Perry Rhodan 2908: Das Gesetz der Gemeni - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2908: Das Gesetz der Gemeni E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen. Auf der Erde bahnen sich indessen neue Entwicklungen an. Die bislang unbekannten Gemeni sind mitten im Solsystem samt eines offenbar organisch wachsenden Raumschiffs aufgetaucht und haben als Freundschaftsgeschenk tausend Zellaktivatoren ausgelobt. Wer ein solches, Unsterblichkeit verheißendes Gerät haben möchte, ist aufgerufen, sich zu bewerben. Dabei gilt lediglich DAS GESETZ DER GEMENI ...

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Zeit:3 Std. 58 min

Sprecher:Renier Baaken

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Nr. 2908

Das Gesetz der Gemeni

Agenten erforschen das lebende Schiff – sie entdecken ein dunkles Geheimnis

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Epilog

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

Auf der Erde bahnen sich indessen neue Entwicklungen an. Die bislang unbekannten Gemeni sind mitten im Solsystem samt eines offenbar organisch wachsenden Raumschiffs aufgetaucht und haben als Freundschaftsgeschenk tausend Zellaktivatoren ausgelobt. Wer ein solches, Unsterblichkeit verheißendes Gerät haben möchte, ist aufgerufen, sich zu bewerben. Dabei gilt lediglich DAS GESETZ DER GEMENI ...

Die Hauptpersonen des Romans

Maurits Vingaden – Der Direktor des Geheimdienstes muss sich auf das Urteil von Positroniken verlassen.

Peguy Burns – Ein schwergewichtiger Agent verlässt sich auf seinen Wert.

Bontin Whistler – Auf den erfahrenen Agenten ist stets Verlass.

Maiwenn Parillaud – Die Oxtornerin hat die Flotte für den Geheimdienst verlassen.

Jonathan Bolajetta

Prolog

12. Juli 1551 NGZ

Maurits Vingaden starrte nachdenklich auf die vier Hologramme über seinem Schreibtisch. Die Fenster waren verdunkelt, und andere Lichtquellen als die bläulich leuchtenden Dateien gab es nicht: vier Köpfe, eine Frau, drei Männer, daneben ihre Namen und einige Informationen zu Werdegang und Fähigkeiten. Die Beleuchtung von unten zeichnete die tiefen Falten auf Vingadens Stirn und um seine Mundwinkel als schwarze Schatten nach.

Der Direktor des Terranischen Liga-Dienstes blickte nicht auf, als sein Besucher das Büro betrat. Hekéner Sharoun kam wortlos herein und setzte sich unaufgefordert auf einen Stuhl gegenüber Vingaden.

Der Resident der Liga Freier Galaktiker wartete ab. Erst als der Geheimdienstchef sich in seinem Stuhl zurücklehnte, sprach er. »Haben wir einen Plan?«

»Natürlich.« Vingaden deutete auf die vier Holos. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob wir die richtigen Leute dafür haben.«

Sharoun betrachtete interessiert den einzigen Frauenkopf. »Maiwenn Parillaud«, las er leise vor und warf einen Blick auf die Daten daneben. »Ich habe nicht gewusst, dass ihr wieder Mutanten als Agenten beschäftigt.«

Vingaden winkte ab. »Ihre Mutantenkräfte sind nicht der Rede wert. Eine nette Beigabe. Hauptsächlich ist sie dabei, weil sie einen Okrill hat. Und weil ich gerade keinen anderen KIS-Agenten mit Kommandoerfahrung zur Verfügung habe. Eigentlich ist sie zu neu für den Job. Sie ist erst vor ein paar Wochen von der Flotte zu uns gewechselt.«

»Wie sieht der Job denn aus? Bringst du mich auf den Stand der Dinge?« Sharoun lehnte sich ebenfalls zurück. Eine Strähne seines roten Haares fiel ihm in die Stirn. Er schob sie zur Seite und betrachtete seine Hand. Die blaue Haut schien in dem finsteren Büro fast schwarz.

