Perry Rhodan 315: Kreuzfahrt durch Magellan - H.G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 315: Kreuzfahrt durch Magellan E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Das Raumschiff der Guerillakämpfer bringt sie in Sicherheit - doch sie werden zu Gefangenen des Mißtrauens Auf der Erde schreibt man den 21. November des Jahres 2435. Noch vor kurzer Zeit, anläßlich der ersten Vorstöße nach Magellan, hatte es den Anschein, Perry Rhodan und Atlan würde es ohne großen Aufwand an Machtmitteln gelingen, die Situation in der kleinen Nachbargalaxis unter Kontrolle zu bringen. Inzwischen hat man jedoch klar erkannt, daß einige wenige Einheiten der Solaren Flotte und der USO längst nicht ausreichen, wenn man gegen die verschiedenartigen Gegner in Magellan selbst bestehen und dazu noch verhindern will, daß die Kristallagenten in der Galaxis und auf den Welten des Solaren Imperiums Fuß fassen. Kein Wunder also, daß weitere Solare Flottenverbände zur Nachbargalaxis beordert werden, wo sie an strategisch wichtigen Punkten Position beziehen sollen. Der Planet Modula II ist gegenwärtig Brennpunkt des turbulenten Geschehens. Während General Ems Kastoris 82. Gemischter Stabilisierungs-Verband in den Kampf eingreift, der zwischen den Perlians auf Modula und den magellanschen Freischärlern tobt, die sich bislang gegen die Hypnomacht der Kristalle zu wehren wußten, haben Perry Rhodan, Roi Danton und die Spezialisten des Erkundungs- und Rettungsunternehmens den Planeten Modula längst verlassen. Die Terraner befinden sich unfreiwillig an Bord eines Gurrad-Raumers. Ihr Leidensweg beginnt, als das Schiff zur KREUZFAHRT DURCH MAGELLAN startet...

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Nr. 315

Kreuzfahrt durch Magellan

Das Raumschiff der Guerillakämpfer bringt sie in Sicherheit – doch sie werden zu Gefangenen des Mißtrauens

von H. G. EWERS

Auf der Erde schreibt man den 21. November des Jahres 2435. Noch vor kurzer Zeit, anläßlich der ersten Vorstöße nach Magellan, hatte es den Anschein, Perry Rhodan und Atlan würde es ohne großen Aufwand an Machtmitteln gelingen, die Situation in der kleinen Nachbargalaxis unter Kontrolle zu bringen.

Inzwischen hat man jedoch klar erkannt, daß einige wenige Einheiten der Solaren Flotte und der USO längst nicht ausreichen, wenn man gegen die verschiedenartigen Gegner in Magellan selbst bestehen und dazu noch verhindern will, daß die Kristallagenten in der Galaxis und auf den Welten des Solaren Imperiums Fuß fassen. Kein Wunder also, daß weitere Solare Flottenverbände zur Nachbargalaxis beordert werden, wo sie an strategisch wichtigen Punkten Position beziehen sollen.

Der Planet Modula II ist gegenwärtig Brennpunkt des turbulenten Geschehens. Während General Ems Kastoris 82. Gemischter Stabilisierungs-Verband in den Kampf eingreift, der zwischen den Perlians auf Modula und den magellanschen Freischärlern tobt, die sich bislang gegen die Hypnomacht der Kristalle zu wehren wußten, haben Perry Rhodan, Roi Danton und die Spezialisten des Erkundungs- und Rettungsunternehmens den Planeten Modula längst verlassen.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Großadministrator wird »unter Kuratel« gestellt.

Atlan – Der Lordadmiral leitet die Verfolgungsjagd durch Magellan.

Roi Danton – König der interstellaren Freihändler und Perry Rhodans Sohn.

Oro Masut und Melbar Kasom – Zwei Giganten von Ertrus.

Captain Art Huron – Offizier der Solaren Flotte.

Trikort, Akh und Orrugh

1.

Das hell erleuchtete Hangarschott nahm sich auf dem Frontschirm der Korvette wie der von glutflüssigem Magma erfüllte Schlund eines Vulkans aus.

