Perry Rhodan 2627: Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS - Michael Marcus Thurner - E-Book

Perry Rhodan 2627: Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS E-Book

Michael Marcus-Thurner

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Beschreibung

Eine Schiffsbesatzung kämpft ums Überleben - Tekener bekommt wertvolle Hinweise In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) - das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert. Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null ernannt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise "entführt" worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich. Kein Wunder, dass in der Milchstraße an vielen Stellen große Unruhe herrscht. Mit dem Solsystem ist schließlich ein politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt der Menschheitsgalaxis entfallen - die langfristigen Auswirkungen werden bereits spürbar. Um eine politische Führung zu gewährleisten, wurde auf der Welt Maharani eine provisorische neue Regierung der Liga Freier Terraner gewählt. Die Hoffnung, das Solsystem wiederzuentdecken, gibt aber niemand auf. Der Zellaktivatorträger Ronald Tekener sucht mit der JULES VERNE nach Hinweisen auf dessen Verbleib - und wird fündig. Im Sektor Null, wo sich einst das Solsystem befand, ereigneten sich DIE LETZTEN TAGE DER GEMMA FRISIUS ...

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Nr. 2627

Die letzten Tage der

GEMMA FRISIUS

Eine Schiffsbesatzung kämpft ums Überleben – Tekener bekommt wertvolle Hinweise

Michael Marcus Thurner

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert.

Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null ernannt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise »entführt« worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich.

Kein Wunder, dass in der Milchstraße an vielen Stellen große Unruhe herrscht. Mit dem Solsystem ist schließlich ein politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt der Menschheitsgalaxis entfallen – die langfristigen Auswirkungen werden bereits spürbar. Um eine politische Führung zu gewährleisten, wurde auf der Welt Maharani eine provisorische neue Regierung der Liga Freier Terraner gewählt.

Die Hauptpersonen des Romans

Sichu Dorksteiger – Die Ator begegnet dem vielfachen Tod.

Ronald Tekener – Der »Smiler« kennt den Tod bisher nur als außenstehender Beobachter.

Mohanram Tivelani – Der Kommandant der GEMMA FRISIUS verteidigt sein Schiff gegen Tod und Teufel.

David Campese

1.

Ronald Tekener

14. November 1469 NGZ

»Alles in Ordnung, Ronald?«

Von allen Besatzungsmitgliedern an Bord der JULES VERNE ist Sichu Dorksteiger die Einzige, die mich bei meinem Vornamen ruft. Fast alle meine Freunde nennen mich Tek; jene, die mich fürchten, hassen und hinter vorgehaltener Hand über mich tuscheln, sagen Smiler zu mir.

»Es ist alles in Ordnung«, wiederhole ich, obwohl wir beide wissen, dass ich lüge.

Ich darf mich von der Ator keinesfalls ablenken lassen. Ich muss mich auf meine Pflichten konzentrieren, auf meine verdammten Pflichten. Ich trage Verantwortung für unzählige Terraner und Angehörige anderer Milchstraßenvölker. Man erwartet von mir, dass ich jede Situation mit der notwendigen Nüchternheit analysiere und die richtigen Entscheidungen treffe. Persönliche Anteilnahme am Schicksal Einzelner ist angesichts meiner Pflichten kontraproduktiv.

Und dennoch ...

Ich vermag kaum ruhig zu bleiben und nüchtern zu beurteilen, was ich im Zentralholo sehe. Ich fühle Wut in mir, einen der schlechtesten Ratgeber für Strategen.

Ich blicke auf das Wrack eines Schiffes terranischer Bauweise, kaum noch als Kugelraumer zu erkennen. Mit viel Phantasie kann ich den Schriftzug GEMMA FRISIUS erahnen. Die letzten Buchstaben fehlen; an ihrer Stelle befindet sich ein Loch, so groß, dass ein in einen Raumanzug gepresster Elefant purzelbaumschlagend ins Innere des Schiffes schweben könnte.

