Perry Rhodan Neo 140: Der längste Tag der Erde - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 140: Der längste Tag der Erde E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

4,0

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Beschreibung

2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge steuert die Erde auf eine positive Zukunft zu – im Sommer 2051 leben die Menschen in Frieden. Doch dann dringen übermächtige Eroberer ins Sonnensystem ein: Es sind die Sitarakh. Die Fremden besiegen die Terranische Raumflotte. Auf der Erde verursachen sie globale Naturkatastrophen. Zugleich erkranken die Menschen an einer todbringenden Schlaflosigkeit. In dieser Lage tauchen wie aus dem Nichts 20.000 Kampfraumer der Arkoniden auf; der Imperator fordert die bedingungslose Unterwerfung. Als Perry Rhodan zurückkehrt, scheint die Lage aussichtslos. Seine Mission, bei den Liduuri massive Hilfe zu finden, ist allerdings weitgehend gescheitert. Dennoch unternehmen Rhodan und seine Mitstreiter verzweifelt jede Anstrengung, um die Heimat vor dem Untergang zu bewahren. Die nächsten Stunden entscheiden über das Schicksal der Menschheit – es wird DER LÄNGSTE TAG DER ERDE ...

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Zeit:5 Std. 47 min

Sprecher:Axel Gottschick

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Band 140

Der längste Tag der Erde

Rüdiger Schäfer

Cover

Vorspann

1. 17. Juni 2051, Julian Tifflor

2. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

3. 17. Juni 2051, Julian Tifflor

4. 17. Juni 2051, Reginald Bull

5. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

6. 17. Juni 2051, Reginald Bull

7. 17. Juni 2051, Thora

8. 17. Juni 2051, Sue Mirafiore

9. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

10. 17. Juni 2051, Reginald Bull

11. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

12. 17. Juni 2051, Reginald Bull

13. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

14. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

15. 17. Juni 2051, Reginald Bull

16. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

17. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

18. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

19. 17. Juni 2051, Thora

Impressum

2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge steuert die Erde auf eine positive Zukunft zu – im Sommer 2051 leben die Menschen in Frieden. Doch dann dringen übermächtige Eroberer ins Sonnensystem ein: Es sind die Sitarakh.

Die Fremden besiegen die Terranische Raumflotte. Auf der Erde verursachen sie globale Naturkatastrophen. Zugleich erkranken die Menschen an einer todbringenden Schlaflosigkeit. In dieser Lage tauchen wie aus dem Nichts 20.000 Kampfraumer der Arkoniden auf; der Imperator fordert die bedingungslose Unterwerfung.

Als Perry Rhodan zurückkehrt, scheint die Lage aussichtslos. Seine Mission, bei den Liduuri massive Hilfe zu finden, ist allerdings weitgehend gescheitert. Dennoch unternehmen Rhodan und seine Mitstreiter verzweifelt jede Anstrengung, um die Heimat vor dem Untergang zu bewahren.

Die nächsten Stunden entscheiden über das Schicksal der Menschheit – es wird DER LÄNGSTE TAG DER ERDE ...

1.

17. Juni 2051

Julian Tifflor

Der blassrot leuchtende Energiestrahl traf ihn mitten in die Brust.

Zu Julian Tifflors Glück hatte die Positronik seines Einsatzanzugs einen Sekundenbruchteil zuvor den Schutzschirm aktiviert. Dennoch wurde er durch die kinetische Energie des Treffers nach hinten geschleudert und rutschte über den glatten Boden, bis ihn die gegenüberliegende Wand des Lagerraums unsanft stoppte. Eigentlich hätten die Prallfelder die Wucht des Schusses abfedern müssen, doch womöglich war der Angriff der Roboter selbst für die hoch entwickelte künstliche Intelligenz seiner Montur zu überraschend erfolgt.

»Raus hier!«, hörte er jemanden brüllen.

Tuire Sitareh!, zuckte es ihm durch den Kopf.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sue Mirafiore und Betty Toufry nach links und rechts aus der Schusslinie der Maschinen huschten. Der Aulore kam dagegen direkt auf ihn zu, packte ihn am Rückentornister und zerrte Julian mit sich, dem nahen Ausgang entgegen.

»Sind Sie verletzt?«, fragte Tuire.

Julian schüttelte automatisch den Kopf, begriff dann aber, dass sein Gegenüber das aufgrund des geschlossenen Helms wohl nicht sehen konnte, und fügte ein heiseres »Nein, alles okay« hinzu.

