Perry Rhodan 2903: Der Bund der Schutzgeister - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2903: Der Bund der Schutzgeister E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. In dieser Situation bietet das Goldene Reich der Thoogondu Perry Rhodan ein Bündnis an. Beim Erstkontakt geraten allerdings Besatzungsmitglieder von Rhodans Raumschiff RAS TSCHUBAI unter Mordverdacht. Dieser Vorfall alarmiert auch eine bislang unbekannte Gruppierung: Es ist DER BUND DER SCHUTZGEISTER ...

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Zeit:3 Std. 49 min

Sprecher:Florian Seigerschmidt

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Nr. 2903

Der Bund der Schutzgeister

Verschwörer an Bord der RAS TSCHUBAI – sie rächen die Verbrechen der Vergangenheit

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Unruhe

1. Raumfahrer weinen nicht

2. Unfehlbar

3. Komfortzone

4. Rendezvous

5. Ogygia um Mitternacht

6. Erweckung

7. Zedernduft

8. Niemals wieder!

9. Doppelspiel

10. Kettenreaktion

Epilog: Wünsche werden wahr

Leserkontaktseite

Risszeichnung Hauptzentrale der RAS TSCHUBAI

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien.

In dieser Situation bietet das Goldene Reich der Thoogondu Perry Rhodan ein Bündnis an. Beim Erstkontakt geraten allerdings Besatzungsmitglieder von Rhodans Raumschiff RAS TSCHUBAI unter Mordverdacht. Dieser Vorfall alarmiert auch eine bislang unbekannte Gruppierung: Es ist DER BUND DER SCHUTZGEISTER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Unsterbliche wird mit einer bislang unbekannten Gruppierung konfrontiert.

Täller – Der Waisenjunge von Maandam fühlt sich allein und unwillkommen.

Andris Kantweinen – Der Pilot sucht eine Balance zwischen Familie und Beruf.

Klavs Herm Luetyens

Prolog

Unruhe

Eines Tages werden die Terraner an ihrer eigenen Ungeduld zugrunde gehen.

Perry Rhodan konnte sich nicht entsinnen, wie oft ihn Atlan in den letzten dreitausend Jahren bei zahllosen Anlässen tatsächlich davor gewarnt hatte und wann er nur knapp davorgestanden haben mochte. Rhodan wusste längst selbst: Menschen waren anscheinend unfähig, über längere Zeit gar nichts zu tun – sogar falls jede denkbare Handlung lediglich ihre Lage verschlechterte.

Da niemand Genaues über Atlans derzeitigen Verbleib wusste, war Perry Rhodan dazu übergegangen, sich selbst diese Worte in Erinnerung zu rufen. Er musste Geduld haben. Ihm selbst waren faktisch die Hände gebunden. Es war an anderen, zu beweisen, dass kein Besatzungsmitglied der RAS TSCHUBAI einen ihrer Gastgeber ermordet hatte.

Abwarten ... So schwer das fiel.

Mit dem linken Zeigefinger tippte er langsam und rhythmisch auf die Armlehne seines Sessels. Ansonsten gestattete er sich kein sichtbares Zeichen seiner Anspannung. Er war nicht nur Perry Rhodan, er war der Expeditionsleiter dieses Fluges in eine bislang weitgehend unbekannte Galaxis zu einem Volk, das die Menschen besser zu kennen schien, als man bei diesen Distanzen erwarten würde. Eines Volkes, das sich ausdrücklich ihn als Kontaktmann mit der Milchstraße ausbedungen hatte.

Er wusste nicht, ob die Thoogondu tatsächlich Verbündete waren – ob aus dem Vorschlag eine Freundschaft erwachsen oder er sich als Kniff eines listigen Gegners erweisen würde. Er wusste nur eines: Diese Fremden kannten nicht nur viele Details der Milchstraße, sondern auch der RAS TSCHUBAI und ihrer Besatzung. Demzufolge musste sich ein Spion des Goldenen Reiches der Thoogondu an Bord aufhalten. Möglicherweise sogar in der Zentrale des Raumschiffs, an exponierter Position.