Ich zähle insgesamt acht größere Löcher und unzählige kleine. Es muss im Inneren der GEMMA FRISIUS zu Explosionen gekommen sein. Träger aus Terkonitstahl sind nach außen gebogen; in Gluthitze geschmolzene und in der Kälte des Vakuums wieder gefrorene Metallteile minderer Qualität ragen wie übergroße Knorpel und Knochensplitter aus den Öffnungen.

Besonders dramatisch sind die Beschädigungen nahe der oberen Polkappe des Schiffs. Durch ein gähnendes Loch von fast hundert Metern Durchmesser blicke ich tief ins Innere. Vorbei an Decks, deren Stützträger abgetrennt oder zusammengepresst worden sind, ins Innere von Hallen, Mannschaftsräumen, Lagerräumen, Erholungsbereichen, Laboratorien. Dies alles meine ich auszumachen; doch ich kann mich irren. Es scheint kaum möglich, all die Trümmer und Teile richtig zuzuordnen.

Der Schnitt an der Polkappe, der das Schiff ein wenig wie ein geköpftes Frühstücksei wirken lässt, verläuft keinesfalls gerade. Im Zentrum liegt eine Vertiefung von nochmals zwanzig Metern, deren Wölbung auf etwas hindeutet, das einen Gesamtdurchmesser von rund hundertfünfzig Metern gehabt haben muss.

Es sind 144 Meter, rufe ich mir die exakten Werte in Erinnerung. Ein Etwas, dessen Sinn und Zweck sich mir nicht erschließt, hat sich augenscheinlich in den Polbereich der GEMMA FRISIUS gebohrt.

Ich fühle wachsende Übelkeit, je länger ich diese seltsame Narbe betrachte. Wurden Menschen zerquetscht, als sich dieses Etwas auf den Forschungsraumer setzte?

Zur Wut gesellt sich Angst. Eine Emotion, die du dir nicht leisten solltest, alter Mann!

Mir ist, als blickte ich dem Tod ins Auge. Als erwartete mich dort im Inneren der GEMMA FRISIUS, in der Beinahe-Dunkelheit, die ein wenig von einem merkwürdigen Lichtschimmer durchbrochen wird, ein Monster aus den Albträumen meiner frühesten Jugend.

Diese Furcht ist anders als bei den meisten Einsätzen, die ich in meinem langen Leben angeführt – und überlebt – habe. Diesmal spüre ich sie ganz tief in mir. Sie ist kreatürlich und greift womöglich auf Instinkte zurück, die bereits meine Urahnen empfunden haben, wenn es am Horizont blitzte und ein Baum in Flammen geriet. Oder wenn es dunkel wurde. Denn in der Dunkelheit können Gefahren nicht wahrgenommen werden. Wir fühlen uns allein. Alleingelassen ...

Ich mache mir bewusst, dass ich im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe. Rings um mich verrichten die Besatzungsmitglieder der Schiffszentrale ihren Dienst. Sie sammeln Informationen, sorgen sich um unsere Sicherheit, sind vorbereitet auf den Gefahrenfall. Sie führen aus, was ich befehle. Ein Zeichen von Schwäche oder auch nur Unsicherheit würde sich augenblicklich auf sie übertragen.

Ich klopfe mit den Fingern auf das Pult vor mir. Rhythmisch, nicht allzu schnell. Die Geräusche und die Bewegungen geben mir meine Sicherheit zurück. Ich weiß aus Erfahrung, dass meist die winzigsten Gesten von größter Hilfe sind.

Ich betrachte die Bilder, die eine Vielzahl von Sonden und Drohnen aus der unmittelbaren Nähe der GEMMA FRISIUS liefern. Auch wenn nirgendwo Leichen zu sehen sind, erahne ich dennoch eine Katastrophe größten Ausmaßes. Shaline Pextrel und ihr Team prüfen das Innere des Wracks auf Lebenszeichen von Besatzungsmitgliedern.

Dieses Leuchten – was hat es zu bedeuten? Und warum dringt es aus jener klebrig wirkenden Masse, die Teile des Wracks überzieht und sich auch in sein Inneres fortsetzt? Ist dies der Angreifer? Etwas, das trotz der gnadenlosen Kälte des Weltalls überleben kann, auf uns lauert, uns vernichten möchte?

