Perry Rhodan Neo 198: Duell der Bestien - Kai Hirdt - E-Book

Perry Rhodan Neo 198: Duell der Bestien E-Book

Kai Hirdt

0,0

Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – der Menschheit werden kosmische Wunder offenbart, sie gerät aber auch in höchste Gefahr. 2058 sind die Menschen nach schwerer Zeit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt, wobei sie langsam zu einer Gemeinschaft zusammenfinden. Nur vereint können sie den Bedrohungen aus dem All trotzen. So wehren die Menschen mehrfach die Versuche des Geisteswesens ANDROS ab, mit einer Kriegsflotte der sogenannten Bestien die Erde anzugreifen. ANDROS will einen Durchgang in eine fremde Dimension öffnen, der zwei Galaxien verwüsten würde. Perry Rhodan kann eine Kette von Sonnentransmittern aktivieren, um diesem Plan Einhalt zu gebieten – aber er verliert seine Erinnerungen. Um sein Ziel zu vollenden, brechen seine Gefährten mit der MAGELLAN abermals nach Andromeda auf. Dort kommt es zum DUELL DER BESTIEN ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 209

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 198

Duell der Bestien

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

Impressum

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – der Menschheit werden kosmische Wunder offenbart, sie gerät aber auch in höchste Gefahr.

2058 sind die Menschen nach schwerer Zeit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt, wobei sie langsam zu einer Gemeinschaft zusammenfinden. Nur vereint können sie den Bedrohungen aus dem All trotzen.

So wehren die Menschen mehrfach die Versuche des Geisteswesens ANDROS ab, mit einer Kriegsflotte der sogenannten Bestien die Erde anzugreifen. ANDROS will einen Durchgang in eine fremde Dimension öffnen, der zwei Galaxien verwüsten würde.

Perry Rhodan kann eine Kette von Sonnentransmittern aktivieren, um diesem Plan Einhalt zu gebieten – aber er verliert seine Erinnerungen. Um sein Ziel zu vollenden, brechen seine Gefährten mit der MAGELLAN abermals nach Andromeda auf. Dort kommt es zum DUELL DER BESTIEN ...

1.

Die MAGELLAN raste auf das gleißende Hexagon aus völlig identischen Sonnen zu. Der unglaubliche Transmitter, den einst die Memeter geschaffen hatten. Ein Wunderwerk, das jedem menschlichen oder arkonidischen Verständnis von Wissenschaft Hohn spottete. Der Abgrund zwischen den Galaxien Milchstraße und Andromeda: überwunden in einem Lidschlag.

Leider nicht nebenwirkungsfrei, wie Thora Rhodan da Zoltral wusste. Doch die Schmerzen und die Desorientierung, die auf den Übergang folgten, ließen sich mit den richtigen Medikamenten abmildern. Ihr selbst würde somit nichts geschehen. Genauso wenig ihrer Tochter Nathalie im Kontursessel neben ihr und all den Raumfahrern an Bord der MAGELLAN.

Ihre bange Sorge galt allein ihrem Mann. Perry Rhodan lag auf der Krankenstation der MAGELLAN, seit sein Situativ das Expeditionsraumschiff aufgespürt und ihn abgeliefert hatte wie ein Stück Fracht.

Diese Beschreibung traf seinen Zustand leider viel zu gut. Etwas Schreckliches war mit ihm geschehen während seiner Mission. Perry hatte sein Gedächtnis verloren, erkannte niemanden mehr auf der MAGELLAN. Keinen einzigen seiner Weggefährten, mit denen er seit Jahrzehnten die Galaxis bereiste.

Auch seine Frau und seine Tochter nicht.

Thora hatte versucht, den Sprung in die andere Sterneninsel hinauszuzögern, bis mehr über Perrys Zustand bekannt war – die Ursache, mögliche Behandlungsmethoden. Niemand wusste, wie er in seinem ohnehin angegriffenen Zustand auf die neuerliche Belastung reagieren würde.

Doch sie hatte sich nicht durchsetzen können. Der entscheidende Kampf gegen ANDROS stand bevor – jenes Geisteswesens, das seit mindestens fünfzigtausend Jahren, wahrscheinlich aber schon viel länger gegen die Menschheit und viele andere Völker vorging. Nun begannen die letzten Tage des langen Ringens. Wenn ANDROS gewann, bedeutete dies möglicherweise das Ende zweier Galaxien.

