirn. Sollte dieser vage Nebel das Loolandre sein? Er fürchtete plötzlich, das Armadaherz könnte sich aufgelöst haben, sodass nur mehr ein unbedeutender Rest davon existierte.

Aber schon im nächsten Augenblick fügten sich neue Filamente hinzu und schattenhafte Gebilde füllten die Lücken zwischen den ersten Nebelfetzen. Es sah aus, als breite sich dort im Weltraum mit zunehmender Geschwindigkeit eine lebende Struktur aus.

Perry Rhodan empfand tiefe Zufriedenheit. Das Loolandre hatte sich nicht aufgelöst und war weiterhin als beachtlich große Struktur vorhanden. Damit wuchs die Aussicht, das Armadaherz reaktivieren zu können.

Der Nebel dehnte sich unaufhörlich weiter aus. Rhodan fing an, darüber nachzudenken, ob er die eigenen Möglichkeiten maßlos überschätzt hatte. Diese Struktur wies kosmische Dimension auf. Die Galaktische Flotte würde niemals ausreichen, es zu erforschen, geschweige denn, es eines Tages zu kontrollieren.

»Wie weit ist der Nebel entfernt, Hamiller?«

»Dreieinhalb bis sieben Lichtstunden. In dem Bereich liegen jedenfalls die Werte, die mit der Hyperortung ermittelt werden.«

»Unsere Geschwindigkeit?«

»Achtundsiebzig Prozent Licht, Sir.«

»Also können wir beruhigt einige Zeit weiterfliegen«, wandte Rhodan sich an Waylon Javier.

»Das denke ich ebenfalls«, bestätigte der Kommandant der BASIS.

Beide lächelten befreit, als hätten sie eine Zauberformel ausgesprochen und die erdrückende Wirkung der gigantischen Ausdehnung des Loolandre beiseitegewischt. Verhaltenes Lachen und zaghafter Beifall klangen durch die Zentrale; Zuversicht breitete sich aus.

»Ich danke euch!«, rief Perry Rhodan. »Ihr alle habt es ermöglicht, dass wir dieses Ziel erreichten.«

»Das ist das Loolandre, meine Heimat«, erklärte der Armadaprinz versonnen.

»Du erkennst es wieder?«

»Ich fühle, dass dem so ist.« Mit aufwallender Erregung fügte Nachor hinzu: »Ich erinnere mich, dass das Loolandre identisch mit Armadaeinheit Eins ist – mit dem Armadaherzen.«

Einige Frauen und Männer klatschten Beifall – und mitten hinein brandete das misstönende Heulen des Alarms.

»Starke energetische Aktivitäten vor dem Hintergrund des Loolandre!«, meldete die Hamiller-Tube. »Die Auswertung zeigt, dass eine zahlenmäßig große Flotte Fahrt aufnimmt. Die Emissionen stammen von Goon-Blöcken.«

»Also handelt es sich um Einheiten der Endlosen Armada«, stellte Rhodan fest. »Vermutlich eine Wachflotte. Ich hoffe, dass Nachor als autorisiert anerkannt wird ...«

Die Schiffe der Galaktiker und der Kranen bremsten gleichmäßig bis auf vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit ab. Gefechtsalarm war ausgelöst, wenngleich niemand ernsthaft einen Angriff erwartete. Die Ereignisse bei den Pforten und im Vorhof des Loolandre hatten gezeigt, dass keineswegs schwere Geschütze nötig waren, um diesen Raumsektor zu schützen.

Die Ortung erfasste die ersten Schiffsverbände.

»Es sind Einheiten der Barbarenwellen«, gab die Hamiller-Tube bekannt. »Knapp hunderttausend, aber unaufhörlich werden weitere Schiffe erfasst. Ihre Flugmanöver lassen erkennen, dass sie sich zu einer tief gestaffelten Front entfalten und uns zangenförmig umfassen werden.«

Gucky materialisierte.

»Bis hier und nicht weiter!«, rief der Mausbiber schrill und deutete auf das Gewimmel von Reflexpunkten im Panoramaholo. »Die Drohung ist nicht zu übersehen, Perry. Wie lange willst du warten?«

Rhodan hob beschwichtigend die Hände. »Wir stoppen bis zum relativen Stillstand! Mal sehen, wie die Barbaren darauf reagieren.«

»Mittlerweile sind es mehr als zweihunderttausend Schiffe«, ließ Hamiller vernehmen. »Die Zahl steigt extrem schnell an.«

Nur Minuten später waren es schon dreihunderttausend.

Ras Tschubai materialisierte neben Gucky, und Perry Rhodan musterte die beiden Teleporter nachdenklich. »Ich verstehe«, sagte er. »Das ist eure Art, euch für einen Einsatz zu empfehlen. Trotzdem: Es ist zu früh.«

»Fünfhunderttausend«, sagte die Hamiller-Tube. »Weiterhin ist kein Ende abzusehen, wenngleich die vorderen Verbände langsamer werden.«

»Denkst du das Gleiche wie ich, Perry?«, fragte der Mausbiber.

Rhodan nickte bedächtig. »Falls alle achtzehn Barbarenwellen hier erscheinen, wird die von Atlan geführte Flotte dabei sein. Und die SOL ebenfalls, das hoffe ich sogar. Atlan könnte helfen, die Situation zu klären.«

Die Zahl der Torkrotenschiffe wuchs weiter. Erst bei achthundertneunzigtausend blieb sie konstant. Die Geschwindigkeit der Barbarenwellen verringerte sich in gleichem Maß wie die der rund zwanzigtausend galaktischen Einheiten und der Kranen. Schließlich lagen zwischen ihnen nur mehr knapp hundertzwanzig Millionen Kilometer.

»Kein Hinweis auf die SOL«, berichtete Hamiller.

»Aber zehntausend Torkrotenraumer fehlen«, stellte Gucky fest.

»Kontaktversuche bleiben unbeantwortet«, meldete die Positronik.

»Lasst mich das übernehmen!«, bat Nachor von dem Loolandre.

»Einverstanden«, sagte Rhodan. Er lehnte sich im Sessel zurück und verfolgte, wie der Armadaprinz zum Hyperkom ging und ein Feldmikrofon aktivierte. Nachor redete minutenlang – und gab schließlich resignierend auf.

Rhodan seufzte. »Wie hieß dieser Meisterpilot, der mich auf Vrugg mit der Raumlinse in voller Fahrt von der oberen Polkuppel der THUNDERWORD gefischt hat?«

»Andrew Denkbar, Sir«, antwortete die Hamiller-Tube. »Goldmedaillengewinner bei der letzten Bordolympiade der BASIS. Er hat den Titel eines Meisterpiloten aller Klassen.«

»Andrew soll sich bei mir melden!«

»Ich hole ihn«, erklärte Gucky und teleportierte.

Nur Sekunden später war er wieder da. Neben ihm stand ein knapp zwei Meter großer, schlanker Mann, der verwirrt und interessiert zugleich wirkte. Er trug einen SERUN, hatte den Helm aber nicht geschlossen.

»Pilot Andrew Denkbar zur Stelle!«

Rhodan musterte den Mausbiber. »Manchmal entwickelst du geradezu hellseherische Gaben, Kleiner«, stellte er fest.

»Ich wollte uns Zeit und Mühe sparen, Perry«, sagte Gucky. »Zeit ist mitunter kostbar.«

Rhodan wandte sich an den Piloten: »Du weißt, um was es geht, Andrew?«

Denkbar nickte knapp. »Start mit einem Kleinraumschiff. Den Barbarenwellen, achtzehn müssen es wohl sein, ausweichen und Kontaktaufnahme mit der SOL, falls vorhanden.«

»Und das, ohne einen Kratzer abzubekommen«, ergänzte Rhodan schmunzelnd. »Welches Beiboot hast du bereitstellen lassen, Gucky?«

»THE REAL MCCOY«, antwortete der Ilt. »Eine Space-Jet.«

»DER WAHRE JAKOB.« Rhodan biss sich auf die Unterlippe, dann wandte er sich an den Armadaprinzen: »Kommst du mit?«

»Ich bin dabei«, erklärte Nachor von dem Loolandre.

Andrew Denkbar steuerte die Space-Jet mit knapp neunzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit unter den linken Flügel der Barbarenwellen. Ohne Ankündigung ging er in den Hyperraum.

»Die Hamiller-Tube hat Überlichtmanöver innerhalb der Lichtsphäre als riskant bezeichnet«, sagte Perry Rhodan heftig. »Ist dir das nicht bekannt?«

»Doch«, antwortete der Pilot.

»Warum dann diese Eigenmächtigkeit?«

»Ich hatte Angst.«

»Angst?«, echote der Unsterbliche.

»Vor den Barbaren.«

»Aha ...« Rhodan setzte zu einer harschen Zurechtweisung an, schwieg aber, weil er Guckys verstohlenes Grinsen bemerkte. Der Ilt amüsierte sich – über ihn, nicht über den blassgesichtigen Meisterpiloten.

Nach einer halben Stunde fiel die Space-Jet in den Normalraum zurück. Die Instrumente zeigten vor ihr eine zerklüftete Wand, die sich nach allen Seiten bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien.

Denkbar bremste mit Maximalwert ab. Es reichte nicht. Die Space-Jet stürzte auf die Wand zu, kurvte plötzlich durch ein Gewirr aus Strukturen, die wie gigantische erstarrte Nebelfäden im Raum hingen, und entfernte sich nach einigen Minuten von ihnen. Hinter ihr blieb eine scheinbar undurchdringliche Wand zurück.

»Das war knapp, Andrew«, sagte Rhodan. »Meinst du das nicht auch?«

»Eigentlich wollte ich eine halbe Lichtstunde vor dem Loolandre in den Normalraum zurückkehren«, erklärte Denkbar. »Der Überlichtflug muss von unbekannten Kräften beeinflusst worden sein.«

»Immerhin sind wir dadurch erst einmal dem Zugriff der Barbaren entgangen«, wandte Ras Tschubai ein.

»Unsere Position?«, fragte Rhodan.

»Zwischen den Barbarenwellen und dem Loolandre«, antwortete der Pilot.

»Und wo steht die SOL?«, erkundigte sich der Armadaprinz.