Auf dem Helmdisplay erkannte er, dass Crest den großen Lagerraum inzwischen ebenfalls verlassen hatte – im Unterschied zu seinen Kampfrobotern, die sich anschickten, Julian und dem Auloren zu folgen. Den Beschuss hatten sie vorübergehend eingestellt; vermutlich, um die weitere Flucht ihres Imperators nicht zu gefährden.

»Er darf seine Leka-Disk nicht erreichen!«, stieß Julian hervor, während sie den langen Gang zurückeilten, durch den sie gekommen waren. Sue und Betty würden vermutlich einen anderen Weg nehmen, aber das Ziel war klar: Sie mussten zurück an die Oberfläche, dorthin, wo Crest sein Raumfahrzeug gelandet hatte und zu dem er nun zweifellos unterwegs war.

»Das weiß ich, Julian«, erwiderte Tuire mit einer nahezu unwirklichen Gelassenheit.

Klar, es war ja auch nicht seine Heimatwelt, die kurz davorstand, sich in eine Trümmerwolke zu verwandeln!

Julian spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen. Das Bild des abgemagerten, ganz in Schwarz gekleideten Crest, der das Tabernakel von Solt mit triumphierendem Blick in der Hand hielt, hatte sich Julian unauslöschlich eingeprägt. Der unscheinbare Würfel hatte in einem düsteren Blau geleuchtet ... nein, pulsiert. Aber vielleicht hatten Julian seine überreizten Nerven einen Streich gespielt.

Wie auch immer: Sobald der Arkonide die Erde mit seiner Leka-Disk verließ, würde er mithilfe des Tabernakels die Bujun aktivieren, jene irgendwo auf dem Heimatplaneten der Menschen versteckte Gravitationsbombe, die die Liduuri vor Zehntausenden von Jahren installiert hatten. Von dem, was danach geschehen würde, legte der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter beredtes Zeugnis ab. Vor rund dreiundfünfzigtausend Jahren hatte dort ebenfalls ein Planet existiert – die Forschungswelt Tiamur –, bevor er im Rahmen der Flucht der Liduuri aus dem Sonnensystem durch eine Bujun zerstört worden war.

»Sue? Betty? Könnt ihr mich empfangen?«, rief Julian.

Aus den Akustikfeldern des Anzugfunks drang sekundenlang nur lautes Knacken. Viele Räume des Lakeside Institute waren aus naheliegenden Gründen stark abgeschirmt. Das galt insbesondere für die streng gesicherten Lagerräume des zentralen Turms. Dann vernahm er doch noch die zwar leise, aber deutlich zu verstehende Stimme von Sue.

»Ich höre dich«, sagte die Mutantin. »Wir haben den Turm gerade verlassen. Crests Leka-Disk steht nach wie vor an Ort und Stelle. Offenbar ist er noch nicht eingetroffen.«

»Könnt ihr die TERRANIA erreichen?«, wollte Julian wissen. »Die Disk darf auf keinen Fall starten.«

»Das weiß ich auch«, kam es per Funk zurück. Sues Stimme klang ebenso wütend wie frustriert. »Aber ich fürchte, wir sind auf uns allein gestellt. Und uns bleiben bestenfalls Minuten.«

Julian unterdrückte einen Fluch. Gegen die arkonidischen Kampfroboter hatte sein Team keine Chance. Und selbst wenn es ihnen gelingen sollte, die Maschinen auszuschalten: Niemand konnte garantieren, dass Crest die Bombe nicht einfach zündete, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte. Nach allem, was in den vergangenen Stunden geschehen war, konnte man nicht ausschließen, dass der Arkonide für die Vernichtung der Menschheit nicht auch sein eigenes Leben opfern würde.

Was ist nur mit dir geschehen, alter Freund?, dachte Julian zum wiederholten Mal. Wie konnte es so weit kommen?

Sie erreichten einen der Expresslifte, die aus den subplanetaren Bereichen des Turms in die oberen Stockwerke führten. Die Fahrt dauerte wenig länger als zehn Sekunden, doch Julian kam sie wie eine Ewigkeit vor. Kaum hatten sich die Aufzugtüren geöffnet, stürmte er auch schon hinaus und wandte sich in Richtung der hohen Eingangshalle, durch die Besucher den Zentralturm üblicherweise betraten. Die beiden Frauen, denen die Örtlichkeiten langjährig vertraut waren, hatten hingegen wohl einen der Nebenausgänge benutzt. Denn Julian spähte kurz durch die riesige Glasfront nach draußen, konnte aber weder Sue noch Betty ausmachen.