Deshalb musste die Besatzung der MAGELLAN rechtzeitig am Ort der finalen Auseinandersetzung sein. Mitsamt Perry Rhodan, der in diesem Kampf eine besondere Rolle spielen sollte. Es blieb einfach keine Zeit, ihn gründlich zu untersuchen und langwierig zu behandeln.

Thora verstand es. Aber sie konnte es nicht akzeptieren.

Das Abstrahlfeld im geometrischen Zentrum zwischen den sechs Sonnen erfasste die MAGELLAN.

Die Medikamente wirkten nicht wie erwartet. Brüllend vor Schmerz verlor Thora das Bewusstsein.

Sie erwachte mit dröhnendem Schädel. Ein Blick auf das Multifunktionsarmband verriet ihr, dass sie nur wenige Sekunden verloren hatte. Rasch sah sie zur Seite, zu Nathalie. Die ruckartige Kopfbewegung war ein Fehler. Sie verursachte einen plötzlichen Migräneanfall, als säße sie von einem Moment auf den anderen verkatert zwischen fünf Presslufthämmern und hörte eine dieser seltsamen terranischen Heavy-Metal-Bands.

Nathalie schaute mit großen Augen zurück. »Mama, was ist mit dir? Alles in Ordnung?«

Thora zwang sich zu lächeln. »Ja, mein Schatz.« Wie konnte es sein, dass ihre Tochter die Reise so locker überstand, während sie, die erfahrene Raumfahrerin ...

Sie schreckte hoch. Perry fiel ihr wieder ein. Wie hatte er den Transfer überstanden?

Sie funkte die Medostation an, bekam aber nur eine automatische Antwort, die Art und Dringlichkeit des Notfalls erfragte.

»Das will ich von dir wissen, du ...« Wegen Nathalie verkniff sie sich die Beschimpfung. Sie stand auf und musste sich zwei Sekunden an der Lehne ihres Sessels abstützen, bis ihre Knie nicht mehr zitterten.

»Wo willst du hin, Mama?«

»Ich gehe nach deinem Vater schauen.«

»Darf ich mitkommen?«

»Lieber nicht«, sagte sie. »Erst wenn die Ärzte es erlauben, okay?« Sie wollte zuerst allein nach Perry sehen. Sie hatte ein ganz, ganz schlechtes Gefühl im Magen, und das rührte nicht von den Nebenwirkungen des Transmitterdurchgangs her.

Auf der Medostation tobte das Chaos. Überall an Bord waren Besatzungsmitglieder zusammengebrochen, trotz der vorab verteilten Medikamente. Betroffen waren auch Menschen, die einige Jahre zuvor schon einmal durch den Sechsecktransmitter zwischen den Galaxien gereist waren und die Belastung damals besser weggesteckt hatten.

Diensthabende Ärzte waren Julian Tifflor und die Mutantin Sud. Sie hasteten umher, versuchten, jeder an mindestens fünf Orten gleichzeitig zu sein und zugleich noch mehrere Medoroboter zu koordinieren, um die leichteren Fälle zu behandeln.

»Wie geht es Perry?«, rief Thora Tifflor zu, als der an ihr vorbeihetzte.

Der Chefarzt sah sie überrascht an. »Keine Probleme bei ihm. Er liegt ruhig im Bett.« Dann eilte er schon weiter.

Vorsichtig, um nicht bei Notfällen im Weg zu sein, bahnte sich Thora den Weg zu Perry Rhodans Behandlungszimmer. Tifflor hatte recht gehabt: Ihr Mann lag ruhig im Bett.

Zu ruhig. Thora war alarmiert. »Perry?«, fragte sie.

Keine Reaktion. Er atmete und hatte die Augen geöffnet, aber er gab mit keinem Wort, keiner Geste zu erkennen, dass er sie gehört hätte. Vor dem Sprung war er ansprechbar gewesen und hatte nur sein Langzeitgedächtnis verloren. Nur, dachte Thora bitter – als ob das nicht reichte. Aber nun hatte sich sein Zustand unverkennbar verschlimmert. Vollkommen reaktionslos lag er auf seinem Bett und starrte die Zimmerdecke an.

Thora rannte zur Tür und rief nach Tifflor. Zu ihrer Erleichterung kam der Arzt sofort. Es kamen sogar beide Ärzte: Sud übergab ihren Patienten einem Medoroboter.

