Pfälzer Sagenhaftes - Gerhard Kreuter - E-Book

Pfälzer Sagenhaftes E-Book

Gerhard Kreuter

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Beschreibung

Wer kennt sie nicht, die düsteren Sagen, die von wahren Begebenheiten berichten oder Geschehnisse in eine dämonische Geschichte fassen, die dem Mensch unbegreiflich waren.Einige dieser Märchen wurden in diesem Buch aufgegriffen und in seiner unverwechelbaren Erzählform wiedergegeben. Genießen Sie die Geschichten am knisternden Feuer oder bei einem guten Glas Wein.

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Pfälzer Sagenhaftes

VorwortDer vergessene WächterDas SignalhornBeschlagnahmtDie belzige KuhDer Hajduk Peter

Vorwort

Gespenstisch und gruselig ist es, durch die finsteren Gänge und Kammern einer Burg zu gehen. Meine Töchter klammerten sich immer ängstlich an mich, wenn wir durch einen düsteren Gang die Treppen zum Burgfried hinaufstapften, wo das Knirschen der Schritte schaurig von den Wänden widerhallt, wo jeder Atemzug wie das Keuchen eines Gespenstes klingt, wo einem der Klang eines herabfallenden Wassertropfens einen leichten Schauer über den Rücken huschen lässt. Hinter jeder Schießscharte vermutet man einen Bogen- oder Armbrustschützen, der auf den Feind im unzugänglichen Gelände vor der Burg zielt.

Aber nicht nur die Festungen sind es, die eine merkwürdige Anziehungskraft auf uns ausüben, sondern auch die kleinen Dörfer in den Tälern des Pfälzer Waldes, die von den Burgherren bewacht und deren Bewohner von den »Edelleuten« auf den Burgen oft fürchterlich geknechtet wurden.

Da kommt es nicht selten vor, dass man beim Mittagessen in einer gemütlichen Dorfschenke in einem dieser hübschen Örtchen von den Kindern gefragt wird, wie denn die Burgleute und Dorfbewohner damals gelebt haben. Dann muss ich, da ich ja selber nicht dabei gewesen bin, im Sagenschatz der Pfälzer kramen, wo ich immer wieder ein Stückchen Geschichte finde, das, etwas ausgeschmückt, beim Erzählen den Anschein erweckt, als wäre man selber mitten im Geschehen.

Der vergessene Wächter

Aufgeregt lief ein Junge die Straße durchs Dorfportal auf den Marktplatz zu, wobei er immer wieder rief: »Die Soldaten kommen! Die Soldaten kommen!«

Zunächst sah man ihm nur verwundert nach. Schließlich wurden die Bewohner des Ortes unruhig und eilten in Richtung Marktplatz, um zu hören, was geschehen war. Soldaten im Anmarsch konnte nichts Gutes bedeuten, zumal überall von Krieg gesprochen wurde.

Vor dem Rathaus blieb der Junge stehen und rief erneut: »Die Soldaten kommen!«

Der Ortsvorsteher trat vor die Haustüre und sah den Jungen mit finsterem Blick entgegen. »Weißt du denn auch, was du da rufst?« fragte er.

»Es sind Soldaten im Anmarsch, Herr Bürgermeister«, meldete der Junge, der kaum älter als zwölf Jahre sein mochte. »Wir haben draußen am Bach gespielt, da sahen wir sie daherkommen. Eine ganze Kompanie!«

»Habt ihr bei eurem Spiel wieder die Phantasie mit der Wirklichkeit verwechselt?« versuchte der Bürgermeister den aufgeregten Jungen zur Raison zu bringen.

Doch der Knabe schien weiterhin von dem Gesehenen überzeugt zu sein. »Ich habe die Soldaten gesehen, und sie tragen die Fahne des Kaisers voran, so wahr ich hier stehe!«

Nun wurde der Bürgermeister doch ein wenig unruhig und sah zum Dorftor hin.

