Perry Rhodan Neo Paket 20 - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 20 E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Das Jahr 2058: Gegen ihren Willen wurde die Menschheit in einen Konflikt hineingezogen, der seit langer Zeit zwischen den Sternen tobt. Mit ihren wenigen Raumschiffen hat sie keine Chance gegen die Truppen der geheimnisvollen Allianz. Nur dank ihres Ideenreichtums konnten Perry Rhodan und seine Gefährten bisher der Übermacht standhalten. Die gefährlichsten Soldaten des Gegners sind die sogenannten Bestien: lebendige Kampfmaschinen, die kaum zu besiegen sind. Will Perry Rhodan sie zurückschlagen, muss er in die Galaxis Andromeda reisen – nur dort findet er die nötigen Mittel. Doch die Reise in die ferne Sterneninsel ist von höchstem Risiko ...

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Das Jahr 2058: Gegen ihren Willen wurde die Menschheit in einen Konflikt hineingezogen, der seit langer Zeit zwischen den Sternen tobt. Mit ihren wenigen Raumschiffen hat sie keine Chance gegen die Truppen der geheimnisvollen Allianz. Nur dank ihres Ideenreichtums konnten Perry Rhodan und seine Gefährten bisher der Übermacht standhalten.

Die gefährlichsten Soldaten des Gegners sind die sogenannten Bestien: lebendige Kampfmaschinen, die kaum zu besiegen sind. Will Perry Rhodan sie zurückschlagen, muss er in die Galaxis Andromeda reisen – nur dort findet er die nötigen Mittel. Doch die Reise in die ferne Sterneninsel ist von höchstem Risiko ...

Cover

Vorspann

Band 191 – Pilgerzug der Posbis

Vorspann

Prolog

Teil I – Ankunft: 15. September 2058

1. Edwina Kerpen

2. Nathalies Tagebuch

3. Edwina Kerpen

4. Ras Tschubai

Teil II – Gedenken: 15.–16. September 2058

5. Belle McGraw

6. Perry Rhodan

7. Ras Tschubai

8. Reginald Bull

9. Die Posbis

10. Perry Rhodan

11. Reginald Bull

Teil III – Aufbruch: 16. September 2058

12. Belle McGraw

13. Eric Leyden

14. Perry Rhodan

15. Eric Leyden

Teil IV – Zwischen den Welten

16. Perry Rhodan, Sedna

17. Forschungsschiff AURORA

18. Belle McGraw, Mimas

19. Eric Leyden, Kuipergürtel

20. Perry Rhodan, Sedna

Band 192 – Der letzte Blick auf Sol

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Band 193 – Countdown für die Menschheit

Vorspann

Prolog: Unter zwei Sonnen

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2. Unter zwei Sonnen

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6. Rhodans Weg unter zwei Sonnen

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8. Perry Rhodan

Band 194 – Abgründe der Zeit

Vorspann

1. Weit entfernt: Epsilon Lyrae

2. MAGELLAN – Crosscheck

3. MAGELLAN – Entführung

4. Irgendwo – Wo sind wir?

5. MAGELLAN – Suche

6. DOLAN – Trinarration I: Natalis

7. MAGELLAN – Suchstruktur

8. DOLAN – Trinarration II: Bestiensturm

9. MAGELLAN – Ausschwärmen!

10. DOLAN – Trinarration III: Metamorphose

11. MAGELLAN – Wahre Größe

12. DOLAN – Trinarration IV: Jagdgesellschaft

13. MAGELLAN – Gekonntes Anschleichen

14. DOLAN – Trinarration V: Reifeprozess

15. MAGELLAN – Parlamentär

16. DOLAN – Trinarration VI: Sklavendienste

17. DOLAN – Das Auslösen von Wut

18. DOLAN – Trinarration VII: Brennpunkte und ihre Wirkung

19. DOLAN – Bombenstimmung

20. DOLAN – Trinarration VIII: In der Zuflucht

21. DOLAN – Aufprall

22. Weit entfernt: Passiv/Aktiv

Band 195 – Tuire

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Band 196 – Entscheidung auf Kahalo

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Band 197 – Der Dimensionsblock

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Prolog: Thora Rhodan da Zoltral

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3. Tagrep Kerrek: Introspektion

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5. Tagrep Kerrek: Eindringlinge

6. Brent Dargas: Treffpunkt

7. Tagrep Kerrek: Begegnung

8. Alexander Kapescu: Wildwuchs

9. Alexander Kapescu: Sie haben Hunger!

10. Tagrep Kerrek: Freund oder Feind

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12. Brent Dargas: Das Monster der Finsternis

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14. Brent Dargas: Die Schwarze Ode des Abschieds

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16. Tagrep Kerrek: Willst du denn ewig leben?

17. Brent Dargas: Nachhall

Epilog: Thoras Stundenbuch: 3. Oktober 2058

Band 198 – Duell der Bestien

Vorspann

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Band 199 – Am Ende aller Tage

Vorspann

Prolog: When Worlds Collide

1. Aufruhr im Halitsystem

2. Geisterstunde

3. Haluter in Not

4. Wendekreis der Hölle

5. Unter Freunden

6. Schwund

7. Der Weg ist das Ziel

8. Symptome I

9. Symptome II

10. Im Synchrofark

11. Die Sickergrube

12. ANDROS gegen ES

13. Im Reich des Molochs

14. Symptome III

15. Zwischenspiel

16. Überlebenskampf

17. Ein letzter Blick auf die Heimat

18. Zusammenprall

19. Am Ende aller Tage

20. Der letzte Flug der GARTAVOUR

21. Krankenbesuch

22. Abschied und Aufbruch

Epilog

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Band 191

Pilgerzug der Posbis

Oliver Plaschka

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Damit öffnet er den Weg zu den Sternen – ein Abenteuer, das der Menschheit kosmische Wunder offenbart, sie aber auch häufig in höchste Gefahr bringt.

2058 sind die Menschen nach schwerer Zeit mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat beschäftigt und finden immer mehr zu einer Gemeinschaft zusammen. Nur vereint können sie den Bedrohungen aus den Tiefen des Alls trotzen.

Nachdem Rhodan einen Angriff der sogenannten Bestien abgewehrt hat, haben diese sich in die Außenbereiche des Solsystems zurückgezogen. Aber noch haben die Gegner und vor allem ihr Befehlshaber ANDROS ihre unheilvollen Pläne nicht aufgegeben.

Fieberhaft suchen Perry Rhodan und seine Gefährten nach Wegen, die Bestien endgültig zurückschlagen zu können. In dieser angespannten Lage tauchen fremde Raumschiffe beim Pluto auf – die Menschen treffen offenbar auf den mysteriösen PILGERZUG DER POSBIS ...

Prolog

Unrein, sagte die Stimme zu Molinari. Sie klang ein bisschen wie die Stimme seiner Großmutter, wenn diese in seiner Kindheit Anstoß an seinem Zimmer oder der Haushaltsführung seiner Mutter genommen hatte. Er wusste kaum, wer er eigentlich war in jenen Minuten, aber dieser eine Gedanke stand überdeutlich in seinem umnachteten Geist: Schmutz. Unrein. Überall Schmutz.

Ja, dachte Molinari beim Anblick der öligen Wände und versuchte, seinen Kopf zu klären, das war absolut richtig. Die TORTUGA war ein schmutziges Schiff. So voll. Eng. Wahrscheinlich war sie immer schon schmutzig gewesen ... Er massierte seine Schläfen, wollte sich auf die Mission konzentrieren.

Natürlich war die TORTUGA keine blitzende Jacht – Raumfahrzeuge in Privatbesitz waren nach wie vor die Ausnahme im Sonnensystem, denn Raumschiffe waren teuer, selbst die schmutzigen. Aber Dimitri Roganoff hatte seine Kanäle zur General Cosmic Company, und die GCC hatte Kanäle bis nach KE-MATLON, und ein altes Beiboot der Mehandor kostete auf diesen Kanälen nur etwa so viel wie ein Flugzeugträger und war damit für jemanden wie Roganoff leicht erschwinglich.

Schmutz, sagte die Stimme, drückte abermals wie eine schwarze, kalte Granitplatte auf seinen Kopf und trieb ihn voran. Unrein.

Sie hatte wirklich recht, dachte Molinari dumpf, während er auf wackligen Beinen den fleckigen Flur zu den Rettungskapseln betrat. Dort war der Druck ein wenig besser zu ertragen. Dimitri Roganoff war Abschaum – ultrareich, trotzdem Abschaum. Vor gut zwanzig Jahren hatte sich der Menschheit die Weite des Alls aufgetan. Für Männer wie Roganoff war es die Weite der interstellaren Märkte gewesen. Früher hatte es noch Grenzen gegeben, wie reich ein einzelner Mann werden konnte. Seit es möglich war, per Hyperfunk an den Börsen von Archetz und anderen Welten mitzuverdienen, gab es diese Grenzen nicht mehr. Die Gesetzgeber konnten gar nicht so schnell neue Regeln erlassen, wie Männer wie Roganoff Wege fanden, sich zu bereichern.

Du bist Dreck, sagte die Stimme. Ihr alle seid Dreck.

Stimmt, dachte Molinari, als er die erste Rettungskapsel erreichte. Er arbeitete für Roganoff, so wie jeder an Bord, also war er nicht besser als sein Arbeitgeber. Nur ärmer. Früher waren bloß seine Hände dreckig gewesen; da hatte er noch ehrliche Arbeit verrichtet. Mittlerweile wusste er kaum noch, wo der Dreck überall klebte. Er fühlte sich schlecht. Richtiggehend übel war ihm. Vielleicht würde es besser werden, wenn er den Dreck loswurde.