»Was ist los?«, fragte Tifflor.

»Er ist bewusstlos«, rief Thora. »Er reagiert nicht mehr auf mich!«

»Das kann nicht sein«, sagte Tifflor. »Seine Gehirnaktivität ist eher zu hoch als zu niedrig.«

Doch als er ans Bett trat und Rhodan einigen Reflextests unterzog, musste Tifflor zugeben, dass Thora recht hatte.

»Das gibt's doch nicht«, murmelte er. »Seinem Gehirnscan nach ...« Er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern studierte nur kopfschüttelnd die Daten der Überwachungsgeräte.

»Perry«, flüsterte Thora. Sie konnte Entsetzen und Angst nicht länger unterdrücken. Sie spürte Tränen in ihren Augen. Zitternd griff sie nach der Hand ihres Manns. Sie spürte einen leichten Druck seiner Finger. »Er reagiert!«, rief sie begeistert. »Er hat meine Hand gefasst!«

»Lass sehen«, sagte Tifflor.

Sie löste sich und trat einen Schritt zurück. Tatsächlich: Perrys Fingerspitzen zuckten, dann zitterte seine ganze Hand. »Das ist ein gutes Zeichen, oder?«, fragte Thora aufgeregt.

Statt Tifflor trat Sud ans Bett, um Rhodan eingehender zu untersuchen. Thora war es recht. Was der Chefarzt der jungen Frau an medizinischer Erfahrung voraushatte, machte sie durch ihre heilenden Hände wett. Mit dieser Mutantengabe hatte sie die Behandlung und Genesung schon vieler Patienten gefördert und war mehr als einmal das Zünglein an der Waage gewesen, wenn jemand auf der Schwelle zwischen Leben und Tod geschwebt hatte.

»Es ist ein gutes Zeichen!«, sagte Thora noch einmal. »Ist es doch, oder nicht?«

Mittlerweile hatte das Zittern Perrys ganzen rechten Arm erfasst, und der rechte Mundwinkel zuckte.

Sud runzelte die Stirn. Das rote Metallstück, das seit einem bizarren Unfall Teil ihres Körpers war und von der linken Schläfe bis zur Augenbraue reichte, hob sich einige Millimeter.

»Was ist los?«, fragte Thora, als sie Skepsis statt Freude in Suds Blick sah.

»Patient sichern«, befahl die junge Ärztin schnell. »Verdacht auf fokalen Anfall!«

»Was?«, fragte Thora erneut. Ihre Freude schlug in Angst um. »Was ist los?«

Energiefelder hatten sich über Rhodans Liege aufgebaut und verhinderten größere Bewegungen. Nach seinem Arm rührte sich nun auch sein rechtes Bein, und seine Schulter zuckte. Die linke Körperhälfte jedoch lag völlig still.

»Was ist mit seinen Augen?« Thora war inzwischen in heller Panik. Perrys linkes Auge starrte noch immer tumb zur Decke, das rechte indes hatte sich nach oben eingedreht. Nur der Rand der Iris war noch zu erkennen.

Sud trat hinter das Kopfende des Krankenbetts und legte ihre Hände an Rhodans Schläfen. Funken tanzten um ihre Finger – das sichtbare Zeichen, dass sie ihre Paragabe einsetzte. Thora wusste, was bevorstand. Suds Fingerspitzen würden in Perrys Körper eintauchen, als wäre er nur eine Projektion. Als wollte sie durch seinen Schädel hindurchgreifen und sein Gehirn berühren.

Sud verzog nun ebenfalls das Gesicht, als litte sie Schmerzen. Das Funkenspiel um ihre Hände wurde intensiver. Es verstärkte die erschreckende Wirkung von Rhodans einseitig verzogenem Gesicht. »Er hat einen epileptischen Anfall«, sagte die Mutantin schwer atmend. »Oder etwas in der Art. Er ... Moment ...« Sie schloss die Augen und konzentrierte sich.

Thora blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen. Was gerade geschah, konnte sie nicht beeinflussen, oder nur in negativer Weise, wenn sie die Mutantin störte.

Schweiß trat auf Suds Stirn, rann in kleinen Perlen ihre rechte Schläfe und an ihrer Nase hinab. Die Tropfen, die an ihrer anderen Gesichtshälfte das Intarsium erreichten, verdampften mit einem leisen Zischen.