In diesem Moment erreichte der Dorfrichter den Platz vor dem Rathaus, denn auch er hatte von der Nachricht des Jungen erfahren. Der Pfarrer steckte neugierig seinen Kopf aus einem Fenster des Pfarrhauses heraus.

»So werden wir die Herren gebührend empfangen«, sagte der Bürgermeister entschlossen. Er schritt gemessenen Schrittes auf den Dorfeingang zu, gefolgt vom Dorfrichter und dem Pfarrer. Dort verweilten sie eine geraume Zeit, ohne dass sich etwas tat. »Sollte uns der Junge an der Nase herumgeführt haben, setzt es eine gehörige Tracht Prügel«, warnte der Pfarrer, der sich in seiner Würde gekränkt gefühlt hätte, wenn die Warnung des Jungen nur ein Scherz gewesen wäre.

»Ich denke, ich höre Pferdegetrappel!« Der Schultheiß hob den rechten Zeigefinger und bat die Herren durch ein Zeichen, leise zu sein. Wahrhaftig, von Ferne vernahmen sie den Hufschlag vieler  Pferde, die auf das Dorf zuzukommen schienen.

»Wir sollten die Herren bestens empfangen«, schlug der Bürgermeister vor. »Sollten es aber Feinde sein, dann gnade uns Gott.«

»Der Junge sprach von der Fahne des Kaisers. Ich denke, wir werden sehr viel Unruhe ins Dorf bekommen«, gab der Pfarrer zu bedenken, der bereits die Moral des Dorfes in Gefahr sah.

Auch der Dorfrichter meldete Bedenken an: »Wie werden wir Recht und Ordnung in unserem Ort aufrecht halten können, wenn so viele Leute hier herumlaufen. Mit zwei Polizisten habe ich gerade genug zu tun. Seitdem die Burgherren von Tann nicht mehr für unsere Sicherheit sorgen, ist es schwer, das Unrecht von unseren Bürgern fernzuhalten. Jetzt aber, da diese wilden Gesellen unser ruhiges Dorf bevölkern werden, habe ich gewisse Vorbehalte anzumelden.«

»Warum müssen die Herren immer so viel schwarze Farbe an die moralischen Wände schmieren? Urteilt über eure Nächsten erst, wenn ihr sie kennengelernt habt, und nicht schon vorher.«

»Hernach ist es meistens zu spät«, warnte der Dorfrichter.

»Wir werden sie kaum fernhalten können. Der Junge sprach von einer Kompanie; es werden ihrer über hundert Mann sein. Lasst sie nach Gutdünken im Dorf einhergehen, so werden wir unser blaues Wunder schon noch erleben«, gab der Pfarrer dem Dorfrichter recht.

Der Bürgermeister nickte nachdenklich. »Ich werde den Soldaten am Bach einen Lagerplatz vorschlagen. Dann sind sie außerhalb des Dorfes und wir können die Sache besser überblicken.«

»Hoffen wir´s.«

Inzwischen hatten sich fast alle Bewohner am Dorfportal versammelt und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Die wildesten Gerüchte waren bereits im Umlauf.

Hinter einer Bergnase tauchen die ersten Soldaten auf, die ohne Eile auf das Dorf zukamen. Zunächst konnte man nur einen dunklen Punkt erkennen, der immer größer wurde. Nur die Fahne, die an einem langen Stab wehte, ragte daraus hervor. Bald schon war der vorderste der Reiter zu erkennen. Er saß stolz und aufrecht auf seinem Ross, trug einen blinkenden Helm unterm Arm und hielt mit der freien Hand locker die Zügel. Ihm folgten der Fahnenträger, ein Hornist, drei Offiziere und etwa einhundertfünfzig Kürassiere in der Uniform des Kaisers. Besonders der voranreitende Hauptmann, der stolz und majestätisch auf seinem Pferde saß, erregte die Aufmerksamkeit der Wartenden. Manche glaubten, in ihm den Kaiser Ferdinand persönlich zu erkennen.

