Perry Rhodan 3181: Roter Stern über der Ruhrstadt - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3181: Roter Stern über der Ruhrstadt E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, versucht er, mehr über dieses Gebilde herauszufinden, und hat über den Quintarchen Farbaud bereits tiefe Einblicke erhalten. Farbaud indessen ist längst wieder an Bord von FENERIK – ebenfalls wie Anzu Gotjian, die ein neues Leben als Sextadim-Kanonierin beginnt. Im Solsystem erscheint derweil ein ROTER STERN ÜBER DER RUHRSTADT ...

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Seitenzahl: 154

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Zeit:4 Std. 5 min

Sprecher:Martin Bross

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Nr. 3181

Roter Stern über der Ruhrstadt

Ein Gast aus der Vergangenheit – und eine Entscheidung über die Zukunft

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Sightseeing

2. Der große Tag

3. Westfalenpark

4. Onkel Mha und seine Erben

5. Das kriminelle Genie

6. Willkommen daheim!

7. Bedachtsame Saboteure

8. Im Haus der Schimären

9. Que Sera, Sera

10. Aus den Augen, aus dem Sinn

Epilog: Lieber Reginald

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, versucht er, mehr über dieses Gebilde herauszufinden, und hat über den Quintarchen Farbaud bereits tiefe Einblicke erhalten. Farbaud indessen ist längst wieder an Bord von FENERIK – ebenfalls wie Anzu Gotjian, die ein neues Leben als Sextadim-Kanonierin beginnt. Im Solsystem erscheint derweil ein ROTER STERN ÜBER DER RUHRSTADT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Allianz-Kommissar wird zum Entführer und Saboteur.

Donn Yaradua und Iwán/Iwa Mulholland – Zwei Mutanten werden zu Mittätern.

Claire Bezpalky – Die Journalistin vom Sender Augenklar wird zur Zeugin.

Alschoran – Der Kastellan wird vom Entführten zum Mittäter.

Mieke Meideina

Prolog

Der Rote Stern hängt unbeweglich über der Ruhrstadt.

Wir gewöhnen uns nie daran, dass schwere Dinge schweben. Als ich Kind war, haben wir zu den Flugzeugen aufgesehen, die herausfordernd langsam dahinzogen wie ein Stück Schneiderkreide über eine Stoffbahn. Zeichen am Himmel über Connecticut.

Ich habe schnell lesen gelernt, weil ich die Schriftzüge der Himmelsschreiber entziffern wollte. Rauchzeichen aus Corvus-Öl oder Canopus 13 von Texaco, wie Onkel Karl mir erklärte: »Hello USA«, »Drink Dr. Pepper«, »Vote for Baldwin«. Dann verwehte und verwischte der Wind die Schrift.

Gelegentlich wetterte der Pfarrer von St. James gegen diese Himmelsschreiber, der Himmel gehöre dem Herrn. »Amen!«, rief die Gemeinde. Es klang nicht immer so energisch wie gewünscht.

»Da könnte der Herr eine Menge Geld einnehmen, und es brauchte keine Kollekte mehr«, raunte mein Vater mir zu, kassierte einen tadelnden Blick meiner Mutter und warf dann einen Dime in den Beutel.

Jetzt schwebt ein Ding von einem anderen Gewicht über uns: der Rote Stern. Die Chaos-Bake FENERIKS.

Das Beeindruckendste wie das Beunruhigendste daran ist seine Unverrückbarkeit. In der Nacht wird er unsichtbar und versinkt in der Dunkelheit; am Tag aber regiert er den Himmel, ein gestochen scharfes, zinnoberrotes Zeichen: Ihr könnt uns nicht aufhalten. Nichts kann uns verjagen.

Natürlich haben Sichu Dorksteiger als Residentin und Alschoran mit seinen Mit-Kastellanen alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Baint, dieses Kompositwesen, hat 56 Dominoraumer NATHANS entsendet, die den Roten Stern eingekugelt haben. Versuche, das fremde Schiff mit den Projektoren dieser Schiffe in einen Paratronschirm zu hüllen, scheitern aus bislang unbekannten technischen Gründen. Sichu und andere Wissenschaftler sind an der Arbeit.

Auf unsere Anrufe hat der Rote Stern bislang nicht reagiert.