»Ich sehe keine SOL«, mischte sich Ras Tschubai ein. »Nur undefinierbare Formeln.«

»Sie sind ein Hinweis auf die SOL«, behauptete Andrew Denkbar. Erklärend fügte er hinzu: »Es handelt sich um die Energieabdrücke von zehntausend Torkrotenschiffen. Sie umgeben den Hantelraumer in sphärenförmiger Formation.«

Rhodan entschied sich, dem Piloten in jeder Hinsicht zu vertrauen. Roi Danton hatte ihm wahre Wunderdinge über den Meisterpiloten berichtet. Auch wenn einiges davon wie Raumfahrergarn klang, Andrew Denkbar schien auf jeden Fall ein ungewöhnliches Talent zu sein.

»Eigentlich wissen wir jetzt schon, was wir herausfinden wollten«, bemerkte der schlanke Mann nach einigen Augenblicken. »Die SOL ist mattgesetzt und wird scharf bewacht. Wir sollten umkehren.«

Rhodan nickte zögernd. »Die Silbernen sind uns offenbar zuvorgekommen und setzen die Barbarenwellen ein, um uns vom Loolandre fernzuhalten. Ich will dennoch versuchen, Kontakt mit Atlan zu erhalten.«

Er runzelte die Stirn, weil Denkbar die Space-Jet jäh in eine enge Linkskurve zog und beschleunigte.

»Triebwerksaktivitäten der Torkrotenschiffe, Sir!«, erklärte der Pilot. »Sie haben uns entdeckt und werden uns jagen.«

Perry Rhodan verlangte eine Ortungsauswertung von der Positronik. Die Daten bestätigten Denkbars Aussage.

»Ziehen wir uns also zurück, wenn auch nur vorläufig«, akzeptierte Rhodan die Handlungsweise des Piloten. »Wir müssen herausfinden, was hier gespielt wird – je eher, desto besser.«

2.

Die Space-Jet kippte um neunzig Grad. Zugleich zwang der Pilot den Diskus in eine enge Kurve, reizte die Absorber dabei bis an die Belastungsgrenze aus. Mehr als ein grelles Aufblitzen in unmittelbarer Nähe war nicht zu erkennen. Die Ortung zeigte aber deutlich die schweren Impulsstrahlen, die das kleine Beiboot nur knapp verfehlten.

Die Jet raste einem mehrere Hunderttausend Kilometer entfernten Objekt entgegen.

»Ein unbekanntes Schiff«, sagte Denkbar. »Ich habe Kurs darauf genommen, weil ich es leid bin, ständig neuem Beschuss ausweichen zu müssen.«

»Wir liegen tatsächlich nicht länger unter Feuer«, stellte Gucky gleich darauf fest. »Demnach haben unsere Verfolger das andere Schiff als ihren Verbündeten identifiziert.«

»Eine Einheit der Armadaschmiede?«, fragte Rhodan.

Denkbar winkte ab. »Es hat die Form zweier an den Rändern verschweißter Buckelschilde, ein uns bislang unbekannter Typ. Da es unbehelligt bleibt, nehme ich an, dass es zur Endlosen Armada gehört. Übrigens erfasst die Ortung drei weitere klare und mehrere vage Signaturen.«

Die THE REAL MCCOY kam dem ersten Schiff schon nahe. Von der Bordpositronik generierte Aufrisse ließen zahlreiche Goon-Blöcke erkennen – der Beweis dafür, dass es sich um ein Schiff der Endlosen Armada handelte.

Die Space-Jet schoss wenige Kilometer an dem gewaltigen Raumer vorbei, drehte jäh in die Höhe und passierte zehn Sekunden danach das nächste fremde Schiff. Denkbar flog einen erratischen Kurs und ließ die Jet völlig unmotiviert über zwei querab stehende Schiffe »springen«.

»Unsere Verfolger sind vor dem Pulk nach drei Seiten aufgefächert«, stellte er eher beiläufig fest. »Ich denke, wir haben sie fürs Erste abgehängt.«

Die Space-Jet beschleunigte.

»Du hast hoffentlich nicht vergessen, dass wir Kontakt mit der SOL beziehungsweise mit Atlan haben wollen«, mahnte Perry Rhodan.

»Ich überlege, wie wir die SOL wiederfinden, ohne erneut den Torkroten in die Quere zu kommen.« Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand rieb Denkbar sich die Nasenflügel. »Wir sollten eine kurze Überlichtphase einschieben.«

»Obwohl hier unbekannte hyperphysikalische Kräfte wirksam sind, die kontrollierte Überlichtflüge unmöglich machen?«, wandte Rhodan ein.

»Gerade deswegen. Ich würde gern herausfinden, ob die Abweichungen kalkulierbare Gesetzmäßigkeiten erkennen lassen.«

»Gut!«, stimmte Rhodan zu. »Aber jeweils nur kurze Überlichtphasen!«

Andrew Denkbar programmierte bereits die Vektorierung des Metagrav-Vortex mit Distanz und Geschwindigkeit. »Anderthalb Lichtstunden«, murmelte er. »Geschwindigkeit im Hyperraum dreißigfach Licht. Werte bleiben gespeichert und damit reproduzierbar.«

Die Space-Jet wurde schneller, weil das Schwerkraftzentrum am Hamiller-Punkt eine stärker werdende Anziehung ausübte. Kurze Zeit später entstand das Pseudo-Black-Hole, durch das der Diskus in den Hyperraum eindrang.

Nur Minuten vergingen. Eineinhalb Lichtstunden von dem Eintauchpunkt entfernt fiel THE REAL MCCOY in den Normalraum zurück.

Ringsum wimmelte es von Armadaschleppern unterschiedlichster Größe ...

Der Kollisionsalarm schrillte. Wie durch ein Wunder entging die Space-Jet einem verheerenden Aufprall. Der Paratronschirm streifte einige große Armadaschlepper und schleuderte Fragmente von ihnen in den Hyperraum. Es war ein Albtraum, der ebenso abrupt endete, wie er angefangen hatte.

Minuten später trudelte das Beiboot mit nur noch wenigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit durch die Lichtsphäre. Ohne das sofort eingeleitete Bremsmanöver wäre die Jet unweigerlich in die Katastrophe gerast.

Gucky seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Augen.

»Diesmal habe ich schon die Engel singen hören.« Gucky sah sich um. »Weit und breit alles leer. Aber wir mussten ausgerechnet in diesen Schlamassel zurückfallen?«

»Vielleicht werden in diesem Bereich so nahe am Loolandre Hyperraumflüge über Massekonzentrationen beeinflusst«, vermutete Nachor von dem Loolandre. »Ich erinnere mich an nichts. Trotzdem weiß ich gefühlsmäßig, dass dort meine Heimat ist.« Er sah mit seinem Facettenauge suchend zur Transparentkuppel auf, die sich über die kleine Zentrale spannte. »Irgendein Anstoß, hoffe ich, wird meine Erinnerungen zurückbringen.«

»Im Vorbeiflug habe ich einen kleinen Goon-Block mit den Traktorstrahlen eingefangen«, warf Denkbar ein. »Vielleicht, wenn wir den Block untersuchen ...«

»Du hattest tatsächlich die Nerven, einen der Armadaschlepper einzufangen.« Perry Rhodan nahm einige Schaltungen der Außenbeobachtung vor. Der Goon-Block trieb in geringem Abstand schräg hinter der Jet. Er war etwa vier Meter lang, höchstens drei breit und hatte etwas mehr als Mannshöhe.

»Da wir keinen Shift an Bord haben, ist der Laderaum leer. Schleusen wir den Kasten dort ein und untersuchen ihn, solange wir in Ruhe gelassen werden.«

Denkbar nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Die Feinarbeit überließ er diesmal der Positronik.

Gucky rutschte aus seinem Sessel und ging zu Rhodan. »Springen wir?«, fragte er.

Der Terraner nickte und griff nach der Hand, die ihm der Ilt entgegenstreckte.

In der nächsten Sekunde standen sie beide neben dem Goon-Block im Laderaum. Rhodan ließ die Hand des Freundes wieder los.

»Der Block scheint nicht viel mehr als das Triebwerk zu enthalten«, stellte er mit einem schnellen Blick fest. »Es ist nicht einmal eine Steuerkanzel vorhanden. Ein autarkes, kompaktes Teil.«

Gucky deutete auf das Tor in der Seitenwand. Telekinetisch tastete er nach der Verriegelung. Ein leises Klicken erklang, dann glitt das Schott auf.

Rhodan schaltete den Scheinwerfer seines SERUNS ein. Der Durchgang war nicht höher als eineinhalb Meter, der Terraner war gezwungen, sich zu bücken. Der Mausbiber schob ihn telekinetisch ein Stück zur Seite und tappte vor ihm hoch aufgerichtet durch die Öffnung.

»Und?«, drängte Rhodan, weil Gucky unvermittelt stehen blieb. »Warum gehst du nicht weiter?«

»Kein Platz«, antwortete der Ilt. »Hier liegt aller mögliche Kram.«

Er brachte mehrere verpackte Gegenstände zum Vorschein und warf sie, ohne sich umzuwenden, Rhodan zu. In transparenten Hüllen steckten exotische Blumen – falls es sich um Pflanzen handelte. In einem faustgroßen Beutel schimmerten Edelsteine; der eine oder andere davon mutete kristallin an, womöglich waren es Hyperkristalle. In einer länglichen Hülle steckte etwas, das einer Blockflöte ähnelte, anstelle des Mundstücks aber einen eckigen Saugnapf aufwies.

Gucky kam rückwärts aus der Öffnung hervor. Er hielt telekinetisch etwa dreißig Packungen fest und ließ sie vor dem Goon-Block zu Boden sinken.

Rhodan musterte die Ausbeute. »Das könnten Nahrungskonzentrate sein, außerdem Getränke, Früchte, Zier- oder Speicherkristalle und viel Undefinierbares«, zählte er auf. »Nichts von dem, was ich mir gewünscht hätte.«

Gucky hob einen Beutel an, in dem ein Klumpen schwarzer, wurmähnlicher Gebilde zu sehen war.