Vingaden machte eine nachlässige Geste. Unsichtbar angebrachte Leuchtkörper tauchten den Raum in indirektes Licht. »Wir müssen mehr über dieses Schiff herausfinden.«

Er schob die Holoprojektionen beiseite, worauf eine neue Darstellung über seiner Arbeitsplatte entstand: der Spross YETO. Das fünf Kilometer lange und dreieinhalb Kilometer durchmessende Gewächs, das die geordneten Verhältnisse im gesamten Sonnensystem gefährdete, wenn nicht sogar in der ganzen Milchstraße.

Einen Monat zuvor war der Spross YETO lediglich ein Samenkorn gewesen, keine zwei Millimeter groß. In diesem Zustand hatte ein Kind namens Yeto Carell ihn im heimischen Garten entdeckt. Seitdem war der Spross jeden Tag auf das Doppelte seiner bisherigen Größe angewachsen. Auf vier Millimeter am ersten Tag. Acht Millimeter am zweiten, sechzehn am dritten. Ein Meter nach zehn Tagen. Ein Kilometer nach knapp drei Wochen. Zwei Tage später – bei den fünf Kilometern Länge, die das Hologramm anzeigte – hatte der Spross sein Wachstum eingestellt.

»Zumindest kann man Schulkindern damit anschaulich zeigen, was exponentielles Wachstum bedeutet«, sagte der Resident.

»Wenigstens ein positiver Aspekt der Sache.« Vingaden starrte das Schiff feindselig an.

»Du gehst von einer Gefahr aus«, stellte Sharoun fest.

Vingaden lachte kurz. »Das ist mein Beruf. Alles ist eine Gefahr, bis das Gegenteil bewiesen ist.«

Der Resident der Liga neigte den Kopf zur Seite, in Richtung der Holos, mit denen Vingaden sich bei seinem Eintreten beschäftigt hatte. »Was hast du vor?«

Vingaden drückte die Darstellung des Sprosses in die Tischplatte. »Nachdem der Besitzer oder Kommandant oder was auch immer dieses ... Dings quasi die gesamte Bevölkerung der Galaxis eingeladen hat, denke ich, dass ein paar von unseren Experten an Bord gehen sollten. Zwei Agenten begleiten heute Abend Yeto Carell und seine Familie. Die beiden werden zwangsläufig sofort enttarnt werden.«

Er zog die Personaldateien zwischen die beiden Männer. »Vom Kommando Information und Sicherung erhoffe ich mir etwas mehr. Die Teammitglieder tarnen sich als normale Gäste und sollen verdeckt herausfinden, was es mit diesem Raumschiff und seiner Besatzung auf sich hat. Sie berichten direkt an mich.« Vingaden zögerte. »Und natürlich an dich, wenn du das wünschst.«

Der Resident nickte. »Tue ich.« Er zeigte auf die vier Köpfe. »Wer sind sie?«

»Die Spezialisten aus der KIS-Truppe, die unsere Positroniken ausgewählt haben. Die bestmögliche Kombination von Fähigkeiten und Erfahrungen, um das Unternehmen zum Erfolg zu führen, wenn ich ihnen trauen darf.«

»Du klingst nicht überzeugt«, bemerkte Sharoun.

Vingaden seufzte. »Die vier hier haben nie zuvor zusammengearbeitet, bis auf diese beiden.« Er zeigte auf den Kopf eines Mannes mit fülligen Wangen, kurzem schwarzem Haar und einem kurz gestutzten, lockigen Vollbart, und einen zweiten Mann, der in seinen Sechzigern sein mochte, ohne ein einziges Haar auf dem Schädel. Ebenfalls kein Leichtgewicht.