»Wir müssen ...«, setzte er an. Dann sah er die beiden Kampfroboter auf der anderen Seite der Halle.

Im Hintergrund war die Gestalt von Crest zu erkennen, aufgrund des flimmernden Schutzschirms zwar nur undeutlich, aber trotzdem unverwechselbar. Der Arkonide bewegte sich langsam, geradezu majestätisch, auf das breite Portal zu, das auf das Institutsgelände hinausführte.

Im gleichen Augenblick eröffneten die Roboter das Feuer – und diesmal zeigten sie keinerlei Zurückhaltung.

Julian hechtete nach vorn und in die Deckung des großen, geschwungenen Empfangstresens, der als silbern glänzendes Halbrund einen Großteil der Halle einnahm. Normalerweise kümmerten sich dort ein halbes Dutzend speziell geschulter Frauen und Männer um all jene, die das Institut im Verlauf eines Tages aufsuchten. Meistens handelte es sich dabei um Menschen, die glaubten, eine Paragabe zu besitzen. Viele von ihnen waren verstört und verzweifelt, weil sie mit den Folgen ihrer Fähigkeiten nicht zurechtkamen, weil sie sich für Freaks und Monster hielten und ihre besonderen Talente oft jahrelang unterdrückt hatten.

Es gehörte Mut dazu, ins Lakeside zu kommen und sich die eigene Andersartigkeit einzugestehen. Auch deshalb, weil viele Medien Mutanten noch immer wie Aussätzige behandelten und mit ihrer selektiven Berichterstattung die Angst der breiten Masse vor diesen sensiblen Menschen schürten. Wer es schließlich in die Eingangshalle des Instituts geschafft hatte, bedurfte deshalb einer besonderen Ansprache, sollte von Beginn an spüren, dass er hier unter Freunden und Gleichgesinnten war. Entsprechend waren die Mitarbeiter hinter dem Empfangstresen geschult.

Gegenwärtig waren der Tresen wie auch die Halle allerdings verwaist. Das Cortico-Syndrom hielt die Erde und ihre Bewohner im Griff. Milliarden Menschen litten seit fast zwei Wochen an akuter Schlaflosigkeit, die bis hin zu Wahnvorstellungen führte. In vielen Teilen der Welt herrschten katastrophale Zustände. Das öffentliche Leben war praktisch vollständig zum Stillstand gekommen, eine funktionierende Infrastruktur existierte kaum noch. Zu der Erschöpfung gesellten sich der Mangel an Nahrung und Wasser. Selbst in den modernen Ballungsräumen war die Automatisierung noch längst nicht weit genug fortgeschritten, um eine ausreichende Versorgung aller Betroffenen zu gewährleisten. Den wenigen noch handlungsfähigen Verantwortlichen war klar, dass das große Sterben jeden Moment beginnen konnte. Bereits Hunderttausende von Opfern waren zu beklagen.

Julian schob sich weiter am Fuß des Tresens entlang, während über ihm die Waffenstrahlen der Roboter in das Kunststoffmaterial einschlugen. Er sah sich nach Tuire um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Sorgen machte er sich deshalb nicht. Wenn jemand auf sich selbst aufpassen konnte, war das der Aulore.

»Crest!«, rief er über Funk. »Ich flehe dich an: Hör auf damit! Lass uns reden! Wir finden eine Lösung. Wir sind Freunde. Die Vernichtung der Erde kannst du nicht wirklich wollen!«

»Was weißt du schon davon, was ich ... will, Julian?«, kam die Antwort.

Die Stimme des alten Manns klang ... unsicher? Julian schüttelte zweifelnd den Kopf. Fraglos war Crests Verhalten irrational. Die Sprengung eines ganzen Planeten, gar einer Welt, zu der er eine so enge emotionale Bindung hatte, widersprach jeglicher Vernunft. Noch dazu, weil die Menschen einem Bündnis mit Arkon keineswegs ablehnend gegenüberstanden. Sie wollten es nur nicht als bessere Sklaven eingehen, als bloße Vasallen und Befehlsempfänger.

