Perry Rhodan 2235: Todesspiele - Thomas Ziegler - E-Book

Perry Rhodan 2235: Todesspiele E-Book

Thomas Ziegler

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Beschreibung

Ab Bord des CASINO UNIVERSO - Menschen kämpfen um ihre letzten Tage Die Hohen Mächte des Kosmos haben verkündet, dass "das Leben an sich" zu stark würde im Universum. Also unternahmen sie etwas dagegen. Ab dem Jahr 1331 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) wurde der "Hyperphysikalische Widerstand" stärker - sonst nichts. Eine milde Reaktion, sanft und unblutig. Doch dieser Eindruck täuscht: Die meisten Zivilisationen der Galaxis stürzen von einem Tag auf den anderen in Not und Elend. Der so genannte Hyperimpedanz-Schock bedeutet für sie, dass jegliche fünfdimensionale Technik komplett ausfällt. Die Energieversorgung auf vielen Planeten und die Raumfahrt sind am stärksten betroffen. Dazu drohen andere Gefahren: Der Krieg zwischen der Liga Freier Terraner und Arkon wurde vorläufig verhindert. Die Bedrohung, die vom "Sternenozean von Jamondi" und dem "Imperium Orbhon" ausgeht, schwebt jetzt erst im Raum. Doch wie steht es um die "eigentlichen" Bewohner des Weltalls? Was geschieht mit ihnen, wenn die Technik versagt und der Raumflug zum Erliegen kommt? Sie alle sind Opfer der TODESSPIELE...

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Nr. 2235

Todesspiele

An Bord des CASINO UNIVERSO – Menschen kämpfen um ihre letzten Tage

Thomas Ziegler

Die Hohen Mächte des Kosmos haben verkündet, dass »das Leben an sich« zu stark würde im Universum. Also unternahmen sie etwas dagegen. Ab dem Jahr 1331 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) wurde der »Hyperphysikalische Widerstand« stärker – sonst nichts. Eine milde Reaktion, sanft und unblutig.

Doch dieser Eindruck täuscht: Die meisten Zivilisationen der Galaxis stürzen von einem Tag auf den anderen in Not und Elend. Der so genannte Hyperimpedanz-Schock bedeutet für sie, dass jegliche fünfdimensionale Technik komplett ausfällt. Die Energieversorgung auf vielen Planeten und die Raumfahrt sind am stärksten betroffen.

Dazu drohen andere Gefahren: Der Krieg zwischen der Liga Freier Terraner und Arkon wurde vorläufig verhindert. Die Bedrohung, die vom »Sternenozean von Jamondi« und dem »Imperium Orbhon« ausgeht, schwebt jetzt erst im Raum.

Doch wie steht es um die »eigentlichen« Bewohner des Weltalls? Was geschieht mit ihnen, wenn die Technik versagt und der Raumflug zum Erliegen kommt? Sie alle sind Opfer der TODESSPIELE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Kellborn – Ein Kommandant steht vor der schwersten Entscheidung seines Lebens.

Sgarde Norte – Eine »ehrbare« Diebin kämpft um ihr Leben.

Rogolov Traminer – Ein gerissener Ertruser geht aufs Ganze.

Stay Kalgandir – Ein Glücksritter spielt um sein Leben.

Thau

Prolog

4. Mai 1313 NGZ

»Dort kommt sie«, sagte Gunnarton Trak und wies auf das holografische Display in der Zentrale der kleinen, luxuriösen Raumjacht. Er atmete laut aus. Es klang wie ein Seufzer. »Siehst du sie? Ist sie nicht wunderschön?«

Kellborn nickte, obwohl ihm der Bevollmächtigte des Casino-Konsortiums den Rücken zudrehte und seine Geste nicht bemerkte. Er sah sie. Und sie war tatsächlich wunderschön.