Peguy Burns und Bontin Whistler stand in blauen Lettern neben den Gesichtern in der Luft. »Außerdem hat Whistler sich erst heute zum Dienst zurückgemeldet. Die letzten zwei Jahre war er freigestellt. Seine Frau ist schwer krank, er pflegt sie.«

»Nicht optimal«, gab der Resident zu. »Warum dann diese vier?«

»Im Gegensatz zu unseren eingespielten Teams sind sie aktuell auf der Erde. Ich will heute Abend noch Agenten im Spross haben. Erfahrenere Leute haben ein paar Tage Anreise.«

»Das spricht auf jeden Fall für diese hier«, sagte der Resident mit hochgezogenen Augenbrauen. »Gib ihnen eine Chance. Auch deine eingespielten Teams sind irgendwann in ihren ersten Einsatz gegangen.«

»Schon ...«, murmelte Vingaden.

»Aber?«, fragte Sharoun.

»Diesmal musste es so schnell gehen, dass ich keine Wahl hatte, als ausschließlich den Empfehlungen der Positroniken zu vertrauen.«

Der Resident nickte. »Und du traust Positroniken nicht.«

Vingaden seufzte. »Merkt man mir das an?«

*

Drei Agenten hielten sich in dem Besprechungsraum auf, eine Frau und zwei Männer. Niemand sprach. Der Jüngere der beiden schabte geistesabwesend mit dem Daumen über seinen Dreitagebart, fuhr sich danach mit der Hand durchs kurze blonde Haar, das entweder lang schon keinen Kamm mehr gesehen oder dessen Ordnungsversuche ignoriert hatte. Schließlich verschränkte er die Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster.

Die Tür öffnete sich. Vingaden und Sharoun traten ein.

Die Frau namens Maiwenn Parillaud erhob sich dynamisch und salutierte, als ihr oberster Vorgesetzter und der höchste Repräsentant der Liga Freier Galaktiker ins Zimmer kamen. Ihre Haut war samtbraun. Das kalte, weiße Licht der Deckenlampe brachte einen grünlichen Schimmer darauf hervor. Es spiegelte sich auf ihrer Glatze.

Vingaden nickte der Frau zu. »Setz dich bitte. Keine Formalitäten.«

Sie folgte dem Befehl, der nur der Formulierung nach keiner war. Neben ihr drehte ein auf der Erde selten gesehenes Tier den Kopf und sah sie an. Es wirkte wie ein gewaltiger Frosch von einem halben Meter Schulterhöhe.

Lächelnd sah sie auf ihn herab und gab ihm drei klatschende Schläge gegen die Schnauze. »Ruhig, Cucull!«, murmelte sie.

Cucull rieb den Kopf an ihrer Wade und umarmte sie mit dreien seiner acht Beine.

Bontin Whistler, der ältere der beiden Männer, war im Begriff gewesen, sich ebenfalls zu erheben. Er setzte sich gleichfalls wieder.

Der Jüngere mit dem Dreitagebart, etwa in Maiwenns Alter, reagierte so gut wie gar nicht auf die Neuankömmlinge. Er löste lediglich den Blick vom Fenster und neigte kurz den Kopf zum Gruß, eine kaum wahrnehmbare Bewegung.

Sharoun blieb an der Seite des Raums stehen. Vingaden trat vor die Gruppe. »Wo ist Peguy Burns?«, fragte er irritiert. »Wir wollten pünktlich beginnen!«

Die Tür öffnete sich wieder, und der Genannte trat ein. »Bin ich zu spät?«, fragte er freundlich. Ohne den geringsten Anflug von Eile schlenderte er zu einem freien Platz.

Vingaden blickte auf sein Chronometer. »Nein.« Sein Tonfall besagte das genaue Gegenteil. »Du bist exakt pünktlich gekommen, in der letztmöglichen Sekunde.«

Burns lächelte fein. Sein Schnurrbart zog sich ein wenig in die Breite, der Backenbart rückte einen Millimeter empor. Er setzte sich mit etwas mehr Abstand zum Tisch als die anderen Teammitglieder, sodass sein – für einen Agenten im aktiven Dienst ungewöhnlicher – Bauch ausreichend Platz fand.