Rhodan lehnte sich vor. Von seinem Platz konnte er so gut wie alle Arbeitsstationen einsehen, mit Ausnahme der Feuerleitpulte direkt unter ihm. Wer war es? Wer stand in Kontakt zum Goldenen Reich und bescherte ihm Informationen?

Nur einundzwanzig Plätze waren besetzt. Standardstärke, ganz als gäbe es keine Krise. War der Verräter unter den Diensthabenden? Oder hatte er frei? Gab es vielleicht sogar mehrere Spione, sodass immer jemand mitbekam, was im Machtzentrum des Schiffs entschieden wurde?

Rhodan hätte gerne mit einer stärkeren Besetzung gearbeitet, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Aber der Spion der Thoogondu sollte sehen, dass die Terraner ihr Wort hielten. Einen unangenehmen diplomatischen Zwischenfall hatte es bereits gegeben, als ausgerechnet Gucky versucht hatte, die beiden Mordverdächtigen zu befreien. Im Ergebnis waren er selbst und seine Helferin verhaftet worden.

Vier zu retten.

Und er selbst durfte nichts tun. Die RAS TSCHUBAI durfte nicht aktiv werden, weil die Vertreter der Milchstraße sich dadurch selbst ins Unrecht setzen würden. Sie waren Gäste.

Perry Rhodan beglückwünschte sich zu seiner Idee, bereits früh das Raumschiff BJO BREISKOLL von der TSCHUBAI abgekoppelt zu haben. Wenn man es genau nahm, handelte es sich seitdem bei der BREISKOLL um einen autonomen Raumer, der nicht unter Rhodans Befehl stand. Insofern konnte ihm niemand einen Vorwurf machen, falls die BREISKOLL aktiv wurde.

Dass deren Besatzung die Hände nicht in den Schoß legen würde, dessen konnte Rhodan sich gewiss sein. Die Kommandantin trug nämlich seine Gene und seinen Namen: Farye Sepheroa-Rhodan, seine Enkelin.

Während Farye nach den Inhaftierten suchte, würde er nachforschen, inwiefern es Informanten der Thoogondu an Bord gab. Von Verrätern dachte er dabei zunächst nicht, solange es sich bei den Herrschern des Goldenen Reiches um Verbündete handeln konnte.

Leider fand sich bislang kein Anknüpfungspunkt. Einmal mehr könnte er jetzt Gucky an seiner Seite gebrauchen – der Mausbiber war einer der fähigsten Telepathen, die er je gekannt hatte.

Vorläufig war Rhodan also auf herkömmliche Recherche angewiesen. Damit hatte er den Sicherheitschef der RAS TSCHUBAI beauftragt. Wie ein Blick auf sein Armbandkom verriet, gab es keine neuen Nachrichten von Luetyens. Wie lange würde es dauern, bis sie endlich eine Spur hatten?

*

Auf Rhodans Augenhöhe zeigte der Hologlobus den Planeten Thooalon, eine Wasserwelt mit nur zwei Kontinenten. Dort hatte sich der Mord ereignet, den eigentlich niemand sich erklären konnte.

Der Terraner wollte aber nicht diese Welt sehen, daher spähte er unter dem Südpol der projizierten Holokugel hindurch: Gut dreißig Meter entfernt saß Kommandant Oberst Cascard Holonder. Was wohl in ihm vorging?

Von den fünf Sitzen nahm er einen Platz besonders wahr – nicht die beiden, die besetzt waren: Die Erste Offizierin und der Dritte Pilot taten gerade ihren Dienst, sie angespannt auf der Vorderkante ihres Sitzes kauernd, er zurückgelehnt und mittels der SERT-Haube vollkommen in die Steuerung des Schiffs vertieft – was dem Alarmmodus geschuldet war, denn ein simpler Orbit um einen Planeten bedurfte keineswegs der Talente eines Emotionauten.

Es war einer der drei freien Plätze, der sein Augenmerk beanspruchte: jener der Zweiten Pilotin. Sie hatte Guckys törichten Befreiungsversuch unterstützt und war gemeinsam mit ihm verhaftet worden.

