Pharao - Pauline Gedge - E-Book

Pharao E-Book

Pauline Gedge

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Beschreibung

«Pauline Gedge erzählt in diesem spannenden Roman über das alte Ägypten von der prunkvollen Dekadenz der Pharaonen. Die Geschichte um das inzestuöse, isolierte Palastleben der Gottkönige beschreibt den Niedergang des Reiches unter Echnaton, jenem Pharao der 18. Dynastie, der das Land durch den pompösen Umzug der Hauptstadt, durch die Einführung des Monotheismus, aber auch durch Intrige und Mord an den Rand einer Katastrophe brachte. Das heiße Klima, der allgegenwärtige Nil und die faszinierend fremdartigen Rituale prägen die Atmosphäre dieses farbenfrohen Romans der Autorin des Welterfolgs ‹Die Herrin vom Nil›.» (The New York Times)

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Seitenzahl: 958

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Pauline Gedge

Pharao

Aus dem Englischen von Margaret Carroux und Ulla de Herrera

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Über Pauline Gedge

Pauline Gedge, geboren 1945 in Auckland, Neuseeland, verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in England und lebt heute in Alberta, Kanada. Mit ihren Büchern, die in zahlreiche Sprachen übersetzt sind, gehört sie zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Romane.

Meinen Söhnen Simon und Roger in Liebe

Erstes Buch

1

KÖNIGIN TEJE VERLIESS, von vier Gefolgsmännern Seiner Majestät und ihrem obersten Herold begleitet, ihre Gemächer. Unter den Fackeln, die den Gang zwischen ihrem Schlafzimmer und der Gartentür säumten, standen die Palastwachen, die Krummsäbel in ledernen Scheiden, die weißen Schurze und blau-weißen Lederhelme in kaltem Kontrast zur dunklen Haut. Als sie vorbeiging, wurden die Speere gesenkt, und die Köpfe neigten sich. Der Garten war unbeleuchtet, die Dunkelheit unberührt vom Licht der Wüstensterne, die droben glänzten. Die kleine Gruppe eilte durch den Park, betrat durch ein Tor in der Mauer das eigentliche Gebiet Pharaos und ging dort an der Rückseite des Palasts entlang.

Vor der großen Doppeltür, durch die Pharao oft ins Freie trat, um in seinem Garten spazierenzugehen oder von dort aus auf die westlichen Hügel zu blicken, befahl Teje ihrem Gefolge zu warten. Dann verschwand sie mit ihrem Herold in dem Korridor hinter der Tür. Während sie weiterging, wanderte ihr Blick von den vielfältigen Malereien an den Wänden zu dem Fries unter der Decke hinauf. Pharaos Thronname, in Blattgold geschnitten, das in duftendes Zedernholz aus Amki eingelegt war, wiederholte sich fortwährend: Nebmaatrê: Der Gott der Wahrheit ist Rê. Nirgends im Palastbereich konnte man diesen Worten entgehen.

Teje blieb stehen, und Pharaos Oberhofmeister, Surero, erhob sich von seinem Platz neben der Tür und warf sich zu Boden.

«Surero, bitte melde Seiner Majestät, daß die Göttin der zwei Länder gekommen ist und wartet», sagte der Herold, und Surero verschwand, um wenig später zurückzukehren und Teje unter Verbeugungen in Pharaos Gemach zu geleiten. Der Herold ließ sich auf den Boden des Korridors nieder, während sie hineinging und die Tür sich hinter ihr schloß.

Pharao Amenhotep III., Herr über die ganze Welt, saß auf einem Stuhl neben seinem Löwenbett. Er war nackt, abgesehen von einem schmalen Streifen Leinen, der um seine Lenden geschlungen war, und einer blauen Perücke mit Haarbeutel, gekrönt von einer goldenen Kobra. Das sanfte gelbe Licht aus zahllosen Lampen in Ständern und auf den niedrigen Tischen, die im Raum verstreut waren, glitt wie kostbares Öl über seine breiten Schultern, die schlaffe Wölbung seines Leibes und die Blässe seiner massigen Schenkel. Sein Gesicht war ungeschminkt. Die einst so energische, eckige Kinnlade verlor sich jetzt in dicken, herabhängenden Falten, während die Wangen tief eingesunken waren – ein Beweis für die verlorenen Zähne und die Entzündung des Zahnfleisches, an der er litt. Seine Nase war mit zunehmendem Alter platt geworden, und nur die hohe, straffe Stirn sowie die schwarzen Augen, die auch ohne Kajalstriche noch immer gebieterisch blickten, gemahnten noch an den gutaussehenden, blühenden Jüngling, der er einst gewesen. Sein rechter Fuß ruhte auf einem Schemel, während ein Sklave, den geöffneten Schminkkasten neben sich und den Pinsel in der Hand, auf dem Boden kniete, um die königliche Fußsohle mit Henna zu färben.