»Dann wollen wir beginnen.« Vingadens Ton wurde wieder geschäftsmäßig. »Hattet ihr schon Gelegenheit, euch bekannt zu machen?«

»Nein«, antwortete Maiwenn. »Wir sind alle gerade erst eingetroffen. Die Befehle kamen recht kurzfristig.«

»Weiß ich.« Vingaden nickte geistesabwesend, als wäre er gedanklich bereits mit dem nächsten Thema beschäftigt. »Die Gemeni haben leider versäumt, uns frühzeitig über ihre Wahnsinnsidee zu informieren. Deshalb mussten wir schnell reagieren. Ich nehme an, ihr seid über die Lage informiert?«

Maiwenn, Peguy Burns und Bontin Whistler nickten. Der Mann mit dem Dreitagebart nicht. »Nur am Rande: Ich war die letzten Tage mit einer Versuchsreihe beschäftigt, die ich komplett wiederholen darf, falls ich nicht in zwei Stunden wieder in meinem Labor bin.«

»Dann stell dich mal darauf ein. Nach dieser Besprechung begebt ihr euch ohne Umwege zum Depot, nehmt eure Ausrüstung in Empfang und verbringt voraussichtlich die nächsten paar Tage auf dem Schiff der Gemeni. Jedenfalls solange, bis ihr wisst, wer diese Wesen sind, wo sie herkommen und was sie vorhaben. Und bis ihr herausbekommen habt, was hinter der Sache mit den Zellaktivatoren steckt. Davon hast du hoffentlich gehört?«

Der Angesprochene nickte. »Die Gemeni wollen eintausend Zellaktivatoren verschenken und den ausgewählten Empfängern damit ewiges Leben ermöglichen. Ich vermute, dass mindestens zehntausend Terraner gierig sabbernd den Raumhafen belagern.«

»Falsch.« Vingaden klang müde. »Es sind mehr als hunderttausend, und es werden jede Stunde mehr. Der Vorteil dabei ist, dass es vermutlich nie einfacher war, ein Einsatzteam an Bord zu schmuggeln. Ihr brecht getrennt auf, reiht euch in den Strom der Lemminge, und wenn ihr alle an Bord seid, trefft ihr euch und legt das weitere Vorgehen fest.«

»Lemminge?«, fragte der im Wegasystem geborene Hekéner Sharoun. »Was soll das sein?«

»Kleine terranische Säugetiere«, sagte der Mann mit dem Dreitagebart. »Wenn ihre Population zu groß für ihren Lebensraum wird, schließen sie sich zu einer Art Massenprozession zusammen und wandern zu Zehn- oder Hunderttausenden über weite Distanzen, um ein neues Revier zu finden. Viele von ihnen bleiben bei der Reise auf der Strecke, weshalb man es durchaus als geschmacklos empfinden kann, die Terraner am Raumhafen mit diesen Tieren zu vergleichen.«

»Vielen Dank für die Belehrung.« Vingadens Ton verriet nicht, ob er sich über die Worte ärgerte. »Wenn all die Menschen und Außerirdischen dort draußen sicher sind, bin ich bereit, mich für die Wortwahl zu entschuldigen. Sie sollen eben nicht auf der Strecke bleiben. Bis wir Genaueres wissen, gehen wir davon aus, dass sie in Gefahr sind. Und euer Job ist es, uns die Informationen zu beschaffen, mit denen wir diese Gefahr verhindern können.«

Er wandte sich dem LFG-Residenten zu. »Trotz seines Vortrags über terranische Kleinsäuger: Eigentlich ist Jonathan Bolajetta Exobiologe. Da das seltsame Schiff organisch gewachsen zu sein scheint, brauchen wir einen Sachverständigen für extraterrestrische Flora und Fauna im Team.«

Die letzten Worte waren bereits an die gesamte Runde gerichtet. »Wir können die Gefahrenlage an Bord des sogenannten Sprosses nicht einschätzen, deshalb ist mir wichtig, dass ihr die Stärken und Schwächen des Teams genau kennt. Jonathan gilt als Meister seines Fachs, und er hat die gesamte KIS-Ausbildung absolviert, mit Exopsychologie, Kampfausbildung und allem, was dazugehört. Er hat aber bislang nur im Innendienst gearbeitet und bringt keine Missionserfahrung mit. Das sollte die Missionsleitung berücksichtigen.«

Whistler nickte verständnisvoll. Burns' Brust vibrierte leicht, als lachte er den Naturwissenschaftler stumm aus.