Auf Major Tschai Kulus schweißglänzendem, schwarzen Gesicht spiegelten sich die zuckenden Lichter von zahlreichen Kontrollinstrumenten. Gespenstisch stach das Weiß der weitaufgerissenen Augen davon ab.

Tschai Kulus Geist befand sich auf der verwaschenen Grenze zwischen hypnosuggestivem Trancezustand und klarer Urteilskraft.

Die schlanken Finger des Majors zuckten unruhig auf den Sessellehnen. Der Blick wanderte nervös zwischen den Manuellkontrollen und dem Frontschirm hin und her. Das rechte Augenlid zuckte krampfhaft.

Ein unterdrücktes Stöhnen kam rauh aus der Kehle des hochgewachsenen Mannes.

Er begriff noch nicht, was er sah.

Irgendwann war er mit der KC-31, dem Flaggschiff seiner Dritten Beibootflottille, gestartet.

Aber warum?

Tschai Kulu versuchte fieberhaft, die von geistigem Zwang, von Angst und Panik versperrten Kammern seines Gedächtnisses zu öffnen.

Warum war er gestartet?

Und was hatte er eigentlich auf dem Planeten Modula II zu suchen gehabt?

Irgend etwas war dort gewesen, weswegen er hingeflogen war. Und irgend etwas hatte ihn bewogen, in panischer Hast zu starten und in den freien Raum hinauszufliegen.

Alle diese Gedanken fuhren innerhalb eines Sekundenbruchteils durch Kulus gemartertes Hirn.

Er starrte voller Entsetzen auf die ständig anwachsende Öffnung, in der anscheinend glutflüssiges Magma brodelte.

Eine Warnpfeife begann zu schrillen. Ihre mißtönenden Klänge peinigten den Offizier noch mehr.

Im Unterbewußtsein horchte Tschai Kulu auf das dumpfe Tosen der Triebwerksaggregate, spürte sein ganzer Körper das kraftvolle Vibrieren entfesselter Atomgewalten, drängte sich die Erkenntnis in seinen Geist, daß er, Major Tschai Kulu, Chef der Dritten Beibootflottille der CREST IV, zur Beherrschung jener Gewalten bestimmt war, die um ihn tobten und drohten, sein Schiff in diesen flammenspeienden Abgrund der Hölle zu zerren.

Er schüttelte den mächtigen Schädel, als wollte er dadurch die Klammer beseitigen, die seinen Geist umspannte, ihn lähmte und ihn daran hinderte, seinen Pflichten als Kommandant des Beibootes nachzukommen.

Irgendwo in ihm brach eine immaterielle Barriere.

Tschai Kulu stieß einen Schrei aus und warf sich nach vorn. Seine Finger glitten über die Tastatur des Schaltpultes, die Faust fuhr auf einen roten Hebel herab.

Das Tosen der Triebwerksaggregate wurde dumpfer, unregelmäßiger, und endlich erstarb es mit einem röchelnden Ton, der die Vorstellung eines sterbenden Urweltungeheuers weckte.

Gleichzeitig damit brach das Schrillen der Warnpfeifen ab.

Die KC-31 schien einen gewaltigen Satz nach vorn zu machen – mitten hinein in den gluterfüllten Krater des Vulkans ...

Und jählings wandelte sich das Bild auf dem Frontschirm und auf allen anderen Schirmen der Panoramagalerie. Die Magmaglut wurde zum beruhigenden Schein riesiger rechteckiger Leuchtflächen; das unablässige rote Zucken verwandelte sich in stetig strahlendes Grün.

Sekundenlang regte sich der Major nicht, während rings um ihn scharfe Atemzüge hörbar wurden, während undeutliches Gestammel über blasse Lippen kam.

Dann bäumte sich der muskulöse Körper wie unter einem elektrischen Schlag auf.

Gleich einer Sturzflut brach die freigegebene Erinnerung über Kulus Geist herein, ließ seine Augen in hellem Entsetzen irrlichtern und seine Hände konvulsivisch zucken. Das ebenholzschwarze Gesicht wurde grau.