Weg mit dem Schmutz!, sagte die Stimme. Spül ihn fort!

Molinari aktivierte die Startsequenz der leeren Kapsel. Ein rotes Licht erstrahlte, und mit einem heftigen Ruck löste sich die Kapsel aus ihrer Verankerung. Dann zündete ihr Antrieb und schoss sie ins All hinaus.

Schon besser. Molinari konnte die Erleichterung fast spüren. Als hätte man die erste Last von einem alten, gebeugten Tier geschnitten. Jetzt die andere!

Saurer Geschmack stieg in seiner Kehle auf. Er ging rasch weiter zur zweiten Kapsel und wiederholte den Vorgang.

Ein Alarm gellte los. Molinari presste die Hände an die Ohren.

Der Schmutz!

Jemand oder etwas hatte ihn entdeckt. Jemand oder etwas wollte nicht hinweggespült werden ...

Der Alarm fräste sich in sein Gehirn und ließ sein Herz rasen. Einen Augenblick lang unterdrückte das Adrenalin sogar die Stimme, und Molinari wusste wieder, wer er war.

Paolo Molinari, Bordingenieur der TORTUGA auf einer mit privaten Mitteln finanzierten Expedition in den Kuipergürtel. Auf dem Zwergplaneten Sedna hatten sich geheimnisvolle Aliens versteckt, und eine oder mehrere Space-Disks mitsamt ihrer Ausrüstung waren dort abgestürzt. Natürlich alles Eigentum der Terranischen Flotte, aber eine reiche Beute ...

»Zentrale an Molinari«, hörte er die Stimme des Kapitäns über Funk. »Was treiben Sie dort unten? Die Positronik zeigt an, dass Sie die Rettungskapseln ...«

Der Dreck klammert sich an seine Existenz.

Der Moment der Klarheit war vorüber. Der saure Geschmack in Molinaris Kehle kehrte zurück. Übelkeit übermannte ihn, und gestützt an die Wand, beugte er sich vor und übergab sich.

Wieso mussten Raumschiffe und Menschen nur so schmutzig sein ...? Der Gedanke daran, wie sie mit irrwitzigen Geschwindigkeiten dahinrasten und ihren Schmutz überall verbreiteten, machte ihn krank ...

Zeit, sich um den Antrieb zu kümmern.

Er taumelte weiter.

Die Antriebssektion befand sich im Heck des kleinen Walzenschiffs. Er zwängte sich durch die engen Gänge, in denen entgegen jeder Vorschrift Werkzeug und Essensverpackungen auf dem Boden lagen, und ignorierte den Alarm und die zunehmend aufgebrachteren Rufe über Kom.

Es ist zu heiß. Zu schmutzig. Zu laut. Zu schnell.

Molinari öffnete das rostfleckige Schott und betrat das von flackernden Holos erhellte Halbdunkel der Antriebssektion. Sedna war Sperrgebiet. Um die Systemverteidigung nicht zu alarmieren, flog die TORTUGA derzeit nur mit Unterlichtgeschwindigkeit. Also reichte es, den Impulsantrieb zu desaktivieren. Als Bordingenieur hatte Molinari die nötige Autorisierung. Er brauchte nur manuell die Verbindung zur Zentrale zu kappen und den Antrieb in den Wartungsmodus zu versetzen.

Leg ihn still. Bring ihn zur Ruhe.

Er gab seinen Kode ein. Die Anzeigen des Kontrollpults wechselten zu einem dunklen Blau. Erst als das allgegenwärtige Dröhnen erstarb, das er schon kaum noch gehört hatte, bemerkte er, was für eine Pein es gewesen war, wie herrlich diese neue Stille war. Das Raumboot trieb nun antriebslos im All. Der Druck um seinen Kopf ließ abermals ein wenig nach – oder vielleicht spürte er ihn nur nicht mehr, war taub geworden unter dem drückenden Schmerz.

»Molinari! Was auch immer Sie da tun, ich befehle Ihnen ...«

Wie lange schrie der Kapitän schon auf ihn ein? Molinari riss sich den Stecker aus dem Ohr, wünschte, er könnte die komplette Funkanlage außer Betrieb nehmen.

Es ist immer noch zu schmutzig. Zu heiß.

Die Stimme klang nun nicht mehr wie seine Großmutter. Sie klang gieriger. Sie wusste genau, was sie wollte. Sie wollte absolute Ruhe, Ordnung, Kontrolle. Kalte Schönheit – Perfektion.

Er musste weiter. Musste die Ruhe, die Kälte, die Sauberkeit über das gesamte Schiff bringen. Wer sonst sollte es tun? Er war der Säuberer. Er war der Auserwählte.

Gerade wollte er die Antriebssektion verlassen, als das Schott ihm entgegenschlug und ein anderes Besatzungsmitglied sich ihm entgegenstellte. Es war Johansen. Groß, nach Schweiß stinkend, der dunkle Vollbart voller Dreck. Molinari hatte Johansen nie gemocht. Und nun hatte Johansen ihn verraten, sich auf die Seite des Schmutzes gestellt.

Molinari packte Johansen und schleuderte ihn gegen die Wand. Der größere Mann war sichtlich überrascht von der Schnelligkeit und Wucht des Angriffs. Ehe er wieder zu Sinnen kommen konnte, hatte Molinari sich einen schweren, keulenförmigen Feldleitungskalibrierer gegriffen und hieb ihn Johansen mit aller Gewalt auf den Kopf.

Gut. Das ist gut. Beende es! Räume auf!

Molinari aber schrie aus Leibeskräften – denn je länger er auf den reglosen Körper einprügelte, desto heißer wurde ihm, und desto mehr schmutziges Blut spritzte über die Wände, über das Schott, seine Hände, seine Brust, sein Gesicht. Der Schmutz war überall.

Es ist nötig. Nur so kannst du es beenden.

Molinari wünschte sich nichts sehnlicher, als dass es endete. Also schrie er weiter und schlug und schrie und schlug.

Als er wieder zu sich kam, stand er in einem Flur wie dem der Rettungskapseln, bloß auf der falschen Seite des Raumboots. Hinter ihm lagen die Mannschaftsquartiere. Er konnte sich nicht erinnern, jenseits der Mannschaftsquartiere je einen solchen Flur gesehen zu haben. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob die TORTUGA über zwei oder vier Fluchtvehikel verfügte. In jedem Fall waren beide Kapseln ausgeworfen – also taumelte er weiter.

Wie viel Zeit war vergangen? Was war geschehen? Undeutlich war er sich eines fernen Alarms und flackernder Lichter bewusst. Irgendwo fiel ein Schuss, doch der Sturm seiner gequälten Sinne wurde immer wilder, wie sollte er da sagen, was wirklich war und was nur Illusion? Selbst der Boden kippte unter seinen Füßen, als wäre er auf krummen Gelenken gelagert.

Er erreichte das Schott, hinter dem sich die Lebenserhaltungssysteme verbargen.

Es ist zu heiß.

Tatsächlich war er schweißgebadet. Sein ganzer Körper klebte vor Nässe. Der Ekel, den er vor sich selbst empfand, war unerträglich.

Wenn er die Lebenserhaltung desaktivieren könnte, wäre es besser. Dann wäre es kälter. Dann wäre es vorbei ...

Hinter dem Schott nahm er ein Wimmern wahr.

Molinari zischte. Er hätte den Feldleitungskalibrierer mitnehmen sollen. Doch er konnte nicht mehr umkehren. Er musste es beenden.

Er öffnete das Schott. Ein beißender Gestank stach ihm in die Nase. Etwas brannte und nur die Notbeleuchtung der Sektion funktionierte noch, er konnte in dem rauchverhangenen Zwielicht nichts erkennen.

Bring es zu Ende ...

Dann erspähte er sie: Decauville, die Kopilotin, die auf einem der wackligen Regulatorentürme saß wie ein Cowboy beim Rodeo auf einem Stier. Sie hatte sich die Haare bis auf ein einziges, unförmiges Büschel rasiert, und sie war blass und hatte blutunterlaufene Augen, sodass sie aussah wie eine Strahlenkranke. Mit der Rechten reckte sie einen Thermoschweißer wie eine Siegestrophäe empor.

Als sie ihn erblickte, stieß sie einen wilden, trällernden Schrei aus und sprang von dem Regulator. Molinari verstand erst gar nicht, was er sah. Er hatte mit Widerstand gerechnet, aber nicht ...

Meine Kinder. Reinigt das Schiff! Lasst die Kälte ein! Öffnet der Stille das Tor! Ergebt euch der reinen Perfektion!

»Hörst du sie auch?«, schrie Decauville mit sich überschlagender Stimme. Ihre geröteten Augen waren riesengroß vor Erregung. »Ich erfülle ihr Werk! Hörst du sie? Hörst du sie?«

Auf einmal fühlte Molinari sich schlaff und antriebslos, als hätte die aufgedrehte Pilotin alle Energie von ihm abgezogen. Er war nicht der Einzige. War nicht der Auserwählte. Sie hörte die Stimme ebenfalls – und sie hatte ganze Arbeit geleistet.

Er schaute sich um. Die Lebenserhaltungssysteme standen in Flammen. Schon fielen die ersten Regulatoren aus. Funken sprühten von einer Konsole wie Frühjahrsregen.

Das Werk war getan. Er wurde nicht mehr gebraucht.

