Perry Rhodan 2998: Drei Tage zum Weltuntergang - Kai Hirdt - E-Book

Perry Rhodan 2998: Drei Tage zum Weltuntergang E-Book

Kai Hirdt

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße wütet der Weltenbrand, der alle intelligenten Lebewesen betrifft und zu einer Hypersensibilität führt, gegen die es kein Mittel gibt. Wird der Weltenbrand nicht gelöscht, dauert es nur Jahrzehnte, bis die Milchstraße unbewohnbar geworden sein wird. Hervorgerufen wurde dieses Phänomen in erster Linie durch den skrupellosen Adam von Aures. Seine Pläne reichen weit, er will letztlich eine Evolution der Maschinen. Mittlerweile gibt es aber einen ersten Hoffnungsschimmer – mit der sogenannten Proto-Eiris ist wohl ein Mittel gefunden worden, das sich womöglich einsetzen lässt. Garantien gibt es jedoch keine. Die Situation auf der Erde und vielen anderen Welten der Milchstraße ist aber längst verzweifelt geworden. Perry Rhodan muss alles auf eine Karte setzen – denn sonst bleiben nur noch DREI TAGE ZUM WELTUNTERGANG ...

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Nr. 2998

Drei Tage zum Weltuntergang

Die Völker der Milchstraße fliehen – Auraträger stemmen sich gegen die Katastrophe

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Ein Witz

1. Hinter dem Spiegel

2. Schmucke Fracht

3. Umarmung unter Freunden

4. Der Instinkt großer Kommandanten

5. Akuter Bedarf an Wundern

6. Blutkuss

7. Letzte Sekunde

8. Nebenwirkungen

9. Pläne in Plänen in Plänen

10. Kunst

11. Wahl der Waffen

12. Am Abgrund

Stellaris 67

Vorwort

»Das Buddelschiff« von Dieter Bohn

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße wütet der Weltenbrand, der alle intelligenten Lebewesen betrifft und zu einer Hypersensibilität führt, gegen die es kein Mittel gibt. Wird der Weltenbrand nicht gelöscht, dauert es nur Jahrzehnte, bis die Milchstraße unbewohnbar geworden sein wird.

Hervorgerufen wurde dieses Phänomen in erster Linie durch den skrupellosen Adam von Aures. Seine Pläne reichen weit, er will letztlich eine Evolution der Maschinen. Mittlerweile gibt es aber einen ersten Hoffnungsschimmer – mit der sogenannten Proto-Eiris ist wohl ein Mittel gefunden worden, das sich womöglich einsetzen lässt. Garantien gibt es jedoch keine.

Die Situation auf der Erde und vielen anderen Welten der Milchstraße ist aber längst verzweifelt geworden. Perry Rhodan muss alles auf eine Karte setzen – denn sonst bleiben nur noch DREI TAGE ZUM WELTUNTERGANG ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner bereitet sich auf den Vorstoß nach Wanderer vor.

Athasia Ebelde – Die Kommandantin steuert ihren Schlachtkreuzer in eine seltsame Konfrontation.

Reginald Bull – Der alte Freund entscheidet sich für die Erde.

Gucky – Der Ilt erweist sich wieder einmal als Retter in der Not.

Atlan

Prolog

Ein Witz

Hekéner Sharoun saß allein in völliger Finsternis. Kein künstliches Licht schien, und, deutlich wichtiger: Nicht ein einziger Sonnenstrahl drang von außen in sein Büro.

Die Dunkelheit sollte die Auswirkungen des Weltenbrands erträglich machen. Doch die Zeiten, in denen dieser simple Schutz Erleichterung geschaffen hatte, waren vorbei. Die Qual war geringer, aber immer noch unerträglich.

Er sah wortwörtlich die Hand vor Augen nicht, doch das musste er auch nicht. Er wusste ganz genau, wo er die Pille abgelegt hatte, die Linderung versprach. Er ließ all die Jahre Revue passieren, die er im diplomatischen Dienst der Liga Freier Terraner, der späteren Liga Freier Galaktiker, zugebracht hatte – seinen Aufstieg bis in ihr höchstes Amt.

Er war der Resident der Liga.