Aus der finsteren Tiefe des Weltraums schraubte sie sich empor, langsam und majestätisch, umglitzert vom Meer der Sterne, purpurn leuchtend im Widerschein der roten Riesensonne Bart Spurr. Sie war wie eine exotische Blüte geformt, mit einem spindelförmigen Kelch, 500 Meter lang und an der dicksten Stelle 200 Meter durchmessend, umgeben von sechs scheibenförmigen Blütenblättern, jedes mit einem Durchmesser von 400 Metern und einer Dicke von 100 Metern. Ein teils gläserner, teils stählerner Perimeterring umfasste die Blütenblätter, und filigrane Antennenkonstruktionen überzogen wie Schneekristalle die glatte Außenhülle.

Die mobile Raumstation MRS-33-5/B, gebaut in den Raumwerften von Plophos, war nach einem Tausende Lichtjahre langen Flug endlich an ihrem Ziel angekommen.

Mein neues Kommando, dachte Kellborn. Er spürte einen Anflug von Sentimentalität und hob unwillkürlich die rechte Hand, seine künstliche Hand, um imaginäre Tränen aus seinen Augen zu wischen. Aber er hielt mitten in der Bewegung inne und senkte die Hand wieder. Gunnarton Trak war kein Mann, der etwas für Sentimentalität übrig hatte. Er war ein eiskalter Investor, allein auf Profit fixiert, frei von Gefühlen und anderen banalen Dingen.

Ganz anders als ich, sagte sich Kellborn selbstkritisch. Er riss sich zusammen und verfolgte schweigend, wie die Raumstation in einen stationären Orbit um den planetenlosen Roten Riesen einschwenkte.

»CASINO UNIVERSO«, murmelte Trak. Er drehte den fast haarlosen Kopf und sah Kellborn an, und der Kommandant war gezwungen, sein ursprüngliches Urteil zu revidieren. Denn statt Kälte und Nüchternheit sah er ein Feuer in den Augen des anderen Mannes brennen, Begeisterung und Faszination, genährt von Hoffnung und Gier. »Ein interstellares Glücksspiel- und Vergnügungszentrum für die Reichen und Schönen der Milchstraße. Ausgestattet mit jedem nur erdenklichen Luxus und modernster Technik, stationiert in einem Raumsektor, der weder von der LFT noch dem Kristallimperium oder einer der anderen galaktischen Mächte beansprucht wird. Und das bedeutet ...«

Der kahlköpfige Mann verzog die Lippen zu dem ersten Lächeln, das Kellborn bei ihm sah.

»... alle Geschäfte sind absolut steuer- und abgabenfrei. Wir sind unsere eigenen Herren, unsere eigenen Gesetzgeber. Und alle Gewinne fließen ungeschmälert in die Taschen des Konsortiums. Das CASINO UNIVERSO wird uns reich machen, Kommandant. Sehr, sehr reich ...«

Kellborn rang sich ein höfliches Lächeln ab, obwohl er natürlich wusste, dass Traks »uns« ihn nicht mit einbezog. Er war kein Investor; ihm gehörten keine Anteile an dem interstellaren Spielcasino.

Er würde nicht reich werden.

Aber das spielte keine Rolle.

Er wurde verhältnismäßig gut bezahlt, und er hatte ein neues Kommando. Endlich, nach langen, peinigenden Monaten des Wartens und der Frustration. Er musste dankbar sein für die Chance, die ihm das CASINO UNIVERSO bot, und er war es auch.

Und jetzt war er hier, an Bord von Traks luxuriöser, schnittiger Raumjacht, 8459 Lichtjahre vom Solsystem und 27.696 Lichtjahre von Arkon entfernt, und verfolgte, wie das CASINO UNIVERSO das Einschwenkmanöver in den Orbit um Bart Spurr beendete und seine endgültige Position einnahm.