Während er noch darum rang, das Unbegreifliche zu begreifen, krachte plötzlich eine vertraute Stimme aus den Lautsprechern des Telekoms.

Atlans Stimme!

»Lordadmiral Atlan an die Besatzung der KC-31! Bleiben Sie auf Ihren Plätzen. In wenigen Minuten erscheint ein Ärzteteam bei Ihnen. Major Kulu! Wenn Sie in der Lage sind, meine Worte zu verstehen und Ihre Lage zu begreifen, dann öffnen Sie sofort die Schotte der Bodenschleusen!«

Die völlig sachlich und nüchtern ausgesprochenen Worte des Arkoniden brachten den Major wieder zur Besinnung. Zugleich ließen sie ihn so reagieren, wie es durch die militärische Ausbildung unauslöschlich in ihn eingebrannt worden war.

Er nahm Haltung an. Seine Hände bewegten sich automatenhaft, schalteten den Sendebereich der Telekomanlage dazu und aktivierten den Bildteil. Das Gesicht Atlans erschien auf dem Bildschirm. Tschai Kulu wußte, daß der Lordadmiral ihn nun ebenfalls sehen konnte.

»Sir!« sagte er mit rauher, aber beherrschter Stimme. »Major Kulu meldet sich mit Beiboot KC-31 und vollzähliger Besatzung von Sondereinsatz auf Modula II zurück. Das Einsatzkommando mit dem Großadministrator und Roi Danton blieb durch meine Schuld auf dem Planeten zurück. Ich bin bereit, die Folgen meines unverzeihlichen Versagens auf mich zu nehmen.«

Um die Lippen des Arkoniden zuckte es wie von einem mühsam zurückgehaltenen Lächeln. Doch Atlans Stimme klang streng, als er entgegnete:

»Unterlassen Sie alle derartigen Schuldbeteuerungen, Major. Sie wissen ebenso gut wie ich, daß Ihre Handlungen unter geistigem Zwang erfolgten und nicht von Ihnen zu verantworten sind. Öffnen Sie die Schotte der Bodenschleusen und bleiben Sie in der Zentrale, bis Sie anderslautende Befehle von mir erhalten. Ende!«

»Jawohl, Sir!« sagte Tschai Kulu ernüchtert.

Aber er sprach gegen einen verlöschenden Bildschirm und in ein Mikrophon, das seine Worte nicht mehr in den Empfänger des Gegengeräts vermitteln konnte.

Der Lordadmiral hatte abgeschaltet.

Major Kulu betätigte die Schottentriegelungen für die Bodenschleusen.

Kurz darauf ergossen sich die metallen schimmernden Gestalten der Medoroboter in die Sektionen der Korvette. Hochdruck-Injektionsdüsen zischten, und Ärzte in blütenweißen Kombinationen sprachen beruhigend auf die Männer ein.

*

An dem Bild auf den Übertragungsschirmen der Hyperortung erkannte Tschai Kulu, daß die CREST IV, das Flaggschiff der Solaren Flotte, sich unterdessen weit von dem Planeten Modula II entfernt hatte. Der Modulationsplanet der Perlians schwamm nur als verwaschener, grüner Ortungsreflex in der Schwärze des Bildschirms.

Aber in dieser Schwärze blitzte es plötzlich an vielen Stellen zugleich auf. Es schien dem Auge des Beobachters, als stießen Hunderte von glühenden Nadelspitzen von hinten durch den Bildschirm.

Doch der erfahrene Flottenoffizier kannte das Phänomen zu genau, als daß er sich auch nur für eine Sekunde hätte davon täuschen lassen.

Ein großer Flottenverband schoß schweres und schwerstes Sperrfeuer gegen den Planeten!

Lordadmiral Atlan wandte sich bedächtig um, als der Major sich verhalten räusperte.

Tschai Kulu legte die Hand an den Stirnwulst des Funkhelms.

»Major Kulu meldet sich zurück, Lordadmiral!«

Atlan erwiderte die Ehrenbezeigung. Dann streckte er die Hand aus.