Der wahrscheinlich letzte Resident der Liga.

In all diesen Jahren hatte er höchsten Wert auf Integrität gelegt. Nie hatte er seinen Einfluss missbraucht, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen.

Bis zu diesem Tag. Das Medikament, das vor ihm lag, war auf legalem Weg nicht zu beschaffen gewesen. Er hatte Gefallen einfordern müssen. Gelungen war es ihm trotzdem nur, weil den leitenden Medizinern im Solsystem vier Monate nach Beginn des Weltenbrands viele einst eherne Prinzipien inzwischen völlig egal waren.

Noch nahm er die Pille nicht. Stattdessen aktivierte er mit einem geflüsterten Stimmbefehl ein Hologramm. Seine eigene Stimme dröhnte in seinen Ohren wie das Brüllen eines Haluters.

Das Holo war so matt wie möglich eingestellt. Es hellte seinen Wirkbereich von Schwarz zu Anthrazit auf. Dennoch stach die Darstellung in Sharouns Augen, als starre er ungeschützt in die Sonne.

Er las den Text, um den seit einem Tag sein ganzes Denken kreiste: die Nachricht, die er von Perry Rhodans Einsatzschiff, der RAS TSCHUBAI, erhalten hatte, als sie ins Solsystem zurückgekehrt war. Eingegangen war sie als unerträglich grelles, viel zu lautes Bildgespräch.

Zur weiteren Analyse war die Nachricht in die Form gebracht worden, die Sharoun nun vor sich sah. Anthrazit auf Schwarz – das ließ sich wenigstens länger als einige Sekunden aushalten.

Er lächelte resigniert. Als bräuchte er mehrere Sekunden, um die zentrale Botschaft wahrzunehmen: Je länger der Weltenbrand anhielt, desto tiefer verankerte sich diese Anomalie im Gefüge des Universums. Es gab die ernsthafte Gefahr, der Weltenbrand könnte sogar den Moralischen Kode schädigen, der das Gefüge des Universums bestimmte.

Damit käme zur direkten Auswirkung – der Qual, die er den Lebewesen auf den Welten der Milchstraße bescherte – auch eine indirekte Folge, die noch kein Mensch überblicken konnte. Wenn der Weltenbrand wirklich die universellen Gesetze beschädigte, ergaben sich ungeheuerliche Folgen.

Niemand wusste, wie lange es dauern würde, bis man den Weltenbrand auf gar keinen Fall aufhalten konnte – aber es schien eher eine Frage von Tagen zu sein als von Wochen.

Ein weiteres geflüstertes Wort ließ das Holo wieder erlöschen. Sharoun schloss die Augen, genoss die Dunkelheit.

Ein weiteres Mal ließ er seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Dieses Mal reiste er nicht so weit. Der Anfang vom Ende lag nicht lange zurück.

Am 25. April 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hatte Adam von Aures den Weltenbrand ausgelöst und alle Sonnen der Galaxis mit der künstlichen, verheerenden Eiris infiziert, die er auf der Kunstwelt Wanderer hergestellt hatte.

Mittlerweile schrieb man den 22. August. Lediglich vier Monate waren seitdem verstrichen. Aber was war in dieser Zeit alles geschehen ...

Es hatte als Unannehmlichkeit begonnen. Als ärgerliche Lächerlichkeit.

Knapp vierzig Jahre zuvor hatten die Völker der Galaxis das erste Mal vom Weltenbrand gehört, von der Ekpyrosis. Eine Katastrophe von so furchtbarem Ausmaß, dass höhere Mächte beschlossen hatten, die drei Verursacher für fünfhundert Jahre zu inhaftieren, bevor sie ihr Verbrechen überhaupt begangen hatten.

Die Gefangenen waren befreit worden, aber die Gefahr schien gebannt. Der Weltenbrand – er war nur ein Wort geblieben. Ein Schreckgespenst, unter dem sich jeder vorstellen konnte, was ihm beliebte.

Hekéner Sharoun selbst hatte die Vision explodierender Sonnen gehabt. Eine Kettenreaktion, bei der eine Supernova die nächste zündete. Ein Lauffeuer, das sich über die ganze Sterneninsel ausbreitete und nichts als kaltes Dunkel und verbrannten Staub zurückließ.