Schließlich hörte Rhodan auf zu zucken, und Sud entspannte sich wieder. »Es ist vorbei«, sagte sie erschöpft.

»Was ist vorbei?« Thoras Nervosität jedenfalls nicht.

»Der Anfall«, antwortete Sud. »Perry hat tatsächlich alle Zeichen eines örtlich begrenzten, aber schweren epileptischen Anfalls gezeigt.«

»Diese Krankheit hat er nicht!«, schnappte Thora. »Er hat überhaupt keine Krankheit. Er trägt einen Zellaktivator, verdammt noch mal! Das Ding heilt jedes Leiden!«

»Willst du leugnen, was wir gerade gesehen haben?«, fragte Sud.

Thora ließ die Schultern hängen. »Bitte entschuldige«, murmelte sie kleinlaut.

»Schon gut«, sagte Sud nachsichtig. »Ich weiß ja selbst, dass es eigentlich nicht sein kann.« Sie zog den Mund schief. »Wie fast alles, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben.« Sie schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken abzuwerfen. »Ich habe aber auch gute Nachrichten.«

Thoras Herz schien einen Schlag zu überspringen. »Raus damit!«

Sud lächelte. »Ich habe seine Erinnerungen gespürt. Irgendetwas hat seinen Kopf übernommen und seine Gehirnströme überschrieben, aber er ist nicht gelöscht. Verkapselt, gewissermaßen. Komprimiert und versteckt, ganz hinten in der untersten Schublade. Wenn es uns gelingt, diese Erinnerungen zu reaktivieren ...«

»... dann kommt er zurück«, hauchte Thora.

Sud lächelte, aber nur mit dem Mund, nicht mit den Augen. »Hoffentlich.«

»Vielleicht ist das alles Teil des Plans.« Tifflor sagte es ruhig, jedoch mit hörbarem Grimm. »Vielleicht muss er in diesem Zustand sein, um die Transmitterkette zu aktivieren. Vielleicht wird es besser, wenn die Aufgabe abgeschlossen ist.«

»Vielleicht«, äffte Thora ihn nach. Die Spekulation, dass all dies Teil eines großen Plans war, hatte ihr den Anflug von Hoffnung schlagartig vergällt. »Glaubst du dir selbst, wenn du so etwas sagst?«

»Thora ...«, begann Tifflor.

Sie ließ ihn nicht ausreden. »›Sie werden ein Opfer bringen müssen.‹ Das hat Avandrina di Cardelah gesagt, als sie Perry auf diese Wahnsinnsmission geschickt hat. ›Es tut mir unendlich leid.‹ Sie wusste, was passieren wird.« Sie wandte sich Tifflor nun direkt zu. »Sie wusste, was passieren wird! Die verdammte Hexe hat ihn geopfert für ihr kosmisches Schachspiel!«

»Er lebt«, hielt Tifflor ihr entgegen, »und erholt sich vielleicht ganz von selbst. Wir überwachen ihn und können uns später eingehend um ihn ...«

»Du willst ihn allein lassen?«, schrie sie ihn an. »Wag es ja nicht! Du ...«

»Es reicht jetzt, Thora!«, donnerte der Arzt zurück. »Perry ist nicht der einzige Patient hier, und er ist nicht einmal der im schlechtesten Zustand!« Ruhiger fuhr er fort: »Ich versuche nicht, dir irgendetwas einzureden. Wir wissen wenig über Perrys Aufgabe, aber eins ist sicher: Sie ist noch nicht beendet. Mirona Thetins Raumschiff, dieses Situativ, hat noch ein nächstes Ziel für ihn eingespeichert. Und in diesem Zustand macht er keinen Zug mehr in diesem irrsinnigen Spiel. Deshalb glaube ich, dass er wieder zu Sinnen kommen wird.« Wieder zeigte sich untypische Härte in seinem Blick. »Medizinisch bin ich gerade mit meinem Latein am Ende, das gebe ich gern zu. Aber was auch immer ES vorhat, um die zerstörerischen Pläne von ANDROS zu durchkreuzen – Perry hat dabei noch eine Rolle zu spielen.«

»ES«, wiederholte Thora. Mehr musste sie nicht sagen. Das Geisteswesen war in seinen Prophezeiungen noch weitergegangen, als es sich vor Kurzem in Terrania manifestiert hatte. Avandrina hatte nur von einem Opfer gesprochen, das Perry erbringen musste. ES war deutlicher geworden und hatte Perrys Tod angekündigt.