Teje sah sich um. Der Raum roch nach Schweiß, schwerem syrischem Weihrauch und welkenden Blumen. Obgleich ein Sklave leise von einer Lampe zur anderen ging und die Dochte stutzte, strömte von den Flammen ein graues Miasma aus, das Teje im Hals brannte und den Raum so verdüsterte, daß sie kaum die riesigen Figuren von Bek, dem Gott der Liebe, der Musik und des Tanzes, erkennen konnte, die lautlos und schwerfällig um die Wände kreisten. Hin und wieder beleuchtete eine aufflackernde Flamme eine herausgestreckte rote Zunge oder einen silbernen Nabel auf dem geschwollenen Leib des zwergenhaften Gottes oder lief rasch die löwenartigen Ohren entlang. Aber an diesem Abend war Bek vornehmlich unsichtbar gegenwärtig. Tejes Blick kehrte zum Bett zurück, das zerwühlt und mit zerquetschten Mandragora-Blüten und Lotosblüten bestreut war, und jetzt bemerkte sie die kleine, schwarzhaarige Gestalt, die schlafend und ruhig atmend unter dem Laken lag.

«Nun, Teje, du hast dir heute abend viel Mühe mit deinem Aussehen gegeben», sagte Amenhotep. Seine Stimme hallte dumpf von dem in Dunst gehüllten Plafond wider. «Bist du gekommen, um mich von neuem zu verführen? Ich erinnere mich genau, daß du Blau und Vergißmeinnicht trugst, als du zum erstenmal in dieses Zimmer kamst.»

Teje lächelte und ging rasch auf ihn zu, um vor ihm niederzuknien und seine Füße zu küssen. «Die Höflinge würden sterben vor Entsetzen, wenn ich heute etwas so Unmodernes trüge», erwiderte sie neckend, dann stand sie auf und blieb vollkommen ruhig und gelassen vor ihm stehen. «Wie geht es Pharao heute?»

«Es ist Pharao schon bessergegangen, wie du sehr wohl weißt. Mein Mund tut weh, mein Kopf tut weh, mein Rücken tut weh. Den ganzen Tag haben die Zauberer vor der Tür geleiert, und ich habe sie ertragen, weil ich es Ägypten schuldig bin, nichts unversucht zu lassen, was mir Heilung bringen könnte. Aber diese Narren singen, um den Klang ihrer eigenen Stimme zu hören. Schließlich sind sie fortgegangen, um ihr wohlverdientes Bier zu trinken und ihre Schriftrollen nach Zaubersprüchen zu durchstöbern. Glaubst du, ich habe einen Dämon im Leib, Teje?»

«Du hast dein ganzes Leben lang einen Dämon im Leib gehabt, mein Gemahl», entgegnete sie. «Das weißt du genau. Ist das Wein dort in dem Krug?»

«Nein, es ist Mandragora-Tee, schwarz und abscheulich schmeckend. Ich habe ihn mir selbst verordnet. Ich habe entdeckt, daß er nicht nur die Potenz steigert – was jeder zwölfjährige Junge weiß –, sondern er lindert überraschenderweise auch meine Schmerzen.» Er blinzelte ihr verschmitzt zu, und sie lachten beide.

«Prinzessin Taduchipa bringt Ischtar aus Mitanni mit, damit sie dich kuriert», sagte Teje leichthin. «Die Göttin hat dir schon einmal geholfen, erinnerst du dich? Tuschratta war sehr zufrieden.»