Ich behalte diesen Gedanken im Hinterkopf, sowohl um ihn abzutun als auch um ihm größere Bedeutung als notwendig zukommen zu lassen. Ich atme durch. So, dass kein anderes Mitglied der Zentralebesatzung es mitbekommt. Ich bin der Smiler. Ich fürchte mich nicht. Ich spucke dem Tod ins Gesicht.

So sagt man zumindest von mir.

Ich kann meine Blicke kaum vom großen Holo lösen. Mittlerweile ist die GEMMA FRISIUS – besser gesagt: ihr Wrack – weitgehend vermessen. Immer mehr detaillierte Informationen füllen die Datenspeicher, immer präziser werden jene Auskünfte, die NEMO, das Schiffsgehirn der JULES VERNE, zu geben imstande ist.

Doch selbst die Positronik hat keine Antwort auf die Fragen, die ich mir seit unserem Eintreffen hier ununterbrochen stelle.

Was ist geschehen? Warum befindet sich die GEMMA FRISIUS in einem derartigen Zustand, und wie, zur Hölle, ist das Schiff vom Ordoghan-Nebel in den Sektor Null gelangt?

Sichu Dorksteiger macht auf sich aufmerksam. »Da hat sich jemand mächtig viel Mühe gegeben, eine Milliarde Galax oder mehr zu vernichten«, sagt sie.

»Eher mehr«, antworte ich wortkarg. Der Wert einer derartigen Forschungseinheit liegt weit höher, angesichts all der hochgezüchteten Gerätschaften, die sich an Bord befinden.

Das Geld spielt angesichts der Tragödie, die sich an Bord der GEMMA FRISIUS augenscheinlich abgespielt hat, allerdings eine völlig untergeordnete Rolle. Ich habe mir sowieso nie viel daraus gemacht, es sei denn, um es zu setzen.

Ein Grummeln in meinem Bauch sagt mir, dass ich mir nicht allzu viel Hoffnung machen sollte, Überlebende zu finden. An der uns abgewandten Seite des Kugelraumers »klebt« eine Space-Jet, mit dem Hauptschiff verbunden durch jene Masse, die sich vorerst noch jeglicher Bewertung entzieht. Sie hält das Beiboot fest umklammert, mit Fäden, die denen eines dickflüssigen Spinnensekrets ähneln. Sie haben sich um den Rumpf des Beibootes gewickelt und fesseln es ans Mutterschiff.

Dabei handelt es sich bloß um eine von fünf Space-Jets, die neben 24 Minor Globes in der GEMMA FRISIUS beheimatet waren, versuche ich, mir Mut zu machen. Womöglich ist den anderen die Flucht gelungen ...

»Ich möchte mit hinausgehen«, sagt Sichu Dorksteiger.

»Ich habe kein Wort gesagt, dass ich persönlich zur GEMMA FRISIUS überwechseln möchte.«

»Du wärst nicht Ronald Tekener, würdest du an Bord der JULES VERNE bleiben und andere diese Arbeit erledigen lassen.«

Sie sagt es ruhig und mit völliger Gewissheit. So, als kenne sie mich ganz genau.

»Natürlich bin ich beim Vorab-Kommando mit dabei«, gebe ich zu und bemühe mich dabei um einen gleichgültigen Tonfall. »Mir wäre es allerdings lieber, du würdest hierbleiben.«

»Und warum genau?«

»Ich brauche frische und ausgeruhte Mannschaftsmitglieder bei mir. Fachleute, die mir mit Rat und Tat zur Seite stehen können.« Ich stichle. Ich möchte sie herausfordern und eine Reaktion herbeiführen.

Warum tue ich das? Warum lasse ich mich von Sichu immer wieder aus dem Konzept bringen – und warum zeige ich mich ihr gegenüber von meiner schlechteren Seite?