»Der Kaiser wird sich kaum um den Flecken Dahn kümmern«, winkte ein alter Mann ab, als sein Nachbar diese Vermutung geäußert hatte. »Der weiß gar nicht, dass es uns gibt.«

Als der Hauptmann vor dem Tore angekommen war, hob er den rechten Arm und gebot seiner Kompanie zu halten. Dann stellte sich vor: »Ich bin Hauptmann Gottfried Leo, stehe in Diensten Eures Landesherren Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern und habe den Auftrag, hierorts auf einen Befehl des Kaisers Ferdinand zu warten.«

»So ist dieser unselige Krieg tatsächlich ausgebrochen?« fragte der Pfarrer erschrocken.

Der Hauptmann nickte. »Wo kann ich mit meinen Männern Quartier machen?«

»Im Süden des Ortes. Dort habt Ihr Wasser und Platz genug, Euer Quartier aufzuschlagen. Wir werden Euch bestens versorgen.«

»Seid herzlichst bedankt für die Hilfe.« Damit wandte sich der Hauptmann seiner Kompanie zu und erteilte Befehl, südlich der Ortschaft Quartier aufzuschlagen. Er schien sich um die besorgten Dorfbewohner wenig zu kümmern.

»Ich werde zu Gott beten, dass uns diese Frevler bald wieder verlassen werden«, flüsterte der Pfarrer, und ähnliche Gedanken schienen auch einige der Anwesenden zu haben. Die meisten Bürger des Dorfes jedoch sahen die Ankunft der Soldaten eher als eine Art Beruhigung an. Solange sie in der Nähe waren, konnte dem Ort nichts geschehen. Man sprach überall von Krieg, weil man einige hohe Herren in Prag zum Fenster hinausgeworfen hatte; mehr wusste man nicht. Von kriegerischen Handlungen war bisher nirgendwo etwas zu spüren gewesen.

Kurz nach Sonnenuntergang pflegte man sich in Dhan noch ein wenig auf dem Dorfplatz zu treffen, miteinander zu reden oder in der kleinen Gastwirtschaft einige Gläschen des köstlichen Rebensaftes zu trinken, der nicht weit entfernt im Rheintal angebaut wurde. Das einzige Dorfgespräch des ereignisreichen Tages war natürlich die Ankunft der Soldaten.

Auch im Rathaus war eine rege Diskussion über das »Wohlwollen«, das eine Kompanie Soldaten in das Dorf bringen würde, im Gange; so der Bürgermeister, der alles immer im besten Licht zu sehen pflegte.

Die Abscheulichkeiten, die oftmals mit der Anwesenheit von Soldaten einhergehen, wurden insbesondere vom Pfarrer angesprochen. Er war besorgt um die jungen Mädchen, die den rohen Gesellen hilflos ausgesetzt seien und dies dann oft ein Leben lang zu bereuen hätten.

»Denken Sie nur, Herr Pfarrer, dass die Soldaten Geld und Arbeit bringen. Sie brauchen Brot, Fleisch und Wein, neue Stiefel, Kleidung und andere alltägliche Dinge, die Pferde müssen beschlagen werden. Jeder Handwerker im Dorf wird Nutzen aus ihrer Anwesenheit ziehen.«

»Ich werde wohl viel zu tun bekommen, denn nicht immer wird alles friedlich ablaufen«, weissagte der Dorfrichter.

»Ich werde beten, dass unsere Jungfrauen den rohen Burschen standhalten und nicht zu Sünderinnen werden.« Der Pfarrer faltete die Hände und sah ergeben zur Zimmerdecke.