Vier OXTORNE-Kreuzer stehen zwischen dem Roten Stern und der Ruhrstadt. In den höheren Luftschichten hängen, von hier unten aus nur als winzige, metallene Scheiben sichtbar, vier PATOMAN-Giganten. Irgendwo zwischen den Raumriesen und dem Roten Stern hat der Kastellan Kokuloón mit seiner Sextadim-Kapsel TRYM Position bezogen. Aber keine Bewegung dort; ein eingefrorenes Mobile.

Ich habe mit Iwán Mulholland gesprochen; er drängt darauf, in die Bake einzudringen.

»Das werden wir«, habe ich ihm gesagt.

»Wann, Perry?«

1.

Sightseeing

2. Februar 2072 NGZ

»Terrania City ist für viele das Inbild terranischer Kultur und Geschichte. Die Weiße Stadt – die sich, egal aus welcher Richtung man sich ihr nähert, immer noch wie eine Fata Morgana aus der Gobi erhebt, luftig und neu.

Man nennt sie Terras einzige kosmische Metropole – das mag aus mehreren Gründen stimmen. Schließlich bedeutet Metropole doch Mutterstadt, und von ihren Raumhäfen aus sind zahllose Kolonistenraumer gestartet, um ferne und fernste Planeten anzusteuern.

Die Parks der Stadt, ihre Alleen und Haine, ihre Horte, Schulen und Akademien, der Umbrische Gong über dem Ellert-Mausoleum, das Magellan-Stadion und das Stadion der Sterne, Theater wie das Shakespeare & Company, das Hölzerne Haus Nōgaku, das cheborparnische Tam Tam, dazu Lichtspielhäuser wie das Laurel & Hardy oder das Harno's, das Whistler-Museum und das Museum der Unerklärlichen Funde – ach, zum Teufel, man weiß schon, wovon ich rede.

Was Wunder, dass sich in Terrania alle Welt tummelt, barfuß wie die meisten Einheimischen über die großen Wiesen flaniert und Limonade durch Strohhalme schlürft, Hot Dogs speist und Pizza Peri Peri. Oder man stiefelt leichtfüßig daher wie Barniter, Oxtorner und – last, but not least – die kolossalen Haluter, auf die und deren Hormonspiegel, man wird es verstehen, emsige Sicherheitsroboter ein wachsames Auge haben, ob womöglich eine Drangwäsche im Anzug ist.

Ach, Terrania.

Dabei ist Terrania City beileibe nicht die einzige Stadt, die jede Anreise wert ist: Vancouver und Mexikopolis, Samarkand und Shenzen, Byzanz, Córdoba und das mediterrane Caesarea erfreuen sich ganzer Heerscharen von Besuchern aus dem Solsystem wie aus dem Rest der touristisch mobilen Galaxis. Die Raumhäfen dieser Städte sind mal mondän, mal malerisch; von und nach Honolulu kann man sogar mit archaischen Propeller- und Düsenflugzeugen reisen, ein Erlebnis, das manch hartgesottenen Ertruser schreckensbleich zurückgelassen haben soll.

Verglichen mit diesen Attraktionen wirkt eine andere urbane Region Terras wie ein Geheimtipp: die Ruhrstadt nämlich – die Stadt über der vertrauten Wunde: Vom Stadtteil Oberhausen bis Dortmund verläuft der Alte Graben, um die dreihundert Meter breit und bis zu zweihundert Meter tief ist. Er ist das Ergebnis des Dolan-Angriffs im August des Jahres 2437 alter Zeitrechnung – eine Wunde in der Landschaft, wenn man so will, verheilt und vernarbt.

Der Alte Graben ist begrünt: Gehölze, bunt gesprenkelte Wiesen, Weiden. Da und dort rauschen Wasserfälle in die Tiefe und ergießen sich in kleinere Seen. In der Höhe des Stadtteils Gladbeck überspannt ihn die Regenbogenbrücke. Das Bauwerk ist etwas über zweihundert Meter breit und mit kleineren Häusern bestückt, einige davon Nachbauten aus den Epochen um 1900 bis 2300. Der Außenanstrich lässt sie wie einen permanenten Regenbogen leuchten.