Das mit plastisch hervortretenden Stammesnarben bedeckte Gesicht des Afroterraners verzog sich zu einem Lächeln der Erleichterung. Er nahm die Hand des Arkoniden und drückte sie so heftig, daß Atlan gepreßt aufstöhnte.

»Mann, ich brauche sie noch«, flüsterte Atlan.

»Verzeihung, Lordadmiral!«

Atlan winkte ab. Verstohlen seine Hand reibend, sagte er:

»Ich freue mich, Sie gesund vor mir zu sehen, Major. Modula II muß die Hölle für Sie und Ihre Leute gewesen sein. Bitte, berichten Sie in Stichworten. Einen ausführlichen Einsatzbericht fertigen Sie später an. Jetzt habe ich nicht viel Zeit.«

Er deutete auf den Hyperortungsschirm über seinem Platz.

»Der 82. GSV unter General Kastori blockiert Modula II und vernichtet Tausende modulierter Kristallklumpen und -wolken, die von den Perlians ausgesandt werden. Außerdem dürfen wir den Kontakt zu den geflohenen dreihundert Birnenraumern der Gurrads nicht verlieren. In einem der Schiffe befinden sich der Großadministrator und sein Kommandotrupp.«

Innerlich atmete Tschai Kulu auf.

Also steckte Rhodan wenigstens nicht mehr auf Modula II. Alles weitere würde sich einspielen. Die Gurrads waren im Grunde genommen und von ihrem Verhältnis zu den Perlians her die Verbündeten der Menschheit; es kam nur darauf an, ihnen dies klarzumachen.

Konzentriert berichtete der Offizier. Er sprach kein überflüssiges Wort. Nicht unbegründet nannte man ihn an Bord der CREST IV den »großen Schweiger«.

Während er berichtete, bemerkte Kulu, daß die CREST IV mit steigender Beschleunigung in den freien Weltraum hinausjagte. Auf einem der Hyperortungsschirme war die Riesenkugel des Freihändlerschiffes FRANCIS DRAKE zu erkennen, andere Schirme zeigten die davonrasenden Birnenschiffe der Gurrads und wieder andere holten das Reflexbild des Planeten Modula II fast wirklichkeitsgetreu heran. Außerhalb der Atmosphäre tobte eine Hölle entfesselter Atomgewalten. Der 82. GSV schoß unaufhörlich Transformsalven gegen die aufsteigenden Kristallballungen ab. Kulu konnte sich gut vorstellen, wie die programmierten Kristalle mit höchster Leistung ihre hypnosuggestiven Schwingungen ausstrahlten. Aber bei Ems Kastori würden sie kein Glück haben; der »Heitere« war in der ganzen Flotte bekannt dafür, daß er rücksichtslos und unbarmherzig mit der geballten Feuerkraft seines Verbandes zuschlug, wenn ein Gegner die Sicherheit seiner Leute bedrohte.

Für kurze Zeit geriet eines der Ultraschlachtschiffe des 82. GSV in den Erfassungsbereich der Hyperortung und wurde durch die Sektorvergrößerung auf eine scheinbare Distanz von nur einem Kilometer herangeholt.

Die gigantische Kugel erschien dem Major wie ein feuerspeiendes Ungeheuer. Sie bewegte sich mit stoßartig arbeitenden Impulstriebwerken blitzartig hin und her, wobei sie sich im Salventakt der überschweren Energiegeschütze schüttelte.

Im nächsten Augenblick blendete die Erfassung auf einige Kristallballungen um, die geisterhaft aus der Wasserdampfatmosphäre des Programmierungsplaneten stiegen.

Eine Salve Transformgeschosse füllte den Übertragungsschirm aus. Es war, als blicke man auf die turbulente Oberfläche einer Sonne. Als das ultrahelle, unerträgliche Leuchten verblaßte, war von den Kristallballungen nichts mehr zu sehen.

»Das wäre das Wesentliche, Lordadmiral«, beendete Tschai Kulu seinen Bericht.

Der Arkonide nickte. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regungen.