»Deine Crew befindet sich bereits vollzählig auf der Station«, riss ihn Traks Stimme aus seinen Gedanken. »Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut, die besten Spezialisten zu engagieren. Kosmonauten, Techniker, Syntronexperten, Sicherheitsleute, Casino- und Servicepersonal, Animateure.«

Kellborn nickte knapp. Er hätte es vorgezogen, seine Crew selbst auszusuchen, aber er wusste, dass er keine Forderungen stellen konnte. Er durfte sich glücklich schätzen, überhaupt das Kommando über die Station bekommen zu haben. Und er wollte es sich nicht in letzter Sekunde mit Trak verscherzen.

Der Bevollmächtigte des Casino-Konsortiums war ein ungeduldiger Mann. Er schätzte keine Kritik von subalternen Personen.

Traks Blick wanderte wieder zum Holodisplay, und in seine Augen trat ein fast wehmütiger Ausdruck.

»Ich wünschte«, sagte er leise, »ich könnte dich begleiten. Ich wünschte, ich könnte erleben, wie die ersten Gäste eintreffen. Wirtschaftskapitäne und Industrietycoons, reiche Erben und Selfmade-Millionäre, Trivid-Stars und berühmte Künstler. Der galaktische Jetset, die feine Gesellschaft von Terra und Olymp, Plophos und Ertrus, Ferrol und Arkon. Alle darauf erpicht, ihre Galax an unseren Spieltischen zu verlieren ...«

Gunnarton Trak lachte leise. In einer affektierten Geste strich er sein sündhaft teures, mit Howalgoniumfäden durchwirktes akonisches Designerjackett glatt.

»Aber wichtige Aufgaben erwarten mich«, erklärte er. »Das Konsortium hat überall in der Galaxis investiert, und auch wenn das CASINO UNIVERSO die Perle unserer Geschäfte ist, so werde ich auch an anderen Orten gebraucht. Galax verdienen sich nicht von allein ...« Er fixierte Kellborn mit seinen grauen Augen, in die nach dem Feuer der Schwärmerei wieder Kälte Einzug gehalten hatte. »Sobald wir angedockt haben und du deinen Posten übernommen hast, verlasse ich diesen Sektor. Dann gehört die Station dir.«

Er legte eine kurze, wohl berechnete Pause ein.

»Ich erwarte gute Arbeit, Kommandant Kellborn. Ein reibungsloses Funktionieren aller Stationskomponenten, profitable Geschäfte. Unsere reichen Gäste dürfen keinen Grund zur Klage haben.«

»Ich verstehe«, sagte Kellborn hölzern. Er räusperte sich und fügte hinzu: »Ich werde dich nicht enttäuschen.«

»Nein, das wirst du nicht«, erwiderte Trak, und in seiner Stimme schwang ein drohender Unterton mit. Doch er lächelte wieder, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, und nahm das Glas mit plophosischem Champagner von der Kontrollkonsole. Er sah Kellborn auffordernd an, und der Kommandant griff ebenfalls nach seinem Glas.

Widerstrebend. Er war kein Freund des Alkohols. Ein klarer Kopf war ihm wichtiger als das trügerische Glück des Rausches. Aber Trak war sein Auftraggeber, sein Retter, sein Boss, und so stieß er mit ihm an.

»Auf das CASINO UNIVERSO«, sagte der Bevollmächtigte des Konsortiums.

»Auf das CASINO UNIVERSO«, wiederholte Kellborn und führte das Glas mit seiner Cyborghand zu den Lippen. Er trank einige Schlucke der süßen, perlenden Flüssigkeit. Sie prickelte in seinem Mund.

Er sah wieder auf das Holodisplay.

Die mobile Raumstation hatte ihre Korrekturtriebwerke desaktiviert. Wie eine blutende Blüte schwebte sie vor dem Hintergrund des brodelnden roten Sonnenballs und schien ihn stumm zu locken.

Sein neues Kommando.

Die Erfüllung eines Traumes, den er fast nicht mehr zu träumen gewagt hätte.

Ein Lächeln stahl sich um Kellborns dünne Lippen und ließ sein hohlwangiges, ernstes Gesicht einen Moment aufleuchten.

Zum ersten Mal seit langer Zeit war die Zukunft voller Versprechen.