Die Goldsprengsel in ihrem Gesicht bewegen sich, als sie die Stirn runzelt. Sie ist wütend. Doch sie hat sich gleich wieder unter Kontrolle. »Ich bin ausgeruht. Ich habe die Erlebnisse im Weißen Saal verarbeitet, wenn es das ist, worauf du anspielst. Und ich denke, dass dich eine erfahrene Hyperphysikerin bei deinem kleinen Ausflug begleiten sollte.«

Sie sieht mich an, mit diesen so ausdrucksvollen Augen, die mich eben noch erschreckten und nun von einer unergründlichen, rätselhaften Tiefe sind. Ich muss mich rasch abwenden, um mich nur ja nicht darin zu verlieren. Zu viel persönliche Nähe ist gefährlich, sage ich mir, wie schon so oft während der letzten beiden Tage.

»Meinetwegen«, sage ich und gebe meiner Stimme einen schroffen Unterton.

Ich spiele schlecht heute. Nicht einmal ein Lächeln gelingt zu meiner Zufriedenheit.

Ich gebe Anweisungen und stelle ein erfahrenes Team für eine Besichtigung der GEMMA FRISIUS zusammen. Es drängt mich, so rasch wie möglich zum Forschungsraumer überzuwechseln. Ich denke an die Risiken. Was, wenn dort drüben etwas steckt, das uns gefährlich werden könnte? Was, wenn das seltsame Zeug, das überall am und im Schiff zu sehen ist, eine wie auch immer geartete Lebensform darstellt, die auf ihr nächstes Opfer wartet?

Ich habe zu viel erlebt, um eine derartige Gefahr ausschließen zu können. Ich benötige weitere Informationen.

Sichu Dorksteiger bleibt an meiner Seite. Sie beobachtet mich. Ich spüre ihr unvermindertes Interesse, und ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob es mir gilt oder dem, was ich darstelle.

Ich muss es wissen. Irgendwann. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Privates.

Es ist nie der richtige Zeitpunkt für Privates.

*

Reino tan Vitar äußert ebenfalls den Wunsch, mich zur GEMMA FRISIUS zu begleiten. Für einen Moment kommt jenes Misstrauen hoch, das ich den Akonen seit Jahrtausenden entgegenbringen muss. Obwohl es mehr ehrenwerte als niederträchtige Akonen gibt, hatte ich doch meist mit Letzteren zu tun. Insbesondere das Energiekommando, der mächtige Geheimdienst des akonischen Herrschaftsbereichs, hat über lange Epochen hinweg alles unternommen, um der Menschheit zu schaden und sie zu schwächen. Und sosehr ich tan Vitar schätze und – meist – vertraue, ganz verdrängen kann ich die Erinnerungen nie.

Darf ich Reino überhaupt vertrauen? Allem Anschein nach: ja. Er hat angedeutet, informelle Gespräche mit Vertretern der USO und der Liga Freier Terraner führen zu wollen. In akonischen Regierungskreisen scheint es Tendenzen zu geben, sich an die Liga Freier Terraner zu binden. Zwei Nationen, die ihre Heimatwelt verloren haben ... und zugleich wäre es ein deutliches Zeichen für das arkonidische Kristallimperium. Und zwar nicht an Imperator Bostich, sondern an die Interessengruppe Ark'Tussan, die bereits mehr als einmal auf sich aufmerksam gemacht hat und so manchem Akonen Kopfzerbrechen bereitet.

Selbst in dieser Situation bleibe ich von der hohen Politik nicht verschont. So sympathisch mir Reino tan Vitars Ansichten auch sind: Zurzeit liegt mir nichts ferner, als über intergalaktische Kabalen zu plaudern. Auch möchte ich nicht über Verbindungen zwischen den Geschehnissen bei uns und solchen in der Polyport-Galaxis Alkagar nachdenken. Tan Vitar schon, und er beruft sich auf den Schatten-Maahk Pral, der vor dem Galaktikum von großen Zusammenhängen gesprochen hat. Doch nicht jetzt, nicht hier ... Ich vertröste den Akonen.

Ich erhalte letzte Informationen über die GEMMA FRISIUS. Das Raumschiff ist eines von 48, das wenige Wochen vor dem Exitus des Solsystems spurlos verschwand.