In diesen Stunden hätte Perry Rhodan sich mit Geschichte und Politik des Goldenen Reiches befassen und galaktische Verantwortung wahrnehmen müssen, stattdessen war er, ob er wollte oder nicht, auf eine einzige Frage fokussiert – jene Frage, von der die gesamte weitere Entwicklung abhängen konnte: Was war tatsächlich auf Thooalon geschehen? An einen Mord glaubte Rhodan keine Sekunde, ungeachtet aller Indizien, die gegen die Verdächtigen sprachen. Dazu kannte er beide vermeintlichen Täter zu lange und zu gut.

Irgendwann erinnerte der Schichtwechsel Rhodan daran, wie viel Zeit verstrichen war: Durch die beiden breiten Stahltüren rechts und links vom Kommandopodest betraten zwanzig Besatzungsmitglieder die Zentrale und nahmen die freien Plätze neben den aktuell Diensthabenden ein. Nachdem sie sich über relevante Vorkommnisse ihres Aufgabengebietes informiert hatten, räumten die Abgelösten ihre Plätze und verließen ohne Eile die Zentrale. Die neue Schicht hatte übernommen.

Das Warten ging weiter.

Standen acht weitere ereignislose Stunden bevor?

Plötzlich meldete Rhodans Multikom eine eingetroffene Nachricht. Luetyens! Die Zeugin hat der Befragung per SEMT zugestimmt.

Endlich! Rhodan sprang auf und machte sich auf den Weg zum Medo-Center.

Geisterstunde

»Wir sollten losschlagen!«

»Nicht ohne Beweis.«

»Was willst du denn? Es gibt eine Zeugin!«

»Das reicht mir nicht.«

»Aber ...«

»Hör zu! Wir sind uns wohl einig: Die Verbrechen der RAS TSCHUBAI in den Magellanschen Wolken lassen sich nicht ungeschehen machen. Aber wir können dafür sorgen, dass nie wieder ein solches Grauen von dem Schiff ausgeht. Und leider sieht es so aus, als würde genau das wieder geschehen.«

»Sag ich doch: Wir müssen ...«

»Wir müssen bessere Menschen sein als unsere Gegner. Wir werden das Grauen ausmerzen. Koste es, was es wolle. Aber bevor wir jemanden umbringen oder das ganze Schiff gefährden, will ich einen unwiderlegbaren Beweis sehen.«

»Und wo willst du den herbekommen?«

»Von Rhodan.«

»Was? Hast du ihn erreicht?«

»Leider nein. Ich habe ihm ein Dutzend Botschaften allein in den letzten sechs Stunden geschickt. Er hat auf keine geantwortet. Ich glaube, Luetyens lässt alle Nachrichten für Rhodan vorab filtern. Deshalb habe ich versucht, ihn persönlich abzupassen. Aber Luetyens' Wachleute haben mir keine Chance gelassen, ihn unbeobachtet anzusprechen.«

»Und wie willst du dann deinen Beweis von ihm bekommen?«

1.

Raumfahrer weinen nicht

Die SERT-Haube fuhr empor. Das Licht der Zentrale stach in Andris Kantweinens Augen.

Es war stets ein absurder Moment. Eben noch hatte der Dritte Pilot mit Millionen Augen ins All gespäht, Informationsfluten kanalisiert und erlebt mit Nerven, die keinem Menschen gegeben waren – und nun war er wieder auf seine eigenen angewiesen. Selbst die schwache Beleuchtung der Zentrale brannte ihm in den Augen, weil sie das erste wirkliche Licht war, das seit Stunden auf seine Netzhaut traf.

Aber der Schmerz würde vergehen, binnen Sekunden.

Er wusste das, ohne dass es ihn tröstete.

Die wirkliche Umgebung sprang ihn an, krallte sich in seine eigentlichen Sinnesorgane und gestattete sich Konturen und Tiefe. Wie schwach war diese Realität ... Als Pilot der RAS TSCHUBAI unter dem Einfluss der des Simultanen Emotio- und Reflex-Transfers ahnte seine Haut die Kälte des Alls, tasteten seine Fingerspitzen Ortungsergebnisse, spürte er die Schiffsbewegung im Orbit um Thooalon in den Haaren, aktivierte ein Ballen seiner Hände die Waffensysteme, flammten die Schutzschirme auf, wenn er sich zusammenkauerte. Dann war er all das, was die 2,4 Milliarden Tonnen Stahl und Technologie ausmachte, die den Namen RAS TSCHUBAI erhalten hatten.