Und als was hatte sich der Weltenbrand am Ende entpuppt? Als Hyperlicht. Eine leichte Änderung des Strahlungsspektrums der Sonnen.

Die Sonnen sandten Quintronen aus: fünfdimensionale Partikel, die das Nervensystem intelligenter Lebensformen beeinflussten. Reizbarer machten. Jeden Sinneseindruck schärften. Jeder Lichtstrahl heller. Jedes Geräusch lauter. Jede Berührung ein Schlag. Jeder Duft eine ganze Nasenspülung mit willkürlich durcheinandergerührten Parfums.

In der ersten Woche hätte es der Stoff von Witzen und Scherzen sein können – trotz aller Schmerzen und Unannehmlichkeiten. Das sollte der Weltenbrand sein, vor dem sich die Galaxis vierzig Jahre lang geängstigt hatte? Eine leichte Überreizung, vor der man sich durch geschlossene Vorhänge schützen konnte?

Nach vierzehn Tagen hatte allerdings auch von den größten Spöttern keiner mehr gelacht. Die Quintronen durchquerten Mauern, durchdrangen jede feste Materie. Sich unter der Erde zu verstecken, zögerte das Elend nur heraus.

Betäubende Medikamente schafften Linderung, brachten aber keine Heilung. Und auch dies nur vorübergehend, denn der Weltenbrand wurde immer intensiver, die Dosierungen jedoch ließen sich nicht beliebig erhöhen. Neue Wirkstoffe verloren ihren Nutzen binnen Tagen.

Im Dunkeln fand Sharouns Fingerspitze die Pille. Gedankenverloren rollte er sie nach rechts, nach links und wieder zurück, bis er die Berührung nicht länger ertragen konnte. Er zog die Hand zurück.

Am 24. Mai, einen Monat nach Adam von Aures' Anschlag auf die Galaxis, hatten sich die Völker des Galaktikums zur Konferenz in einer sonnenarmen Raumregion getroffen. Der zynische Witz, der keiner war, bekam eine neue Pointe: Zum ersten Mal besprach man ernsthaft den Plan, die Milchstraße aufzugeben. Alle intelligenten Völker in die umliegenden Galaxien umzusiedeln.

Darüber konnte Sharoun tatsächlich nur müde lachen. Allein die Liga Freier Galaktiker umfasste, alle assoziierten Mitglieder mitgerechnet, circa fünfzehntausend Welten. Teils kleine Kolonien, zum größeren Teil jedoch dicht besiedelte Planeten mit Milliarden Einwohnern.

Alle Welten der LFG zu evakuieren klang nach einem visionären Plan, wenn man es positiv ausdrücken wollte. Ein anderer Ausdruck schien Sharoun treffender: Zwanzig Billionen Bewohner umsiedeln zu wollen, das war Wahnsinn. Rechnete man noch die Arkoniden, die Tefroder, die Akonen, die Jülziish und die vielen anderen Völker hinzu, die sich keinem dieser großen Machtblöcke angeschlossen hatte, sprach man von Hunderten Billionen, vielleicht Billiarden Intelligenzwesen, die eine neue Heimat benötigten.

Wie sollte das vonstattengehen? Mit welchen Schiffen sollte man sie transportieren? Wie die Distanz zu anderen Galaxien überwinden?

Und das war nur der logistische Teil der Aufgabe. Sharoun war sein Leben lang Diplomat gewesen. Er wusste genau, wo die Möglichkeiten der Diplomatie endeten. Der Exodus einer so großen Zahl von Lebewesen bedeutete Streit um Ressourcen, letztlich Krieg. Untereinander und mit den bisherigen Eignern der Territorien, in denen die Völker der Milchstraße sich niederlassen wollten. Viele derer, die dem Tod entfliehen wollten, würden dies mit ihrem Leben bezahlen.

Als er sich die Dimensionen der Aufgabe und ihr wahrscheinliches Ende klargemacht hatte, war Sharoun das erste Mal in Versuchung geraten, sich einfach aus der Verantwortung zu stehlen. Nach außen hatte er den Schein gewahrt. In Wahrheit jedoch war er verzweifelt.