Ergebt euch mir.

»Hörst du sie?«, schrie die Wahnsinnige ein letztes Mal.

Als Molinari keine Antwort gab, stieß sie ihm den Thermoschweißer in die Brust und betätigte den Zünder.

Unfassbarer Schmerz entflammte in seinem Leib. Halb bewusstlos taumelte er zurück, nur fort, zurück in den Flur. Er hörte noch Decauvilles schnelle Schritte, die sich entfernten, dann fiel auf einmal die künstliche Schwerkraft aus, und er begann zu schweben.

Mit zittrigen Fingern packte er einen Vorsprung und hielt sich fest; es war der Rahmen eines Glassit-Bullauges.

Ein letztes Seufzen fuhr durch den Gang. Die leise Symphonie der Pumpen, deren Zischen und Rauschen sonst die Räume erfüllte, erstarb. Schon schien es ihm, als wäre auch die Temperatur gefallen. Allein die fahle Notbeleuchtung verweigerte sich noch dem Unvermeidlichen.

Ein Knarren durchdrang das Raumfahrzeug, wie das Ächzen eines sehr alten Baumstamms im Sturm.

Molinari schloss die Augen.

Das ist das Ende. Die Reinheit. Die Perfektion.

Aus der Weite glaubte er, einen klaren Klang zu vernehmen, wie schwingender Kristall.

Er kam noch einmal zu sich, ehe es vorbei war. Seine Finger, mit denen er sich nach wie vor am Fenster festhielt, waren schon blau und ohne Gefühl. Die Schmerzen im Rest seines schwebenden Körpers waren gnadenvoll fern.

Er wandte den Kopf.

Teil I

Ankunft: 15. September 2058

1.

Edwina Kerpen

Die Space-Disk verließ den Planetenschatten und gewann an Höhe, bis Pluto und sein Primärmond unter ihr im Sonnenschein glänzten: pastell- und erdfarbene Flächen aus Stickstoff-, Methan- und Wassereis, gespickt mit vereinzelten Kryogeysiren und alten Eisvulkanen.

Vieles an diesem Bild stimmte nicht: Pluto war kein richtiger Planet, Charon nach Meinung mancher Astronomen kein richtiger Mond, und die nötige Schwerkraft und Lichtverstärkung, um auf beide hinabzublicken und dabei sogar Farbunterschiede wahrzunehmen, wurden von der Space-Disk gestellt.

Edwina Kerpen war das egal, denn sie hatte ihren ersten freien Tag seit einem ganzen Monat. PUMA war für umfangreiche Wartungs- und Optimierungsarbeiten in den Testmodus versetzt, niemand außer den Positronikspezialisten hatte etwas zu tun. Und wie immer, wenn Kerpen dienstfrei hatte, arbeitete sie.

Ihre Arbeit – ihr Leben! – war die Pluto-Multiortungsanlage PUMA, Akronym für Pluto Ultrasensoric Multilocating Array, deren Wissenschaftliche Leiterin sie seit über sieben Jahren war. PUMA war eine der effektivsten Ortungsanlagen des Solsystems. Das Großinstrument hatte nicht lange nach Indienststellung die ersten Gravitationswellen der anrückenden Sitarakh angemessen. Selbst während der Evakuierung der Erde hatten die Menschen an diesem Ort weitergeforscht, und inzwischen war die Installation noch wesentlich effektiver. Ihr Herzstück waren die beiden positronisch erweiterten LIGOS: Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorien.

In ihnen wurden Laserstrahlen von hoher Leistung zunächst geteilt und am Ende wieder zusammengeführt – und zwar so, dass beide Teilstrahlen einander im Normalfall genau auslöschten. Wurden die Strahlstrecken jedoch von einer Gravitationswelle durchlaufen, verursachte dies eine Verzerrung der Raum-Zeit und somit eine Phasenverschiebung der Laser-Teilstrahlen samt messbarer Interferenzwirkung. Es war ein einfacher Aufbau, den Physiker im Prinzip bereits im neunzehnten Jahrhundert benutzt hatten, um die blühenden Phantasien von einem Äther, der das Weltall durchflutete, durch wissenschaftlichen Gegenbeweis zu begraben. Natürlich waren die Interferometer seither mehrere Größenordnungen empfindlicher geworden.

Früher hatte man die benötigte Lauflänge des Laserlichts vor allem durch ein vielfaches Hin- und Herspiegeln erreicht. Nun verbanden die Interferometer mehrere Welten: Weil Charon und Pluto mit ihrer doppelt gebundenen Rotation einander immer dieselben Seiten zuwandten, sandten die auf ihren Oberflächen installierten PUMA-Anlagen ihre Laserstrahlen von vornherein fast achtzehntausend Kilometer weit, ehe sie auf einen Spiegel trafen.

Kerpen goss sich einen heißen Früchtetee ein und presste einen ordentlichen Schuss Honig aus der Tube dazu. Dann wählte sie eine Titelliste aus ihrem persönlichen Verzeichnis aus und ließ sich zu den ersten Gitarrenklängen eines alten Johnny-Cash-Songs zurücksinken.

Sie genoss diese privaten Ausflüge mit der Disk. Offiziell dienten sie dazu, das Observatorium zu inspizieren und bei den Außenposten auf den Kleinmonden Versorgungsgüter abzuwerfen. Inoffiziell liebte Kerpen einfach die Stille, die Einsamkeit am Rand des Systems, wo die heimatliche Sonne nur ein heller Stern unter vielen war. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Kalten Welten, wie die verschwundenen Issgeran sie genannt hatten, den Menschen unerreichbar fern gewesen. Mittlerweile konnte Kerpen die Wunder des äußeren Solsystems aus der behaglichen Wärme unter ihrer Panzerplastkuppel bestaunen.

Dennoch bekam sie regelmäßig eine Gänsehaut, wenn einer dieser allesamt nach Gefilden und Wesen der Unterwelt benannten Himmelskörper unter ihr hinwegrollte. Dank arkonidischer Technik und den uralten Hinterlassenschaften ihrer Vorfahren flog die Menschheit sogar schon bis in weit entfernte Sterneninseln ... Für Edwina Kerpen indes gab es keinen phantastischeren Ort im Universum als den Kuipergürtel, beim fremdartig schönen Pluto-Charon-Doppelsystem, um die Weite und Wunder des Weltraums zu spüren.

Sie wusste, dass sie unter ihren Kollegen einen Ruf als zwar kompetente, aber humorlose Hyperphysikerin besaß. Das störte sie nicht – es konnte nicht jeder so ein schräger Vogel wie Eric Leyden sein. Oder Ephraim Oxley! Tatsächlich wirkten die meisten fähigen Köpfe, mit denen sie in den vergangenen Jahren zu tun gehabt hatte, grundlos exzentrisch auf sie. Vielleicht fehlte ihnen einfach ein Ausgleich?

Sie wärmte ihre Hände am Tee, schloss die Augen und hörte eine Weile Johnny Cash.

Die Positronik weckte sie aus ihren Tagträumen. »Anflug auf Styx«, meldete sie.

Styx war der innerste und kleinste der vier Monde, die das Doppelgebilde Pluto-Charon umkreisten. Styx, Nix, Kerberos und Hydra unterstützten die LIGOS: Die sogenannten Ligaturen waren Messanlagen, die auf arkonidischer und thetisischer Technik basierten und die Leistungsfähigkeit der Multiortungsanlage weiter erhöhten. Zwar waren die kleinen Monde alles andere als Einseitendreher – insbesondere Hydra, der äußerste, torkelte seine Umlaufbahn entlang, als hätte seine vielköpfige Namenspatronin einen über den Durst getrunken, sodass nun jeder Kopf in eine andere Richtung strebte. Doch für die Berechnung der hyperphysikalischen Ableitungen von Gravitationswellen spielte das keine Rolle.

»PERSEPHONE an Styxstation!«, rief Kerpen den Außenposten, drehte vorsorglich die Musik leiser und stellte den Tee aus dem Erfassungsbereich der Kamera. Dann strich sie sich ihre lange Mähne hinter die Ohren zurück und fixierte misstrauisch die Kamera. »Doolittle, sind Sie wach?«

Ein Lämpchen ging an, und das teiltransparente Hologramm eines bärtigen Männergesichts entstand über dem Projektor der Funkeinheit. Die aufgedunsenen Wangen kündeten von einem längeren Aufenthalt in Schwerelosigkeit.

»Wenn das nicht die gute Fee ist«, nuschelte er mit vollem Mund und leckte einen Löffel ab. »Werde ich etwa erlöst?«

»Ihr Dienst geht noch zweiundsiebzig Stunden«, erinnerte sie ihn kühl, denn sie glaubte nicht an Scherze unter Mitarbeitern.

Vielleicht hatte es im Studium angefangen, vielleicht bei ihrem kurzen Gastspiel bei der ESA – aber es war ihre bewährte Strategie, alles Private am Arbeitsplatz zu vermeiden. Einige ihrer Kolleginnen hatten versucht, sich die Sympathie insbesondere der männlichen Kollegen durch eine Vielzahl vertrackter Strategien zu sichern. Einigen hatte man vielleicht auch nicht die Wahl gelassen. Kerpen hatte immer nur ihre Arbeit gemacht – und manchmal war sie selbst überrascht, wohin sie das geführt hatte.