»Papperlapapp,« winkte der Bürgermeister ab und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem zinnernen Weinkrug. »Man darf den Teufel nicht an die Wand malen. Sie sehen immer nur das Schlechte in den Menschen, meine Herren. Ich erwarte einen bescheidenen Wohlstand für unser Dorf. Es ist schon ein gutes Zeichen, wenn Kaiser Ferdinand seine Mannen zu uns schickt. Er wird seine Gründe haben! Warum ausgerechnet nach Dhan und nicht in eine andere Gemeinde?«

»Die Gründe, meine Herren, kann ich Ihnen nennen,« sagte der Dorfrichter. Er hob seinen Zeigefinger, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Kaiser Ferdinand hat die Leute in ein beliebiges Tal geschickt, um sich zu verstecken; und zufällig ist das unsere eines davon. Wir führen Krieg, das dürfen wir nicht vergessen, und ...« Er hielt inne, denn es hatte geklopft. »Wer mag das sein? Um diese Stunde?«

»Lasst mich sehen, ein Räuber wird´s kaum sein, denn wir haben ja die Soldaten vor dem Tor.« Der Bürgermeister erhob sich und verließ das Zimmer, um nachzusehen.

Der Pfarrer und der Dorfrichter lauschten. Sie hörten, wie das große Haustor geöffnet wurde und der Bürgermeister mit einer Person sprach. Es dauerte nicht lange, da kam er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht wieder zurück. »Meine Herren, Sie werden´s kaum glauben, aber wir haben einen hochverehrten Gast: Hauptmann Gottfried Leo! Treten Sie näher!«

Dem etwas rundlichen, kleinen Bürgermeister folgte eine hünenhafte Gestalt. Sie trug derbe Soldatenstiefel, die bei jedem Schritt laut knarrten, sodann eine Hauptmannsuniform, an der jedes Metallteil im Kerzenlicht funkelte. Auf dem Kopf saß ein breitkrempiger Hut mit einem langen Federbusch daran. Darunter war ein markantes Gesicht mit herrischen Augen, einer riesigen Hakennase und einem schmallippiger Mund zu sehen.

Der Fremde musste sich tief bücken, um durch die niedrige Tür in den Raum zu gelangen. Er nahm  den Hut vom Kopf und verbeugte sich schweigend.

»Setzen Sie sich, Herr Hauptmann«, forderte der Bürgermeister seinen Gast auf und schob ihm einen Stuhl entgegen. »Ich nehme an, dass Sie auch gerne einen guten Wein trinken. Wir haben schließlich das Glück, dass ganz in unserer Nähe, drunten im Rheintal, genügend davon wächst.«

»Da sage ich nicht nein, Herr Bürgermeister.«

Der Dorfrichter, durch seinen Beruf argwöhnisch geworden, zog die Augenbrauen zusammen und fragte misstrauisch: »Sie haben doch Ihr Quartier außerhalb der Palisaden aufgeschlagen. Wie kommen Sie dann ins Dorf?«

»Mit dem Pferde und ganz einfach durchs Tor, denn dort wird nicht gewacht, sondern nur gelacht. Ich würde an Ihrer Stelle nicht so gemütlich hier zechen, wenn ich Ihre Naseweise am Dorftor wüsste«, antwortete der Hauptmann mit tiefer Stimme.

Betroffen schwiegen die drei Herren, und sie sahen dem Bürgermeister zu, wie er einen Kelch mit Wein füllte. »Zum Wohle, Herr Hauptmann«, sagte der Bürgermeister fröhlich, als er Gottfried Leo das volle Gefäß überreichte. »Auf eine angenehme Nachbarschaft und mit Gottes Hilfe auch auf eine friedliche.«

Der Hauptmann hatte bei der letzten Bemerkung die Augenbrauen zusammengezogen. »Ich nehme an, dass Sie bei so viel grobschlächtigen Individuen mit allerhand Unfrieden rechnen und daher auch Kriegsrat hier abhalten.«

»Nein, nein!« versuchte der Bürgermeister zu besänftigen, doch fast zur gleichen Zeit hatten die beiden anderen Herren schon mit einem lauten »Ja!« geantwortet.