1.

7. April 1332 NGZ, 9:43 Stationszeit

Sgarde Norte rannte. Mit langen Sätzen und keuchenden Atemzügen hetzte sie durch den trüb erleuchteten Gang im Perimeterring des CASINO UNIVERSO, und sie wusste, dass sie sterben würde, wenn sie stolperte und zu Boden stürzte.

Der Gurrad war ihr dicht auf den Fersen.

Und er kannte keine Gnade.

Schließlich hatte sie ihm das Wertvollste gestohlen, das er besaß, ein Pfund Howalgonium im Wert von über fünf Millionen Galax, und er würde nicht ruhen, bis er ihr die Beute wieder abgejagt und sie für diesen Diebstahl mit dem Tode bestraft hatte.

Sgarde fluchte lautlos.

Und all das nur wegen Rogolov Traminer und der Nanobombe in ihrem Schädel ...

Sie rannte weiter.

In ihrem Rücken, so nah, dass sich ihre feinen Nackenhärchen aufrichteten, glaubte sie die polternden Schritte des gurradschen Howalgoniumhändlers zu hören, doch sie drehte nicht den Kopf. Sie beschleunigte ihre Schritte noch mehr und schien durch den Gang zu fliegen. Unwillkürlich tastete sie nach dem Thermostrahler in ihrem Gürtel, aber sie zog die Hand so schnell wieder zurück, als wäre sie von einem Tier gebissen worden.

Sie würde nicht auf den Gurrad schießen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.

Sicher, Grarwom Grordorr war ein skrupelloser Krimineller, der das Howalgonium auf Lepso aus dem streng bewachten Lager einer arkonidischen Handelsgesellschaft geraubt hatte. Und der Himmel allein wusste, wie viele andere Verbrechen er in seinem Leben noch begangen hatte. Zweifellos genug, um den Tod verdient zu haben.

Aber sie war keine Mörderin. Sie war nicht wie Traminer, an dessen Händen das Blut zahlloser Wesen klebte. Sie würde nur schießen, um ihr eigenes Leben zu schützen, und mit etwas Glück würde sie Grordorr auf andere Weise entkommen.

Immerhin hatte sie den Chamäleonanzug und die multimimetische Maske. Zwei Trümpfe, von denen der Gurrad nichts ahnte.

Ein zähnebleckendes Grinsen verzerrte ihr Gesicht, das nicht ihr wahres Gesicht war.

Ihr wahres Gesicht war schmal und weiß, von Sommersprossen gefleckt, mit sinnlichen roten Lippen, kleiner Stupsnase und großen dunklen Augen, umrahmt von kupfernen Lockenhaaren.

Aber die multimimetische Maske hatte ihr Gesicht in die zernarbte, hässliche Visage eines Mannes mittleren Alters verwandelt, mit grauem Teint, platter Nase und tief in den Höhlen liegenden Augen unter einer hohen Stirn. Und der Chamäleonanzug sah jetzt wie einer der graublauen Crew-Overalls aus, schmucklos und schmutzig wie nach langem Tragen.

Der Gurrad jagte einen Mann, offensichtlich ein Crew-Mitglied, und keine Frau, die zu den Gästen des interstellaren Casinos gehörte. Wenn sie ihm jetzt entkam, würde er für immer ihre Spur verlieren ...

Plötzlich sengte ein Thermostrahl durch den Gang.

Sgarde hörte das Zischen. Sie roch das Ozon der ionisierten Luft und den Gestank von verbranntem Plastik, als der Strahl neben ihr in die Wand einschlug und die Kunststoffverkleidung zum Schmelzen brachte. Ultraheiße Tropfen flogen durch die Luft, verfehlten sie nur um Zentimeter.

Der Gurrad meinte es ernst.

Sie rannte weiter, ein Schatten im rötlichen Licht der Notbeleuchtung, schwitzend unter dem formbaren Biomolplast ihrer Maske. Der Beutel mit den Howalgoniumkristallen, den sie in den Chamäleonanzug gestopft hatte, drückte gegen ihre Brust.