»Vielen Dank für das Vertrauen«, murmelte Bolajetta.

Vingaden ignorierte es. »Das ist Maiwenn Parillaud.« Die Angesprochene erhob sich, nickte in die Runde und setzte sich wieder. »Maiwenn ist Oxtornerin und war die beste Okrillführerin in der Flotte, bis ich sie für den TLD abgeworben habe. Ihre Stärken für das Team liegen auf der Hand: Selbst wenn die Gemeni euch komplett durchsuchen und entwaffnen, ist sie immer noch stark wie ein Haluter und durch die Beschaffenheit ihrer Haut und Muskeln so gut wie unverwundbar. Ihr Okrill kann aus Infrarotspuren frühere Geschehensabläufe rekonstruieren, ist also eine Art lebendes Messgerät.«

»Eher eine lebende Massenvernichtungswaffe«, murmelte Bolajetta leise, aber nicht leise genug.

»Ich habe nicht vor, ihn auf dich zu hetzen«, sagte Maiwenn Parillaud kühl.

»Peguy Burns«, setzte Vingaden die Vorstellung fort, »ist euer Informationsspezialist, sowohl was die technische Seite als auch das Kodeknacken angeht. Er hat sich bei einer ganzen Reihe hochriskanter Soloeinsätze bewährt.«

Der korpulente Bärtige nickte selbstgefällig. »Wenn ihr in Schwierigkeiten geratet, gebt mir einfach ein Signal. Ich haue euch raus.«

Jonathan Bolajetta starrte den Mann ungläubig an.

Zwischen Maiwenn Parillauds Augenbrauen bildeten sich zwei kleine Falten in der sonst glatten, olivfarben schimmernden Haut.

»Zuletzt Bontin Whistler. Positronikexperte und Robotologe«, schloss Vingaden.

»Leider nicht verwandt mit den Whistlers von der Roboterfirma«, warf der Mann mit mild fröhlichem Tonfall ein.

Falls es amüsant hatte sein sollen, zündete der Witz nicht. Niemand lächelte.

Vingaden sprach weiter, ohne auf den Einwurf einzugehen. »Ehrlich gesagt sind wir nicht sicher, ob es solche Geräte auf einem organisch gewachsenen Schiff überhaupt gibt. Aber falls ja, ist die passende Kompetenz in eurem Team vorhanden.

Im Wesentlichen jedoch bringt Bontin mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Kommando Information und Sicherung mit. Er hat eine dreistellige Anzahl KIS-Einsätze hinter sich und überlebt. Ich kann die Teamleitung nur ermuntern, bei der Planung des konkreten Vorgehens auf seinen Erfahrungsschatz zurückzugreifen.«

Whistlers Lächeln fror ein. »Also leite nicht ich das Team?«, fragte er nach einem Moment der Verblüffung.

Vingaden schüttelte den Kopf. »Normalerweise wärst du erste Wahl, aber du bist erst heute erst zurück, nach zwei Jahren Pause. Das ist mir ehrlich gesagt zu riskant. Maiwenn ist zwar neu im TLD, aber sie verfügt aus ihrer Zeit bei der Flotte über umfangreiche Führungserfahrung in Einsatzsituationen. Sie führt euer Team und geht als Erste an Bord. Ich zähle darauf, dass du ihr beratend zur Seite stehst, wenn sich der Bedarf ergibt.«

Whistler nickte stumm, langsam und lange.

»Weitere Fragen?«, erkundigte sich Vingaden.