»Ich weiß«, sagte Tifflor. »Aber noch ist es nicht so weit, und ganz sicher hat ES nicht gemeint, dass Perry auf einer Medostation stirbt, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Für ihn ist etwas anderes vorgesehen.«

»Das soll mich aufbauen?«, fragte Thora ungläubig. »Als Seelsorger bist du beschissen!« Es gab Tage, an denen sie auf ihre arkonidische Adelserziehung und Zurückhaltung pfiff.

Bevor Tifflor etwas erwidern konnte, vibrierte ihr Kommunikationsarmband. Sie hob das Handgelenk an die Lippen. »Ich höre.«

Die Stimme von Conrad Deringhouse erklang. »Das Situativ hat ausführliche Zielinformationen freigegeben«, sagte der Kommandant der MAGELLAN. »Wir sollen ins Halitsystem. Ich wollte wissen, ob du an der Einsatzplanung teilnehmen willst.«

Oh ja, das wollte sie. Und wie. »Und du kommst mit!«, wies sie Julian Tifflor an.

Der innere Zirkel hatte sich zur Lagebewertung und zum Pläneschmieden getroffen: Reginald Bull, Conrad Deringhouse, Autum Legacy, Julian Tifflor und Icho Tolot.

Thora bedachte den Haluter mit einem eisigen Blick. Sie hatten kaum zehn Sätze miteinander gewechselt, seit Tolot vor Kurzem Sud und Thoras Tochter Nathalie entführt hatte. Er war nicht Herr seiner Sinne gewesen, sondern hatte in einer merkwürdigen Variante geistiger Umnachtung gehandelt, der nur Haluter anheimfallen konnten. Genau genommen, hatte er die beiden für seine Gesundung gebraucht.

Tolot hielt beide Armpaare vor dem riesigen Körper verschränkt. Der Blick seiner drei tiefroten Augen war auf den Boden gerichtet. Wahrscheinlich tat ihm selbst am allermeisten leid, was er getan hatte.

Thora konnte ihm trotzdem nicht vergeben. Bei der Trinarration, seinem Ritual der geistigen Klärung, hatte er Nathalies und Suds Leben gefährdet. Dass er sich seitdem anscheinend wieder im Griff hatte, machte seine Tat im Nachhinein nicht besser. Und wer wusste schon, wann er erneut aus dem mentalen Gleichgewicht geraten mochte?

»Thora!«

Sie schrak zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass Bull sie angesprochen hatte.

»Ja«, reagierte sie unwirsch und setzte sich. Perrys Lieblingssessel in der Runde war frei geblieben. »Los, sag's ihnen, Julian.«

Tifflor räusperte sich. »Thora möchte, dass ich weitere Sprünge durch Sonnentransmitter untersage, weil sie Perry gefährden könnten.« Er sah Thora schuldbewusst an. »Vom medizinischen Standpunkt kann ich dem jedoch nicht zustimmen.«

»Was?« Thora ruckte in ihrem Sitz nach vorn.

Tifflor sah sie mitleidig an. »Ich verstehe deine Sorge, aber unseren Messungen zufolge gibt es wenig Anlass zur Sorge. Weder bezüglich Perry noch betreffs der restlichen Besatzung. Wir haben zwar jede Menge Notfallmeldungen nach der Transmitterpassage bekommen, aber in den meisten Fällen sind die Symptome binnen weniger Minuten wieder abgeklungen. In dieser Hinsicht sind wir einsatzbereit. Und Perry hat lediglich auf den einen, langen Sprung über zweieinhalb Millionen Lichtjahre hinweg so extrem reagiert. Bei der Nutzung von Sonnentransmittern innerhalb von Andromeda ist die Belastung weitaus geringer. Wenn wir ihn kontinuierlich überwachen und jeweils sofort behandeln können ...«

»Du rätst ins Blaue«, warf Thora ihm vor. »Du hast keine Ahnung, was er hat, und behauptest gerade einfach irgendwas.«

»Ich gebe Prognosen ab«, widersprach Tifflor verärgert. »Fachlich fundierte Prognosen.«