Fünf Millionen Galax.

Ein Vermögen.

Genug, um den Rest ihres Lebens sorgenfrei zu verbringen, auf Terra vielleicht, in einem Bergdorf in den Rocky Mountains, wo die Luft klar und frisch war und man fast bis zum Pazifik sehen konnte. Aber sie konnte froh sein, wenn Rogolov Traminer ihr auch nur einen Bruchteil der astronomischen Summe überließ ...

Unnütze Gedanken.

Sie verdrängte sie.

Der Traum von einem geruhsamen Leben auf der Erde war ohnehin ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte, solange sich die mikrominiaturisierte Bombe in Siganesenbauweise in ihrem Schädel befand. Und wenn keine Hilfe von Lepso oder einem anderen nahen Planeten eintraf, um die Crew und die Gäste des CASINO UNIVERSO zu retten, war sogar die Nanobombe ihr geringstes Problem.

Der Gurrad schoss erneut, doch er schien zurückgefallen zu sein, denn der Schuss schlug weit hinter ihr im grauen Bodenbelag des Korridors ein.

Schneller!, drängte sie sich. Schneller!

Sie passierte einen Teil des Perimeterrings, der an der Seite nicht mit Terkonit, sondern durchsichtigem Stahlglas verkleidet war, und erhaschte aus den Augenwinkeln einen Blick auf das Brodeln ultraheißer Gase und flackernder Protuberanzen. Die Sonne Bart Spurr schien den gesamten Weltraum auszufüllen, und fast glaubte Sgarde ihre Hitze spüren zu können.

So nah, dachte sie, so schrecklich, tödlich nah ...

Vor ihr tauchte ein Quergang auf, der aus dem Gamma-Sektor der Raumstation zur Kommandospindel führte, und Sgarde Norte spürte neue Hoffnung.

Dies war ihre Chance.

Sie bog in den Gang und stieß keuchend hervor: »Siebzehn.«

Die Audiosensoren von Maske und Anzug registrierten den verbalen Befehl und reagierten binnen einer Mikrosekunde. Sgardes zernarbtes, hässliches Männergesicht zerfloss, die Wangen fielen ein, die Nase trat hakenförmig hervor, der Teint nahm eine fahle Blässe an. Die hohe Stirn dehnte sich weiter und wuchs zu dem haarlosen, eiförmigen Schädel eines Aras heran. Gleichzeitig verwandelte sich der schmutzige, graublaue Crew-Overall in einen blütenweißen, an den Revers schwarz abgesetzten Maßanzug mit eingearbeiteten Glitzerelementen, wie sie in dieser Saison auf Aralon Mode waren.

Sgarde hütete ihr Geheimnis schon sehr lange; seine Offenlegung würde ihr zu schnell den Tod bringen. In den Anfangstagen ihrer Karriere war ihr die multimimetische Maske in die Finger gefallen, ein Prototyp der Whistler-Werke. Sie hatte eigentlich einen Datenkristall stehlen sollen, auf dem sich »gewisse Daten« des Projektentwicklers einer neuen Serie von Haushaltsrobotern befanden, die ihn leicht den Job kosten konnten. Über die Maske war sie nur durch Zufall gestolpert und hatte sie als Teil eines Täuschungsmanövers mitgenommen.

Das hatte besser geklappt als geahnt: Für die Whistler Inc. war es eine mittlere Katastrophe gewesen, dass ihr Prototyp verschwunden war, ebenso wie alle Unterlagen des »Projektes Argyris«. Niemandem war aufgefallen, dass auch noch ein Datenspeicher mit vergleichsweise uninteressantem Inhalt plötzlich nicht mehr auffindbar war.