«Freilich war dieser habgierige König aus Mitanni zufrieden. Ich habe ihm seine kostbare Ischtar mit Gold überzogen zurückgeschickt, und einen Haufen Goldbarren dazu. Jetzt mache ich ihn wieder reich, diesmal für seine Tochter. Ich hoffe, sie ist all die Kosten wert.» Er zog seinen Fuß aus den Händen des Sklaven. «Das Henna ist trocken, und die andere Sohle ist fertig. Geh! Du auch!» rief er dem Lampenputzer zu. Als sie hinausgegangen waren und die Tür sich lautlos hinter ihnen geschlossen hatte, wurde Amenhotep ernst. «Nun, meine Teje, was hast du auf dem Herzen? Du bist doch nicht gekommen, um einen fetten alten Gott mit verfaulten Zähnen zu lieben.»

Sie unterdrückte rasch die Besorgnis, die sie jedesmal empfand, wenn er so sprach. Er war scharfsinnig und nüchtern, dieser Mann, und er fand ein erbarmungsloses Vergnügen an jeder menschlichen Schwäche, selbst seiner eigenen; er war sich besser als jeder andere der Ironie bewußt, die in dieser Beschreibung seiner Person lag. Denn in Soleb, in Nubien, huldigten ihm seine Priester Tag und Nacht mit Weihrauch und Gesängen, und tausend Kerzen brannten vor einer Kolossalstatue von Amenhotep, dem lebendigen Gott, einer Gestalt, die weder alterte noch erkrankte.

«Ich möchte unter vier Augen mit dir sprechen, Horus.» Sie deutete auf den Jungen. «Bitte, schick ihn fort.»

Amenhotep zog die Brauen hoch. Er hob sich aus dem Stuhl, ging mit überraschender Behendigkeit zum Bett, schlug das Laken zurück und strich sanft über die nackte Seite des schlafenden Knaben. «Wach auf und geh», sagte er. «Die Königin ist hier.»

Der Junge stöhnte, drehte sich auf den Rücken und öffnete die dunklen, kajalumrandeten Augen. Als er Teje sah, schwang er die Füße von Pharaos Bett, stand auf, beugte das Knie und ging wortlos hinaus.

«Er ist älter, als er aussieht», bemerkte Amenhotep gelassen. «Er ist dreizehn.»

Teje setzte sich auf den Rand des Betts und musterte ihn kühl. «Nichtsdestoweniger weißt du sehr wohl, daß es verboten ist. Von allen alten Gesetzen ist dies das strengste, und der Mann, der solch einen Fluch über sein Haus bringt, wird mit dem Tode bestraft; sowohl er als auch sein Geliebter.»

Amenhotep zuckte die Achseln. «Ich bin heute das Gesetz. Außerdem, Teje, wie kann dieses kleine Vergehen dir Sorgen bereiten? Wir zwei, du und ich, haben gemeinsam jedes Gesetz des Reiches gebrochen.»

Einschließlich desjenigen gegen Mord, dachte Teje bei sich. Laut sagte sie: «Es ist der abergläubische Klatsch, der mir Sorgen macht. Deine Unersättlichkeit ist allgemein bekannt, und die Gerüchte haben über die Jahre hinweg nur dazu gedient, deinen Untertanen und ausländischen Vasallen Respekt einzuflößen. Aber dies … dies wird nur häßliches Geflüster mit sich bringen, das Betasten von Amuletten, Feindseligkeiten gegen dich, wo es bisher nur Verehrung und Furcht gegeben hat.»

«Ich mache mir nichts daraus, nicht das geringste. Warum sollte ich? Ich bin der mächtigste Gott, den die Welt je gesehen hat. Ich spreche, und die Menschen leben oder sterben. Ich tue, was mir beliebt. Und du, die Große unter den beiden Federn, Herrin mit unbegrenzter Macht, du Sphinx mit Brüsten und Krallen, warum runzelst du die Stirn über diese kleine Schwäche?»

«Ich runzle weder die Stirn, noch lächle ich. Ich berichte dir lediglich über die Stimmung deines Volkes. Vielleicht machen die Höflinge sich nichts daraus, aber alle anderen sehr wohl.»

«Dann soll Sebek sie holen!» Er ließ sich auf das Bett sinken und lehnte sich schweratmend zurück. «Ich habe dich nach dem Bild des Mannes geschaffen, der ich hätte sein können. Ich wollte nicht dieser Mann sein. Du regierst, während ich mich damit zufriedengebe zu suchen – nun, was immer es ist, wonach ich noch dürste und was ich noch nicht gefunden habe. Unsterblichkeit in einem Krug Wein vielleicht. Die latente Fruchtbarkeit im Körper einer Frau. Den Kern meiner eigenen Männlichkeit in diesem Jungen. Die Götter haben es nicht, und auch Ägypten hat es nicht. Was auch immer es ist.»