»Bestimmt eine kulinarische Kostbarkeit. Richtig zubereitet ... Hm? Sobald wir wieder in der BASIS sind, muss ich mich umhören, ob auf einem Schiff unserer Flotte ein bluescher Koch ist. Der könnte bestimmt einiges mit den Würmern anfangen. Ein Festmahl, das uns das Wasser im Mund ...«

»Ich werde einen Koch auftreiben, allein für dich«, versprach Rhodan. »Unter der Voraussetzung, dass du dieses Thema ...«

»Lass es gut sein, Perry! Richtig knackige Mohrrüben sind vielleicht doch besser.«

»Ganz wie du meinst«, sagte Rhodan lächelnd. »Gehen wir in die Zentrale zurück.«

»Die Armadamarketender!«, rief Nachor von dem Loolandre, nachdem Perry Rhodan und der Ilt von dem Fund berichtet und einige der Plastikbeutel vor ihm ausgebreitet hatten. »Warum habe ich nur nicht gleich daran gedacht? Sie erscheinen überall, wo sie mit viel Kunden rechnen können, die ihr Vermögen mit vollen Händen ausgeben.«

»Vermögen?«, fragte Tschubai.

»Kristalle, Edelsteine, Essenzen, Drogen«, antwortete der Armadaprinz. »Alles, was wenig Platz beansprucht und wertvoll ist. Es gibt keine einheitliche Währung in der Endlosen Armada, dafür war nie Bedarf.«

»Damit ist wohl die Frage nach der Ansammlung von Armadaschleppern geklärt«, sagte Rhodan. »Andrew, Neues von der Ortung?«

»Einige undeutliche Emissionen in größerer Entfernung«, antwortete der Pilot. »Und natürlich die rund neunhunderttausend Schiffe der Armadabarbaren. Von der SOL leider keine Spur. Ich schlage eine weitere Überlichtetappe vor.«

»Hinein in den nächsten Aufmarsch von Marketendern?«, fragte Gucky anzüglich. »Wenn die Burschen wenigstens Mohrrüben hätten ...«

»Beides halte ich für unwahrscheinlich«, bemerkte Rhodan. »Haben wir nichts Wichtigeres zu tun, als über Handelsgepflogenheiten zu reden?«

»Ich denke auch, wir sollten eine weitere Überlichtetappe riskieren«, warf Nachor ein. »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, was die Armadaschmiede ausbrüten.«

Rhodan nickte Denkbar zu. »Gut, ich bin einverstanden«, sagte er. »Eine weitere Metagravetappe, aber maximal vier bis fünf Lichtstunden!«

Diesmal gab es keinen automatisch ausgelösten Alarm.

»Ortung schräg voraus!« Andrew Denkbar furchte die Stirn. »Emissionen mehrerer Raumschiffe, sehr undeutlich und nicht identifizierbar. Entfernung etwa vierzig Lichtminuten. Sie verdecken etwas, das durchaus die von den Barbaren bewachte SOL sein könnte. Wir müssten näher heran, um das genau festzustellen.«

»Nicht mit der Space-Jet!«, protestierte Gucky sofort. »Das ist eine Sache für Teleporter. Zumindest für das letzte Stück des Weges«, schränkte er etwas weniger schrill ein.

Rhodan hob abwehrend beide Hände. »Wir wissen, dass in der Lichtsphäre hyperphysikalische Kräfte wirken. Sie könnten Teleportationen über eine größere Distanz ebenso beeinflussen wie Überlichtmanöver.«

»Und wenn schon? Ras und ich sind mit ganz anderen Kräften fertiggeworden. Fehlteleportationen lassen sich korrigieren. Oder?«

Der Afroterraner nickte lächelnd. »Ich denke auch, dass wir den Versuch unternehmen sollten, die SOL mit mehreren Teleportationen zu erreichen. Die Gelegenheit scheint günstig zu sein.«

»Wenn wir zu nahe anfliegen, werden wir vermutlich geortet«, unterstützte der Armadaprinz Tschubai. »Ich stimme Gucky und Ras zu – und ich bitte darum, mitgenommen zu werden.«

Rhodan dachte kurz nach, dann nickte er. »Einverstanden. Ich komme ebenfalls mit. Aber ich weiß nicht, ob wir Andrew allein zurücklassen dürfen.«

»Warum nicht?«, fragte der Pilot spontan. »Ich werde mich bestimmt nicht langweilen.«

»Genau das meinte ich«, sagte Rhodan. »Überraschend angreifende Schiffe der Torkroten. Oder andere, noch unbekannte Gefahren.«

»Wenn es gefährlich wird, ziehe ich mich einfach zurück«, erklärte der Pilot unbeeindruckt. »Später komme ich wieder hierher. Ich sehe da kein Problem.«

Sie waren gemeinsam teleportiert. Perry Rhodan sah eine riesige leuchtend weiße Fläche über sich in der allgegenwärtigen Helligkeit. Er ließ Guckys Hand los, zumal er gezwungen war, sich an dem beindicken Strang festzuhalten, der vor ihm zu der weißen Fläche führte.

Überraschte Ausrufe erklangen im Helmfunk. Der Terraner brauchte nicht zu überlegen, was sich da vor und über ihnen erstreckte – er kannte die Weißen Raben der Endlosen Armada. Die weiße Fläche war die eine Seite des zehn Kilometer langen quadratischen Segels. Und der unebene Grund, auf dem seine Füße wegrutschten, ohne ausreichend Halt zu finden, war der Torso eines Armadamonteurs, der an einer Art Seil hing. Dieses Seil war am unteren Segelrand befestigt.

»Ich empfange wirre Gedanken«, raunte Gucky. »Sie scheinen panische Angst auszudrücken. Nur kann ich damit nichts anfangen.«

Was der Mausbiber meinte, war Rhodan klar. Er esperte die lebende Komponente, die sich in jedem Armadamonteur eines Weißen Raben befand.

»Registrierst du auch andere Gedanken, Kleiner?«, drängte Rhodan. »Von der Besatzung der SOL vielleicht?«

»Nichts dergleichen«, antwortete Gucky. »Die Teleportation ist gründlich schiefgelaufen. In dieser Lichtsphäre rings um das Loolandre wirken nicht nur hyperphysikalische Anomalien, sondern ebenso psionische Kräfte. Ich spüre sie immer deutlicher. Wie ein unverständliches Raunen, als unterhielten sich die Geister von Milliarden Verstorbener. Nein, dieser Vergleich ist unglücklich gewählt. Es ist anders: Ich weiß nur nicht, wie ich es beschreiben soll.«

»Wie weit sind wir ungefähr von der Space-Jet entfernt?«, fragte Nachor.

»Was sollen wir in der Jet?«, entgegnete Gucky verwundert. »Ich dachte, wir suchen die SOL.«

»Beantworte die Frage, bitte!«, drängte Rhodan.

»Es gibt keine zutreffende Antwort«, mischte sich Ras Tschubai ein. »Wir wissen nicht, über welche Distanz wir teleportiert sind, weil der Sprung verfälscht wurde. Deshalb gebe ich Gucky recht. Wir sollten weiter nach der SOL suchen, statt über die Rückkehr zu diskutieren.«

»Genau!«, trumpfte der Ilt auf. »Legt eure Patschhändchen hier am Seil übereinander! Festhalten! Und Ras: Konzentration auf die Zentrale in der SOL-Zelle-1!«

Sie hatten das Gefühl, in einen dunkel gähnenden Schlund zu stürzen. Geschafft!, war Rhodans erster Gedanke, als sie in einer neuen Umgebung materialisierten.

Ernüchterung verdrängte den Moment der Freude. Sie standen zwar in der Zentrale eines Raumschiffs, doch dieses Schiff war nicht die SOL. Das ließ schon der Silberne erkennen, der in einem wuchtigen Sessel an einer Kontrollkonsole saß.

Rhodan griff zum Kombistrahler, den er im Gürtelholster trug. Eine unsichtbare Kraft stoppte ihn. Gucky verhinderte telekinetisch, dass er die Waffe zog.

»Nicht so voreilig!«, raunte der Ilt über Helmfunk. »Mister Silbermann scheint zu schlafen. Der hat unser Kommen verpennt.«

Ein wenig von Rhodans Anspannung wich. Es kam ihm unwirklich vor, dass sie in der Zentrale eines Raumschiffs der Armadaschmiede materialisiert waren. Die Holoschirme der Außenbeobachtung verbreiteten sogar an Bord die stete Helligkeit der Lichtsphäre. Die Wiedergabe zeigte außerdem undeutlich und rätselhaft die Wand des Loolandre.

»Teleportieren wir sofort weiter?«, drängte der Armadaprinz.

Rhodan musterte die beiden Teleporter und las die Antwort in ihren Gesichtern. Tschubai schüttelte leicht den Kopf. Gucky drückte unschlüssig mit dem Nagezahn auf seine Unterlippe.

»Wer weiß, wann sich wieder die Gelegenheit ergibt, dass wir uns in einem Schiff der Armadaschmiede umsehen«, antwortete Rhodan.

»Kurzteleportation?«, sagte Tschubai.

Sie stellten den nötigen Körperkontakt her und fassten einander an den Händen: Rhodan den Ilt und den Armadaprinzen, der wiederum Tschubai, und Tschubai den Ilt. Diese geschlossene Kette war die beste Gewähr dafür, dass sie bei einem Fehlsprung nicht in zwei Gruppen getrennt wurden.

Doch diesmal gab es keine Abweichung. Offenbar verliefen Teleportationen über kurze Strecken unbeeinträchtigt. Sie rematerialisierten in einem langen Korridor, an dessen jenseitigem Ende das Panzerschott der Zentrale zu sehen war.

Vor ihnen bewegten sich mit leisem Summen zwei gegenläufige Transportbänder. Eines trug metallisch glitzernde Haufen heran, die wie zusammengefegter klein gehackter Schrott aussahen, und in unregelmäßigen Abständen sogar die perforierten Torsos kleiner Armadamonteure. Das alles wurde von der Kante eines Abweisers vom Band gestreift und sammelte sich auf dem festen Seitenstreifen des Korridors.

Rhodan drehte den nur fußballgroßen Torso eines der Roboter mit dem Fuß um. »Das Material ist regelrecht zerfressen«, stellte er fest. »Als wäre er unter eine Säuredusche geraten.«

Gucky wühlte unterdessen telekinetisch in einem der Schrotthaufen.