Dass er immer noch da war und den Exodus vorzubereiten half, entsprang nicht aus Hoffnung, sondern aus reinem Pflichtgefühl.

Und dann: die erlösende Nachricht. Drei Wochen war es her, dass Atlan mit der RAS TSCHUBAI ins Sonnensystem zurückgekehrt war wie ein Heilsbringer. Die Erlösung lagerte in neun gewaltigen, ballonartigen Gefäßen an der Außenhülle seines Schiffs: Er hatte in einer benachbarten Kleingalaxis Proto-Eiris geborgen.

Der Plan: Auf der Kunstwelt Wanderer war der Weltenbrand ausgebrochen. Von dort aus konnte er auch wieder gelöscht werden. Atlan musste nur die Proto-Eiris dorthin bringen, sie entsprechend programmieren und die Milchstraße damit fluten, um den Ursprungszustand wiederherzustellen.

Der Jubel war grenzenlos gewesen. Und verfrüht.

Schon der erste Schritt war bislang gescheitert. Wanderer befand sich zwar im Sonnensystem, tief in die Atmosphäre von Neptun abgesunken, einen Katzensprung entfernt. Doch die künstliche Welt war gesichert, und bislang hatte niemand einen Plan entwickelt, wie man zu ihr hätte vorstoßen können.

Ein ernsthafter Versuch stand an, alle Mittel sollten eingesetzt werden. Sharoun setzte keine große Hoffnung mehr darauf. Wer überleben wollte, musste fliehen.

Er bereitete sich innerlich auf den Schmerz vor. Dann aktivierte er eine Direkt-Übertragung vom größten Raumhafen Terranias. Die Lichter stachen wie glühende Dolche in seine Augen und trieben Tränen hervor. Er blinzelte sie weg, versuchte so, die Pein zu ignorieren. Versuchte zu funktionieren, seine Aufgaben zu erfüllen, für ein paar Minuten zumindest.

Was er sah, war entsetzlich. Die Hauptstadt der LFG war ihrer Zeit wieder einmal voraus. Es zeigten sich bereits die chaotischen Szenen, die bald im ganzen Territorium der Liga und in allen anderen Sternenstaaten herrschen würden. Die Menschen und die vielen Wesen von anderen Welten hatten nach vier Monaten andauernder Qual fast jeden Anschein von Zivilisation fallen gelassen.

Die meisten hatten nur noch ein Ziel: die Erde verlassen, koste es, was wolle. Zunächst vorstoßen in einen sternenarmen Raum, den die Quintronen noch nicht erreicht hatten. Dann der Sprung in eine benachbarte Galaxis.

Manche Erdbewohner taten alles, was diesem Ziel diente. Und was diesem Ziel im Weg stand, wurde beseitigt. Schiffspassagen kosteten nicht nur horrende Summen. Sharoun war überdies sicher, dass viele der startenden Schiffe nie ihr Ziel erreichen würden. Teils, weil sie technisch dazu nicht in der Lage waren; teils, weil die Eigner ihre Passagiere einfach irgendwo in den Weltraum kippten, zurückkehrten und die nächste lukrative Fracht an Bord nahmen. Die schiere Verzweiflung trieb ihnen ihre Opfer in die Arme.

Es hatte schon erste Morde gegeben, um auf Wartelisten vorzurücken. Kampfroboter patrouillierten auf den Straßen, um Plünderungen zu verhindern und Ausschreitungen zu ersticken. Um die stolze, jahrtausendealte Zivilisation der Terraner in den nächsten Tag herüberzuretten.

Erneut nahm Sharoun die Pille auf, legte sie in seine Handfläche. Sie schien ein Loch hineinzubrennen. Das, so wusste er, lag nicht nur an der Nervenreizung. Dieselbe Täuschung hätte sich auch unter völlig normalen Umständen eingestellt.

»Zeig die Nachricht von der RAS TSCHUBAI!«, krächzte er.

Die chaotischen Szenen vom Raumhafen erloschen. Stattdessen erschien wieder der Schriftzug, den er kurz zuvor betrachtet hatte. Wenige Tage noch, dann würde der Weltenbrand unumkehrbar.