Ohne die SERT-Verbindung war Andris Kantweinen nicht mehr als jeder Mensch. Und so viel weniger als Briony Legh, die in den kommenden acht Stunden das Nervenzentrum der TSCHUBAI sein durfte. Kantweinen hatte Freischicht.

Schade. Er wäre gerne geblieben, was er sein durfte: die RAS TSCHUBAI.

Zum Glück. Denn Emotionaut zu sein, barg enormes Suchtpotenzial.

Er war ein Mensch, kein Raumschiff, und es war nicht das Schlechteste. Er ließ die Schultern kreisen, streckte er einige Male die Finger und ballte sie wieder zu Fäusten. Nach wenigen Sekunden hatte er sich wieder an seinen Körper gewöhnt und stand auf.

Kantweinen folgte den anderen Besatzungsmitgliedern, die gerade abgelöst worden waren, aus der Zentrale. Über die Schulter sah er empor zum GALERIE-Level.

Auf dem Platz des Expeditionsleiters thronte Perry Rhodan und blickte herab in die Zentrale. Der mehr als dreitausend Jahre alte Terraner sah nachdenklich aus. Er wirkte hager, seine Lippen waren schmal, sein Blick wie in weite Ferne gerichtet.

Kantweinen fragte sich, worüber der Unsterbliche wohl nachdachte. Er war froh, dass er sich nicht mit Rhodans Problemen herumschlagen musste. Dafür hatte er genug eigene Herausforderungen zu bewältigen. Banalere zwar, ohne jegliche kosmische Bedeutung – aber ausreichend, um ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Er konnte ein ganzes Raumschiff mit 35.000 Mannschaftsmitgliedern aus der Milchstraße hinaus in fremde Galaxien fliegen. Da würde es ihm wohl gelingen, mit einem zehnjährigen Jungen zurechtzukommen!

*

Kantweinen stieg die Wendeltreppe hinauf. Als reguläres Mitglied der Zentralebesatzung hatte er das Privileg einer Unterkunft innerhalb der hundert Meter durchmessenden Zentralkugel. Sein Arbeitsweg führte lediglich dreißig Meter abwärts. Per Antigravschacht konnte er im Notfall binnen weniger Sekunden seinen Pilotenplatz erreichen. Für den Rückweg nach einer achtstündigen, ereignislosen Schicht bevorzugte er allerdings die eigentlich für Notfälle gedachte Treppe. Die hundertachtzig Stufen brachten seinen Kreislauf wieder ein klein wenig in Schwung.

Er wurde erwartet: Ein Posbi stand genau vor seiner Tür. Der positronisch-biologische Roboter bewegte sich auf menschenähnlichen Metallbeinen mit Füßen und Kniegelenken. Sie trugen einen Kugelkörper, um den langsam drei umlaufende Bänder mit Sensoren und Werkzeugarmen rotierten. Einen materiellen Kopf hatte der Posbi nicht – stattdessen erschien über dem Pol der Kugel die Projektion eines Frauengesichts mit streng zurückgekämmtem Haar. Die Frau fixierte Kantweinen.

»Hallo. Bist du Andris Kantweinen, Zweiter Pilot der RAS TSCHUBAI, Dienstnummer Zwei-Fünf...«

»Bin ich«, unterbrach Kantweinen, bevor der Posbi die komplette Nummer aufsagen konnte. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

»Meine Signatur für den Kontakt mit nichtpositronischen Lebewesen ist Eckbenzenz.«

Kantweinen seufzte. Es gab so viele Posbis, mit denen man sich völlig normal unterhalten konnte. Und es gab Exemplare wie dieses, die selbst einfachste Fragen in höchst komplizierte Angelegenheiten verwandeln konnten. Er hoffte, das Gespräch kurz halten zu können. Er war müde nach seiner Schicht. »Hallo, Eckbenzenz. Was kann ich für dich tun?«

»Ich agiere im Auftrag des sozialpsychologischen Dienstes der RAS TSCHUBAI. Uns liegt eine Beschwerde aus der Abteilung Xenopsychologie vor. Demnach beherbergst du einen schwer traumatisierten außerirdischen Jugendlichen, der dringend fachkundiger Betreuung bedarf. Du hast jedoch mehrere angebotene Gesprächstermine verstreichen lassen. Ich muss mich daher überzeugen, dass dem Kind ...«