»Das waren komische kleine Viecher«, sagte er. »Erst dachte ich, es wären Spoodies, aber es sind keine. Insekten. Robot-Insekten trifft es wohl am besten. Sie wurden von kleinen Explosionen zerstört.«

Ein lauter Knall dröhnte. Der Boden zitterte leicht. Ein Stück entfernt, dort beschrieb der Korridor offenbar einen Bogen, dehnte sich eine Rauchwolke aus. Prasselnde Geräusche kamen von dort.

»Eine Auseinandersetzung«, vermutete Tschubai. »Wahrscheinlich zwischen kleinen Armadamonteuren und Robot-Insekten.«

»Verschwinden wir von hier, bevor wir hineingezogen werden!«, entschied Rhodan.

Ein helles Singen schrillte misstönend in seinen Ohren, dann knallte etwas gegen seinen Druckhelm. Ein Kreischen hob an, als würde ein altertümlicher Bohrer an einer Stahlbetonwand aufgesetzt.

Rhodan versuchte zuzupacken, da handelte Gucky schon. Telekinetisch riss er ein wenige Zentimeter großes, grün schillerndes Robot-Insekt von Rhodans Helm und schmetterte es auf den Boden.

»Das Biest hätte sich durch den Helm gebohrt!«, rief der Ilt.

Rhodan betastete die Stelle, an der sich der Winzling festgekrallt hatte. Die Rezeptoren des Handschuhs registrierte eine winzige Vertiefung in dem als unzerstörbar geltenden Material. Kein Zweifel, wenn dem Insekt ein wenig mehr Zeit geblieben wäre, hätte es den Helm perforiert – wie die Hüllen der Armadamonteure.

Rhodan starrte das am Boden liegende Gebilde an. Im nächsten Moment zog er den Kombistrahler und schaltete ihn auf Desintegration, denn das Robot-Insekt schraubte sich mit schrillem Ton wieder in die Luft.

Er kam nicht zum Schuss, das Insekt war zu schnell. Eben noch in der Luft, war es im nächsten Moment verschwunden.

»Es sitzt an Nachors Flugaggregat!« Ras Tschubai schlug mit dem Kolben seiner umgedrehten Waffe zu, hatte aber keinen Erfolg.

Wieder griff Gucky ein. Er riss das Robot-Insekt telekinetisch los und schmetterte es zu Boden. Rhodan schoss mit dem Desintegrator darauf, aber erst nach einigen Sekunden zerfiel es unter der auflösenden Energie.

»Nichts wie weg von hier!«, rief Tschubai.

Ein vielfältiges Singen hing plötzlich in der Luft. Alles geschah aberwitzig schnell. Ohne dass sich die Paratronschirme aktivierten, setzten sich mehrere Robot-Insekten auf den SERUNS fest. Das Kreischen der winzigen Bohrwerkzeuge wirkte entnervend. Wütend schlugen die Raumfahrer auf die Angreifer ein, die sich durch ihre SERUNS zu fressen drohten. Sie konnten auf diese Weise nur wenige der kleinen Roboter erledigen, die meisten musste der Ilt telekinetisch entfernen.

Perry Rhodan und seine Begleiter hatten sich noch nicht gänzlich befreit, da sirrte ein ganzer Schwarm Robot-Insekten heran. Hunderte kleiner Armadamonteure schossen hinter den Biestern her, stürzten sich in den Schwarm und verwickelten die winzigen Roboter in hektische Duelle. Deutlich war zu sehen, dass die Monteure mit jedem ihrer vier Tentakelarme einen dünnen goldglänzenden Stab hielten. Sobald sie ein Robot-Insekt damit berührten, platzte es auf und die technischen Innereien quollen heraus.

»Warten wir nicht länger!«, rief Gucky und streckte den Gefährten beide Hände entgegen.

Gemeinsam mit Ras Tschubai teleportierte der Ilt ins Vakuum der Lichtsphäre. Sie hätten froh sein können, den Angreifern so schnell zu entkommen, aber sie waren es nicht. Sie waren nur noch zu dritt.

3.

»Es gibt nicht den geringsten Zweifel.« Zyita Ivory fuhr sich mit den Fingern durch ihr ohnehin zerzaustes Haar. »Die Galaktische Flotte und die Expeditionsflotte der Kranen werden von den Barbarenwellen bedrängt! Dass die Torkroten den Hyperfunk auf allen Frequenzen stören, ist der letzte Beweis dafür.«

»Ich bestreite das gar nicht«, erwiderte Brether Faddon gutmütig.

»Dann unternimm endlich etwas!« Zyita explodierte geradezu.

»Du kannst ja auch ein wenig herumschreien, Brether«, riet Erdeg Teral, der an Tomasons Stelle das Kommando über die SOL-Zelle-2 übernommen hatte. Über Interkom nahm er an der Besprechung in der Zentrale der SOL-Zelle-1 teil.

»Ein wenig!«, entrüstete sich Zyita. »Schreie ich etwa nur ein wenig herum?« Sie merkte, dass sie sich dazu hatte hinreißen lassen, Unsinn zu reden. Plötzlich belächelte sie ihren Übereifer.

»So ist es schon besser.« Faddon seufzte. »Es hat keinen Sinn, dass wir uns die Köpfe heißreden. Fassen wir das Wesentliche unserer Situation zusammen: Erstens, Atlan und Tomason befinden sich in der Gewalt von Armadaschmieden. Das ging aus der Erklärung hervor, die Losridder-Orn nach seiner Rückkehr aus dem Loolandre in einem Funkspruch an alle Barbarenwellen verbreitete. Aus dem Bericht Perry Rhodans nach unserem Zusammentreffen im Vier-Sonnen-Reich kennen wir die Rolle, die die Silbernen in der Endlosen Armada spielen. Sie streben nach der uneingeschränkten Macht über die Armada. Deshalb wollen sie das Armadaherz unter ihre Kontrolle bringen.«

»Was ihnen offenbar gelungen ist«, sagte die kleine blasse Frau mit dem Baby im Arm, die neben Brether Faddon stand.

»Nicht so voreilig, Scoutie!«, mahnte Teral. »Würden sie das Armadaherz schon kontrollieren, hätten sie uns abgeschoben, wenn nicht gar vernichtet. Ich denke, dass die Silbernen vorerst nur testen und sich ihrer Sache keineswegs sicher sind.«

»Das meine ich auch«, sagte Faddon. »Aber weiter mit der Aufzählung. Wir sind von zehntausend Schiffen der Torkroten umzingelt, gelten als Komplizen des Betrügers Atlan und mussten vor der Übermacht kapitulieren. Die Galaktische Flotte und die Kranen sind ebenfalls vor dem Loolandre eingetroffen, doch die Barbarenschiffe versperren ihnen den Weg. Ob sie wissen, dass die SOL hier ist, bezweifle ich. Jedenfalls haben wir keine Möglichkeit, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.«

»Du hast etwas vergessen«, wandte Zyita Ivory ein. »Vor eineinhalb Stunden lösten sich drei Schiffe aus unserer Bewachungsflotte und stießen mit hoher Beschleunigung in den Raum vor. Wenig später maßen wir Energieemissionen an, die auf Waffeneinsatz schließen ließen. Vor wenigen Minuten kehrten die drei Schiffe zurück. Ich denke, dass sie einen Raumer von Rhodans Flotte attackiert haben, der sich uns nähern wollte. Womöglich wurde diese eine Einheit vernichtet. Trotzdem bleiben wir tatenlos. Wir müssen selbst etwas unternehmen.«

»Der Meinung bin ich auch«, sagte Scoutie. »Ich bin davon überzeugt, dass die Galaktische Flotte mehrere Kleinraumschiffe ausgeschickt hat, die Kontakt mit uns aufnehmen sollen. Doch allen droht die Vernichtung, sobald sie sich zu nahe heranwagen. Deshalb müssen wir ihnen jemanden entgegenschicken.«

»Nichts einfacher als das«, kommentierte Faddon ironisch. »Wir bitten unsere Bewacher nur, eine Lücke in ihrer Formation freizugeben und nicht auf das von uns losgeschickte Beiboot zu schießen.« Er hob die Stimme. »Ich höre schon das brüllende Gelächter der Torkroten.«

»Mit gutem Grund«, sagte Scoutie kampfeslustig. »So dämlich dürfen wir uns eben nicht anstellen.«

»Was?«, fuhr Faddon auf.

»Pst!«, raunte Scoutie. »Willst du unser Kind aufwecken, du Rabenvater?«

Erdeg Teral lachte leise. »Ich schlage vor, wir hören uns Scouties Vorschlag an, wenn sie einen zu machen hat.«

»Meinetwegen!« Brether Faddon seufzte.

»Wir veranstalten eine Meuterei«, erklärte Scoutie. »So gut gespielt, dass wir die Torkroten damit überzeugen können. Also echte Explosionen, Schusswechsel und was dazugehört, dass es eben von den Torkrotenschiffen angemessen werden kann. Dann funken die Meuterer unsere Bewacher an, erklären die Absetzung der Atlan-Anhänger und die Unterstellung der SOL unter den Befehl des Armadaherzens als ihr Ziel, und bitten um passive Unterstützung. Eine Zeit lang danach werden die Kämpfe heftiger, die Meuterer bitten um Hilfe und schließlich um Asyl. Wenn anschließend unter dramatischen Umständen eine Space-Jet aus der SOL flieht und vom Mutterschiff beschossen wird, müssen die Torkroten denken, dass überlebende Meuterer bei ihnen Schutz suchen wollen. Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass sie ein Schiff potenzieller Verbündeter abschießen – und wenn sie merken, dass sie an der Nase herumgeführt wurden, wird es für eine Verfolgung zu spät sein.«

»Trotzdem wäre das ein Risiko-Kommando«, wandte Faddon ein. »Ich weiß nicht, wen ich dafür einteilen soll.«

»Niemanden«, sagte die Betschidin. »Dafür kommen nur Freiwillige infrage. Ich melde mich hiermit für das Kommando.«

»Du?« Faddon schüttelte fassungslos den Kopf. »Das ist nicht dein Ernst?«

»Wofür wurden wir in der Flotte des Herzogtums von Krandhor intensiv ausgebildet?«, drängte Scoutie.