Auf seltsame Weise gab diese eigentlich niederschmetternde Botschaft Hekéner Sharoun etwas Hoffnung zurück. Einige Tage lang kam ihm der Kampf wenigstens noch sinnvoll vor. So lange konnte er sich gegen das Ende stemmen. Erst danach war alles endgültig vorbei.

1.

Hinter dem Spiegel

Trotz der ernsten Lage musste ich kurz lächeln, als ich Perry Rhodan von der Seite betrachtete. Er war sich der kosmischen Bedeutung seines Handelns vollauf bewusst, das sah man ihm allzu deutlich an. Oder zumindest ich tat das, weil seine Körpersprache auch die meine war – schließlich war auch ich Perry Rhodan, wenngleich es mich lediglich aus einem anderen Universum in diese Variante der Realität verschlagen hatte.

Ich konnte nun erstmalig von außen betrachten, wie es aussah, wenn ich mich gerade sehr wichtig nahm. Was ich meinen Alter Ego gar nicht verübelte. Von dem Erfolg dieses Experiments hing schließlich das Schicksal einer ganzen Galaxis ab.

Der andere Rhodan hielt sich aufrechter als zuvor, zögerte kurz, atmete einmal etwas tiefer ein. Dann trat er entschieden, aber ohne Hast auf den Shod-Spiegel zu, den uns die Gemeni zur Verfügung gestellt hatten.

Eine schillernde Folie spannte sich in dem übermannsgroßen Rechteck, wie ein hauchdünner Film aus Kunststoff. Oder wie Zellophan, nur etwas milchig.

Doch das war nur, was meine Augen wahrnahmen. Meinem Körper fehlten die Sinne, die nötig gewesen wären, um das wirklich relevante Geschehen wahrzunehmen. Dieses spielte sich nämlich im sechsdimensionalen Bereich ab.

Die vermeintliche Folie war in Wirklichkeit eine Kopie von Atlan da Gonozals Ritteraura – einer für meine Begriffe unfassbaren Ausstrahlung, die ihm vor vielen Jahrhunderten aufgeprägt worden war und die ihn als Beauftragten irgendwelcher Hohen Mächte auswies.

All das klang in meinen Ohren fast schon esoterisch. Nur war Atlan alles andere als das, sondern einer der tatkräftigsten und geerdetsten Menschen oder eben Arkoniden, die mir je begegnet waren.

Zudem hatte mein Alter Ego die Geschichte von der Aura bestätigt. Der Perry Rhodan dieses Universums hatte einst ebenfalls eine solche Aura besessen, sie jedoch irgendwann wieder opfern müssen, um eine große Gefahr von mehreren Galaxien abzuwenden.

Und damit waren wir beim Kernpunkt, der Rhodans leicht gehobenes Kinn und den durchgedrückten Rücken mehr als rechtfertigte: Erneut war die Galaxis bedroht, und zwar durch den Weltenbrand, den ich unwissentlich und unwillentlich mit ausgelöst hatte.

»Um die Verödung der Milchstraße abzuwenden, müssen wir nach Wanderer vordringen und die erbeutete Proto-Eiris neu programmieren« – das war der Auftrag. Bis vor Kurzem hätte ich mit all diesen Begriffen nichts anfangen können.

Der andere Rhodan hatte es mir erklärt. Der Kunstplanet war – so meinte er – »gewissermaßen die manifestierte mentale Substanz der Superintelligenz ES«. Aus den bisherigen Erkenntnissen zu diesem Kunstplaneten, der weder der erste noch der einzige dieser Art zu sein schien, hatte man geschlossen, dass in der Maschinenstadt diese Proto-Eiris eingesetzt werden sollte.

»Die ist ja auch ein Ausfluss von ES«, hatte der andere Rhodan gesagt. Er hatte mir Berichte gezeigt, die aus der Station Arkanum-Alpha stammten, umfangreiche wissenschaftliche Darstellungen, und versucht, sie in mein bisheriges Weltbild einzuführen.

Letztlich war mir eines bewusst worden: Nur in der sogenannten Maschinenstadt konnte man die Neuprogrammierung vornehmen.