Im Gegensatz zu Leuten wie Doolittle sah sie es durchaus als Auszeichnung an, den erdfernsten Arbeitsplatz zu haben, den es gab. Zwar flog sie nicht wie gewisse andere Physiker mit riesigen Raumschiffen durch die Galaxis – dafür hatte sie feste Schlafenszeiten, geriet deutlich seltener in Raumschlachten und genoss die Aussicht, mit ihrer Rente noch etwas anfangen zu können.

Doolittle tat sich eindeutig schwerer damit, die Sonnenseiten seines Jobs wahrzunehmen. Die Ligaturstationen waren erst seit Kurzem bemannt und würden es auf Dauer auch nicht bleiben – gerade Styx war ein Brocken von nur wenigen Kilometern Durchmesser, auf dem Doolittle wie auf einer einsamen Insel festsaß. Aber an Tagen wie diesen, wenn das ganze Observatorium neu kalibriert wurde, war selbst ein Mann wie er besser als ein Roboter.

»Zweiundsiebzig Stunden«, murmelte er schwer und tauchte seinen Löffel in eine Bohnendose. Eine Bohne wollte sich davonmachen, kam aber nicht weit. Nur ein kleines Stückchen fand Zuflucht in seinem Bart. »Na dann habe ich ja noch ausreichend Zeit für eine Dusche.«

Kerpen ging nicht darauf ein, aber innerlich verzog sie das Gesicht. Schwerelosigkeit führte ohnehin bei vielen Menschen zu Blähungen. Eine Hülsenfruchtdiät war da nicht sonderlich hilfreich – selbst wenn der Geruchssinn bei Nullgravitation ebenfalls nachließ.

»Wie kommen Sie mit den Arbeiten voran?«, erkundigte sie sich.

»Was soll das werden, Kerpen? Small Talk? Haben Sie nicht eigentlich gerade frei?«

»Wollen Sie Ihren Proviant oder nicht?«

Doolittle grinste. »War das nun eine Erpressung oder etwa ein Scherz?«

»Es war der Versuch, meinem Besuch bei Ihnen den Anschein von Nützlichkeit zu verleihen.«

Die Bemerkung war weniger unfreundlich gemeint, als sie klang. Jedes Jahr beantragten sie Gelder für einen automatischen Fährdienst zwischen den kleineren Monden und ein angepasstes Liftsystem für Pluto und Charon – doch vergebens. Also flogen ihre Mitarbeiter stattdessen weiterhin persönlich von Station zu Station. Dass zumindest ihr das sogar Spaß machte, brauchte Doolittle ja nicht zu wissen.

Sein Grinsen verbreiterte sich. Einen irritierenden Moment lang fragte sie sich, ob er die Einsamkeit trotz seiner müden Sprüche und schlechten Manieren insgeheim nicht ebenso genoss wie sie.

»Kein Grund für irgendeinen Anschein«, erwiderte er. »Keine Arbeit ist nützlicher als unsere! Wenn Sie sehen könnten, was für Fortschritte ich bei den Grundlagen des schwerelosen Dosenturmbaus gemacht habe ... Ach, was rede ich, überzeugen Sie sich selbst!«

Er griff mit beiden Händen nach der Holokamera und zerrte daran herum, bis Kerpen im Hintergrund die Hinterlassenschaften seiner letzten zehn oder zwölf Mahlzeiten zu sehen glaubte.

Es reichte. »Doolittle!«, ermahnte sie ihn streng. »Die Rekalibrierung der Ligatur?«

»Gut, gut.« Ihre befehlsgewohnte, tiefe Stimme verfehlte nicht ihre Wirkung. Doolittle wischte sich den Bart und mühte sich um einen sachlichen Bericht. »Alle Tests sind abgeschlossen, und die Alphareihe funktioniert reibungslos. Stabile Ergebnisse im Bereich von 22,7 Terahertz. Die neuen Tasterblöcke haben sich auch gut integriert, wobei die arkonidische Positronikschnittstelle leider darauf besteht, alles in Millitontas statt in Sekunden zu takten. Auf den Betabändern müsste man die Störsignale noch etwas runterregulieren ...«

»Müsste man?«, hakte Kerpen nach.

»Werde ich. Morgen«, präzisierte Doolittle. »Wir sind aber auch so schon bei 117 Prozent vom Sollwert. Solange wir die nächsten Stunden nicht gerade von einem Asteroiden getroffen werden, läuft die Ligatur stabil.«

»Das klingt doch gut. Gibt es Neuigkeiten von unseren vierarmigen Freunden?«

Doolittles Grinsen gefror. »Nicht seit dem Besuch bei Sedna vor zwei Wochen.«

»Gut«, sagte Kerpen abermals, obgleich das Wort einen schalen Geschmack in ihrem Mund hinterließ. Denn nichts an dem Umstand, dass sich nach wie vor Bestien am Rand des Sonnensystems versteckt hielten, war gut – ganz gleich, wie man es drehte und wendete.

Seit Perry Rhodan die Monstren vor einem halben Jahr mit einem Panikschub vertrieben hatte, versteckten sie sich in der Oortschen Wolke. Noch gab es keine Anzeichen, dass sie einen neuerlichen Vorstoß wagten, aber allein die gelegentlichen Sichtungen, die Kerpen und ihr Team zur Erde übermittelten, sorgten für eine gespannte Grundnervosität bei der Raumflotte. Dann hatte man vorletzte Woche eins der Kugelschiffe des Gegners über dem Zwergplaneten Sedna angemessen – nur einen Katzensprung vom Pluto entfernt.

Dies bewies, dass die Bestien nicht bloß weiterhin in der Gegend waren, sie wagten sich langsam, aber sicher auch wieder näher ins System herein und interessierten sich ausgerechnet für jenen Himmelskörper, bei dem sich Anfang des Jahres 2058 ein Transfernexus gebildet hatte – eine Schwachstelle im Raum-Zeit-Gefüge, wo die Barriere, welche diese und die fremde Dimension der Crea voneinander trennte, besonders dünn geworden war und zu reißen drohte. Die Pluto-Multiortungsanlage wurde wieder einmal ein wichtiger Baustein der Systemverteidigung. Eine frühzeitige Entdeckung von Bestienaktivitäten mochte im Zweifel über Tod und Leben entscheiden.

Deshalb war eine außerplanmäßige Rekalibrierung nötig geworden – die Spezifikationen zur gewünschten Effizienzsteigerung stammten direkt aus Terrania. Die kurze Ausfallzeit behagte Kerpen zwar nicht, es ließ sich aber nicht ändern. Nach dem Neustart würde ihnen nicht mal mehr das Husten eines Bestienflohs entgehen.

»Gut«, sagte sie ein drittes Mal. »Ich werfe Ihnen jetzt Ihr Paket ab.«

»Besten Dank«, antwortete Doolittle. »Und Grüße an die Kollegen auf Nix. Wer hat da gerade Dienst? Wissen Sie, Kerpen – wenn man so allein hier draußen sitzt, nur mit ein paar Dosen Bohnen zur Gesellschaft, vergisst man manchmal fast, dass ...«

»Bis bald, Doolittle.« Sie kappte die Verbindung und Doolittles holografischer Kopf platzte wie eine Seifenblase. Kopfschüttelnd klinkte sie das kleine Paket aus, das von einem Minicomputer und ein paar Steuerdüsen sicher ins Ziel gebracht werden würde, und setzte Kurs auf Nix.

Ihre Gedanken, während sie abwesend nach ihrem Tee griff und die Musik wieder lauter drehte, galten der unfasslichen Weite vor ihrer Panzerplastkuppel.

Was ging dort draußen vor?

Sedna umkreiste die Sonne auf einer extrem elliptischen Umlaufbahn. Seinen sonnennächsten Punkt würde der Zwergplanet in knapp zwanzig Jahren erreichen: gut achtzig Astronomische Einheiten – zwölf Milliarden Kilometer – waren immer noch etwa doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Pluto. Zum sonnenfernsten Punkt trug es Sedna fast tausend AE aus dem Sonnensystem heraus. Verglichen mit der Distanz bis zur hunderttausend AE entfernten Oortschen Wolke – fast der halbe Weg bis nach Alpha Centauri! – lag das trotzdem noch praktisch auf ihrer Türschwelle.

Nein, beschloss Edwina Kerpen abermals, nichts an der Gegenwart der Bestien da draußen war gut. Und das trübte ihr die Stimmung an diesem sonst so herrlichen Tag im Schatten von Pluto; schlimmer noch, es trübte ihr die Freude an ihrer Arbeit, die eigentlich einmal in der ungestörten Erforschung von Gravitationswellen und der Natur der Raum-Zeit und des Universums bestanden hatte.

Sie beschleunigte die Space-Disk im Takte der Musik und sandte den Bestien im Geiste ein paar Verwünschungen zu, bei denen selbst Johnny Cash hellhörig geworden wäre.

Dann schwenkte sie in einen engen Orbit um den grob fünfzig Kilometer großen Nix ein und funkte ihre Grußbotschaft zur Station.

2.

Nathalies Tagebuch

9. September 2058

Liebe Ansa,

mein Name ist Nathalie Rhodan da Zoltral, und ich bin acht Jahre alt. Neun in vierundachtzig Tagen. Aber das weißt du ja, denn ich habe dich ausgedacht. János schlug das vor – János ist mein Trainer. Er will, dass ich diese Briefe schreibe, weil ich gesagt habe, dass ich kein Tagebuch führe, weil ich das doof finde. Ich brauche kein Tagebuch, denn ich weiß ja, was passiert ist, und muss es nicht aufschreiben. Also hat er gesagt, ich soll es jemand anderem aufschreiben. Ich habe gefragt, wem, und er hat gesagt, denk dir was aus. Also hab ich dich ausgedacht.