Sgarde hatte erst erfahren, was für einen Schatz sie da in Händen hielt, als ein Kopfgeld auf den Dieb der Maske ausgesetzt worden war. 2,5 Milliarden Galax bewogen sie dazu, den Geheimnissen ihrer offensichtlich wertvollen Beute auf die Spur zu kommen. Und als sie begriffen hatte, was sie in Händen hielt, war ihr klar geworden, dass sie sich niemals wieder davon trennen würde.

Die gesamte Metamorphose hatte nur wenige Sekunden gedauert. Wo sich soeben noch das narbengesichtige Crew-Mitglied befunden hatte, stand jetzt ein blasiert dreinschauender reicher Ara. Allein an ihrer Größe war Sgarde Norte noch zu identifizieren, aber sie war überzeugt, dass der Gurrad in der Hitze des Gefechts nicht darauf achten würde.

Sie straffte sich, machte kehrt und trat mit beschwingten Schritten in den Korridor, wo der Gurrad bereits heranstürmte.

Er prallte gegen sie, stolperte einen Schritt zurück und riss mit einem gutturalen Aufschrei seinen Thermostrahler hoch. Sgarde hielt den Atem an. Das ledrig wirkende Raubtiergesicht des Löwenmenschen war schweißüberströmt, in seinen gelben, geschlitzten Augen blitzten Wut und Hass. Wild sah er an der Diebin vorbei in die Tiefe des Quergangs und stieß einen grollenden Fluch aus, als er niemand entdecken konnte. Er packte den vermeintlichen Ara am Revers und schüttelte ihn heftig.

»Wo ist er hin?«, knirschte der Gurrad. »Der Terraner, der soeben vorbeigekommen ist? Wo ist er hin? Rede, verdammt!«

Sgarde musste sich nicht bemühen, Angst zu heucheln. Sie hatte Angst. Todesangst. Aber sie vertraute auf ihre Tarnung. Scheinbar eingeschüchtert wies sie auf das offene Schott am Ende des Ganges.

»Er ... er ist durch das Schott verschwunden«, sagte sie leise, mit verstellter Stimme, und sie hoffte, dass sie tief genug klang, um den Gurrad zu täuschen. »Im Durchgang zur Kommandospindel«, fügte sie hinzu.

Der Howalgoniumhändler murmelte etwas Unverständliches, vermutlich eine Verwünschung, und schob den vermeintlichen Ara mit einer groben Handbewegung zur Seite. Dann rannte er los und sprang mit schussbereitem Thermostrahler durch die Schottöffnung. Seine polternden Schritte entfernten sich schnell.

Sgarde verschwendete keine Zeit. Wenn der Gurrad erkannte, dass er getäuscht worden war, würde er vielleicht zurückkehren, um seine Wut an dem »Ara« auszulassen. Sie lief weiter durch den Perimetergang und gab einen neuen kodierten Befehl: »Dreiundzwanzig.«

Wieder geriet die bioplastische Maske in Wallung, wieder veränderte der Chamäleonanzug seine Oberflächenstruktur. Als die Verwandlung Sekunden später abgeschlossen war, sah die Diebin wie ein alter, grauhaariger Terraner in einem königsblauen Nadelstreifenanzug aus, mit silbernem Vollbart und runzligem Gesicht.

Sie grinste unwillkürlich und verlangsamte ihre Schritte.

In der Mikrosteuerung der multimimetischen Maske waren über einhundert verschiedene Formen gespeichert, die auf Kommando abrufbar waren. Genug Varianten, um jeden Verfolger abzuschütteln und an jedem Ort unterzutauchen. Natürlich, wenn die internen Sicherheits- und Überwachungssysteme der Raumstation noch funktionieren würden, hätte sie dem Gurrad nicht so schnell entkommen können. Sie hätte für die Metamorphose eine Stelle aufsuchen müssen, die nicht von den Kameras der Bordüberwachung und den wachsamen Augen der Stationspolizei kontrolliert wurde, um keinen Verdacht zu erregen.

Aber die Kameras waren abgeschaltet, und die Stationspolizei hatte andere Sorgen als eine Diebin, die einem anderen Dieb die Beute abgejagt hatte.