Bull räusperte sich. »Könnt ihr aufhören, euch zu streiten? Das bringt wenig. Tatsächlich haben wir es eilig. Mirona Thetin hat ziemlich deutlich gemacht, dass die Geschwindigkeit der entscheidende Faktor für den Endkampf ist, wenn wir ANDROS wirklich besiegen wollen.«

»Thetin«, sagte Thora leise. »Natürlich! Sie muss wissen, was mit Perry geschehen ist! Wenn ihr verdammtes Situativ ihm schon nicht hilft, obwohl es ein solches medizinisches Wunderwerk sein soll ...«

Tifflor sah sie überrascht an. »Das ist einen Versuch wert. Wir hatten noch keine Gelegenheit, das Situativ zu konsultieren.«

Thora beherrschte sich. Sie hatte etwas anderes sagen wollen: dass sie nach Multidon fliegen und Mirona Thetin zur Rede stellen sollten. Aus der Meisterin der Insel herauspressen, was mit Perry geschehen war. Zudem war die Reise nach Multidon viel kürzer und die Belastung für Perry viel geringer. Sie verstand nicht, warum Bull und Deringhouse die MAGELLAN nicht längst in diese Richtung befohlen hatten.

Sie haben nicht so viel Angst um ihn wie ich!, warf ihm Thora in Gedanken vor. Gleichzeitig war ihr klar, wie unfair sie war. Natürlich, Perry Rhodan war ihr Ehemann, und sie hatte ihm zwei Kinder geboren. Aber Deringhouse kannte ihn genauso lange, Bull sogar weitaus länger als sie. Sie durfte ihren Freunden nicht unterstellen, dass sie irgendetwas unversucht ließen, was Perry helfen könnte.

»Die Verbindung zum Situativ steht«, informierte Deringhouse die Runde.

»Wie geht es dem Patienten Perry Rhodan?«, fragte die Künstliche Intelligenz des mysteriösen Raumboots, das hauptsächlich dafür geschaffen war, seine Passagiere unversehrt durch eigentlich tödliche Transportverfahren zu bringen. Die spezielle Aufgabe schlug sich in der Benennung der technischen Installationen des Gefährts nieder: Die Passagierzelle, die hegte, nährte, schützte und heilte, hieß Uterus. Die Steuerintelligenz wurde als Amme bezeichnet.

»Sein Zustand hat sich verschlechtert«, gab Tifflor Auskunft. »Als Reaktion auf den Transmittertransfer ist er bewusstlos geworden und zeigt keine Reflexe mehr. Zwischenzeitlich ist es zu einem Anfall gekommen. Trotz seines Zellaktivators haben Herzfrequenz und Blutdruck lebensbedrohliche Werte erreicht.«

Thora zuckte zusammen. Dieses nicht ganz unwichtige Detail hatte Tifflor ihr bislang taktvoll verschwiegen.

»Ich erwarte die Medoprotokolle und erstelle einen Behandlungsplan«, äußerte die Amme.

»Könnte dir so passen«, lehnte Bull ab. »Schließlich hast du ihn uns überhaupt erst in diesem Zustand zurückgebracht! Sag uns lieber, wie es weitergehen soll.«

»Der Zeitträger muss unverzüglich ins Halitsystem gebracht werden, um die Große Ruptur endgültig zu versiegeln.«

»Auf keinen Fall«, mischte sich Thora ein. »Als Allererstes wollen wir wissen: Wo und wie wird Perry wieder gesund?«

Die Amme zeigte sich von dem Einwurf wenig beeindruckt. »Die Reise ins Halitsystem ist unaufschiebbar.« Sie projizierte eine holografische Karte des Sternenreichs von Andrumidia und der angrenzenden Regionen – etwas mehr als ein Zehntel der Andromedagalaxis. Zwei Punkte waren hervorgehoben: das Sonnensechseck, das die Menschen auf der MAGELLAN soeben passiert hatten, und ein System ganz am Rand der Darstellung, in einer auffällig sternenarmen Zone.