Natürlich weißt du das auch schon alles, und ich muss es eigentlich nicht für dich aufschreiben. Ich könnte versuchen, dich so auszudenken, dass du nicht alles weißt, was ich weiß, aber das wäre auch wieder doof, denn dann wärst du ja dümmer als ich. Und dumme Menschen gibt es genug. Aber ich kann dich so ausdenken, dass du gern liest, was passiert ist. Vielleicht magst du das ja einfach, und dann bist du nicht dümmer als ich, sondern nur anders, und das ist okay. Hey, es wirkt! Jetzt habe ich schon das Gefühl, dass dich interessiert, was ich schreibe, also mache ich weiter.

Mein Name ist also Nathalie Rhodan da Zoltral, und das ist so, weil der Name von meinem Papa Rhodan ist und der von meiner Mama da Zoltral. Mein Papa ist ein Mensch, und den kennt nun wirklich jeder, aber meine Mama ist Arkonidin, und das kennen immer noch nicht alle Menschen. Wegen meiner Mama habe ich auch weißes Haar, nur seitlich an der Stirn ist es dunkler, wegen meinem Papa. Und meine Augen sind grau wie die von meinem Papa, nur manchmal auch ein bisschen rot, und das liegt dann an meiner Mama.

Viele Menschen finden das kompliziert. Manchen macht es Angst, weil sie es nicht verstehen. Ras sagt, mit solchen Menschen muss man vorsichtig sein, und denen erzählt man besser nicht alles so wie ich jetzt dir. Ras ist übrigens der Leiter von Lakeside, wo ich gerade bin. Von Lakeside hast du vielleicht schon gehört.

Das Lakeside Institute sucht nach Menschen, die anders sind als andere Menschen. Menschen, die bestimmte Dinge können, die andere nicht können. Gedankenlesen zum Beispiel. Oder Sachen fliegen lassen. Oder sich so lange konzentrieren, bis alle grünen Gläser auf einem Regal platzen, die blauen aber nicht. Es gibt echt merkwürdige Mutantenfähigkeiten. Mutanten, so nennt man die Menschen, die anders sind und bestimmte Dinge können.

Ras will rausfinden, ob ich eine Mutantin bin. Er sagt, er glaubt nicht, dass ich eine Mutantin bin, aber manche Mutanten erkennt man schwer. Deshalb bringen Mama und Papa mich häufig nach Lakeside, damit ich Tests mache und Spiele spiele und andere Mutanten kennenlerne. Ich glaube, Papa glaubt, dass ich eine Mutantin bin. Mama ist sich nicht sicher.

Ich fände es schön, eine Mutantin zu sein, aber ich glaube nicht, dass ich eine bin. Manchmal mache ich Dinge, die andere Menschen nicht machen und nicht verstehen, aber deshalb muss ich ja keine Mutantin sein. Ich kann einfach mehr!

János sagt, ich bin weit für mein Alter. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Andere Kinder können nicht so viele Sprachen wie ich und kein Arkonidisch, aber die haben halt keine Arkonidin als Mama. Außerdem gibt es auch viele Erwachsene, die nicht so viele Sprachen sprechen wie ich, also hat das mit Kindern gar nichts zu tun.

Julian und Sud sagen, mein Gehirn ist etwas Besonderes. Das finde ich okay, denn ich bin ja etwas Besonderes, und jeder Mensch sollte etwas Besonderes sein und ein besonderes Gehirn haben. Manchmal scannen sie mein Gehirn und schauen es sich an. Es macht Spaß, denn Julian und Sud tun nicht so, als ob ich ein kleines Kind sei, das noch nichts versteht, sondern erklären mir immer alles ganz genau. Das mit den Windungen und Rinden im Gehirn weiß ich auch schon. Tom findet es eklig, wenn ich über so was rede, aber Tom ist ja auch ein Junge. (Und mein Bruder, falls du ihn nicht kennst.) Er ist älter als ich, spricht aber nicht so viele Sprachen. Ich mag ihn trotzdem.

Sud mag ich auch. Sud war mal Sue und Sid, aber jetzt sind sie eins. Dadurch kann Sud besondere Dinge, zum Beispiel Menschen heilen. Okay, Sue und Sid waren schon vorher beide Mutanten, aber das ist trotzdem anders. Anders anders. Ich glaube, falls ich irgendwie anders bin als andere Menschen, bin ich eher anders so wie Sud.

Oder wie Farouq. Der ist mein anderer Bruder, aber Mama und Papa waren nicht immer seine Mama und sein Papa. Jetzt zwar schon, aber eigentlich kommt Farouq vom Mars. Das ist nicht besser oder schlechter als hier. Eben nur anders. Ein bisschen weiter weg von hier.

Oder vielleicht bin ich gar nicht anders, und alle finden nur, dass ich anders bin, weil sie selbst eigentlich anders sind? Also anders als ich. Wer sagt denn, dass ich so wie alle sein muss? Ras sagt, muss ich nicht, nur manchmal wäre es gut, wenn ich so tun könnte als ob. Und dabei soll mir János helfen.

Ich glaube, in Wahrheit soll János Ras und Mama und Papa und Tom und Farouq und Julian und Sud und allen anderen helfen, mich zu verstehen. Denn sie verstehen mich nicht.

Jetzt bin ich doch froh, dass ich dich ausgedacht habe, denn du verstehst mich wenigstens. Darauf habe ich geachtet!

Morgen erzähle ich dir mehr zu János.

10. September 2058

Liebe Ansa,

heute ist mir etwas Doofes passiert. Auf dem Weg zum Lakeside Institute wollte ich gern ein Eis haben, und obwohl Mama sagte, dass es zu früh für Eis ist, hielten wir bei einem Café. Ich glaube, Mama hielt bei dem Café, weil ihr nicht gefiel, wie ich redete. Ich war vielleicht ein bisschen schrill, das bin ich manchmal, und Mama sagt dann immer, dass sie sich Sorgen macht und ihr die Ohren wehtun. Ich wollte aber ehrlich nur ein Eis, und es war sehr heiß heute früh, und ich will nicht, dass Mama sich Sorgen macht.

Mama mochte das Café nicht, weil sie nur Kaffee hatten, und Mama sagt, der Kaffee war nicht gut, und überhaupt trinkt sie viel lieber K'amana. Das ist wie Kaffee, bloß arkonidisch. Ich soll keinen Kaffee trinken und auch keinen K'amana, aber das schmeckt mir auch gar nicht, und ich wollte ja auch nur ein Eis. Also hab ich dem Mann in dem Café gesagt, dass ich ein Eis will, und er hat mich ganz merkwürdig angeguckt, aber nichts gemacht, also hab ich es ihm noch mal gesagt, und als er immer noch nichts gemacht hat, hab ich es noch ganz oft gesagt. Da ist er auf einmal sehr wütend geworden, und Mama hat mich aus dem Café gezogen und war auch sehr wütend, aber nicht auf mich, sondern auf den Mann. Ich glaube, es war so ein Mann wie der, von denen Tom erzählt. Tom sagt, es gibt Leute, die machen Mama einfach wütend. Wegen so Leuten hat Mama mal einen Turm gesprengt, aber sie will nicht, dass ich das weiß, weil sie Angst hat, dass ich dann auch Türme sprenge, und das wäre schlecht für die Leute, die den Turm gebaut haben, und für Papas Arbeit auch, denn dann kommen die alle und beschweren sich bei ihm. Aber ich will das ja gar nicht und wegen mir kann Papa seine Arbeit machen und die Leute können Türme bauen, wie sie wollen, und ich weiß gar nicht, warum das alles so kompliziert sein muss und der Mann im Cafe so merkwürdig war, und außerdem WOLLTE ICH NUR EIN EIS ...

Tut mir leid, Ansa. Jetzt war ich kurz wütend. (Ich habe aber nichts gesprengt, das wäre gemein zu Ras.) Die Sache ist die: Manchmal reagieren andere Leute seltsam, obwohl ich doch nur was ganz Einfaches von ihnen will. Ras sagt, das sind die Menschen, mit denen man vorsichtig sein muss, wenn man anders ist als sie. Ich finde das doof, weil ja alle Menschen irgendwie anders sind. Aber manche Menschen sind wohl einfach doof, das mit dem Anderssein habe ich dir gestern schon erklärt, und eigentlich wollte ich dir heute ja von János erzählen.

János ist Ungar. Als ich noch klein war, fand ich das Land immer witzig, weil es auf Englisch wie »hungrig« klingt. Aber auf Deutsch oder Spanisch ist es nicht witzig, und auf Arkonidisch gibt es das Wort gar nicht. Ich hab es János trotzdem erzählt, und er hat gesagt, dass es auf Ungarisch auch nicht witzig ist. Dafür ist Ungarisch eine wirklich komplizierte Sprache, die kaum mit den anderen Sprachen in Europa verwandt ist. Das finde ich spannend, deshalb lerne ich jetzt Ungarisch. Szia, hogy vagy? Nathalie vagyok. Hogy hívnak?

Das heißt: »Hallo, wie geht es dir? Ich bin Nathalie. Wie heißt du?«

Ich muss noch rausfinden, was »Gib mir Eis, oder Mama sprengt deinen Turm« heißt.

War nur Spaß!

János ist mein Trainer. Genauer gesagt, mein Kommunikationstrainer. Das ist ein Wort, das mich ein bisschen wütend macht, weil alle so tun, als ob es zu kompliziert für mich wäre. Ist es nicht! Sie könnten aber auch einfach sagen, dass János mit mir reden übt. Musik macht er auch, aber meistens redet er nur.