Dieser Vorgang benötigte eine Autorisierung – nämlich die Anwesenheit von zwei Auraträgern. Atlan war der eine. Und Rhodan zog sich gerade die Kopie von Atlans Aura über, um als der zweite durchzugehen.

Der Bhal der Gemeni hatte uns gewarnt, dass die Aura nicht lange stabil bleiben würde. Einige Stunden sicher, wahrscheinlich einige Tage. Aber keine ganze Woche. Sobald Rhodan Erfolg gehabt hatte, war also Eile geboten.

Ich fragte mich, wie sich der Vorgang optisch darstellen würde. Ob die Folie sich um Rhodan wickeln würde, als ginge er wirklich durch Zellophan? Oder würde sie im Moment der Berührung zerplatzen wie eine Seifenblase? Würde sie blendend aufstrahlen und dann verschwinden?

Nichts davon geschah. Rhodan trat durch den Rahmen und die Folie hindurch, als sei sie überhaupt nicht vorhanden.

Verwirrt drehte er sich um, trat hinter dem Spiegel hervor und sah uns an. »Hat es funktioniert?« Der Zweifel in seiner Stimme enthielt im Grunde schon die Antwort.

Gucky kratzte sich das fellige Kinn. Sein Nagezahn bohrte sich leicht in die Unterlippe. »Wie fühlt es sich denn an?«

Rhodans Gesicht arbeitete. Seine Miene pendelte zwischen nachdenklich und verärgert. »Nach gar nichts. Keine Änderung. Ich habe die Aura zwar meist nicht gespürt, als ich sie hatte. Aber ich habe ihr Fehlen oft gemerkt, seit ich sie verloren habe. Und dieses Ziehen ist immer noch da.«

»Ziehen?«, fragte ich.

Atlan warf mir einen skeptischen Blick zu. Der Arkonide kam nicht gut damit zurecht, von zwei Perry Rhodans umgeben zu sein.

»Ich kann es nicht besser ausdrücken«, gab der andere Rhodan zurück. »Es ist ... Phantomschmerz wäre zu viel gesagt. Aber ein Teil von mir fehlt. Ich bin weniger, als ich sein sollte.«

Das machte im Grunde nichts klarer. Aber wenn ein Perry Rhodan mit fast dreitausend Jahren Lebenserfahrung es nicht richtig beschreiben konnte, war es vielleicht von einem anderen Perry Rhodan, der gerade erst Mitte Fünfzig war, auch nicht zu verstehen.

Gucky spuckte in die Hände, klatschte sie zusammen und rieb sie aneinander. »Es ist also mal wieder Zeit für mich, das Universum zu retten.«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragte Atlan gereizt. Der Weltenbrand zehrte auch an seinen Nerven.

»In Aurafragen hilft sofort der hochkompetente Teleport«, reimte der Mausbiber. Er präsentierte ein breites Grinsen, fast von einem großen runden Ohr zum anderen. »Diese Sache läuft sechsdimensional. Wenn Perry da hindurchtappt, ist das nur ein vierdimensionaler Vorgang. Und der funktioniert offensichtlich nicht.«

Der andere Rhodan nickte. »Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Ein Teleportsprung ist ein fünfdimensionales Ereignis. Wenn wir uns so annähern, ist die dimensionale Distanz geringer, und die Übernahme ist vielleicht einfacher.«

»Einen Versuch ist es wert, oder?« Gucky fragte es in einem Ton, als habe er den großen Preis bereits abgeräumt.

»Und wenn die Aura auf dich übergeht statt auf Perry?«, fragte Atlan.

Rhodan lachte. »Dann gehst du halt mit Gucky nach Wanderer. Da bin ich nun überhaupt nicht eitel. Auch wenn ich meine Aura vermisse.«

Ich konnte nicht umhin, die drei Wesen zu bewundern – den Menschen, den Arkoniden und den Ilt. Jeder Einzelne war alt genug, um ganze Kulturen aufstehen und vergehen zu sehen. Und wenn die Berichte stimmten, hatte zumindest Atlan beim Aufstieg einiger Hochkulturen tatkräftig mitgeholfen.

Alle drei behandelten den Weltenbrand zwar mit dem nötigen Ernst; alles andere wäre in dieser Lage auch verwunderlich gewesen. Dennoch bewahrten sie eine gewisse Leichtigkeit, die ich selbst unter diesen Umständen nicht aufgebracht hätte. Wahrscheinlich kam das einfach mit den Jahrtausenden.