Ich nicke Tristan Kasom zu und winke Sichu zu mir. Gemeinsam verlassen wir die Zentrale.

Durch den Antigrav geht es hinab zur nächstgelegenen Schleuse, an der Wissenschaftler, Techniker und ein Trupp Raumsoldaten unter der Leitung von Captain Curi Fecen auf uns warten. Ich habe mir ein vielseitig einsetzbares Team zusammengestellt, etwa dreißig Personen.

Ich gebe Direktiven und Verhaltensregeln aus. Es wäre nicht notwendig. Meine Begleiter sind allesamt erfahren. Doch ihnen tut es gut zu hören, dass jemand sie anführt, der seine Verantwortung ernst nimmt.

Das äußere Schleusentor öffnet sich, wir lassen uns in die Schwärze fallen, begleitet von einer Hundertschaft TARAS. Die Kampfroboter fliegen vorneweg und schwärmen aus, gemäß einer tausendfach praxisbewährten Taktik. Die SERUNS kommunizieren miteinander und sorgen dafür, dass sich kein Mitglied der Gruppe zu weit von den anderen entfernt.

Besonderen Wert lege ich auf das Urteil der drei Sicherheitsfachleute meines Teams. Sie kümmern sich um nichts anderes, als mithilfe der Armada an Sonden und ihrer eigenen Messergebnisse die Vorgänge in der GEMMA FRISIUS auf Risiken aller Art abzuklopfen. Ihr Augenmerk gilt jener Masse, die, je weiter wir uns dem Wrack nähern, immer dominanter wirkt.

Wir fallen auf das Schiff zu. Allmählich füllt es unsere Sicht. Die Schäden wirken umso schrecklicher, je näher wir unserem Ziel kommen. Da und dort erahne ich Lichtreflexe; solche, die von den seltsamen Verwachsungen stammen, die mich an Geschwüre erinnern.

Pen Helly, ein Logistiker mit Interessensschwerpunkt Statik, meldet sich mit heiserer Stimme zu Wort: »Die Lücken im Ringwulst folgen ganz offensichtlich einem Muster. Sie befinden sich dort, wo sich die Protonenstrahl-Impulstriebwerke und die Gravotron-Triebwerke befunden haben.«

»Das wissen wir.« Ich habe keine Lust auf langatmige Diskussionen. Warum belästigt mich Pen Helly mit derartigen Belanglosigkeiten?

»Es gibt aber auch ein zweites Muster, das das erste zum Teil überdeckt.«

Ah, jetzt wird's interessant. »Und zwar?«

»Jene Hangars, die Beiboote beherbergten, wurden ebenfalls systematisch zerstört.«

»Stimmt nicht«, sage ich enttäuscht. Ich lasse mir die von Shaline Pextrel zusammengestellten Daten vor die Augen spiegeln. »Mindestens vier der Hangarbuchten blieben – zumindest äußerlich – unbeschädigt.«

»Du besitzt die LFT-Datensätze, nicht wahr?«

»Welche denn sonst?«

»Die des Galaktikums«, gibt sich Pen Helly trotz meiner wachsenden Ungeduld gelassen. »Die GEMMA FRISIUS und baugleiche Einheiten wurden vor etwa einem halben Jahr sanft und je nach Verwendungszweck umgerüstet.«

Ein leiser Summton macht mich darauf aufmerksam, dass ich eine Nachricht vom Logistiker erhalten habe. Ich genehmige sie, ein nahezu deckungsgleiches Bild legt sich über jenes, das ich eben betrachte.

Die Betonung liegt auf »nahezu«. Rote Farbtupfer machen mich auf die Veränderungen aufmerksam. So wurden vier Hangarbuchten für Arbeitsgerät freigeräumt, das von nichtterranischen Zulieferern stammt: orbitalfähige Laboratorien und Habitate zur Erkundung von Schwerkraftwelten, arkonidische Schwersttransporter, Raupenfahrzeuge aus bluesscher Fertigung, eine transportable Quarantänestation, von Aralon geliefert ...