»Ja«, sagte Parillaud. »Was ist bislang über das Schiff bekannt, abgesehen von den äußeren Abmessungen und seiner Entstehungsgeschichte? Haben wir irgendwelche Informationen, wie es im Inneren aussieht? Was uns dort erwartet?«

»Leider nein.« Hekéner Sharoun löste sich von der Wand. »Wir wissen genauso viel wie ihr.«

Vingaden übernahm wieder. »Prinzipiell gilt Funkstille, da wir nicht wissen, ob die Gemeni unsere Geräte anmessen können. Allerdings ist das Ziel eures Auftrags, uns mit Informationen zu versorgen. Wenn ihr etwas Spektakuläres entdeckt habt, kontaktiert uns über Richtfunk. Ein Kanal bleibt ständig offen.«

»Und was ist, wenn dieses Spektakuläre unserem Leben ein schnelles und schmerzhaftes Ende setzen will?«, vermutete Bolajetta.

1.

Maiwenn Parillaud stand in der dritten Reihe hinter der Absperrung, mit der das Raumhafenpersonal die Menschenmassen vom Spross abhielt. Unbeirrt hatte sie ihren Weg nach vorn gemacht und sich an Tausenden von Menschen vorbeigedrängelt.

Besonders ruppig musste sie dabei gar nicht vorgehen. Wie bei Massenveranstaltungen üblich, wogte die Menge hin und her, vor und zurück. Maiwenn wogte mit, wenn es voranging, und blieb stehen wie ein Fels in der Brandung, wenn die Gegenbewegung einsetzte. Sie mochte viel schmaler gebaut sein als eine typische Oxtornerin, aber fünfhundert Kilogramm brachte sie trotzdem auf die Waage. Niemand drängte sie von der Stelle, wenn sie nicht damit einverstanden war.

Manchen der Wartenden sah sie an, dass sie sich beschweren wollten, wenn Parillaud plötzlich vor statt hinter ihnen stand. Sie überlegten es sich jedoch zuverlässig anders, wenn Cucull an ihrer Seite sich aufrichtete, die Muskeln spielen ließ und die peitschenartige Zunge präsentierte. Außerhalb ihrer Herkunftswelt Oxtorne sah man Okrills selten. Dass die Tiere mit ihrer Zunge tödliche Stromschläge abgeben konnten, war allerdings Allgemeinwissen und half, manche Diskussion zu vermeiden.

Kurz vergewisserte sie sich, dass Peguy Burns immer noch in der Nähe war. Er war in ihrem Kielwasser gefolgt und hatte dabei wohl erheblich mehr Ellbogen einsetzen müssen als sie selbst. Bolajetta und Whistler waren nicht in Sicht, aber das entsprach ihrem Plan. Sie sollten das Raumschiff etwa eine Stunde später betreten.

Ein Gleiter flog über ihren Kopf hinweg und landete neben dem Spross. Ein Murren breitete sich in der Menge aus, das schnell zu Pöbelei anwuchs – wer wagte es wohl, sich hier nicht hinten anzustellen?

Die Stimmung drehte sich jedoch abrupt ins Positive, als ein kleiner Junge im Medostuhl aus dem Gleiter schwebte: Yeto Carell, der den Spross hatte wachsen lassen.

»Yeto! Yeto! Yeto!«-Sprechchöre erschallten, als das Kind und seine Begleiter in der Ferne unter das Schiff traten.

Ein Schauer lief über Parillauds Nacken und Arme. Sie spürte etwas. Eine feine Veränderung in der Atmosphäre, kaum merklich. Ihr sechster Sinn hatte angeschlagen, aber weshalb?

Familie Carell und ihr Tross – eine Ärztin, ein Medoroboter und zwei weitere Terraner – schwebten langsam empor wie in einem Antigravstrahl. Parillauds Anspannung verflog schlagartig, als wäre nichts geschehen.

Doch das stimmte nicht.

*

Wenige Minuten später öffnete das Personal des Raumhafens die Absperrung und ließ die erste Gruppe vor. Ein transportables Laufband führte bis zum Mittelpunkt des Schiffs – mehr als zwei Kilometer insgesamt.