»Ich danke Ihnen, Major. Sie begeben sich bitte sofort in die Bordklinik. Ihre Männer sind bereits eingeliefert worden. Zwar glaube ich nicht, daß sich bei Ihnen noch Nachwirkungen der ›Behandlung‹ zeigen werden, aber ich will kein Risiko eingehen.«

Um die rötlich schimmernden Augen zuckte es leicht.

»Außerdem brauchen Sie dringend eine Konditionsauffrischung. Wer weiß, wann ich Sie wieder einsetzen muß.«

Major Kulu wollte widersprechen, wollte sagen, daß er sich absolut gesund und frisch fühlte. Doch er wußte, daß er den Lordadmiral damit nicht von seinem Entschluß abbringen konnte. Der USO-Chef sorgte immer dafür, daß die Kondition seiner Untergebenen auf dem maximal erreichbaren Stand blieb.

So bestätigte er nur knapp den Befehl, salutierte und wandte sich zum Gehen.

Atlan sah ihm eine Weile sinnend nach, dann lächelte er befriedigt und begab sich wieder zu dem Bildschirm, der die Birnenraumschiffe der Guerillas zeigte.

Sofort umwölkte sich seine Stirn.

Wie sollte er rund dreihundert Raumschiffe mit nur zwei Einheiten auf die Dauer verfolgen?

Was tat er, wenn sich die Flotte der Gurrads in einzelne Verbände aufteilte?

Er schaltete den Interkom ein.

»Geben Sie mir eine Hyperkomverbindung mit General Kastori!« befahl er dem diensthabenden Cheffunker.

In Gedanken fügte er hinzu:

Der alte Haudegen wird mir freiwillig kein einziges seiner Schiffe zur Verfügung stellen. Es wird einen harten Kampf geben.

*

Erst als er in dem bequemen Pneumobett lag und der Antigrav die Schwerkraft von 1 Gravo auf den Wert 0,5 reduzierte, spürte er, wie erschöpft er wirklich war.

Kaum, daß er noch das monotone Gemurmel des Psychoroboters vernahm. Tschai Kulu schlief ein.

Er erwachte durch gedämpfte Musik. Einige Minuten lang hielt er die Augen noch geschlossen und gab sich dem wohligen Gefühl hin, das dem Wissen darum entsprang, daß er noch nicht aufzustehen brauchte. Wenn er wollte, würde man ihn noch zehn Stunden lang schlafen lassen.

Aber obwohl er sich einzureden versuchte, diese Gelegenheit auszunutzen, vermochte er doch keinen Schlaf mehr zu finden.

Er schlug die Augen auf und blinzelte gegen die Eiskristallwolken am blauen Himmel der Erde, lauschte dem Donnern des Katarakts und dem mißtönenden Krächzen der Geier.

Seufzend setzte er sich im Bett auf.

Er übersah die technisch perfekte, nüchterne Einrichtung des Krankenzimmers und versenkte sich ganz in den Anblick des schneebedeckten Gipfels, der über dem weiten Grasland zu schweben schien. Zauberhaft farbig war das Bild, und sogar die traumhafte Transparenz des Lichts, wie Tschai Kulu sie von seiner afrikanischen Heimat her kannte, war vorhanden.

Er mußte an die ungeheuren Urwälder denken, an die silberfarbenen Seen, die blauen Flüsse, die gewaltigen Ströme, an die im Zwielicht liegenden, geheimnisvoll lebendigen Sümpfe, die märchenhafte Pracht der Orchideen – und an die blendend weißen Hochhäuser der Städte, die im ganzen Kontinent entstanden waren, die unterirdisch stampfenden Robotfabriken, die Rohrbahnen, die Lastengleiter und die Luftkissenfahrzeuge, die abenteuerlustige Großstädter zu Fotosafaris in den Busch fuhren.

Und er sah im Geist die schwarzhäutigen Menschen des neuen Afrikas, die mit erhobenen Köpfen und federndem Gang durch die Straßen gingen: freie, geachtete Erbauer eines Industriekolosses, Bewahrer der Naturschönheiten eines ehemals wilden, ungebärdigen Erdteils – und Menschen des kosmischen Zeitalters; Techniker und Farmer, Ärzte und Piloten, Senatoren und Astronomen, Polizisten und Schriftsteller, Geschäftsleute und Raumfahrer ...