«Ich weiß», sagte sie leise, und einen Augenblick lang erwiderte er ihr Lächeln. Sie sahen sich an mit einem ruhigen, vertraulichen Blick, der aus Jahren des vollkommenen gegenseitigen Verstehens geboren war, und Teje ließ alles unbeachtet, außer dem unberechenbaren Mann hinter dem verwüsteten Körper, ein Mann, den sie immer lieben würde. Sie seufzte, reichte ihm den Becher mit Mandragora-Saft und wog in den Sekunden, die diese kleine Geste ihr gab, sorgsam ihre nächsten Worte ab.

«Der Sohn des Hapu ist seit langem tot», sagte sie.

Er trank, schnitt eine Grimasse, dann fing er an zu lachen. «Der einzige Tod, der mich je erschüttert hat. Er war schon so alt, als ich den Thron bestieg, daß ich glaubte, er habe die Götter gezwungen, ihm Unsterblichkeit zu verleihen. Ihr Zauber hatte ihn vor der meinen schon durch zwei Regierungen hindurch erhalten. Seit dem Beginn Ägyptens hatte kein Wahrsager solche Visionen, solche Träume.»

«Er war ein Bauer aus einer armseligen Hütte im Delta. Er hatte kein Recht, über solch gewichtige Fragen wie die Thronfolge zu entscheiden.»

«Warum nicht? Als Orakel der Sphinx und Sprachrohr Amuns war er ebenso befugt wie jeder andere. Und seine Weissagungen sind fast achtzig Jahre lang in Erfüllung gegangen.»

«Alle außer einer, Amenhotep.»

Pharaos Mund wurde schmal, und er bewegte sich ruhelos auf den verdorrten Blättern, den welkenden Blumen. «Solange ich lebe, bin ich weiterhin in Gefahr; deshalb, noch ehe du fragst, nein, ich werde diesen Jungen nicht freilassen.»

«Warum kannst du ihn nicht deinen Sohn nennen?»

«Mein Sohn ist tot», sagte er kurz angebunden. «Thutmosis der Jäger, der tapfere Prinz, der es wie kein anderer verstand, den Krummsäbel zu schwingen. Vor neun Jahren hat das Wagenrad, das brach und ihn in den Tod schleuderte, die direkte Thronfolge in Ägypten zunichte gemacht.»

«Du bist ein störrischer Mann, der immer noch von dem träumt, was hätte sein können», zwang sie sich zu erwidern; sie wußte, daß er mit Verachtung auf jegliche Spur von Erregung in ihrer Stimme reagieren würde. «Es sieht dir nicht ähnlich, einen Groll gegen das Schicksal zu hegen. Oder ist es ein Groll gegen den Sohn des Hapu, weil er es versäumt hat, Thutmosis’ Tod vorauszusagen?» Sie beugte sich zu ihm hinüber. «Amenhotep, warum hat dein Schmerz nicht nachgelassen? Warum kannst du nicht zugeben, daß der junge Mann im Harem dein und mein Sohn ist, der letzte unseres Stammes, und daher berechtigt, bei deinem Tod den Thron Ägyptens zu besteigen?»

Amenhotep umschloß den Mandragora-Becher mit beiden Händen und wich ihrem Blick aus. «Ich wollte ihn töten, als das Orakel mir sagte, was es im Anubisbecher sah. Jener Tag hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt, Teje. Ich kann immer noch die feuchten Lotosblüten riechen, die gepflückt und unter meinen Thron gelegt worden waren, und den Sohn des Hapu sehen, wie er, das glitzernde Horusauge auf der Brust, dort zu meinen Füßen stand. Ich hatte Angst. Der Sohn des Hapu selbst riet mir, das Kind erwürgen zu lassen, und ich hatte in der Tat bereits den Befehl gegeben, da hielt mich irgend etwas zurück. Vielleicht fühlte ich mich nicht genügend bedroht. Wie kann dieser Sohn, dieses drei Tage alte winzige Würmchen, mir etwas antun? sagte ich mir. ‹Ich habe zweimal in den Becher geblickt und die Vorzeichen gedeutet›, wandte Hapu ein. ‹Es besteht kein Zweifel. Er wird heranwachsen und dich ermorden, o Mächtiger Stier …›» Amenhotep befühlte vorsichtig seine geschwollenen Wangen und zuckte zusammen. «Aber ich gab nach. Ich sperrte ihn statt dessen in den Harem.»