»Du hast recht«, sprach Julian weiter. »Ich weiß nicht, was du willst. Deshalb bitte ich dich ja, es mir zu erklären.«

»Du würdest es nicht verstehen ... Du bist nur ein ... Mensch!« Das letzte Wort kam mit einem geradezu unversöhnlichen Hass über die Lippen des Imperators. Fast so, als hätte es nicht Crest, sondern ein Fremder ausgesprochen.

»Du liebst die Menschen.«

Die Roboter hatten das Feuer vorerst eingestellt, und Julian wagte es, sich vorsichtig aufzurichten. Crest verharrte mitten in der Eingangshalle, umringt von seinen metallischen Leibwächtern. Er schien zu Julian herüberzustarren. Unschlüssig? Feindselig? Abwartend?

»Deshalb weiß ich, dass es nicht du bist, der da spricht«, fuhr Julian fort. »Der Crest, den ich kenne, würde niemals das Leben von Milliarden Unschuldigen opfern. Der Crest, den ich kenne, ist kein feiger Mörder. Wenn Perry jetzt hier wäre ...«

»Perry ist aber nicht hier!«, unterbrach ihn der alte Mann eisig. »Und wenn er es wäre, wäre er ebenso hilflos wie du. Ich ...«

Julian beobachtete, wie Crest plötzlich ruckartig den an einen Totenschädel erinnernden Kopf bewegte, als hätte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen. Mehrfach zuckte er hin und her.

»Ich habe so lange gewartet«, sagte Crest dann. »Zu lange! Es ist Zeit ... Zeit ...«

»Wovon redest du?«, fragte Julian. Die Worte des Arkoniden ergaben keinen Sinn. »Bist du in Ordnung?«

Anstelle einer Antwort vollführte Crest eine herrische Geste mit dem rechten Arm. Sofort begannen die Roboter wieder zu schießen, und Julian musste erneut in den Schutz des Empfangstresens abtauchen. Immerhin: Der kurze verbale Schlagabtausch hatte rund zwei Minuten gedauert. Für Sue und Betty vielleicht genug Zeit, sich eine günstige Position für einen weiteren Angriff auf Crest zu suchen. Es war eine schwache Hoffnung, aber sie mussten auch die kleinste sich bietende Chance nutzen.

Crest durchschritt das Portal, das in den Park hinausführte. Zwei seiner Kampfmaschinen waren vorausgeflogen, der Rest der kleinen Streitmacht sicherte die Halle und sorgte dafür, dass sich weder Julian Tifflor noch Tuire Sitareh aus ihrer Deckung wagen konnten.

Verdammt, Tuire, dachte Julian. Wo sind Sie?

Der Aulore war nach wie vor nirgendwo zu sehen. Allerdings verfügte Julian aufgrund seiner Position nur über eine sehr eingeschränkte Sicht. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie präzise die Zieleinrichtungen arkonidischer Roboter waren. Wenn er auch nur eine einzige Haarspitze über den Empfangstresen hinausragen ließ, würden sie diese wahrnehmen. Darauf, Tuire über Funk anzurufen, verzichtete er. Womöglich plante der Aulore etwas, und mit einem Kontaktversuch bestand stets das Risiko, seine Position preiszugeben.

Als die Maschinen das Feuer schließlich einstellten, hatte Julian für einen Moment das Gefühl, taub geworden zu sein. Er wartete noch zehn Sekunden, dann robbte er tief auf den Boden gepresst zum anderen Ende des Tresens und spähte um die Ecke.

Die Eingangshalle war leer. Offenbar hatten sich die Roboter zu ihren Kameraden gesellt, um Crests weiteren Rückzug zu decken.

»Tuire!«, rief Julian nun doch. »Ich versuche, zu Sue und Betty vorzustoßen. Sie müssen mir nicht antworten – es sei denn, Sie brauchen Hilfe.«

Nichts. Die Akustikfelder blieben stumm. Stattdessen klang erneut das unverkennbare Zischen von Energiefeuer auf – diesmal von außerhalb der Halle.

»Sue? Betty?«

Julian sprang auf und eilte um den Tresen herum, nahm Kurs auf das Portal, das Crest kurz zuvor durchschritten hatte. Dahinter öffnete sich ein großzügig angelegter Park mit diversen Hainen, von Büschen begrenzten Spazierwegen und Blumenbeeten. Im Hintergrund sah er die Silhouetten von einigen der anderen derzeit vierzehn Türme des Instituts, die im Dunst des frühen Morgens wie Geistererscheinungen wirkten.