In der Mitte der Brücke steht eine aus Anthrazit gepresste, fünfunddreißig Meter hohe Statue eines Haluters, der in den oberen beiden Armen einen Schild trägt, den er schützend über den Kopf hält; die Hände der unteren beiden Arme behüten zwei Menschenkinder. Die Statue gemahnt an den Einsatz der Haluter, die in der entscheidenden Schlacht das Solsystem vor den Zweitkonditionierten gerettet haben. Die drei Augen des Riesen glühen rot und warm. Die Ruhrstädter nennen die Figur – nicht ganz halutisch – Friedhelm. In den hohen, quadratischen Sockel sind die Namen und die Gesichter der 42.459 Opfer aus dem Bereich Ruhrstadt eingraviert, darunter vier gefallene Haluter.

Rund um den Syberg im Ardeygebirge erheben sich die Wolkenwaldtürme, Hochhäuser, deren Dächer – weit ausgekragt und bewaldet – sich über Brücken miteinander verbinden.

Die Ad-Astra-Familie von Gelsenkirchen wird von Traktorfeldern in Form gebracht und gehalten, zwischen hundertzwanzig und hundertvierzig Meter hohe Skulpturen aus lodernden Flammen in Gestalt einer Frau, eines Mannes und eines Kindes, die alle drei zu den Sternen aufblicken.

Über dem Syberg im Ardeygebirge schwebt, ziemlich neu, der zweihundert Meter durchmessende Ander-Erd-Globus. Er zeigt Iya, den dritten Planeten Sols im zweiten Zweig des Dyoversums, die Heimatwelt der Ayees.

Den Alten Graben entlang in luftiger Höhe treibt die Armada der Schirme, bespannt mit orangefarbenem Tuch. Die Armada bewegt sich gemächlich mit dem Wind dahin, nur gelegentlich stellen sich die Schirme der Windrichtung entgegen, und das Tuch tönt und knattert.

Es sind, versteht sich, 2437 Schirme, der Jahreszahl des Dolanangriffs entsprechend.

Der beschauliche Raumhafen der Ruhrstadt liegt kurz hinter Lünen in der Westfälischen Bucht. Die Fähren und Raumgondeln, die dort starten und landen, verfügen nur selten über einen mehr als lichtschnellen Antrieb; meist pendeln sie zwischen Terra und Venus dahin, gelegentlich zuckeln sie auch zum Asteroidengürtel, zur Pallas, zur Vesta, zum Ceres. Allenfalls fliegen sie die bevölkerungsreichen Monde des Jupiters an.

Für größere Schiffe wäre auf diesem Raumhafen kein Platz.

Auch nicht für unseren ominösen Neuankömmling. Seit dem 30. Januar des Jahres 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung nämlich ist die Ruhrstadt, wie ihre unverwüstlichen Einwohner spötteln, um eine Attraktion reicher. Es ist dies freilich eine Bereicherung, auf die man gerne verzichtet hätte: Hoch über dem Weichbild der Stadt hat eine sogenannte Chaos-Bake der Ash'sharal Position bezogen, ein Roter Stern.«

Claire Bezpalky machte eine kurze Pause. Sie arbeitete bereits seit einigen Jahren für Augenklar, einen Sender mit jahrhundertelanger Tradition. Claire Bezpalky, Terranerin, 40 Jahre alt, kastanienrotes Haar in Überfülle und ein heller, von Sommersprossen gesprenkelter Teint – das derzeit bekannteste Gesicht des Senders.

Sie warf einen Blick auf die himmlische Landschaft über der Ruhrstadt. Ein blasses Blau, schlittschuhkalt, aus dem das gezackte, zinnoberrote Gebilde hervorstach, das die Terraner als Roten Stern bezeichneten.

Der Eindringling hatte just so hoch über dem Erdboden Position bezogen, dass er von überall in der Ruhrstadt zu sehen war. Das Schiff bestand im Kern aus einem Ikositetraeder. Dessen 24 Flächen saßen Spitzpyramiden auf mit einer viereckigen, aber nicht quadratischen Grundfläche. Diese Pyramiden maßen von der Basis bis zur Spitze zwischen 650 und 1130 Meter. Die Seitenlänge der Basisfläche betrug zwischen 90 und 130 Meter. Keine zwei dieser Pyramidenkörper waren von ihren Maßen her identisch. Maximal aber war die Konstruktion 2100 Meter hoch und breit.