»Oh nein«, seufzte Deringhouse. »In der Ödnis?«

Thora rief sich ins Gedächtnis, was sie über dieses Gebiet wusste. Nicht viel mehr, als dass dort zum einen die Sterndichte unwahrscheinlich gering war, zum anderen die Barriere ungewöhnlich durchlässig, die das normale Universum von jener fremden Dimension trennte, in der die Völker der Crea und Naiir lebten. Dank dieser viel zu brüchigen hyperenergetischen Membran driftete in der Ödnis hochgefährliches Kreell in großen Mengen durchs All und hatte ganze Planeten unbewohnbar gemacht.

Berühmte medizinische Behandlungszentren waren in dieser Raumregion jedoch unbekannt, zumindest ihr.

»Es handelt sich um das Heimatsystem von ANDROS«, erläuterte die Amme. »Es liegt mitten in der Zone, die einst von einem Suprahet verwüstet wurde.«

Erstmalig meldete sich Tolot zu Wort. »Interessant ist die Frage, ob ANDROS' Heimstatt nur zufällig in dem betroffenen Gebiet liegt oder ob das Geisteswesen eine engere Verbindung zu dem Phänomen hat, das einst in Andromeda und der Milchstraße sein Unwesen getrieben hat.«

»Was geschieht mit Perry, wenn wir ihn in dieses System bringen?«, verlangte Thora zu wissen. »Wird er dort wieder gesund?«

»Darüber weiß ich nichts«, antwortete die Amme. »Sein Gesundheitszustand ist für mich genauso rätselhaft wie für Sie, trotz meiner deutlich weiterreichenden Möglichkeiten. Klar ist nur: Der Zeitträger muss ins Halitsystem.«

»Und was soll Perry da tun, in seinem Zustand?« Thora wurde bewusst, dass sie geradezu fauchte. Aber die Situation war absurd. Ihr Mann lag kommunikationsunfähig und dem Tode nahe auf der Medostation, die Maschinenintelligenz des Situativs jedoch folgte erbarmungslos dem ihr von den Meistern der Insel vorgegebenen Plan. »Wir fliegen nach Multidon!«, verkündete Thora. »Wenn jemand weiß, was mit Perry passiert ist und wie man ihn zurückholt, dann Mirona Thetin. Sie hat ihn schließlich erst auf diese irrsinnige Reise geschickt.«

»Nein«, sagte die Amme schlicht. »Es ist von höchster Wichtigkeit, dass der Zeitträger schnellstens ins Halitsystem reist.«

»Es ist von höchster Wichtigkeit, dass Perry gesund und handlungsfähig wird!«, gab Thora scharf zurück. »Wie soll er sonst irgendwas gegen ANDROS ausrichten?« Sie betrachtete die Karte. »Und für den Weg nach Halit brauchen wir ... fünf Transmittersprünge. Er hat schon den vorigen Durchgang beinahe nicht überlebt!« Beschwörend sah sie in die Runde. »Wir müssen nach Multidon, zu Thetin. Wir müssen herausfinden, was auf seiner Reise mit ihm passiert ist!«

Bull unterbrach die Komverbindung zur Amme. Nachdenklich strich er mit den Fingerspitzen die wenigen grauen Strähnen seines roten Barts entlang. »Thora ...«, begann er zögerlich.

»Wag es nicht, mir zu widersprechen!«, giftete sie ihn an.

Er lächelte müde. »Hast du in den vergangenen zwanzig Jahren ein Mal erlebt, dass ich mir von irgendwem den Mund habe verbieten lassen?« Fast unmerklich wandten sich Köpfe und Blicke Bulls Ehefrau Legacy zu, die neben ihm saß und auffällig unbeteiligt dreinschaute. »Das ist etwas anderes«, reagierte Bull hierauf leicht verärgert. »Was ich meine, ist: Du stellst die falsche Frage. Wir alle haben gehört, was du willst. Wichtiger ist mir, was Perry wollen würde.«

Thora öffnete den Mund und musste feststellen, dass sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. Bull hatte mit seiner Frage ins Schwarze getroffen.

»Perry würde etwas tun wollen!«, brachte sie schließlich heraus.

»Das ist in seinem Zustand aber gerade keine Option«, konstatierte Bull nüchtern. »Wenn ich mal alles, was wir wissen, zusammenfassen darf: Perry muss in ANDROS' Heimatsystem gebracht werden, um den Riss zwischen unserem Universum und dem Creaversum für immer zu verschließen. Misslingt das, droht eine gewaltige Katastrophe, bei der aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Erde vernichtet wird. Und wahrscheinlich Abertausende andere Welten in zwei Galaxien. Was würde Perry vorschlagen, wenn er für sich selbst sprechen könnte?«

Thora schwieg. Sie wusste die Antwort natürlich. Ihr Mann würde sich ohne Zögern nach Halit bringen lassen, ohne Rücksicht auf die Gefahr seines prophezeiten Tods. Sie wusste das, aber sie konnte es nicht aussprechen.