Etwa fünfzig Meter voraus zuckten blassrote Lichtbahnen durch den Park. Zwei davon schlugen in einem Wäldchen ein und setzten ein paar Bäume in Brand. Das Feuer breitete sich aufgrund der allgemeinen Feuchtigkeit zwar nicht aus, erzeugte jedoch dicken, grauschwarzen Rauch, der sich mit den Nebelschwaden mischte und die Sicht zusätzlich verschlechterte.

»Wir schaffen es nicht!«, hörte Julian die aufgeregte Stimme von Sue.

Gleichzeitig sah er einen humanoiden Schemen, der hinter dem schwelenden Wäldchen aufstieg und – wild auf ein nicht erkennbares Ziel feuernd – Kurs auf die Mitte der Parkanlage nahm. Augenblicklich schlug der Person schweres Sperrfeuer aus mehreren Waffen entgegen. Der Schemen erhielt zwei frontale Treffer, wurde aus der Bahn geworfen und schlug unsanft auf den Boden.

Julian hielt sich nicht mit der Frage auf, ob Sue oder Betty in Ordnung waren. Wenn die Leka-Disk mit Crest an Bord abhob, musste sich niemand mehr um das Cortico-Syndrom oder die Sitarakh Sorgen machen. Dann war der Aufbruch der Menschheit zu den Sternen beendet, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.

Julian aktivierte sein Flugaggregat und schoss steil in die Höhe. Das diskusförmige Raumfahrzeug des Imperators stand nicht weit vom Zentralturm entfernt. Es musste jeden Moment aus dem Qualm auftauchen. Julian änderte mehrfach ruckartig seinen Kurs – und das keine Sekunde zu früh. Im selben Moment, in dem er die Leka-Disk und den darauf zuhaltenden Crest wahrnahm, eröffneten die Roboter das Feuer auf Julian. Die ersten beiden Schüsse verfehlten ihr Ziel; dann wurde auch er getroffen.

»Versuch es durch die Mitte«, hörte er Bettys Stimme im Helmempfänger. »Sue und ich kommen von den Seiten. Vielleicht kommt so wenigstens einer von uns durch!«

Julian begriff sofort, was die Mutantin im Sinn hatte. In einem waghalsigen Manöver ließ er sich absacken und fing sich erst kurz über dem Untergrund wieder ab. Kaum einen Meter über dem Boden raste er auf den Landeplatz der Leka-Disk zu. Die silberne Außenhaut des Fahrzeugs schälte sich aus dem Nebel. Sie glänzte feucht.

Noch vor dem ersten Schuss wusste Julian, dass sie dem Raumer nichts würden anhaben können. Auch die Leka verbarg sich unter einem Schutzschirm, der sich mit einem kaum wahrnehmbaren Flimmern verriet. Laut den Ortungsanzeigen auf Julians Helminnenseite war Crest nur noch knapp fünfzig Meter von seinem Ziel entfernt. Der von seinen Robotern umringte Imperator tauchte für den Bruchteil einer Sekunde vor Tifflor auf.

In einem halsbrecherischen Manöver wich Julian zur Seite aus. Die Positronik seines Anzugs gab Alarm. Er ignorierte es.

Ein lauter Schrei zerstörte seine Hoffnung darauf, dass die beiden Mutantinnen mehr Erfolg haben würden. Wenn er sich nicht irrte, gehörte die Stimme Sue.

Von irgendwoher kam das vertraute Zischen von Energiefeuer. Die sonnenheißen Speere aus ultrastark gebündeltem Licht waren in der feuchten Luft von einer flackernden Aura umgeben. Julian änderte den Kurs erneut, wollte der Frau zu Hilfe kommen, doch da nahmen die Roboter auch ihn wieder unter Beschuss und zwangen ihn zum abermaligen Ausweichen.

Aus!, durchzuckte es ihn. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass sein Herz von einer stählernen Faust umklammert wurde, die unbarmherzig zudrückte. Wir können Crest nicht stoppen! Wir können ...

Er stockte. In seinem Kopf war ein winziges schwarzes Loch entstanden, das mit jedem Atemzug anwuchs und alle Gedanken unbarmherzig in sich hineinsaugte. Sie hatten versagt. Er hatte versagt! Er musste an Perry Rhodan denken, an ihn und die vielen anderen Freunde, die den Sitarakh mit der LESLY POUNDER entkommen waren. Wie würden sie den Schock verdauen, wenn sie ins Sonnensystem zurückkehrten und statt der Erde nur noch eine riesige Trümmerwolke vorfanden?