Tschai Kulu lächelte verträumt.

Doch dann erinnerte er sich, daß sein Blick nur auf einer dreidimensionalen, »lebenden« Videoplastik ruhte, daß er viele Tausende von Lichtjahren von der Heimat entfernt war – an Bord von Rhodans Flaggschiff und mitten im kaum bekannten Sternendschungel der Großen Magellanschen Wolke.

Diese Erkenntnis ernüchterte ihn, aber sie machte die positive psychotherapeutische Wirkung der Videoplastik nicht zunichte. Im Gegenteil: Sie spornte den Major an, den Schlaf endgültig abzuschütteln und alles zu tun, damit er recht bald wieder aus der Bordklinik entlassen werden würde.

Als der Arzt eintrat, empfing er ihn sogleich mit der Forderung, ihn gesundzuschreiben.

Der Mediziner schüttelte lächelnd den Kopf.

»Ich habe Sie niemals krankgeschrieben, Major Kulu, folglich kann ich Sie auch nicht gesundschreiben. Sie waren lediglich zur Konditionsauffrischung hier, und sobald Sie in Ruhe gefrühstückt und eine letzte Untersuchung absolviert haben, können Sie sich beim Kommandanten zurückmelden.«

Der Gedanke an ein ausgiebiges Frühstück machte Tschai Kulu ganz krank vor Hunger. Der Arzt schien ihm das anzusehen, denn er verließ ihn mit dem Versprechen, ihm sofort einen Dienstroboter mit dem Gewünschten zu schicken.

Der Major brauchte tatsächlich nicht lange darauf zu warten.

Mit Feuereifer machte er sich über die Grillplatte, den Toast und eine riesige Kanne starken Kaffees her.

Er war noch nicht völlig fertig damit, als die Tür abermals zur Seite glitt.

Verwundert blickte Kulu auf die untersetzte Gestalt im Schlafanzug, die sich durch die Öffnung schob und mit leisen Schritten nähertrat. Das breite Gesicht glänzte genau so ölig wie die dunklen, derbsträhnigen Haare, und die Schlitzaugen zwinkerten vergnügt.

Tschai Kulu benötigte einige Zeit, bevor er den Chef der Ersten Beibootflottille der CREST IV, den Eskimo Hole Hohle, erkannte.

»Hallo, Hohle!« rief er freudig überrascht. »Sind Sie auch noch hier, alter Schneefresser!«

Hole Hohles Grinsen wurde breiter.

»Sie vergessen hoffentlich nicht, daß mein Vorname ohne ›h‹ und mein Familienname mit ›h‹ geschrieben wird, Kulumann!«

»Wie könnte ich!« entgegnete der Afroterraner vorwurfsvoll. »Wo Sie das doch ständig betonen!«

»Es ist auch sehr wichtig«, sagte Major Hohle ernsthaft. »Die meisten Leute schreiben meinen Familiennamen immer wieder ohne ›h‹. Der Teufel soll sie holen!«

Er sog die Luft durch die Nase, wobei sich seine Nasenflügel weit öffneten. Sehnsüchtig starrte er den Butterwürfel an, der von Kulus Frühstück übriggeblieben war.

»Darf ich?« fragte er beinahe schüchtern.

Tschai Kulu zuckte die Schultern.

»Nur zu! Ich brauch's nicht mehr.«

»Vielen Dank!«

Hohle ritzte mit dem Daumennagel die umhüllende Plastikfolie auf. Dann preßte er die Butter auf seine Handfläche. Im nächsten Moment hatte er den zerquetschten Würfel in seine Haare geschmiert und massierte mit gespreizten Fingern.

Danach trat er vor den großen Spiegel über dem Waschbecken, zog einen Stahlkamm aus einer Tasche und kämmte sich, als wollte er sich für einen Schönheitswettbewerb präparieren.