Die Sache ist die: János sagt, manchmal rede ich ziemlich schnell. Zu schnell für andere Leute. Ich schreibe auch schneller als andere Leute. Siehst du ja. Ich weiß aber nicht, wieso das ein Problem ist. Ich könnte ja genauso gut sagen, die anderen sind zu langsam, und da mache ich auch kein Problem draus.

Ich mag János! Er nimmt sich viel Zeit, und wir üben richtig atmen, Zungenbrecher und Merkspiele, und wenn mir ein Spiel langweilig wird, kann ich das immer sagen, und wir spielen dann was anderes. Er ist gar nicht so viel größer als ich und lächelt meistens, und ich finde es toll, dass er so freundlich ist und sich immer viel Zeit nimmt – weil ihm eine Menge schlimme Dinge passiert sind, und viele Leute sind nicht so nett, wenn ihnen schlimme Dinge passiert sind.

János war auf der Arche, so wie fast alle Menschen. Ich war nicht auf der Arche, weil meine Mama und Tom und Farouq auch nicht auf der Arche waren. Aber die meisten Leute waren auf der Arche, weil die Memeter ihnen versprochen haben, dass es ihnen da gut geht, aber die Memeter haben nicht gemacht, was sie versprochen haben, und dann sind sie mit der Arche abgestürzt, und alle Menschen waren in richtig großer Gefahr, und Papa und Onkel Reg und ihre Freunde mussten sie retten, so wie meistens.

Jetzt hätte János wahrscheinlich gesagt, ich soll nicht so lange Sätze machen. Weil viele Leute Probleme haben, mitzukommen, wenn die Sätze so lang sind. Aber ich frage mich dann immer, wieso ist es besser, viele kurze Sätze zu benutzen, wenn es dann so viele werden, dass man kaum noch weiß, wohin damit, und deshalb finde ich es besser, manchmal nur einen richtig langen Satz zu benutzen, denn manchmal will ich einfach eine Menge sagen, und dann sind es wirklich SO VIELE ...

Okay, tut mir leid. Jetzt tut mir doch langsam die Hand weh.

Was ich noch sagen wollte: János war auf der Arche, und die Hornschreckwürmer, die die Arche angeknabbert haben, bis Papa und Onkel Reg und ihre Freunde sie besiegten, haben auch János' Bein angeknabbert, und deshalb hinkt er. Ich habe ihn gefragt, wieso die Hornschreckwürmer das gemacht haben, und er hat gemeint, dass sie wohl gern essen. Ich hab ihn gefragt, ob das sehr wehtat, aber er hat gesagt, dass er schlief, als es passiert ist. Dann hab ich ihn noch gefragt, wieso er das Bein nicht reparieren lässt von Julian oder Sud, aber da hat er komisch geguckt und gesagt, das will er nicht, er ist jetzt halt anders, und das ist okay.

Das ist jetzt das, was János eine schlechte Überleitung nennen würde, aber János isst ebenfalls ziemlich gern, und das ist auch einer der Gründe, weshalb ihn mag, denn ich esse auch furchtbar gern. Aber jetzt tut mir wirklich die Hand weh, also erzähle ich dir lieber morgen vom Essen.

11. September 2058

Liebe Ansa,

heute hat mich János gefragt, wie das mit den Briefen funktioniert, und ich habe gesagt, gut, und er hat mich gefragt, ob er mal Teile davon lesen darf, und ich habe gesagt, okay, und dann hat er gelesen, und dann hat er gesagt, ich muss lernen, auf den Punkt zu kommen.

Also komme ich heute gleich auf den Punkt, und du musst selbst raten, was wir heute gemacht haben:

400 Gramm Kartoffeln

140 Gramm Mehl

2 Eigelb

1 große Prise Salz

8 Zwetschgen

8 Zuckerwürfel

100 Gramm Butter

100 Gramm Semmelbrösel

1 eine Prise Zimt

... und viiiiiel Puderzucker.

Davon werden János und ich eben so satt.

12. September 2058

Liebe Ansa,

es ist unfair, UNFAIR! Nur weil Leute wie der Eisverkäufer oder der blöde Arzt, zu dem wir wegen meiner Hand sind, nicht mitkommen, wenn ich was sage, soll ich jetzt immer ganz langsam machen, wie wenn alle kleine Kinder wären, die einfach nur zu blöd sind, und das hab ich Mama gesagt, und da wurde sie wütend, weil sie nämlich auch nicht immer mitkommt, das aber nicht zugeben will. Sie sagt, es ist nicht gut für meine Hand, wenn ich so schnell schreibe, und ich habe ihr gesagt, dass wir gleich zu Julian oder Sud hätten gehen sollen, denn die wissen, wie es mir geht, und kommen auch mit, wenn ich was sage. Aber Mama sagt, János ist nicht gut genug, weil ich noch immer so schnell bin, und der viele Zucker und die vielen Knödel sind auch nicht gut für mich, weil ich mich dann auch schneller aufrege, aber Julian sagt, ich brauche mehr Zucker als andere Kinder, weil mein Gehirn einfach viel mehr macht als bei anderen, und das hab ich Mama gesagt, aber dann kam sie nicht mit und dann hat sie geschrien und dann hab ich geschrien und dann war die blöde Arkon-Vase kaputt und jetzt darf ich nicht mehr mit János kochen, und DAS IST SO UNFAIR ...

13. September 2058

Liebe Ansa,

ich hatte Angst, dass János heute traurig sein würde, aber das war er gar nicht. Mama hat sich wieder beruhigt, und sie sagt, ich bin auch viel ruhiger, nur dass ich den Unterschied nicht merke. Ich will mich ja gar nicht aufregen, und ich will auch nicht, dass wir wieder schreien und Vasen kaputtgehen, wobei die Vase wirklich hässlich war und ich nicht finde, dass Mama wegen so was böse sein sollte. Vasen, Türme, ich finde wirklich nicht, dass ich da schlimmer bin als sie.

János war jedenfalls gar nicht traurig und meinte, es gibt auch ungarisches oder böhmisches Essen, das nicht ganz so schwer und mit viel Zucker ist, wobei es natürlich schade ist und nicht ganz einfach wird, was zu finden. Bis dahin könnten wir statt zu kochen aber auch Musik machen, das wäre fast genauso gut.

Zuerst verstand ich nicht, was er meinte, denn Kochen und Musik sind ja schon sehr verschieden, und ein Lied kann man nicht essen. Dann rollte er eine Art kleines Klavier herein. Klavier kann ich spielen, aber die Art Klavier war mir neu, und das lag daran, dass es nämlich kein Klavier war, sondern eine Celesta. Eine Celesta ist wie ein Klavier, nur dass drinnen keine Saiten sind, sondern ein Glockenspiel. Dann erklärte er mir, dass dieses Instrument vor hundertsiebzig Jahren oder so in Paris erfunden wurde. Das ist da, wo auch Mamas Turm stand. Und das erste Mal richtig benutzt wurde es in einem Ballett, und das Stück, in dem es benutzt wurde, heißt der »Tanz der Zuckerfee«. Dann fragte er mich, ob ich das lernen und dann was essen wollte, und natürlich hatte ich da Hunger, also sagte ich Ja.

János sagt immer, ich habe tolle Hände fürs Klavierspielen. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde, denn ehrlich gesagt, finde ich Klavier etwas langweilig.

Die Zuckerfee war lustig, aber viel zu leicht. Ich habe mir alles zweimal angehört, dann wusste ich, wie es geht. János wollte mir erst nicht glauben, wegen der Chromatik. Das ist auch so ein Wort wie Kommunikationstrainer oder Hornschreckwürmer, aber meistens heißt es einfach nur schwarze Tasten. Also hab ich es ihm vorgespielt, mit schwarzen Tasten, und da hat er mir geglaubt. Er sagt, dass ich sehr gut war, dafür, dass ich das Stück nur zweimal angehört habe. Ich habe ihn gefragt, wie häufig Leute denn normalerweise so ein Stück anhören, bevor sie es spielen können, und da hat er merkwürdig mit den Händen gewedelt und gesagt, die Leute, die zu ihm kommen, um Musik zu lernen, brauchen jedenfalls viel länger und meistens auch Noten dazu. Dann hat er mich gefragt, ob ich Noten lesen und schreiben kann. Ich hab gefragt, ob wir dann essen gehen können, ohne dass Mama wieder wütend wird, und er hat gesagt ja, hinterher.

Also hab ich ihm die Zuckerfee dann nicht nur vorgespielt, sondern auch aufgeschrieben, also in Noten, und da hat er wieder komisch mit den Armen gewedelt, und wir sind essen gegangen.

3.

Edwina Kerpen

»PERSEPHONE an Pluto ... Pluto, bitte kommen ... Es ruft Edwina Kerpen an Bord der PERSEPHONE... Hört mich jemand? Irgendwer? Ich rufe die Charonstation. Bitte melden Sie sich!«

Edwina Kerpen wechselte hastig die Frequenzen und setzte sich dabei mit der anderen Hand einem steten Schwarm von Holos zur Wehr, der sie wie aufgebrachte Vogeleltern bedrängte. Doch der Versuch, in dem Chaos aus Störsignalen, Fehlermeldungen und Warnungen eine klare Verbindung aufzubauen, war reines Wunschdenken.