Ein neuerlicher Schrei holte ihn in die grausame Wirklichkeit zurück. Sue Mirafiore brüllte etwas, das er zunächst nicht verstand. War sie verletzt? Verlor sie angesichts des bevorstehenden Endes den Verstand?

2.

17. Juni 2051

Perry Rhodan

Der Lichtpunkt im Zentrum des Panoramaholos wuchs langsam heran und wurde binnen weniger Minuten zu einer fußballgroßen Kugel aus strahlendem Gelb und Orange. Obwohl Perry Rhodan wusste, dass die Darstellung lediglich ein von der Hauptpositronik der LESLY POUNDER auf Basis der Ortungsdaten erzeugtes Bild war, erfüllte ihn der Anblick mit neuer Kraft und Zuversicht.

Der Mensch bereist die Welt auf der Suche nach dem, was ihm fehlt, kamen ihm die Worte des irischen Schriftstellers George Moore in den Sinn. Und er kehrt nach Hause zurück, um es zu finden.

»Wir passieren jetzt die Bahn des Uranus«, hörte er Jason Melville sagen, den Ersten Offizier des Ultraschlachtschiffs. »Die Systemüberwachung akzeptiert unsere Kennungen anstandslos. Ich frage mich, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist ...«

»Halten wir uns an die Tatsachen«, gab Conrad Deringhouse in gewohnter Sachlichkeit zurück. »Wir nehmen direkten Kurs auf die Erde. Die volle Gefechtsbereitschaft bleibt bis auf ausdrücklichen Widerruf bestehen!«

»Verstanden, Sir.«

Rhodan stand mit auf dem Rücken verschränkten Armen vor seinem Sessel. Ein unbeteiligter Beobachter mochte den Eindruck gewinnen, dass in der Zentrale des größten und mächtigsten Raumschiffs der Menschheit alles mit der gewohnten Routine ablief, doch Rhodan spürte die Anspannung der Frauen und Männer um ihn herum beinahe körperlich. Obwohl die POUNDER nur zwei Wochen weg gewesen war, hatte die Ungewissheit um das Schicksal der Erde und ihrer Bewohner jeden Einzelnen an Bord über Gebühr beschäftigt. So gut wie alle Besatzungsmitglieder hatten Familie und Freunde zurückgelassen, und nun drängte es sie danach, zu erfahren, ob es ihnen gut ging.

Er drehte kurz den Kopf und warf Thora einen Blick zu. Die Arkonidin stand hinter dem Ortungspult und sah Major Schimon Eschkol bei der Arbeit zu. Der Ortungschef hatte derzeit am meisten zu tun, weil er nicht nur die ausgeschleusten Sonden koordinierte, sondern auch die in großen Mengen einlaufenden Daten. Diese wurden zwar von der Positronik vorgefiltert, mussten aber dennoch möglichst schnell ausgewertet, gewichtet und verteilt werden. Insofern war es kein Wunder, dass auf Eschkols Stirn ein dünner Schweißfilm glänzte. Seine Hände wischten teilweise so schnell durch die Holokontrollen über seiner Konsole, dass einem schon beim Zuschauen schwindlig wurde.

»Bei allen Göttern Arkons«, sagte Thora in diesem Moment. »Es ist tatsächlich wahr?«

Eschkol schickte die entsprechenden Bilder direkt zum Panoramaholo. Obwohl er gewusst hatte, was ihn erwartete, stockte Rhodan der Atem.

»Das müssen die arkonidischen Schiffe sein«, entfuhr es ihm.

»Etwas weniger als zwanzigtausend, Sir«, bestätigte Melville, der den Ortungschef von seinem Kommandopult aus unterstützte. »Den Kennungen zufolge tatsächlich arkonidische Kugelraumer. Wir orten außerdem eine große Menge von Wrackteilen im sonnennahen Raum.«

»Dann ist Crest uns also wirklich zu Hilfe gekommen?«, wunderte sich Deringhouse.