Ein Räuspern wie Donnergrollen erklang. Zum zweiten Mal schaltete sich Icho Tolot ein. »Ich möchte einen Vorschlag machen. In der Tat ist es möglich, dass man Rhodanos auf Multidon helfen kann. Ebenso, dass man dort mehr über seinen Zustand weiß.«

»Dann funken wir Thetin ...«, begann Conrad Deringhouse.

Thora lachte ihn aus. »Sie wird uns nicht helfen und uns bloß ins Halitsystem schicken. Ihr ist es doch egal, ob Perry lebt oder stirbt!«

»Ein realistisches Szenario«, gab ihr Tolot recht. »Daher mein Vorschlag: Ich fliege mit der DOLAN nach Halit voraus und erkunde das System. Ich warte auf die MAGELLAN und übermittle Informationen, die Sie sofort nach Ihrem Eintreffen zu schnellem Handeln befähigen. Dadurch kompensieren wir den Zeitverlust, der durch den Umweg über Multidon entsteht. Sie können versuchen, Rhodanos in Mirona Thetins Basis heilen zu lassen. Wenn es gelingt, sind wir umso besser gerüstet für alles, was uns in ANDROS' Vorzimmer erwartet.«

Thora sah den Haluter wütend an. Sie wollte

2.

Die DOLAN verließ den Hangar der MAGELLAN, in dem sie die lange Reise nach Andromeda zurückgelegt hatte. Icho Tolot war allein an Bord seines Kugelraumers, wenn man die Schiffsintelligenz Taravat nicht berücksichtigte – und die Tatsache, dass die DOLAN selbst ein lebendiges Wesen war.

»Wir fliegen Richtung Ödnis«, teilte er dem Schiff mit. »Berechne die kürzeste Strecke unter Einsatz der Sonnentransmitter.«

Taravat tat wie geheißen. Heraus kam eine Route, die über die Alten Straßen führte – jene Transmitterverbindungen, die einst bei den ersten Experimenten mit dem Verbindungsnetz entstanden waren und die seit Längerem kaum mehr benutzt wurden. Ihre Steuerstationen wurden nicht mehr gewartet, in den Zielsystemen hatte sich allerhand Gesindel niedergelassen, und ob die Verbindungen überhaupt noch funktionierten, wusste man erst, wenn die Gegenstation sich empfangsbereit meldete.

Deshalb konnte der von Taravat vorgeschlagene Streckenverlauf gut und gern in Schwierigkeiten oder in eine Sackgasse führen. Allerdings würde Tolot gegenüber dem sicheren Pfad mehrere Sprünge und somit mindestens zwei Tage Reisezeit sparen.

Schweigend verfolgte Tolot, wie die DOLAN Kurs auf das Sonnensechseck nahm. Auf Aguerron, der Steuerwelt dieses Transmitters, hatte er viel Zeit allein mit Forschungen verbracht, bevor sein Weg sich mit dem der Menschen gekreuzt hatte. Seitdem begleitete er Perry Rhodan auf dessen Reise ins Ungewisse, bei seinem Kampf gegen Mächte, die den Verstand eines Menschen oder auch eines Haluters deutlich überforderten.

Tolot dachte an damals, auf Aguerron. Als er der Allianz entkommen und bevor er wieder in ihren Konflikt hineingezogen worden war. Es war eine glückliche Zeit gewesen. Er hatte sich ganz der Wissenschaft widmen können und ein Projekt verfolgt, das die Grenzen der bekannten Physik enorm erweiterte.

Was war seitdem aus ihm geworden?

Ein Gejagter, dem eine Bestie bei lebendigem Leib eines seiner zwei Herzen aus der Brust gerissen hatte.

Ein Monster, das Kinder von Freunden in Lebensgefahr brachte.

Das Abstrahlfeld des Sonnentransmitters erfasste die DOLAN und versetzte sie über Zehntausende Lichtjahre bis an den Rand von Andromeda, ins Tramonnsystem.