»Täller geht es gut!«, schnappte Kantweinen. »Wer hat sich beschwert? Wie kommt der dazu, mich anzuschwärzen?«

»Nach Ansicht des Beschwerdeführers benötigt der Junge fachkundige Betreuung. Seine Eltern sind gestorben. Sein Heimatplanet wurde zerstört. Welche Qualifikationen kannst du vorweisen, die dich befähigen, in dieser Situation angemessen für ihn zu sorgen?«

»Täller geht es gut, habe ich gesagt. Stellst du mein Wort infrage?«

»Ich muss mich davon überzeugen«, antwortete Eckbenzenz.

Kantweinen verdrehte die Augen. »Wenn's sein muss.«

Er öffnete die Kabinentür.

Und sah direkt auf ein Schlachtfeld.

Sämtliche Trividwände, die für seine Unterkunft zugelassen waren, schienen gleichzeitig aktiv zu sein: Er sah drei unterschiedliche Cartoonserien, in denen ständig etwas in die Luft flog oder Figuren ungebremst vor Wände rannten; er sah die Tabelle der bordinternen Gravokubus-Liga neben einem Livespiel: Zwei Mannschaften jagten in einem simulierten Sternenfeld den Stellen hinterher, die gerade Punkte brachten, und benutzten Rückstoßpistolen, um in der Schwerelosigkeit ihre Richtung zu ändern oder Gegner in besseren Positionen aus der Bahn zu stoßen.

Auf dem Boden lagen die Teile eines Bausets, das Kantweinen als Lernspielzeug für Täller hatte generieren lassen. Dazwischen Kleiderhaufen, unter denen sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einige der scharfkantigsten Bauelemente verbargen. Auf der Küchenzeile stand Tällers benutztes Geschirr. Wo war denn die Schwierigkeit dabei, Schüsseln und Tassen ins automatische Reinigungsmodul zu geben? Oder einen Servorobot damit zu beauftragen?

»Der verdammte kleine ...« Kantweinen verkniff sich den Rest des Satzes, als ihm einfiel, dass Eckbenzenz ihm zuhörte. Die Tirade würde später folgen. Auf Mandaam hatte Kantweinen den Jungen aus den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes gezogen. Das gab dem Jungen allerdings nicht das Recht, Kantweinens eigene Kabine in ein Trümmerfeld zu verwandeln.

Vielleicht hatte der Posbi recht. Kantweinen verfügte weder über theoretische Kenntnisse noch praktische Erfahrung im Aufziehen eines außerirdischen Waisenkindes. Alles, was er übers Elterndasein wusste, hatte er von seinem Vater gelernt – und dabei hauptsächlich, wie man es besser nicht machen sollte.

Wie so oft in letzter Zeit verfluchte Kantweinen sein weiches Herz. Täller hatte darum gebettelt, auf der RAS TSCHUBAI bleiben zu dürfen, und Kantweinen hatte einen schwachen Moment gehabt. Wenn er damals gewusst hätte, dass er damit dem Chaos Tür und Tor öffnete ...

Keine gute Tat blieb ungestraft. Täller mochte ein Nichtmensch sein, aber offenkundig entsprach sein Verhalten durchaus dem eines menschlichen Zehnjährigen – soweit Kantweinen sich erinnerte. Angesichts einer dürren Größe von mehr als zwei Metern und einer bassigen Stimme vergaß selbst er diesen Umstand immer wieder. Täller benahm sich wie ein Kind, und Kantweinen wusste nicht, wie er damit umzugehen hatte. Er hätte schwören können, dass er ein paar Falten mehr in der Stirn trug und sein Haar immer weißer wurde, seit Täller in seinem Quartier wohnte.