»Probieren wir's aus.« Rhodan streckte Gucky seine Hand entgegen.

Der Ilt ergriff sie, und sie teleportierten.

*

Dieses Mal strahlte die Folie tatsächlich hell auf. Ich kniff die Augen zusammen.

Als ich sie wieder öffnete, standen Gucky und Rhodan an derselben Stelle wie zuvor, in derselben Haltung. Die Miene des Mausbibers hatte sich von Retter des Universums zu Das habe ich so nicht bestellt verfinstert.

»Was war das denn?«, fragte Gucky empört. »Das blöde Ding wirft uns einfach zurück? So haben wir aber nicht ...«

Er brach ab, als Rhodans Hand aus der seinen rutschte. Mein Alter Ego aus diesem Universum sackte in sich zusammen.

Ich war schneller beim ihm als Atlan. Der Arkonide mochte seine Erfahrung haben, aber ich hatte die Reflexe eines Perry Rhodan. Mit einem Hechtsprung warf ich mich unter den anderen Rhodan und bremste den Fall, der sonst ungebremst mit dem Gesicht auf dem Metallboden geendet hätte.

Ich selbst fing mich zumindest gut genug ab, dass ich selbst keine schwereren Blessuren davontrug. Lediglich das Knie, das ich mir drei Wochen zuvor bei meiner Flucht aus Adam von Aures' Gefangenschaft verletzt hatte, schmerzte leicht, als ich darauf landete.

Ich biss die Zähne zusammen, schob mich in sitzende Position und zog den anderen Rhodan mit empor.

Er hatte bereits wieder die Augen geöffnet. »Wo ...« Er hielt inne und ersparte uns die Klischeefrage, mit der man in jedem zweiten Hollywoodstreifen aus einer Ohnmacht erwachte. Stattdessen gab er sich die Antwort gleich selbst. »Die RAS TSCHUBAI?«

Er blinzelte einige Male, sah zu mir, zu Gucky, zu Atlan und schließlich zum Shod-Spiegel. Sein Gesicht zeigte immer größere Verwirrung.

»Wie lange war ich weg?«, fragte er schließlich.

Atlan und Gucky wechselte besorgte Blicke. »Gar nicht«, erklärte der Ilt. Dann kam er selbst ins Nachdenken. »Oder?«, fragte er Atlan. »Der Spiegel hat uns doch sofort zurückgeworfen, oder?«

Der Arkonide bestätigte. »Er hat einmal geleuchtet, das war's. Ihr wart weg und sofort wieder da.«

»Aber das kann nicht sein«, sagte Rhodan. »Ich war ...« Er kniff die Augen zusammen, wie um einen Kopfschmerz zu verscheuchen. »Ich war Wochen unterwegs! Ich war auf der SOL, bei Michael! Ich habe ...«

»...wahrscheinlich Halluzinationen«, unterbrach Atlan trocken. »Du warst nicht einmal eine Sekunde weg. Zumindest körperlich. Was dein Geist sich alles einbildet, wenn er per Fünf-D-Teleport in ein Sechs-D-Trampolin gefeuert und zurückgeschleudert wird, steht offensichtlich auf einem völlig anderen Blatt. Korrigier mich, aber die Übernahme der Aura hat nicht funktioniert, vermute ich?«

»Aura?«, fragte Rhodan. Erneut schüttelte er den Kopf und sah ein weiteres Mal zum Spiegel. »Ach ja. Stimmt ja.«

Nun wurde ich in den besorgten Blickwechsel miteinbezogen. Was immer gerade vorgefallen war: Es hatte Perry Rhodan offensichtlich nicht in bestmöglichem Zustand zurückgelassen.

Illustration: Dirk Schulz

»Wir verschwenden Zeit«, stellte Atlan missmutig fest. »Und wir stehen schlechter da als vorher. Nicht nur, dass Perry die Aura nicht übernehmen kann: Jetzt ist auch noch seine Einsatzfähigkeit eingeschränkt. Hat noch jemand irgendwelche Ideen?«