Von der Besatzung, den Ash'sharal, hatte sich keiner gezeigt; ihr Aussehen war auf der Erde unbekannt.

Claire Bezpalky fühlte sich zurückversetzt in die präastonautische Epoche, in der die Menschen in himmlischen Phänomenen Zeichen zu sehen meinten, Vorboten und Ankündigungen. Noch vor ein paar Tagen hätte sie sich über solche Spekulationen amüsiert. Nun nicht mehr. Der Rote Stern stand regungs- und scheinbar schwerelos über der Ruhrstadt. Aber er lastete auf ihrer Seele.

Wir sollten ihn nicht Stern nennen, sondern Unstern, überlegte sie.

Selbstverständlich hatte die Regierung der Liga, allen voran Sichu Dorksteiger und die Galaktischen Kastellane, alles getan, um der Ruhrstadt und ihren Bürgern das Gefühl von Schutz und Sicherheit zu vermitteln. Zum ersten Mal hatte die Anwesenheit der mysteriösen Kastellane im Solsystem die Menschen ein wenig zuversichtlich gestimmt.

Wir sind nicht allein, dachte sie. Die Chaos-Bake war nichts, womit jemand, womit eine ganze Planetenbevölkerung gerne allein wäre.

OXTORNE-Kreuzer und PATOMAN-Giganten hielten die Stellung hoch in der Luft und darüber hinaus. Unter diesen Schiffen war die ZAINDARIA, deren Kommandant Pino Paralluelo den gesamten Wachverband befehligte. Ein beliebter Interviewpartner in diesen Tagen.

Die Hangartore der gigantischen Omni-Trägerschiffe standen offen; die schlagkräftigen Beibootflottillen hielten sich einsatzbereit.

Claire Bezpalky fuhr fort: »Die Fotoparolistas amüsieren ihre Leserschaft mit Sprüchen wie Willkommen zur Origami-Weltmeisterschaft, rote Chaoten!,Chaos is coming home oder Kein Weihnachtsgebäck für Alschoran!«

Illustration: Swen Papenbrock

Tatsächlich hatten sich die Fotoparolistas der Ruhrstadt nach dem Auftauchen des Roten Sterns unverzüglich darangemacht, die Anwesenheit des Raumers mit Fotoparolen zu kommentieren, jenen vorübergehend im Raum entstehenden Licht- und Leuchtschriften, die von kleineren Roboterschwärmen projiziert wurden, sich für einige Minuten aufblähten und dann in einem bunten Feuerwerk vergingen.

»Wie immer die Botschaft der Fotobanderolen lauten mag: Die Besatzung des Roten Sterns hat nicht reagiert.

Wir harren der Dinge. Wir halten euch auf dem Laufenden. Augenklar – der ungetrübte Blick in die Welt.«

Claire Bezpalky desaktivierte das Akustikfeld. Das Studio in Terrania übernahm.

Tamana Biancarelli, hoch und schmal wie eine Ara, aber den Kopf mit blauschwarzem, kurz geschnittenem Haar wie mit einem Helm bedeckt, die Augen nixengrün, wischte im Notizfeld ihres Multikoms herum. Sie suchte, fand und vergrößerte die Haluterstatue Friedhelm.

»Kaum zu fassen«, sagte sie. »Tatsächlich aus Kohle. Das ist doch ein postorganisches Material, oder?«

Bezpalky nickte. »Genauer gesagt wird es unter Luftabschluss aus abgestorbenen Pflanzen gepresst und versteinert. Soweit ich weiß, mögen Haluter dieses Zeug übrigens gern; es hätte einen eigentümlich rauchigen Geschmack.«

»Klingt lecker«, murmelte Biancarelli und schloss die Notizfunktion. »Übrigens: falbelhaft, deine Ansprache. Der Neuigkeitsgehalt konvergiert zwar gegen null. Aber dem hiesigen Tourismusverband wird das Herz nach deiner Ansprache höherschlagen.«

»Solange sich auf der Bühne nichts tut, beschreib die Kulissen«, zitierte Bezpalky eine alte Journalistenweisheit.

»Was soll sich hinter den Kulissen tun?«, fragte Biancarelli.