«Wo er sicher aufgehoben war, aber nur bis zu Thutmosis’ Tod.»

Amenhotep zog die Augenbrauen hoch. Er stellte den Becher wieder auf den Tisch und schwang die Beine über den Rand des Bettes. Teje fühlte, wie sich sein weicher Schenkel an den ihren legte. «Ich wußte, daß du es warst, die den Anschlag verhindert hat», flüsterte er. «Aber sosehr sie sich auch bemühten, meine Spione konnten nie ganz sicher sein. Ebenso wie ich nie mit Sicherheit feststellen konnte, daß du es warst, die Nebetnuhe vergiftet hat.»

Teje zuckte nicht mit der Wimper. «Ich verstand deine Panik, als Thutmosis starb», sagte sie so sachlich, wie sie konnte. «Du hast dir vom Sohn des Hapu einreden lassen, daß es ein mit Vorbedacht geplanter Anschlag von seiten eines zehnjährigen Jungen war, der niemals den Harem verlassen hatte, dessen Wächter jede Woche gewechselt wurden, und dem man niemals gestattet hatte, auch nur einen einzigen männlichen Freund zu haben. Aber es gab keine Verschwörung. Der Sohn des Hapu wollte lediglich seine Macht über dich geltend machen.»

«Nein. Er wollte mich nur überreden, endlich zu tun, wozu ich vorher zu schwach gewesen war.»

Teje legte den Kopf an seinen Arm. «Wenn du deinen Sohn wirklich hättest töten wollen, so hättest du es immer wieder versucht, bis es dir gelungen wäre. Aber ganz gleich, wie sehr du den Jungen verachtest, tief in deinem Herzen, o Gott Ägyptens, erkennst du dein eigen Fleisch und Blut. Er wird König werden, wenn dein Ende kommt, und ich würde es lieber sehen, daß du ihn jetzt zum Kronprinzen ausrufst und ihn seine Zeit in Memphis abdienen läßt, statt daß ich später den Kampf über mich ergehen lassen muß, der kommen wird, wenn du ohne offiziellen Erben stirbst. Wäre er mit seiner Schwester verheiratet worden, sobald Thutmosis begraben war, so würde der Übergang bei deinem Tod glatt vor sich gehen, und ich könnte jetzt beruhigt sein.»

Er saß regungslos da. Nur sein schweres, mühsames Atmen durchbrach die dumpfe Stille des Raumes. Irgendwo im Halbdunkel knisterte eine Lampe und ging aus, und der süßliche Geruch von parfümiertem Öl verstärkte sich. «Aber ich wollte Sitamun für mich. Und ich nahm sie. Thutmosis hatte seine Schwester gut geschult, und sie war mit sechzehn ein Preis, zu köstlich, um ihm zu widerstehen.»

«Aber jetzt ist keine unverheiratete Königstochter mehr übrig, und nur ein Sohn. Und deine Tage sind gezählt.»

Er streckte die Hand aus und streichelte ihre Wange. «Ich habe dich gelehrt, jeden außer mir unbekümmert anzulügen», murmelte er. «Jetzt finde ich deine Ehrlichkeit erschreckend. Aber ich gebe mich keinen Illusionen hin. Angenommen, ich befehle, diesen … diesen Schwächling, den ich gezeugt habe, freizulassen, und er nutzt tatsächlich seine Freiheit aus, mich zu töten?»

Teje beschloß, alles auf eine Karte zu setzen. «Dann hättest du die Befriedigung zu wissen, daß das Orakel recht gehabt hat, obgleich ich mir nicht vorstellen kann, daß solch ein sanfter, harmloser junger Mann wie dein Sohn jemals an Mord denken könnte, ganz zu schweigen von Mord an seinem eigenen Vater. Und außerdem, mein Gemahl, was wäre, wenn der Prinz es durch irgendeinen unglückseligen Zufall tatsächlich fertigbrächte, dich zu töten? Die Götter würden dich lediglich ein wenig früher in der Barke des Rê willkommen heißen. Dein Sohn wird Pharao, was auch immer du tust.»