Parillaud und Cucull konnten es nach weiteren zehn Minuten betreten. Sekunden später fiel der Schatten des Schiffs auf sie. Der Spross YETO schwebte über ihren Köpfen, tiefdunkelblau, firmamentumspannend, kilometerweit in jede Richtung. Der Spross verdeckte den Blick auf Himmel und Sonne vollständig.

Selbst für jemanden, der es gewohnt war, mit Großraumschiffen zu fliegen, war dieses Gefühl beklemmend. Die YETO war sogar gigantischer als die RAS TSCHUBAI, das aktuell größte Einzelschiff der Menschheit. Dabei war die TSCHUBAI nur für den Aufenthalt im All konzipiert. Niemals hätte sie so knapp über dem Boden eines Raumhafens verharrt.

Parillaud verscheuchte die finsteren Gedanken. Sie hatten das Ende des Laufbands erreicht und traten unter die Schleuse. Wieder lief ihr ein Schauer über Nacken und Arme, dann fühlte sie sich erfasst und in die Höhe gehoben. Es war eigenartig – sie spürte keine Gewichtsveränderung wie in einem Antigravschacht, auch nicht die Zugwirkung eines Traktorstrahls. Stattdessen war es, als würde eine unsichtbare Hand sie umfassen und emporheben.

Telekinese?, fragte sie sich. Cucull neben ihr knurrte. Sie beruhigte das Tier mit einem Klaps auf die Schnauze.

Im Spross wurden sie sanft abgesetzt. Ein Gemen in einem ockerfarbenen, langen Poncho erwartete sie. Parillaud betrachtete das Wesen fasziniert. Das Gesicht wirkte, als läge es hinter einem Helm verborgen, zusammengesetzt aus zwei glatten Halbschalen. Die Fuge zwischen beiden Teilen verlief senkrecht von der Mitte der Stirn bis knapp über dem Kinn, wo sie sich gabelte. Eine Nase war nicht zu erkennen, aber im oberen Drittel saßen zwei Augenpaare rechts und links der Mittellinie, das obere etwas größer und mit weiterem Abstand, das untere kleiner und enger beieinander.

Der Gemen stand reglos und betrachtete sie, während sich der Raum hinter ihr mit weiteren Aspiranten der Unsterblichkeit füllte. Sie nutzte die Zeit, um ihrerseits den Gegner – sofern er denn einer war – zu studieren. Der Fremde trug eine Art Helm, ein ausladend geschwungenes Kleidungs- oder Ausrüstungsstück, das in mehreren Hörnern auslief. Bei näherer Betrachtung wurde Parillaud allerdings unsicher, ob es nicht doch ein Teil des Kopfes war. Irgendwie erinnerte es an die Kappe eines ungewöhnlichen Pilzes. Das Material schien identisch mit jenem des Nicht-Gesichts des Gemen, mit Ausnahme einiger Metallapplikationen. Auch die Farbe war vergleichbar: ein blasses Violett, mit natürlichen Farbverläufen, wie sie ebenfalls auf den beiden Gesichtshälften zu sehen waren.

Überhaupt schienen Blau- und Violetttöne die vorherrschenden Farben im Spross zu sein. Die Wände des Empfangsraums waren blau, allerdings deutlich heller als die Außenhaut. Die Wände selbst gaben ein schwaches, weißblaues Licht ab. Es drang aus ihrem Inneren, durch eine leicht durchscheinende mittelblaue Oberfläche, die ein Geflecht dunklerer Adern darunter vermuten ließ.

Der Eingangsraum war inzwischen mit etwa fünfzig Personen gut gefüllt, fast ausschließlich Terraner. Hinter Parillaud drängelte sich eine Frau gegen sie, mit einem vielleicht sechsjährigen Mädchen an der Hand. Das Kind sah verängstigt aus. Parillaud sah sich um und entdeckte Peguy Burns am Rand der Menschentraube. Er beobachtete aufmerksam die Umgebung.