»Die diskrete Evakuierung der Ruhrstadt geht weiter«, vermutete Bezpalky. »Die Multikom-Echos im näheren Umfeld des Roten Sterns wirken wie künstlich generiert. Ich denke, die Ruhrstadt wird geräumt, ohne es unseren Zinnoberstern-Freunden allzu sehr auf die Nase zu binden.«

»Sie haben Nasen?« Biancarelli zog erstaunt die Brauen hoch und nippte von ihrem Blaukaffee. »Was du alles weißt.«

»Hast du Angst?«, fragte Bezpalky.

»Sollte ich?«

»Angst ist ein ganz natürliches Gefühl. Besonders, wenn die Bedrohung so ungreifbar ist. Ein einziges Raumschiff – wenn es denn überhaupt ein Raumschiff ist – durchdringt den TERRANOVA-Schirm, als wäre er ein Nichts. Als befände es sich auf einem Spazierflug.«

»Oder einer Sightseeingtour«, ergänzte Biancarelli. »Aber wir wissen ja leider nicht, was da oben los ist. Vielleicht sind an Bord alle tot. Oder wahnsinnig geworden. Oder sie haben sich in irgendeiner dieser Pararealitäten verlaufen, die sich im Schirm abspielen sollen.«

»Was wollen sie hier?«, fragte Bezpalky.

»Hier im Solsystem? Hier auf Terra?«

»Hier über der Ruhrstadt.«

Biancarelli zuckte mit den Achseln. »Vielleicht wollen sie alte Freunde besuchen.«

Bezpalky lachte gekünstelt. »Du bist eine echte Komikerin.«

Biancarelli hob den Kaffeebecher, pustete und prostete ihr zu. »Auf Sidney!«

Ihr Schiff, in dem sie über der Ruhrstadt schwebten, die SIDNEY SCHANBERG nämlich, war nach dem ersten terranischen Journalisten benannt, der eine Reisereportage aus dem Wegasystem geschrieben und dafür den Pulitzerpreis erhalten hatte. Sie war eine Sonderanfertigung auf der Basis einer Space-Jet. Die Kanzel aus intelligentem Glassit nahm die Augenbewegungen der Journalisten wahr, ihre Blickrichtung und Fokussierung, die Glassitkuppel vergrößerte, was man zu sehen wünschte, blendete technische Informationen ein oder lieferte gerechnete Bilder auf der Basis von Ortungsdaten. Der Rote Stern ließ allerdings keinen Einblick in sein Innenleben zu.

»Wenn sie uns vernichten wollten, hätten sie es längst getan«, überlegte Biancarelli.

»Vielleicht sind die diesbezüglichen Vorbereitungen nur noch ... wart mal!« Bezpalky unterbrach sich und schaltete ihr Multikom lauter: »Eilmeldung: Alschoran kommt in die Ruhrstadt. Er will im Hyperfunkturm Westfalenpark eine Pressekonferenz geben.«

»Dann wollen wir uns mal akkreditieren!«, sagte Bezpalky.

Intermezzo

Als ich das erste Mal im Ruhrgebiet war, wenige Jahre nachdem man mich in fast allen Staaten der Erde von der Liste der Staatsfeinde gestrichen hatte, kam ich aus Wuppertal. Dank der arkonidischen Technik tat die dortige Schwebebahn endlich, was zu tun sie seit Jahrzehnten behauptet hatte: Sie schwebte.

Kurioserweise hatte man dem ersten Schwebezug einen Elefanten an die Seite gestellt, ausgerüstet mit einem Gravo-Pak, der mit Grazie durch die Luft strampelte, begleitet von einem Mahout in Schaffneruniform. Den Witz dabei habe ich bis heute nicht ganz verstanden, aber die Szene hat sich mir eingeprägt.

Das Ruhrgebiet hatte ich mir vorgestellt wie einen großväterlichen Werkraum im Keller, still, dunkel und staubverhangen. Arbeitsame Menschen mit rußgeschwärzten Gesichtern, Hausfrauen, die weiß gebleichte Wäsche auf Leinen zum Trocknen hängten, um sie wenig später angeschmutzt wieder in die Körbe zu legen.

Barer Unsinn.