»Ich bin ebenfalls dabei«, sagte Zyita Ivory, die Kommandantin der SOL-Zelle-1.

»Ich auch«, erklärte Helen Almeera, die erst vor wenigen Minuten die Zentrale betreten hatte. »Ihr werdet eine erstklassige Bordschützin brauchen.«

»Ihr seid verrückt!«, brauste Faddon auf.

»Wir tun nur das, was Atlan auch tun würde, wäre er hier«, stellte Scoutie klar.

Faddon schluckte. »Dann bin ich auch so verrückt wie ihr«, sagte er heftig. »Ich übernehme das Kommando.«

»Ah!«, machte Scoutie. »Du kannst nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Solange Atlan nicht hier ist, hast du das Kommando über die SOL – und diese Verantwortung ist schwer genug. Schließlich musst du die Torkroten davon überzeugen, dass auf der SOL tatsächlich eine Meuterei stattgefunden hat. Sie werden annehmen, dass alles eine abgekartete Sache war – und werden entsprechend wütend sein.«

Faddon wurde blass. »Sie werden die SOL unter Feuer nehmen«, sagte er tonlos.

»Nicht, wenn du perfekt bist«, widersprach Scoutie. »Ich vertraue dir.«

»Ihr habt mich reingelegt!«, ächzte Faddon. »Das war zwischen euch abgesprochen.«

»Mit keinem Wort«, erklärte Zyita.

»Das ist alles Wahnsinn.« Anklagend deutete Faddon auf das Baby. »Und was ist mit ihm? Du kannst ihn nicht mitnehmen.«

»Selbstverständlich nicht«, bestätigte Scoutie. »Ich vertraue ihn dem Menschen an, der sein Herzblut für ihn opfern würde, seinem Vater. Pass gut auf ihn auf, Brether!«

Panheddor-Xar reagierte verärgert, als Dorsaddar-Zin, der Astrogator des Flaggschiffs, über Energieausbrüche an Bord der SOL berichtete. Das Geschehen deutete auf eine bewaffnete Auseinandersetzung innerhalb der Besatzung des großen Hantelraumschiffs hin.

»Mich interessiert nicht, ob sich auf der SOL interne Machtkämpfe abspielen«, erklärte der Kommandant seinem Stellvertreter. »Ich habe nur dafür zu sorgen, dass die SOL an dieser Position bleibt und keinen Kontakt mit der Galaktischen Flotte aufnimmt.«

»Ich habe dich pflichtgemäß informiert!«

»Schon gut.« Panheddor-Xar verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und starrte grimmig auf die Holos, die mehrere der eigenen Schiffe und die SOL zeigten. Das Kommando über die zehntausend Einheiten, die die SOL bewachten, behagte ihm nicht. Er haderte mit dem Schicksal, das ihn in diesen Raumsektor verbannt hatte. In vorderster Front der Galaktischen Flotte gegenüberzustehen und zu beweisen, was in ihm steckte, sobald es zum Kampf gegen die Terraner kam, das wäre sein Wunsch gewesen.

»Die Energieausbrüche nehmen zu«, meldete Dorsaddar-Zin. »Auf der SOL haben sich schwere Explosionen ereignet. Wenn die so weitermachen, verwandeln sie ihr Schiff in ein Wrack.«

Panheddor-Xars Stimmung besserte sich schlagartig. »Das wäre gar nicht schlecht. Dann brauchten wir uns nicht länger um sie zu kümmern.« Mit den Zähnen knirschend, wandte er sich Dorsaddar-Zins Station zu.

»Kämpfe und Explosionen, weit über das Schiff verteilt«, stellte er nach einer Weile im Selbstgespräch fest. »Wenn Atlan dort wäre, hätte sich das nie ereignet. Schade, dass er kein echter Bote war, sondern ein Betrüger. Er wusste jedenfalls genau, was er wollte – und er hatte seine Leute im Griff. Dazu seine kämpferischen Qualitäten.« Verstohlen rieb er sich den Nacken, der manchmal schmerzte, seitdem Atlan ihn mit einem geschickten Wurf aufs Kreuz gelegt hatte.

»Funkspruch von der SOL!«, meldete der Funker. »Normal lichtschnell. An uns gerichtet.«

»Im Armadaslang?«

»Ja, Kommandant«, antwortete der Funker. »Ich blende um.«

»Widerstandsgruppe SOL an Barbareneinheiten«, erschien ein holografischer Schriftzug. »Wir sind zum Kampf gegen die Anhänger des Betrügers angetreten. Unser Ziel ist die Unterstellung der SOL unter den Befehl des Armadaherzens. Wir haben schwere Verluste, trotzdem werden wir siegen. Verzichtet bitte darauf, zu intervenieren. Es würde unseren Stolz verletzen.«

»Kampf ...«, röhrte Panheddor-Xar. »Am liebsten würde ich mit einem Trupp unserer Kämpfer die SOL entern und Atlans Anhängern zeigen, was ein richtiger Kampf ist. Aber die Rebellen haben recht. Ihr Sieg wäre wertlos, wenn sie ihn nicht allein erringen würden.«

»Und wenn sie unterliegen?«, fragte Dorsaddar-Zin.

Panheddor-Xar lachte schallend. »Dann sterben sie wenigstens als Helden. Ihre Gegner hätten sich als die besseren Kämpfer erwiesen.«

»Die Rebellen sind unsere potenziellen Verbündeten ...«

»Und wenn schon! Der Sinn jedes Kampfes heißt siegen oder sterben.«

Die angemessenen Energieausbrüche wurden heftiger. Mit der Zeit konzentrierte sich das Kampfgeschehen auf eine der beiden Kugelzellen.

»Neuer Funkspruch von der SOL!«, rief der Funker.

»Widerstandsgruppe SOL an Barbareneinheiten«, erschien der Text vor Panheddor-Xar. »Wir erliegen der Übermacht des Gegners und müssen fliehen. Gebt uns Feuerschutz und gewährt uns Asyl!«

»Sie wollen mit einem Beiboot entkommen!«, sagte Dorsaddar-Zin. »Die Atlan-Anhänger werden es abschießen. Wir müssen ihnen Feuerschutz geben.«

»Nein!«, entschied Panheddor-Xar. »Sie sind Feiglinge, wenn sie fliehen, statt bis zum letzten Atemzug auszuhalten. Keiner von uns wird jemals Feiglinge unterstützen. Gebt meinen Befehl an alle Einheiten weiter: Wir werden den Fliehenden nicht beistehen!«

»Und wenn sie entkommen?«

»Wir fangen sie mit einem Traktorstrahl ein. Ausdrücklich nur, weil ich Befehl habe, auf sie aufzupassen. Sie erhalten den Status von Kriegsgefangenen. Feiglinge neben uns dulden zu müssen, wäre gegen die Ehre.«

Dorsaddar-Zin zeigte auf das große Überwachungsholo, in dem die SOL zu sehen war. Eine grelle Explosion blitzte an der hinteren Kugel. Offenbar hatten die Rebellen ein Hangarschott mit dem Strahlgeschütz ihres Beiboots aufgebrochen.

Ein kleines diskusförmiges Schiff glitt aus der Öffnung. In einer Abfolge wirrer Flugmanöver beschleunigte der Pilot und versuchte zugleich, kein leichtes Ziel für die schweren Bordgeschütze der SOL zu bieten. Angespannt wartete Panheddor-Xar darauf, dass Impulsstrahler oder Desintegratoren das Feuer auf die Flüchtlinge eröffneten.

Zögerten die Terraner?

Bei der SOL blitzte es auf. Der Strahlschuss verfehlte das fliehende Beiboot, weil dessen Pilot gedankenschnell ein Ausweichmanöver flog. Kein Zweifel, nur eine Positronik war zu dieser Reaktion in der Lage.

Weitere Schüsse zuckten auf. Einer davon streifte das Boot und ließ dessen Schutzschirm aufglühen. Dann stellte die SOL das Feuer ein, vermutlich, weil der Diskus sich der Barbarenwelle so weit genähert hatte, dass die Schiffe der Torkroten gefährdet worden wären.

»Die Leistung des Piloten war nicht schlecht«, stellte Dorsaddar-Zin anerkennend fest.

»Er bekommt trotzdem keinen besseren Status als seinesgleichen«, sagte Panheddor-Xar. »Befehl an alle Einheiten: Das Beiboot ist mit Traktorstrahlen aufzufangen! Verantwortlich sind die Kommandanten der Schiffe, denen die Fliehenden am nächsten kommen!«

Der Funker gab den Befehl weiter.

»Das Beiboot ist zu schnell, Kommandant«, berichtete Dorsaddar-Zin. »Außerdem beschleunigt es weiter. Es wird durchbrechen, bevor unsere Schiffe zupacken können.«

Panheddor-Xar musterte die Anzeigen der Ortung. Erst allmählich dämmerte ihm, dass die Flüchtlinge von der SOL offenkundig kein Asyl suchten. Sie wollten ihre Flucht fortsetzen.

»Sie haben uns getäuscht!«, schnaubte Panheddor-Xar. »Warum schießt niemand auf sie? Wir müssen sie an der weiteren Flucht hindern!«

»Du hast striktes Schießverbot befohlen!«, sagte der Funker.

»Ich hatte verboten, auf die SOL zu schießen. Von der Begünstigung eines Durchbruchsversuchs war nie die Rede.« Zornbebend wandte sich der Kommandant an Dorsaddar-Zin: »Schick ihnen fünfzehn Schiffe hinterher! Sie sollen das Beiboot jagen und abschießen! Nein, nicht abschießen! Ich erwarte, dass die Besatzung festgesetzt wird, damit ich alle verhören kann.«

»Feuerbefehl weitergegeben und bestätigt!«, meldete der Funker.

»Zu spät«, sagte Panheddor-Xar ungnädig. »Ruf die SOL an! Ich will umgehend mit dem Kommandanten sprechen!«

Nur Sekunden vergingen, dann entstand das Abbild eines der Terraner.