So schnell die verwirrten Systeme ihres Raumboots es zuließen, beschrieb Kerpen einen weiten Bogen und steuerte die Space-Disk mit Höchstbeschleunigung zurück Richtung Pluto. Ihr gemütlicher Ausflug mit Tee und Musik war vergangen und vergessen. Was war geschehen? Etwas hatte die Struktur- und Masseorter der Disk bis zum Anschlag belastet. Etwas Großes. Etwas Nahes. Oder beides. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die Ursache dieses brachialen Signals mit den Gravitationswellendetektoren und den empfindlichen Systemen der Multiortungsanlage angerichtet hatte – ausgerechnet während der Rekalibrierung. Von Charon empfing sie nach wie vor nur ein allgemeines Warnsignal, das auf den Ausfall sämtlicher Kommunikations- und Ortungssysteme hinwies und allen Schiffen davon abriet, die Station anzufliegen, bis die automatischen Navigationshilfen wieder betriebsbereit waren.

Immer wieder sendete sie ihren Ruf in die aufgewühlte Raum-Zeit hinaus, während sie Kurs auf die Basisstation auf Pluto nahm, die seit sieben Jahren ihr zweites Zuhause war. Sie hoffte, dass sie sich kein neues suchen musste. Sie lauschte auf allen Frequenzen.

Dann endlich brach sich eine Stimme aus den Störgeräuschen der Akustikfelder Bahn. Keine Bildverbindung, nur undeutlicher Ton, der allmählich Konturen gewann. Es klang, als arbeite sich jemand mit einem Vorschlaghammer durch eine knirschende, krachende, bröckelnde Wand.

»Kerpen ... mich? Pluto ... SERPHONE ... Wiederhole, Pluto ruft ... Gallagher. Wiederhole, hier spricht Doktor Gallagher. Ich rufe die ... Edwina, hören Sie mich?«

Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Patrick Gallagher war einer ihrer engsten Mitarbeiter und für die Dauer ihrer Abwesenheit der Leiter von PUMA. Ihn wohlbehalten vor einem intakten Funkgerät zu wissen, beruhigte ihren Puls fast so sehr wie die Tatsache, dass er die Zeit dazu hatte, sie persönlich zu rufen.

»Patrick? Liebe Güte, bin ich froh, Sie zu hören.« Das war eine grobe Untertreibung, aber sie wollte nicht sentimental werden.

Gallagher hatte da weitaus weniger Skrupel. »Edwina? Mein Gott, haben Sie uns einen Schrecken eingejagt! Wir dachten schon, Ihnen ist vielleicht was zugestoßen dort draußen. Geht es Ihnen gut? Haben Sie etwas gesehen?«

»Ich bin wohlauf, besten Dank. Aber offen gesagt, hatte ich gehofft, dass Sie mir sagen können, was eigentlich los ist. Was machen Sie auf dieser Frequenz? Ich rufe Sie seit mehreren Minuten.«

»Man muss nehmen, was man kriegen kann. Wir arbeiten noch daran, die Systeme neu zu starten ...«

»Sind die Ausfälle sehr schlimm?«, fragte Kerpen besorgt. In Gedanken sah sie sich schon den Schadensbericht an die Terranische Union unterzeichnen. Ihre Gefühle gingen aber tiefer als die bloße Furcht davor, ein Scheitern eingestehen und eine neuerliche Jagd nach Finanzierung beginnen zu müssen. PUMA war ihre wissenschaftliche Lebensleistung, ihr kleines Stückchen Unsterblichkeit.

»Auch das lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit sagen«, wich Gallagher aus, und sie hörte seiner Stimme an, dass ihm die Ungewissheit ebenso zusetzte wie ihr. »Wir hatten reihenweise Systemabstürze und kritische Fehler, die uns noch eine ganze Weile beschäftigen werden. Aber die Geräteschäden halten sich bis auf ein paar Kurzschlüsse in Grenzen. Ich schlage also vor, dass Sie landen und wir der Sache gemeinsam auf den Grund gehen – wenn es Sie nicht stört, dass der Leitstrahl noch ausgefallen ist.«

»Nicht im Geringsten.« Sie konnte die PERSEPHONE auch mit geschlossenen Augen parken, wenn es sein musste. »Bis gleich.«

Sie wollte schon den Funkkontakt unterbrechen, als sie doch noch eine Frage stellte, die eigentlich zu wichtig für einen Nachgedanken war, sich aber nicht länger ignorieren ließ.

»Patrick?«

»Ja?«

»Es sind aber nicht die Bestien, oder?«

Sie hörte förmlich, wie sich Gallagher auf die Lippen biss. Er weiß es nicht. Er hofft nur ebenso wie ich, dass wir nicht in unserem schlimmsten Albtraum aufgewacht sind.

»Die MONTEVIDEO und ihre Begleitschiffe haben keine Bewegungen gemeldet«, sagte er. Das Schlachtschiff patrouillierte gemeinsam mit mehreren Kreuzern etwa ein Lichtjahr von der Sonne entfernt, um unliebsame Überraschungen wie diese zu vermeiden. »Wenn, dann haben sie die Flotte ebenso mit runtergelassener Hose erwischt wie uns. Andererseits – wenn es die Bestien wären, wären wir wahrscheinlich schon nicht mehr hier.«

»Sie haben wohl recht«, pflichtete ihm Kerpen bei. »Ich komme jetzt runter.«

Sie ging in einen steilen Sturzflug über, der bei Himmelskörpern mit einer stärkeren Gravitation als Pluto, der nur über gut ein Sechzehntel der Erdanziehung verfügte, keine gute Idee gewesen wäre. Währenddessen überprüfte sie noch einmal die wenigen noch funktionierenden Instrumente. Wie sie befürchtet hatte, war LIGO-1, das lokale Laser-Interferometer, inaktiv. LIGO-2, die Schwesteranlage auf Charon, schwieg ebenfalls. Sie hoffte, dass die Kollegen dort oben wohlauf waren. Etwa eine Viertelstunde war seit dem totalen Systemausfall verstrichen.

Sie schoss über die pockennarbige Oberfläche der dunklen, gefrorenen Welt hinweg, passierte Cthulhu Macula und Pandemonium Dorsa. Dann kam die Station in Tartarus Dorsa in Sicht. Beleuchtung und Schutzschirme des Hangars arbeiteten normal. Kerpen verzögerte, das Hangartor schien auf sie zuzurasen, dann passierte sie den Schirm, bremste abrupt und setzte die Space-Disk mit einem merklichen Ruck auf. Die Schwerkraft innerhalb der Station war – im Gegensatz zu den winzigen Laboratorien der Ligaturen – auf Erdstandard geregelt.

Ihr Pod versuchte automatisch, sich mit dem Netzwerk der Station zu verbinden, doch das Ergebnis war nur ein zerhackter Datenstrom, der sie mehr ablenkte als informierte. Besser, sie ließ sich von Gallagher und ihrem Team auf den neuesten Stand bringen.

Sie verließ das Raumboot, eilte aus dem Hangar und passierte mehrere Technikerteams, die wie eine gut organisierte Feuerwehr mit kompetenter Hast in die unterplanetaren Anlagen vorrückten, ohne Kerpen eines zweiten Blicks zu würdigen. Dann betrat sie die Zentrale. Dort fand sie sich im Handumdrehen im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit wieder.

»Doktor Kerpen!« Sie machte den dunklen Haarschopf von Dr. Gallagher in der Menge aus. Er hob die Hand und winkte ihr mit einem Pad, dann bahnte er sich einen Weg zu ihr. »Gut, dass Sie so schnell zurück sind, Doktor Kerpen.« Gallagher kannte sie lange genug, um zu wissen, dass sie es nicht schätzte, wenn man sie vor dem kompletten Team mit Vornamen ansprach.

»Wissen Sie schon mehr?«, kam sie ohne Umschweife zur Sache. Sie hatte sich ihren freien Tag wirklich anders vorgestellt, doch von einem Moment auf den nächsten war es, als hätte sie die Zentrale nie verlassen. »Kann mir irgendwer sagen, was genau passiert ist?«, rief sie so laut, dass alle es hörten.

Ihre Mitarbeiter riefen flackernde Holos auf, schlugen wütend auf altmodische Bildschirme ein und überschlugen sich fast, die Komplexität der Lage zu betonen: Keiner hatte kommen sehen, was passiert war, niemand war für irgendwas verantwortlich, eine einfache Erklärung gab es wohl nicht, das Ausmaß der Schäden war längst noch nicht erfasst, aber ganz bestimmt war es ein einmaliges Ereignis, das sich so schnell nicht wiederholen würde.

»Aber was ist passiert?«, fragte sie abermals. »Das konnte mir bis jetzt noch niemand verraten.«

»Etwas ist in den Normalraum gestürzt«, fasste Dr. Gallagher, wie stets um Sachlichkeit bemüht, das Durcheinander zusammen. »Eine andere Erklärung gibt es nicht für die plötzlichen Wellen, sofern sich Neptun nicht spontan in ein Schwarzes Loch verwandelt hat. Die Energieflut der Aufrissfront hat uns die Skala gesprengt. Die Masse, die sich da materialisiert hat, muss gewaltig sein. Und direkt in der Nachbarschaft.«

»Haben wir denn keine Ortung?« Kerpen drängte sich an ihren Kollegen vorbei zum anderen Ende der Zentrale.