Tatsächlich hatte er selbst bereits überlegt, den Sozialdienst um Hilfe zu bitten. Das war aber etwas ganz anderes, als mit jemandem zu kooperieren, der auf Zuruf eines anonymen Denunzianten von den Xenopsychologen losgeschickt worden war. Insbesondere, wenn es sich dabei um einem unfreundlichen Roboter handelte. »Ist das der übliche Zustand der Kabine?«, fragte Eckbenzenz. »Und wo hält sich Täller auf?«

»Erste Frage: nein. Zweite Frage: Ich habe keine Ahnung.« Kantweinen hätte Gift und Galle spucken mögen. »Lass mich in Frieden. Ich habe hier zu tun.«

»Ich stelle hiermit fest, dass du als Erziehungsverantwortlicher nicht über den Aufenthaltsort des Jungen während deines Dienstes Bescheid weißt. Bestätigst du diese Annahme?«

Kantweinen riss sich zusammen und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. »Ich nehme deine Sorge zur Kenntnis und werde den Sozialdienst einbinden, sobald sich abzeichnet, dass Täller Probleme hat. Das ist aber nicht der Fall, verstanden? Und jetzt lass mich in Ruhe!«

»Das Timbre deiner Stimme lässt auf ein Aggressionspotenzial ...«

»Raus!«

Ohne weiteres Wort verließ Eckbenzenz die Kabine.

Kantweinen wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, dann nahm er die herumliegenden Kleidungsstücke auf und warf sie in den Umkleidering in der Zimmerecke. Ein Antigravfeld hielt sie in der Luft. Ein fliegender, faustgroßer Servoroboter sammelte die schmutzigen Teile, um sie zur Bordwäscherei zu bringen. Ein paar Minuten Arbeit später erkannte Kantweinen sein Quartier wieder.

So konnte es nicht weitergehen. Er musste mit Täller reden.

»Hat Täller mir eine Nachricht hinterlassen, wo er hinwollte?«, fragte er in den leeren Raum hinein.

Die angenehm modulierte Stimme der Bordsemitronik ANANSI antwortete. »Es liegen keine Nachrichten für dich vor.«

»Wo ist der Knirps?«, überlegte Kantweinen laut.

Die Semitronik fragte zurück: »Handelt es sich um eine Situation, die eine Überbrückung der Privatsphäreeinstellungen rechtfertigt? Du agierst als Erziehungsbevollmächtigter und kannst Tällers Aufenthaltsort in folgenden Situationen abfragen: unmittelbare Gefahr, Verdacht auf unmittelbare ...«

»Ruhe!«, knurrte Kantweinen.

Die Stimme brach ihre Aufzählung ab.

Kantweinen ärgerte sich. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich den Aufenthaltsort angeben zu lassen. Aber wenn der Sozialdienst mitbekam, dass er die Privatsphäre des Jungen aushebelte, würden die Probleme erst richtig losgehen.

Viel schlimmer aber: Er hätte es als Vertrauensbruch empfunden, dem Jungen hinterherzuspionieren. Es musste eine andere Möglichkeit geben.

Nachdenklich betrachtete er die Wand mit der Übertragung aus dem Gravokubus. Eine vage Erinnerung regte sich in seinem Hinterkopf.

*

Nach den Sternen greifen!

Das war Tällers Traum gewesen, seit er auf Mandaam in den Nachthimmel geblickt hatte. Er hatte die unzähligen Lichter am Firmament betrachtet und davon geträumt, wie es wohl wäre, dorthin zu reisen ...

Mandaam war zerstört.

Aber Täller reiste zu den Sternen.

Und er spielte mit ihnen.

Es war unbegreiflich.

Grandios.

Täller tastete sich langsam vor. Er musste aufpassen, dabei nicht kräftig aufzutreten, sonst wäre er in der Schwerelosigkeit davongeschwebt. Es war dunkel wie in finsterster Nacht, nur die winzigen, weißen Punkte über ihm spendeten ein kleines bisschen Helligkeit.

»In Ordnung, Junge«, hörte er Rickert Smyns Stimme in seinem Helm. »Zeig, was du draufhast!«

Der Teamcaptain der Flybirds klang gelangweilt. Täller fragte sich, wie viele Spieler, die ins Team wollten, Smyn sich an diesem Tag bereits angesehen hatte.

Einer der Punkte strahlte heller auf. Die Zahl Fünfzig erschien daneben. Der erste Stern war einfach, den hatte er schon beim allerersten Versuch bekommen. Problematisch wurde es später, sobald er in der Schwerelosigkeit die Richtung wechseln musste.