»Diese Informationen wurden noch nicht in NEMO eingespeist«, sagt Pen Helly.

»Und wo hast du sie her?«

»Zufall. Ich war kurz davor, auf die TYCHO BRAHE versetzt zu werden und habe mir die entsprechenden Daten geholt.«

Die TYCHO BRAHE, ein Schwesterschiff der GEMMA FRISIUS. Ein Zufall. Dies ist mehr als ärgerlich. Macht es mir doch bewusst, dass wir trotz penibler Vorbereitung auf diesen Ausflug Dinge übersehen haben – und dass die Zusammenarbeit zwischen Galaktikum und LFT noch lange nicht so funktioniert, wie sie es sollte. Informationen sind im besten Fall verschleppt, im schlechteren zurückgehalten oder gar blockiert worden. Weil irgendjemand aus irgendeinem Grund oder schlichter Nachlässigkeit nicht alle Daten synchron nach Terra, Arkon und Aurora, Hauptwelt des Galaktikums, eingespeist hatte. Es ist müßig, nach dem Schuldigen zu fahnden, zumindest für den Moment. Aber dass so etwas vorkommen kann, trotz aller positronischen Sicherungen, erfüllt mich mit Misstrauen, weil es zu sehr nach Absicht aussieht.

»Wir sind da«, meldet sich Sichu Dorksteiger auf einer Dialog-Frequenz. »Du solltest deine Anweisungen geben.«

Sie schwebt ein Dutzend Meter neben mir. Sie dreht sich mir zu und lächelt. Die Goldsprengsel ihres Gesichts funkeln.

Ich verringere die Geschwindigkeit meines SERUNS. Was für eine Blamage! Ich verlange von meinen Begleitern, dass sie stets auf ihre Aufgabe fokussiert bleiben – und war eben selbst in Gedanken über die galaktopolitische Situation verhangen.

Einige TARAS sind bereits ins Innere des Schiffs vorgedrungen. Andere sichern uns. Sie umgeben uns mit einem in der Blockformation gebildeten Schutzschirm. Erfahrene Raumsoldaten haben das Sagen. In diesen heiklen Minuten gehorche auch ich ihren Anweisungen.

Nach kurzer Zeit erfolgt die Bestätigung, dass wir uns frei bewegen können. Auch in der Nahortung konnten keinerlei Gefahrenherde im Inneren des Wracks ausgemacht werden.

Sichu Dorksteiger entfernt sich ein wenig von mir. Sie unterhält sich leise mit einem Berufskollegen, Roman Schleifer, der, wenn ich mich recht entsinne, im Kampf gegen die Frequenz-Monarchie eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat.

Er macht ihr schöne Augen!

»Wir gehen rein, wie besprochen!«, gebe ich das Kommando und deute zu einem aufgeplatzten Schott zu meiner Rechten.

Zwei bullig gebaute Ertruser fliegen vorneweg. Die Umweltangepassten umklammern ihre klobigen Waffen, die ich unter normalen Schwerkraftbedingungen kaum heben könnte. Captain Curi Fecen folgt ihnen. Er gilt als bedächtiger Mann, dem das Überleben seiner Leute wichtiger ist als ein teuer erkaufter militärischer Erfolg. Diese überaus sympathische Eigenschaft hat mich dazu bewogen, ihn für diese Mission anzufordern.

Ich grinse. Wenn jemand Risiken eingehen muss, bin ich das selbst.

Knappe Kommandos schwirren durch den Funkäther. Für einen Moment herrscht – scheinbares – Durcheinander. Doch schon bald legt sich die Hektik. Die Raumsoldaten geben erste Rückmeldungen.

»Innenschott gesichert!«

»Vordringen in Gang Acht-Sieben-Sieben. Kein Widerstand, kein Zeichen von Gefahr.«

»Keine atembare Atmosphäre, Schwerkraft vorhanden.«

»Ein in Einzelteile zerlegter Service-Roboter liegt quer über den Gang. Keine Gefahr.«

Immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, die sonore, vom Funkoffizier gesprochene Mitteilung: »Alles ruhig.«