»Nur fragmentarisch«, antwortete Gallagher. »Die Strukturwelle hat große Teile der Instrumente einfach lahmgelegt. Wir hoffen, dass die Defekte nicht permanent sind.«

Kerpen machte etwas, was sie sehr selten tat: Sie fluchte. Mehrere Männer und Frauen unterbrachen erstaunt ihre Arbeit und hoben die Brauen. »Da sitzen wir auf der leistungsfähigsten Ortungsanlage des Sonnensystems, und kaum gibt es etwas Wichtiges zu orten ...«

»Genau das war in diesem Fall das Problem«, warf Gallagher ein. »Die Systeme waren einfach zu sensibel. Mitten in der Rekalibrierung war es ein Effekt, wie mit einem voll aufgedrehten Mikrofon einen Überschallknall aufzuzeichnen.«

»Die lachen uns doch aus in Terrania!«, schimpfte ein Mitarbeiter. »Die kürzen uns, ohne mit der Wimper zu zucken, sämtliche Gelder!«

»Es war nicht damit zu rechnen, dass es ausgerechnet heute passiert«, beharrte Gallagher.

»Tatsächlich war es der ausdrückliche Wunsch aus Terrania, dass die Neujustierung zu diesem Zeitpunkt stattfindet«, stellte Kerpen fest. »Einen Tag früher oder später, und es wäre kein Problem gewesen.«

»Das Timing war in der Tat unglücklich«, gab Gallagher zu.

Aber war es wirklich nur Zufall?, fragte sich ein paranoider Teil ihres Verstands. Was, wenn es nun doch die Bestien sind, die in diesem Augenblick Angriffsformation einnehmen? Was, wenn wir einen Spion unter uns haben, der den Invasoren zusätzliche Zeit erkaufen sollte?

Sie glaubte es nicht.

Aber sie wusste es auch nicht.

»Ich brauche eine Verbindung zur Erde!«, sagte sie. »Kriegen Sie das hin? Bitte sagen Sie mir, dass der Hyperfunk funktioniert.« Mit normalen, lichtschnellen Funksignalen würde es mehrere Stunden dauern, um auf der Erde gehört zu werden.

»Wir versuchen gerade, einen Satelliten als Relais zu nutzen«, wich der Funker aus. »Alternativ könnten wir vielleicht ein Schiff in der näheren Umgebung ...«

Kerpen schlug die Hand vors Gesicht.

»Ich glaube, ich habe hier was«, meldete die Kollegin des unglücklichen Funkers, die vor der Ortung saß. »Die ersten Systeme nehmen nach und nach wieder den Betrieb auf, und es sieht ganz danach aus, als ob wir es nicht mit einem, sondern mehreren Objekten zu tun haben.«

Kerpens Kehle schnürte sich zusammen. »Wie viele genau?«

Die jüngere Frau kniff die Augen zusammen und begann Lichtpunkte in einem grünen Holo zu zählen, das wie mit einem groben Pinsel hingekleckst vor ihr in der Luft schwebte.

»Sagen Sie den Technikern, Sie sollen sich um die Antennen kümmern!«, flehte Kerpen.

»Einundzwanzig«, verkündete die Orterin.

»Einundzwanzig?«, schnappte Kerpen.

»Einundzwanzig Schiffe«, bestätigte Gallagher, der sich nun ebenfalls über das Holo beugte und über ein individuelles Akustikfeld Rücksprache mit mehreren Mitarbeitern hielt.

»Sehr große Schiffe«, ergänzte die Kollegin.

»Was tun sie?«

»Momentan nichts ... Sie sitzen praktisch direkt über uns. Abstand etwa fünfzigtausend Kilometer.«

Kerpen ballte die Hände. Das war nahe. Näher als Kerberus und Hydra. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht den Kopf zu heben. Fast war ihr, als könnte sie den Schatten der fremden Raumschiffe auf sich spüren wie ein Hase den Hauch von Adlerschwingen.

»Wir haben Kontakt zum Leichten Kreuzer IMPALA«, meldete der Funk. »Sollen wir ...?«

»Geben Sie Alarm!«, entschied Kerpen. »Schicken Sie alles, was wir wissen, mit der Bitte um sofortige Weiterleitung an die Flotte und alle militärischen Stellen, die für die Systemsicherheit zuständig sind. Dann die wissenschaftlichen Gremien ...«

Der Funker erbleichte, befolgte ihre Anweisungen aber ohne Zögern.

Sie merken, dass dies der Tag ist, vor dem wir uns seit der Invasion der Sitarakh gefürchtet, mit dem wir aber nie wirklich gerechnet haben, dachte Kerpen. Ich hätte ja selbst nicht geglaubt, dass ...

»Jemand ruft uns«, sagte der Funker.

Kerpen stutzte. »Wer hat denn so schnell ...?«

»Der Mond«, antwortete der Funker. »Die Lunar Research Area. Es ist Oxley.«

Gallagher tauschte einen Blick mit ihr. »Warum wundert es mich nicht, dass der Mond schneller Bescheid weiß als irgendwer sonst?«

Er musste nicht aussprechen, wen genau er damit meinte. Es wäre nicht das erste Mal, dass NATHAN über mehr im Bilde war, als er zugab.

»Professor Oxley?«, rief Kerpen hoffnungsvoll in die leere Luft. »Können Sie mich hören?«

»... Lunar ... Area. Kerpen, sind Sie das?«

»Haben wir auch Bild?«, fragte sie.

Der Funker erbat sich einen Moment Geduld. Dann baute sich das zittrige Hologramm eines älteren, kahlköpfigen Manns von beleibter Statur und wilder Gesichtsbehaarung vor ihnen auf: Professor Ephraim Oxley, der führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Hyperphysik und Kopf jenes kleinen Kreises Auserwählter, den die Mondintelligenz NATHAN in ihrer unmittelbaren Nähe duldete.

»Professor«, begrüßte ihn Kerpen knapp. »Danke für Ihre Kontaktaufnahme. Sie haben die Warnung erhalten?«

Oxley warf einen flüchtigen Blick über die Schulter, als vergewissere er sich der Zuhörer oder Vorgänge außerhalb des Erfassungsbereichs seiner Holokamera. »... wohl sagen. Eine Menge ... außerordentlich ... näherer Auskunft.«

»Die Verbindung ist immer noch sehr instabil, deshalb weiß ich nicht, wie viel bei Ihnen ankommt. Wir haben einundzwanzig Raumschiffe über Pluto gezählt. Wiederhole: einundzwanzig Fremdraumer. Bisher verhalten sie sich ruhig ...« Sie warf einen Blick in die Runde, doch keiner ihrer Mitarbeiter widersprach. »Noch können wir nicht sagen, um was für Schiffe es sich handelt, da wir mit schweren Systemausfällen zu kämpfen haben. Wiederhole: Absicht der Fremden unbekannt, Ortungsanlage ausgefallen, Plutobesatzung wohlauf.«

Oxleys Hologramm flackerte wie eine unruhige Kerze. »... Sie mir ... wie möglich ... was Sie haben. Wir werden ...«

Kerpen wandte sich an Funk und Ortung. »Leiten Sie alles, was wir haben, an ihn weiter. Alle Daten, alle Logs.«

»Wir sind nach wie vor so gut wie blind«, schränkte die Kollegin von der Ortung ein.

»Die Techniker melden sich«, unterbrach Gallagher und betätigte einige Sensorfelder auf seinem Positronikpult. »Wir haben gleich wieder Hyperfunk.«

»Die Systeme melden Betriebsbereitschaft«, bestätigte der Funker.

»Öffnen Sie eine Verbindung zu ...«

Da brach sich ein hochfrequentes Rauschen aus sämtlichen Akustikfeldern der Zentrale Bahn. Es klang wie ein schriller Wasserfall widerstreitender Signale von enorm schneller Abfolge und war so laut, dass alle Männer und Frauen gequält die Hände auf die Ohren pressten. Selbst Oxleys Holo zuckte zusammen – die Verbindung zum Mond stand also, immerhin.

»Regeln Sie das herunter!«, schrie Kerpen.

Hektisch kämpfte der Funker mit seiner Anlage, bis er das infernalische Toben wieder im Griff hatte.

»Die nächste Störung?«, fragte Gallagher besorgt und studierte eine visuelle Darstellung des Datenchaos, das gerade ihre Kanäle flutete.

Edwina Kerpen ahnte die Antwort, noch ehe der Funker das nächste Mal den Mund aufmachte. Es war der Moment, den jeder Wissenschaftler ihres Fachgebiets von Kindesbeinen an gleichermaßen ersehnte wie fürchtete.

Der Erstkontakt.

4.

Ras Tschubai

Begleitet von den schwerelosen Klängen der Celesta, musterte Ras Tschubai die gespannten Gesichter des Protektors und seiner Frau auf der anderen Seite des Tischs: Perry Rhodans ernste, undeutbare Miene, die er auch zur Schau trug, wenn er mit außerirdischen Mächten über die Zukunft der Menschheit verhandelte; Thoras kaum beherrschte Emotionen, bei denen Tschubai nie wusste, ob sie die Vernichtung eines Weinglases oder eines ganzen Planeten zur Folge haben würden. Die Eltern hätten kaum unterschiedlicher sein können, aber wahrscheinlich waren beide Verhaltensmuster normal, wenn man Kinder hatte: Man flüchtete sich in eine erprobte Rolle oder streifte einfach alle Rollen ab, hinter denen man sich sonst versteckte.

Tschubai fragte sich, wie die beiden reagieren würden, wäre er tatsächlich der Überbringer schlechter Neuigkeiten und sie würden gerade etwas Bedrohlicheres als eine Musikstunde verfolgen. Wahrscheinlich ganz genauso.