Ich lernte, dass Dortmund die Hanse mitbegründet hatte, dass die lateinischen Kaufleute von hier nach Nowgorod fuhren, Gotland, ins Baltikum, und dass die salischen Könige oft in der hiesigen Pfalz zu Gast gewesen waren. Dortmunder Kaufleute hatten den Hundertjährigen Krieg der Engländer gegen Frankreich finanziert, dafür zum Pfand die englische Königskrone erhalten und in Dortmund verwahrt.

»Und was haben die Dortmunder mit dieser Krone gemacht?«, fragte ich höflich.

»Mit der Krone?«, fragte mein Gesprächspartner verdutzt, dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. »Ich glaub, die haben wir weggeschmissen. Liegt immer so viel rum. Lust auf eine Currywurst, Major Astronaut?«

An einer Imbissbude musste ich Autogramme geben. Da waren die Einheimischen unerbittlich.

2.

Der große Tag

»Steig ein, Mieke!«

Mieke Meideina war zwölf Jahre alt, als sie sah, wie die Welt unterging. Eben noch hatten die verglasten Fassaden der Sternenstadt Querenburg im Abendlicht geleuchtet wie Rotgold, dann war an die Stelle der Türme ein Pulver getreten, grau und schwarz, das auseinanderstob und verwehte.

Das ist ja komisch, dachte sie. Ridikül.

Passte das Wort? Es passte eindeutig nicht. Der Tarnanzug von Sportlehrer Arnulf war ridikül; Khalebs Versuche, Thoyas Aufmerksamkeit dadurch auf sich zu ziehen, dass er Aufstoßgeräusche imitierte, waren ridikül, denn Thoya kaute in sich selbst versunken auf ihrem Bleistift und dachte himalaja.

Mieke spürte den Zinnengel in ihrer Faust. Die schmalen Flügelränder schnitten ihr in die Haut. Sie lockerte den Griff ein wenig.

Am Himmel standen drei leuchtend rote Sterne. Der Himmel war klar. Es war August. Sommerhimmel.

Dass man immer bis zuletzt hofft.

»Du musst einsteigen«, wiederholte der Gleiter, ein Opel Microbus in leuchtendem Türkis, bemalt mit violetten Blumen, Ornamenten, arkonidischen Schriftzeichen.

»Ja«, gab Mieke zu. Sie betrachtete das Schauspiel. Sie hatte immer geglaubt, das Ende würde mit einem überirdischen Getöse kommen. Stattdessen lag nur ein fernes Murmeln in der Luft, unverständlich und unmenschlich. Mieke dachte: Wenn sich die Welt auflöst, wird es also ganz still.

Sie schaute auf ihr Multikom. Status ihrer Mutter, ihrer Schwester Lotta, ihres Bruders? In Sicherheit. Subrevier erreicht. Status ihres Vaters: Auf dem Rückflug aus dem Asteroidengürtel. Maschinen desaktiviert. Freier Fall. Vermutlich sicher, da ohne Energieemission kein Angriffsziel.

Mieke stellte sich vor, wie ihre Mutter, ihre Schwester, wie Emil und wie ihr Vater jeweils auf ihr Multikom starrten, wo als ihr Status stehen würde: Unsicher. Gefahrenzone Oberfläche Ruhrstadt.

Sie spürte, dass etwas sie vom Boden hob und Richtung Microbus zerrte. Ein Traktorstrahl, erkannte Mieke.

»Ich hole dich an Bord«, kündigte die Positronik an.

Sie glitt durch die geöffnete Tür, die sich zügig hinter ihr schloss. Sofort nahm der Microbus Fahrt auf. Der Gleiter verfügte über einen schlichten Andruckabsorber, aber diesmal überforderte ihn die Geschwindigkeit. Mieke fühlte sich kurz in den Kontursessel gepresst und schnappte nach Luft. Neben ihr lagen einige von Lottas zahllosen Kuscheltieren, darunter Meister Mammut sowie Spenku und Smopu, der Plärrroboter mit den zwei Köpfen.

Meister Mammut platzte durch den Andruck auf, da sein Sitz nicht vom Absorberfeld geschützt wurde. »Oi oio oi«, plärrte das Kuscheltier.

»Hab dich nicht so«, beschied ihm Mieke und japste.