»Schwer zu glauben«, sagte Reginald Bull. Er saß neben Mirin Trelkot, dem Piloten der LESLY POUNDER, und ging diesem bei der Kursbestimmung zur Hand. »Aber manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder. Vielleicht hat er seinen Verstand wiedergefunden.«

Thora verzog kurz die Mundwinkel, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, sagte aber nichts. Sie kannte Bull gut genug, um zu wissen, dass er seine Bemerkung nicht böse meinte. Das Schicksal von Crest ging ihm genauso nahe wie den meisten anderen in Rhodans engerem Umfeld.

»Was ist mit den Sitarakh?«, wollte Rhodan wissen. Er hatte kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache.

»Dazu müssten wir näher ran, Sir«, informierte der Erste Offizier.

»Schalten Sie eine Verbindung zur SHOSHIDA CARDELI!«, verlangte Rhodan. »Ich bin sicher, dass Avandrina mit den technischen Möglichkeiten ihres Yms ...«

»Ich habe Kontakt mit der TERRANIA, Sir!« Die Stimme von Gabrielle Montoya, die als Zweite Offizierin die Funkkonsole besetzt hatte, überschlug sich beinahe. »Es ist Oberst Everson ... ich meine ... der Koordinator für zivile Raumfahrt und Kolonisation. Er ...«

»Legen Sie Bild und Ton auf das Hauptholo!«, befahl Rhodan.

Augenblicklich erschien das pausbäckige Gesicht von Rhodans Jugendfreund in Überlebensgröße mitten in der Zentrale. Die blauen Augen des Manns lagen tief in den Höhlen, und eine Strähne des noch immer strohblonden Haars hing ihm in die Stirn.

»Perry?«, fragte er ungläubig.

»Live und in Farbe«, bestätigte Rhodan trocken. »Und ich habe eine Ahnung, dass du mir einiges zu erzählen hast ...«

»Deine Ahnung trügt dich nicht.« Marcus Everson rieb seine auffallend schiefe Nase, die er sich im Laufe seines Lebens mehrfach gebrochen hatte. Er weigerte sich weiterhin standhaft, dies kosmetisch korrigieren zu lassen. »Leider läuft uns die Zeit davon.«

»Dann fangen wir am besten sofort an. Alle entbehrlichen Offiziere umgehend in Konferenzraum eins.«

Während die LESLY POUNDER Fahrt aufnahm und Kurs auf die Erde setzte, leerte sich die Zentrale in Rekordzeit. Deringhouse wirkte für einen Moment unschlüssig; dann nickte ihm Melville zu. Der Schiffskommandant stand auf, zog die Jacke seiner Uniform glatt und folgte dem vorauseilenden Perry Rhodan mit großen Schritten.

»Wir empfangen von der Erde nur noch bruchstückhafte Informationen«, berichtete Marcus Everson. »Die offiziellen Kanäle sind nach und nach komplett verstummt. Auch aus dem Stardust Tower kommt seit Tagen nichts mehr. Es gibt weder Nachrichtenstreams noch Aktivitäten in den Netzwerken. Das Cortico-Syndrom hat so gut wie jedes Individuum erfasst und den Planeten praktisch lahmgelegt. Zwar gibt es neben den Mutanten weitere Immune, aber die fallen kaum ins Gewicht. Ich verzichte darauf, euch die verfügbaren Bilder zu schicken. Sie sind ... herzzerreißend. Die meisten Menschen stehen kurz vor dem finalen Kollaps, Perry.«

»Ein Umstand, der nicht mehr relevant ist, wenn Crest mit seinem Plan Erfolg hat und die auf der Erde versteckte Bujun zündet«, warf Reginald Bull düster ein. Er hatte die Finger seiner Hände ineinander verschränkt und sich mit den Ellenbogen auf den ovalen Konferenztisch gestützt. In seinen Zügen arbeitete es. Die Tatsache, dass der Imperator mit seiner Flotte nicht ins Sonnensystem gekommen war, um Hilfe zu leisten, sondern um die Erde zu erobern, hatte ihn schwer getroffen.

Den anderen Anwesenden ging es nicht besser. Jeder reagierte auf die Flutwelle an Hiobsbotschaften, die Everson ihnen übermittelt hatte, auf seine eigene Weise. Den ungerührtesten Eindruck vermittelten Theta und Atlan. Der Arkonide stand mit vor der Brust verschränkten Armen in einer Ecke des Raums. Die ehemalige Imperatrice hatte einige Meter weiter Platz genommen und lauschte dem Bericht Eversons mit ausdrucksloser Miene. Obwohl sie die vergangenen zwei Jahre auf der Erde verbracht hatte, hatte sie nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Welt der Menschen als Exil betrachtete, als eine vorübergehende Station auf ihrem Weg wohin auch immer. Falls der Planet nun zerstört wurde, war das bestenfalls eine Unannehmlichkeit. Als einstige Herrscherin über ein gigantisches Sternenimperium beurteilte sie den Tod mehrerer Milliarden Lebewesen ohnehin nach ganz eigenen Kriterien.