»Brether Faddon«, stellte sich der Mann vor. »Ich kann nicht glauben, was unsere Ortung zeigt. Ihr habt nicht einen Schuss auf die Meuterer abgegeben, obwohl wir sie euch vor die Geschützprojektoren getrieben haben? Wieso?«

Panheddor-Xar erstickte fast an seinem Zorn. Es dauerte einige Augenblicke, bis er mehr als nur ein Räuspern hervorbrachte. »Das alles war nur ein Täuschungsmanöver«, schnaubte er und merkte zugleich, dass dieser Brether Faddon ihm den Wind aus den Segeln genommen hatte. »Ich sollte die SOL zum Wrack schießen lassen.«

»Das wäre ein Willkürakt an Wehrlosen«, stellte Faddon fest. »Wenn du nicht anders kannst, lade diese Schande auf dich. Wir fürchten uns nicht vor dem Tod, aber du wirst weiterleben und zeitlebens den Makel des Feiglings tragen. Ihr habt die Meuterer unterstützt. Ich weiß, dass sie Funkverbindung mit euch hatten. Das wollt ihr vertuschen, indem ihr die SOL und damit alle Spuren beseitigt.«

»Das sind Lügen«, entgegnete Panheddor-Xar matt. Von Neuem loderte der Zorn in ihm auf. »Ich werde die Entflohenen jagen und einfangen lassen und sie dir gegenüberstellen. Dann wird die Wahrheit herauskommen. Und wenn sich erweist, dass ihr gemeinsame Sache gemacht habt, werde ich euch alle durch die Mannschleusen in den Weltraum treiben, jedoch ohne Schutzanzug.«

4.

»Wie konnte das geschehen?«, fragte Perry Rhodan entsetzt. »Wie konnten wir den Armadaprinzen verlieren?«

Ein leises Wimmern im Helmempfang machte ihn darauf aufmerksam, dass es weitere Probleme gab. »Gucky?«, fragte er. »Ras? Kann ich euch helfen?«

Ras Tschubai stöhnte verhalten, dann sagte er: »Lass uns ein wenig Zeit, Perry. Ich fühle mich innerlich wie zerrissen.«

Rhodan wollte auf die Cybermeds ihrer SERUNS verweisen, für die es eine Kleinigkeit war, Schmerzen mit entsprechenden Injektionen zu vertreiben. Doch er hielt den Einwand zurück. Die Gefährten konnten durchaus selbst entscheiden, ob sie die Hilfe des Cybermeds in Anspruch nahmen oder nicht.

Nach einer Weile verstummte das Wimmern. »Tut mir leid, Perry, aber ich brauchte ein Ventil«, sagte Gucky stockend. »Schmerzmittel wollte ich nicht, weil sie womöglich meine Empfindungen gestört hätten. Ich hoffte herauszufinden, wie wir Nachor verlieren konnten. Leider vergeblich.«

»Ich habe einen winzigen Anhaltspunkt«, bemerkte Tschubai. »Eigentlich nur ein Gefühl, mehr nicht. Wir müssen im Hyperraum mit etwas kollidiert sein. Es krallte sich geradezu in uns allen fest und hätte uns wahrscheinlich zerrissen in dem Sinn, dass wir nur bruchstückhaft rematerialisiert wären. In entstofflichter Form konnten wir nicht darauf reagieren, aber etwas von Gucky und mir muss eine Entscheidung getroffen haben.«

»Eine Entscheidung?«, fragte Rhodan, weil er vergeblich auf eine Konkretisierung wartete.

»Über das Opfer«, sagte Gucky kläglich. »So muss es gewesen sein, Ras.«

»Ich verstehe«, bestätigte Rhodan tonlos. »Entweder Stücke von uns allen oder einen insgesamt. Das Los fiel sozusagen auf Nachor, weil eure gefühlsmäßige Bindung an ihn am schwächsten war.«

»Wir haben ihn geopfert!«, stellte Tschubai fest.

»Ihr seid nicht dafür verantwortlich«, widersprach Rhodan. »Nicht ihr selbst habt diese Entscheidung getroffen, sondern emotionale Impulse, die sich dem willentlichen Einfluss entzogen. Die gefühlsmäßige Bindung war der entscheidende Faktor. Außerdem geschah das in Nullzeit. Niemand hätte auch nur einen flüchtigen Gedanken fassen können. Deshalb braucht ihr euch keine Vorwürfe zu machen. Allerdings müssen wir überlegen, ob wir Nachor wiederfinden könnten und wie wir das anstellen sollten.«

»Wir haben ihn einfach losgelassen«, seufzte Gucky.

»Hör auf, dich schuldig zu fühlen!«, sagte Rhodan energisch. »Ich brauche eure Unterstützung. Wollt ihr mich im Stich lassen?«

»Perry hat recht«, bestätigte Tschubai. »Wir müssen darüber nachdenken, ob es eine Möglichkeit gibt, Nachor wiederzufinden. Wie denkst du darüber, Gucky?«

Der Mausbiber schniefte. »Im Hyperraum etwas Bestimmtes finden zu wollen, ist etwa wie die Suche nach einer Nadel in den Ozeanen Terras.«

»Also aussichtslos ...«

»Nicht ganz, sondern nur fast«, wandte Rhodan ein. »Im Fall der Nadel würde ich mich fragen, welches spezifische Gewicht und welche Wasserverdrängung sie hat. Daraus könnte ich errechnen, bei welchem Wasserdruck sie aufhören würde zu sinken. Folglich wäre klar, in welcher Tiefe ich zu suchen hätte. Es muss auch für die Suche im Hyperraum solche Anhaltspunkte geben.«

»Vielleicht, wenn ich in das Schiff des Armadaschmieds zurückteleportieren würde ...«, überlegte Gucky.

»Das ist so gut wie unmöglich«, behauptete Tschubai. »Die hyperphysikalischen und psionischen Kräfte in der Lichtsphäre machen die Wiederholung einer Teleportation unmöglich. Jede noch so gut geplante Teleportation würde unkontrolliert enden.«

»Folglich müssten wir in dem betreffenden Raumsektor blindlings hin und her springen, oder?«, fragte der Ilt.

»Wenn wir den Raumsektor kennen würden, ja«, erwiderte Tschubai. »Dabei wissen wir nicht einmal, in welcher Richtung wir das Schiff des Silbernen suchen sollten, ganz zu schweigen von der Entfernung. Es steht vielleicht fünf Lichtstunden weit weg, vielleicht aber auch nur eine Lichtminute.«

»Ich verstehe«, sagte Perry Rhodan. »Jeder Versuch auf diese Weise wäre sinnlos. – Wir kehren um.«

»Meinst du, mit der Space-Jet hätten wir größere Chancen?«, fragte Tschubai zweifelnd.

»Nein. Aber wir fliegen mit der Space-Jet zur BASIS zurück und organisieren ein Patrouillenunternehmen, das die Suche nach dem Armadaprinzen mit zwei weiteren Zielen verbindet: mit der behutsamen Erkundung der Oberfläche und der Randsektoren des Loolandre sowie mit Versuchen, Kontakt zur SOL zu bekommen. Ich denke dabei nicht an Vorstöße zur SOL, sondern an ein stetes Absuchen der weiteren Umgebung. Atlan ist nicht der Mann, der sich zur Untätigkeit verurteilen lässt. Irgendwie wird er es schaffen, Kommandos durch die Umzingelung zu schicken ...«

»Du meinst also, irgendwann könnte eine Patrouille eine Spur finden, die zu Nachor führt?«, fragte Gucky skeptisch.

»Es ist unsere einzige Hoffnung«, sagte Rhodan. »Ich mache mir allerdings keine Illusionen. Die Aussicht, Nachor wiederzufinden, ist verschwindend gering. Sie wäre aber noch schlechter, wenn nur wir drei suchen würden.«

»Nun, gut«, meinte Ras Tschubai. »Versuchen wir, wenigstens die Space-Jet wiederzufinden.«

Das hatte ziemlich kraftlos geklungen. Erst dadurch wurde Perry Rhodan wieder bewusst, wie schwierig das sein würde. Die unkontrolliert verlaufenen Teleportationen hatten sie die Orientierung fast völlig verlieren lassen. Gucky und Tschubai wussten nur, wo das Loolandre lag, und an den Emissionen der knapp neunhunderttausend Barbareneinheiten konnten sie sogar die Richtung bestimmen, in der sich das Gros der Barbarenwellen konzentrierte – und daraus wiederum war der Schluss möglich, dass dahinter und in noch größerer Entfernung die vereinten Flotten standen. Doch das waren für die Suche nach einer vergleichsweise winzigen Space-Jet nur sehr vage Anhaltspunkte.

Sie rematerialisierten auf einer runden, schätzungsweise drei Kilometer durchmessenden Plattform, die frei mitten im Licht schwebte.

»Armadamonteure!«, stieß Ras Tschubai hervor.

»Ganz ruhig!«, mahnte Rhodan. »Schließlich trage ich selbst ebenfalls eine Armadaflamme.«

Tatsächlich achteten die Armadamonteure nicht auf sie. In der Nähe verluden fünf Roboter Gitterkörbe mit undefinierbarem Inhalt in einen mittelgroßen Armadaschlepper. Es gab mehrere solcher Gruppen. Das Gros der Armadamonteure aber, einige Tausend, arbeitete weit entfernt am Rand der Plattform. Hinter ihnen hingen im Raum an die hundert Armadaschlepper unterschiedlicher Größe.

Über die Blickschaltung vergrößerte Rhodan die optische Wiedergabe seines SERUNS. »Sie demontieren die Plattform«, stellte er fest, nachdem er die Roboter kurze Zeit beobachtet hatte.

»Und die Maschinen in unserer Nähe verladen Abfall«, ergänzte Gucky. »Weitestgehend organisches Material, aber auch Kunststoffe wie Becher und Geschirr ... Wisst ihr, was ich denke? Hier hat ein gigantisches Gelage stattgefunden, vielleicht eine Konferenz mit anschließendem Arbeitsessen, wie man unter Menschen zu sagen pflegt.«

Perry Rhodan lag ein Widerspruch auf der Zunge, weil ihm genau das abwegig erschien. Ausgerechnet in der Lichtsphäre vor dem Loolandre gab es etwas so Triviales wie ein Festgelage? Die Begegnung mit den Armadamarketendern kam ihm in den Sinn.