»Er wird es nicht tun.« Thora sprach so leise, dass nur der direkt neben ihr sitzende Perry Rhodan sie verstand. »Zu so etwas wäre er niemals fähig. Er ...« Sie verstummte, biss sich auf die Unterlippe und senkte kaum merklich den Kopf.

Rhodan hatte plötzlich das nachdrückliche Verlangen, ihr den Arm um die Schultern zu legen, sie an sich zu ziehen und zu trösten, wusste aber, dass so etwas in der gegenwärtigen Situation das falsche Signal gewesen wäre. Stattdessen erhob er sich und sah entschlossen in die Runde.

»Julian, Sue und Betty werden alles tun, um Crest aufzuhalten«, sagte er fest. »Außerdem ist Tuire Sitareh bei ihnen. Wir wissen, welche Fähigkeiten dieser Mann besitzt. Wir sollten deshalb Vertrauen in unsere Freunde haben und von unserer Seite aus alles tun, um die Lage zu entspannen.«

»Schöne Worte, großer Anführer«, piepste Gucky.

Auch der nie um eine flapsige Bemerkung verlegene Mausbiber wirkte deprimiert – und das lag sicher nicht allein an den noch immer sichtbaren Spuren, die seine Einsätze bei den Weißen Welten hinterlassen hatten. Laut Volker Manz, dem Bordarzt der LESLY POUNDER, gehörte der Mutant eigentlich in die Medostation, doch für alle diesbezüglichen Vorschläge hatte Gucky nur ein müdes Lächeln übriggehabt.

»Dann sollten wir den Worten Taten folgen lassen«, ließ sich Rhodan nicht beirren. »Reg! Du übernimmst umgehend wieder deinen Posten als Systemadmiral und setzt zur TERRANIA über. Nichts für ungut, Marcus, aber ich ...«

»Geschenkt, Perry.« Everson winkte ab. »Ich kenne den Ruf, den Reg in der Flotte genießt. Seine Gegenwart wird unseren Leuten hoffentlich einen Teil der Zuversicht zurückgeben, die sie der Angriff auf die Sitarakh gekostet hat.«

»Du bleibst selbstverständlich als taktischer Berater an seiner Seite«, fuhr Rhodan fort. »Außerdem möchte ich dich ...« Rhodan wandte sich Atlan zu. »... bitten, Reg zu begleiten.«

»Du hast hoffentlich nicht vor, die Sitarakh erneut anzugreifen«, sagte der Arkonide.

»Nein.« Rhodan schüttelte den Kopf. »Eine neuerliche Attacke wäre Selbstmord. Der Abwehrriegel um die Sonne ist nicht nur geschlossen, sondern auch undurchdringlich. Wir sind zwar immer noch handlungsfähig, obgleich ein Großteil unserer kleineren Flotteneinheiten vernichtet wurde, aber die Sitarakh werden sich gewiss nicht noch einmal überraschen lassen.«

»Du hast einen Plan.« Atlan grinste. »Lässt du uns an deiner Weisheit teilhaben?«

»Wir greifen die Invasoren an ihrer derzeit verwundbarsten Stelle an«, ignorierte Rhodan den sanften Spott. »Wir zerstören die Kataklysmustürme auf der Erde!«

»Sie nennen sie Modifikatoren«, warf Everson ein.

»Meinetwegen. Die Sitarakh haben ihre Kräfte um die Sonne konzentriert. Mit dem, was daheim noch übrig ist, müsst ihr fertigwerden. Legt diese verdammten Türme in Trümmer. Zeigt Masmer Tronkh, dass die Erde uns Menschen gehört – und dass wir sie nicht kampflos hergeben!«

»Das werden wir.« Bull hatte sich ebenfalls erhoben. »Oder etwa nicht, Admiral?« Er trat an Atlans Seite und schlug diesem jovial auf die Schulter.

Das Grinsen des Arkoniden wurde noch eine Spur breiter. »Wenn du es sagst«, erwiderte er.