»Weiter?«, erkundigte sich Tschubai.

»Selbstverständlich«, antwortete Rhodan, streckte beiden Teleportern die Hände entgegen ...

... und fand sich übergangslos auf der Polkuppel eines Kugelraumschiffs wieder. Sofort suchte er nach weiteren Raumschiffen, sah aber nur die irritierende Helligkeit und die undefinierbare Wand des Loolandre.

»Der Raumer gehört nicht zu uns«, warnte Gucky. »Wer immer da an Bord ist, sie haben uns entdeckt und wollen uns ans Leder. Weg hier, schnell!«

Die nächste Teleportation. Sie endete im freien Weltraum.

»Wer war in dem Raumer, Gucky?«, fragte Rhodan.

»Keine Ahnung, wie diese Wesen ausgesehen haben. Sie verstanden sich als Maughs.« Der Ilt stockte. Sekunden später sog er prüfend die Luft ein. »Alle ruhig!«, verlangte er. »Ich muss mich konzentrieren.«

»Sie folgen uns!«, schrie er kurz darauf. »Körperkontakt! Schnell!«

Augenblicke später materialisierten sie in der Steuerkanzel ihrer Space-Jet.

Der Pilot stand zwischen zwei Konsolen und befasste sich mit irgendwelchen Schaltungen. Jäh fuhr er herum und griff zugleich zur Hüfte, wo sein Strahler am Magnetholster hing. Doch er zog die Waffe nicht, wäre ohnehin zu langsam gewesen, um gegen einen unvermutet erschienenen Gegner zu bestehen.

Andrew Denkbars Augen weiteten sich, kaum dass er Rhodan, Tschubai und den Mausbiber sah. »Sonderlich lange seid ihr nicht weg gewesen«, sagte er.

THE REAL MCCOY fiel nach der dritten kurzen Überlichtetappe in den Normalraum zurück – sofern im Bereich der Lichtsphäre überhaupt von Normalraum die Rede sein konnte. Sofort schrillte der Ortungsalarm.

Raumschiffe standen in diesem Sektor dicht gestaffelt. Alle hatten die für Barbareneinheiten typische Pfeilform mit spitz zulaufendem Heck, blütenförmig »aufgeblättertem« Bug und den an pylonenartigen Aufsätzen befestigten Goon-Blöcken. Andrew Denkbar jagte die Space-Jet mit aberwitzigen Flugmanövern zwischen ihnen hindurch. Die Barbarenschiffe standen eng beieinander. Keines war in der Lage, das Feuer zu eröffnen, ohne andere zu gefährden.

Einige Torkroten versuchten deshalb, die Space-Jet mit Traktorstrahlen zu packen. Es gelang ihnen nicht, doch einzelne Schiffe flogen Abfangmanöver und zwangen dadurch ihre Nachbarn zu Ausweichmanövern. Unruhe und Unordnung breiteten sich nach allen Richtungen aus – ein stetig wachsender kugelförmiger Bereich.

»Das könnte unsere Chance sein«, spekulierte Tschubai. »Ab wann kannst du wieder in den Hyperraum gehen, Andrew?«

»Zu gefährlich«, gab Denkbar zurück. »Eine Kollision wäre unvermeidlich.«

Gucky hatte sich telekinetisch in den Sessel am Funkpult gehoben und ließ die Frequenzen durchlaufen. Ein heilloses Durcheinander torkrotischer Stimmen war zu hören. Ein lang gezogener dumpfer Ton ließ den Ilt aufmerken. Er justierte nach, das Brummen wurde heller, klang plötzlich wie eine ferne Stimme.

»Sweetheart – sweetheart – sweetheart ...«, hallte es durch den Kommandoraum der Space-Jet. Erneut das Brummen, dann wurde der Ruf wiederholt.

»Das ist Hamiller!«, rief Gucky. »Er sendet Peilsignale auf Hyperfrequenz!«

»Sweetheart!«, wiederholte Andrew Denkbar. »Wie originell!«

»Kannst du ihn anpeilen?«, fragte Rhodan hoffnungsvoll.

»Signale kommen schräg von vorn, etwa dreißig Grad Backbord!«, rief Gucky. »Das ist eine andere Richtung, als wir dachten.«

»Ich korrigiere Grundkurs«, sagte Denkbar seelenruhig.

Das Brummen und der Ruf wurden leiser und verstummten nach ein, zwei Minuten völlig.

Gucky stieß eine Verwünschung aus.

»Das bedeutet wenig in diesem Gebiet«, bemerkte Rhodan. »Wir sind zu weit von unserer Flotte entfernt, als dass wir auf Anhieb Hyperfunkverbindung bekämen. Wir hatten zufällig Empfang, vermutlich, weil sich Anomalien gegenseitig aufgehoben haben. Unabhängig davon: Wir müssen hier weg, bevor die Torkroten ihre Überraschung überwinden und uns den Kurs verlegen.«

»Es geht schon los!«, rief Denkbar. »Sie lockern die Formation vor uns. Zweifellos wollen sie eine Kaverne schaffen, in der sie uns abschießen können, wenn wir hineinfliegen.«

»Was wir hübsch bleiben lassen«, wandte Gucky ein und entblößte seinen Nagezahn.

»Eben nicht«, widersprach der Pilot. »Wir gehen ihnen in die Falle, aber so, dass sie denken, wir würden nicht. Dazu brauchen wir ein paar Mickymäuse und einen Raumtorpedo.«

»Das übernehme ich«, sagte Rhodan.

Mickymäuse wurden in der Galaktischen Flotte scherzhaft die winzigen Raumtorpedos genannt, die mit supermoderner Technik vollgestopft waren und für begrenzte Zeit die Ortungsbilder kleinerer Beiboote überzeugend simulieren konnten.

»Gut«, sagte Denkbar. »Sobald ich dich auffordere, startest du drei Mickymäuse und steuerst sie fächerförmig in die Kaverne. Klar werden die Torkroten den Bluff erkennen und deshalb erwarten, dass die Space-Jet eine ganz andere Richtung einschlägt. Das wird sie aber nicht. Sie wird vielmehr mit aktiviertem Ortungsschutz den drei ersten Mickymäusen folgen. Sicher kann sie weiterhin optisch ausgemacht werden, aber nur von den Torkroten in unmittelbarer Nähe. Danach startest du zuerst den einen scharfen Raumtorpedo und kurz danach eine vierte Mickymaus, Perry.«

»Mit welcher Sorte von Gefechtskopf, Andrew?«, fragte Rhodan.

»Antimaterie.«

»Keinesfalls! Wir sind keine Mörder.«

»Wir handeln in Notwehr. Die Torkroten würden nicht zögern, uns aus dem Raum zu pusten. Warum sollten wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten?«

»Weil wir unsere Lage dadurch kein bisschen verbessern würden«, erklärte Rhodan. »Wenn wir eines ihrer Schiffe vernichten, haben wir uns längst nicht den Weg freigeschossen. Also vergiss es! Wir nehmen eine Lichtbombe, das ist hart genug.«

»Okay, das erfüllt den Zweck auch«, gab Denkbar zu. »Also, zuerst den Torpedo und kurz danach die Mickymaus – und zwar schräg aufwärts. Die Torkroten, die uns ortungstechnisch nicht mehr erfassen können, werden die Mickymaus für die Space-Jet halten – zumal sie glauben müssen, wir wollten uns mit der Lichtbombe den Weg freischießen. Wir aber schalten nach der Explosion der Bombe den Ortungsschutz wieder ab und fliegen quasi als Mickymaus durch die Kaverne. Die Torkroten werden wegen ihrer Abfangmanöver hinsichtlich der vermeintlichen Jet so beschäftigt sein, dass sie an die drei echten Mickymäuse und uns keinen Blick verschwenden.«

»Das klingt gut und beweist Einfühlungsvermögen in die Mentalität der Armadabarbaren«, stellte Rhodan fest. »Und jetzt Helme schließen!«

Denkbar prüfte die Ortungsanzeigen und nickte zufrieden. Mittlerweile war ein Bereich von drei Millionen Kilometern Tiefe, anderthalb Millionen Kilometern Höhe und ebensolcher Breite frei von Torkrotenschiffen. Er nickte Rhodan zu.

Der Unsterbliche startete die drei Täuschungstorpedos. Sie entfernten sich schnell, drangen in die Kaverne ein und fächerten aus.

»Ortungsschutz aktiviert!«, ließ Denkbar wissen. »Jetzt die Lichtbombe, danach die vierte Mickymaus!«

Nach dem Start des armierten Torpedos wartete Rhodan zehn Sekunden, dann brachte er die vierte Mickymaus auf Kurs. Die Lichtbombe war mit einem Annäherungszünder versehen. Etwa zwölf Sekunden, dann musste sie einem Torkrotenschiff so nahe sein, dass der Zünder auslöste. Die Explosion würde nicht nur optisch sichtbares Licht freisetzen, sondern auf allen Normal- und Hyperfrequenzen die Ortungen der Torkroten im Umkreis von rund drei Millionen Kilometern für mehrere Minuten blenden. Das musste zwangsläufig den Verdacht der Barbaren wecken, dass die Space-Jet in diesem Bereich durchzubrechen versuchte.

Während weit voraus eine neue Sonne aufzuflammen schien, schaltete Denkbar den Ortungsschutz ab. Sekunden später stieß die Jet in die Kaverne vor und beschleunigte mit Höchstwert.

Rhodan musterte die Ortungsanzeigen. Er sah, dass Barbarenschiffe jenseits der Kaverne versuchten, die vermeintlich echte Space-Jet abzufangen. In dem Bereich, in dem die Lichtbombe explodiert war, herrschte Chaos. »Sieht so aus, als hätten wir es geschafft«, stellte er fest.

»Beschreie es nicht!«, mahnte Denkbar beschwörend und klopfte mit der zur Faust geballten rechten Hand dreimal an seinen Helm.

Rhodan runzelte die Stirn. Die Ortungsechos der drei vorausfliegenden Mickymäuse erloschen eines nach dem anderen. Spontan aktivierte er den Paratronschirm.

Rings um die Space-Jet waberte blauweiße Glut auf. Schon war der Diskus unversehrt hindurch, doch erneut schloss sich verzehrende Glut ringsum. Nur ein einziges Schiff der Armadabarbaren feuerte, doch jeden Moment konnten sich andere anschließen.

Andrew Denkbar wirkte wie erstarrt, doch seine Finger glitten hastig über die Schaltflächen des Pilotenpults. Sekunden später stürzte der Diskus durch das Pseudo-Black-Hole des Metagravs in den Hyperraum.

»Nur für zehn Sekunden«, sagte Denkbar. Es klang, als müsse er sich entschuldigen.

Dann fiel die Space-Jet in den Normalraum zurück – und die Ortung zeigte erneut Tausende großer Raumschiffe voraus.

»Das ist unsere Flotte!«, rief Gucky.

Rhodan nickte dem Piloten zu. »Perfekt gemacht, Andrew!«, lobte er.

Knapp zehn Stunden waren seit der Rückkehr zur Flotte vergangen, Zeit genug für Perry Rhodan, sich bei einem Essen im Kreis seiner Freunde und engsten Mitarbeiter zu entspannen und sie gleichzeitig auf die nächste Aufgabe vorzubereiten: die Loolandre-Patrouille. Zeit genug auch für die umfassende Planung mit Unterstützung der Hamiller-Tube und für persönliche Gespräche mit den Frauen und Männern, denen Rhodan die Teilnahme an der Loolandre-Patrouille vorgeschlagen hatte.

Das Vorhaben würde alles andere als ein Sonntagsausflug sein. Welche Bedingungen in den Randbezirken des Loolandre herrschten, war weiterhin unbekannt. Jeder musste sich auf unangenehme Überraschungen einstellen.

Die Patrouille war in elf Zweiergruppen aufgeteilt, die entweder mit Mini-Space-Jets oder gar nur mit Raumlinsen starteten, um der gegnerischen Ortung möglichst zu entgehen. Schon deshalb hatten die Raumfahrer der Aktion einen passenden Spitznamen gegeben: »Operation Winzling«.

Rhodan lächelte aufmunternd, als sich in der Zentrale der BASIS Alaska Saedelaere und Carfesch von ihm verabschiedeten. Ihm lag besonders am Herzen, dass der Transmittergeschädigte für geraume Zeit mit einer Aufgabe betraut war, die ihn physisch und psychisch forderte. Seit das Cappinfragment nicht mehr sein Gesicht bedeckte, sondern durch den Körper tobte, litt Saedelaere zunehmend an Depressionen.

»Hals- und Beinbruch!«, sagte Rhodan und schüttelte beiden Männern die Hand. Saedelaere schwieg, er wirkte abwesend, als seien seine Gedanken schon weit weg.

»Pass auf Alaska auf!«, raunte Rhodan dem Sorgoren zu. Carfesch sah ihn ernst an und legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter. Sie verstanden einander wortlos.

Die nächsten Einsatzgruppen bildeten Fellmer Lloyd und Jen Salik, der Haluter Icho Tolot und Tanwalzen sowie die Metabio-Gruppiererin Irmina Kotschistowa und der Cygride Jercygehl An.

»Ich bin froh, endlich wieder einen Einsatz zu fliegen, auch wenn es nur mit einer Mini-Space-Jet ist!«, grollte An und zerquetschte fast Rhodans Hand.

Nach ihnen verabschiedeten sich Leo Dürk und Clifton Callamon. Es gab kaum einen größeren Gegensatz als zwischen dem alten, ruhigen Waffenmeister der BASIS und dem ehemaligen Raumadmiral der Solaren Flotte, der von einem Porleyter über eineinhalb Jahrtausende mit biotechnischen Manipulationen am Leben erhalten worden war und weiterhin nicht alterte. Callamons Weltanschauung war ebenfalls stehen geblieben.

»Ich würde lieber mit mehreren Kampfflotten zum Loolandre aufbrechen als mit einer kümmerlichen Mini-Jet«, sagte er zu Rhodan. »Wetten, dass die Barbaren wie Hasen laufen würden, Sir?«

Er lachte, weil Rhodan das Gesicht verzog, dann wurde er ernst und salutierte, als zelebriere er ein Ritual. »Admiral Callamon meldet sich zum Einsatz ab, Sir! Sollte ich zur Großen Armee abberufen werden, lassen Sie bitte meine Galauniform mitsamt meinen Orden und Ehrenzeichen im Raum bestatten. Wollen Sie mir diesen Gefallen erweisen, Sir?«

»Selbstverständlich, Admiral«, versicherte Perry Rhodan. »Aber ich denke, ich werde das nicht tun müssen. Leute wie Sie kommen immer wieder zurück. Halten Sie die Ohren steif!«

»Ich werde aufpassen, dass er nicht in sein Unglück rennt, Perry«, versprach Leo Dürk mit breitem Lächeln. »Wenn er unartig ist, lege ich ihn einfach über die Knie. Früher soll man das so gemacht haben.«

»Manche bräuchten es auch heutzutage«, erwiderte Rhodan und schüttelte dem Waffenmeister die Hand. Er sah den beiden ungleichen Männern nach, bis sie die Kommandozentrale verlassen hatten.

5.

»Fünfzehn Torkrotenschiffe folgen uns«, sagte Scoutie, während sie die Ortungsanzeigen beobachtete. »Sie holen nicht auf, aber sie halten die Distanz.«

»Wir hängen sie im Linearraum ab«, erwiderte Zyita Ivory, die die Space-Jet mit dem Namen FAVALO steuerte.

»Warum lassen wir sie nicht kommen?«, fragte Helen Almeera. »Ich könnte ihnen mehrere Transformbomben in den Kurs setzen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht.«

»Die Übermacht ist zu groß«, wehrte Ivory ab. »Sobald wir langsamer werden, nehmen sie uns in die Zange, und dann gibt es kein Entkommen. Ich programmiere nur ein kurzes Linearmanöver. Knapp zehn Minuten. Mehr riskiere ich nicht, solange wir nicht wissen, welche Schwierigkeiten dieser Raumsektor bereithält.«

Scoutie nickte nur. Nach einer kurzen Phase des Triumphs war ihr eher mulmig zumute.

»Achtung, in zehn Sekunden!«, kündigte die Pilotin an.

Von einer Sekunde zur anderen verschwand das absonderliche Leuchten des Weltraums und wich dem Abbild des Linearraums.

Scoutie versteifte sich, weil sie eine ferne Leuchterscheinung zu sehen glaubte. Im nächsten Moment war alles wieder so, wie es sein sollte. Die Betschidin schrieb die eigenartige Wahrnehmung ihren überreizten Nerven zu.

Und doch ... Da war es wieder: Tief im Zwischenraum geisterte ein seltsames Flackern. Es mutete Scoutie an, als hätte jemand in der nächtlichen Dunkelheit eines Planeten ein Zündholz entzündet. Und wie eine Zündholzflamme erlosch, verschwand die Leuchterscheinung schnell wieder.

»Habt ihr das gesehen?«, fragte Scoutie über Helmfunk.

Niemand außer ihr hatte das Phänomen beobachtet.

Angespannt musterte die Betschidin die Schirme der Außenbeobachtung. Nach einer Minute zeigte sich das Flackern erneut.

»Ich sehe es auch!«, rief Helen Almeera. »So etwas dürfte es gar nicht geben.«

»Mir ist es ebenfalls aufgefallen«, sagte Ivory. »Ich nehme an, es hat mit den Besonderheiten der Lichtsphäre zu tun. Der gesamte Bereich wird bis in den Hyperraum hinein durch unbekannte Kräfte beeinflusst und verändert.«

»Ob es für uns gefährlich ist?«, überlegte Scoutie laut.

»Nicht über diese Entfernung hinweg«, antwortete Almeera.

»Du kannst die Entfernung nicht schätzen«, widersprach Ivory. »Zugegeben: Vielleicht war das Flackern einige Millionen Kilometer entfernt. Ebenso gut könnten es nur wenige Meter gewesen sein.«

Scoutie schüttelte den Kopf. Sie war überzeugt, dass die Erscheinung fern gewesen war. Allerdings war das eine rein gefühlsmäßige Einschätzung.

»Eine Minute bis zum Rücksturz«, ließ die Pilotin wissen.

Dann fiel die FAVALO in die Helligkeit zurück.

»Ortung?«, fragte Zyita Ivory.

»Nichts«, antwortete Scoutie. »Es sieht aus, als hätten wir die Verfolger abgeschüttelt.« Sie runzelte die Stirn. »Das ist ja verrückt!«, entfuhr es ihr.

»Was meinst du?«, fragte die Bordschützin.

»Bevor wir in den Linearflug gingen, hatten wir die Schiffe der Barbarenwellen in gerader Linie vor uns.« Scoutie musterte die Anzeigen der Massetaster. »Nun befinden sie sich an Steuerbord. Das kann unmöglich sein.«

»Unbekannte Kräfte haben uns vom Kurs abgebracht«, erwiderte die Pilotin.

Helen Almeera blickte durch das transparente Kanzeldach. »Optische Beobachtung bestätigt Ortung«, stellte sie fest. »Das Loolandre liegt nicht mehr hinter uns, sondern an Backbord. Finden wir uns damit ab. Hauptsache, wir haben die Verfolger erst einmal abgehängt. Eigentlich könntest du die Triebwerke abschalten, Zyita. Wir stellen uns tot und überlegen, wie wir uns vollends den Barbarenwellen entziehen.«

»Ich weiß nicht ...«, erwiderte Zyita zögernd.

»Da sind plötzlich drei Reflexe!« Scoutie blickte ahnungsvoll auf das Ortungsbild. »Entfernung vierzehn Lichtsekunden, abnehmend. Worauf wartest du, Zyita? Beschleunigen!« Die Anweisung stieß sie hektisch hervor.

Die Pilotin schaltete. »Meinst du, es sind Torkroten, Scoutie?«, fragte sie dann. »Ich hatte nicht sofort beschleunigt, weil wir scheinbar allein waren.«

»Den Emissionen nach können es nur Barbarenschiffe sein«, erklärte Scoutie.

»Wie konnten sie uns finden?«