«Es sei denn, ich lasse ihn sofort hinrichten und mache damit diesen Streitereien ein für allemal ein Ende.»

Er sprach in gleichgültigem Ton. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck höflicher Gelassenheit angenommen, und Teje wußte nicht, ob er zornig war oder sie einfach mit einer Erinnerung an seine Allmacht verspottete.

«Gut», sagte sie munter, obwohl sie spürte, daß ihre Hände plötzlich eiskalt geworden waren. «Sprich das pharaonische Wort, Majestät. Ich werde selbst dafür sorgen, daß der Befehl ausgeführt wird. Ich bin ein treuer Untertan. Ich weiß zu gehorchen. Und dann, wenn du deinerseits stirbst, werde ich mich mit gutem Gewissen und dem Bewußtsein, meine Pflicht getan zu haben, auf meine Privatgüter zurückziehen. Was macht es aus, wenn die Regelung der Thronfolge geringeren Männern überlassen bleibt, die in ihrem Kampf um den Horusthron Ägypten mit Blut tränken werden? Mir wird es gewiß nichts ausmachen, daß der Mächtige Stier keine königliche Saat hinterlassen hat!»

Er sah sie lange Zeit aufmerksam an, dann nickte er nachdenklich. «Das entscheidende Argument», murmelte er, «und siehe da, meine anmaßende Teje, ich bin jetzt bereit, auf dich zu hören. Drück mein Gesicht nicht länger in das bittere Gemisch meines Stolzes und meines Verlusts. Mit Thutmosis’ Tod haben die Götter einen hohen Preis für den Reichtum und die Macht gefordert, die ich mein ganzes Leben besessen habe.» Er lächelte schwach. «Sie sollten für mich in der königlichen Schatzkammer arbeiten. Ich gebe nach. Laß ihn auf freien Fuß setzen. Ich habe alles getan, alles gehabt, und ob ich durch Krankheit oder den Dolch eines Mörders ausgelöscht werde, ich muß auf jeden Fall sterben. Zumindest kann ich dir den Ärger einer Meute von Schakalen ersparen, die dich umringen und dir ins Gesicht bellen, wenn ich ohne offiziellen Erben sterbe. Aber bilde dir nicht ein, daß du ihm Sitamun geben kannst. Ich brauche sie.»

Schwach vor Erleichterung platzte Teje heraus. «Ich dachte an Nofretête.»

Er warf den Kopf zurück und lachte laut. Dann drehte er sich um, griff nach ihrem Hals, knetete und drückte ihn. Die goldene Kette, an der das Pektoral der Sphinx hing, preßte sich schmerzhaft in ihre Haut, aber sie wußte, daß sie weder Furcht zeigen noch sich widersetzen durfte. «Eine Familientradition», stieß er keuchend hervor, ohne seinen Griff zu lockern. «Wieder einmal sicherst du den Thron zugunsten einer Schar von Abenteurern aus Mitanni. Denn das ist es, was ihr seid, allesamt. Ihr dient treu der Krone, habt jegliche Belohnung verdient, aber mögen die Götter sich des Pharaos erbarmen, der euch in die Quere kommt.»

«Meine Familie hat Ägypten drei Generationen lang selbstlos gedient, Horus. Du bist ungerecht», sagte sie mit erstickter Stimme. «Mein Vater hat dich nicht gezwungen, mich zur großen Königsgemahlin zu machen. Er hatte nicht diese Art von Macht. Du hast mich selbst zur Göttlichkeit erhoben.»

Er ließ sie plötzlich los, und sie versuchte, behutsam wieder Luft zu holen. «Ich habe Yuya geliebt. Ich habe ihm vertraut. Auch dich liebe ich und vertraue dir, Teje. Es ist der Schmerz. Manchmal kann ich ihn nicht ertragen. Kassiamark, Nelkenöl, die Mandragora, nichts hilft wirklich.»

«Ich weiß», sagte sie, während sie aufstand und sich zwischen seine Beine stellte. «Es gibt nur dies.» Sie legte die Hände auf seine Schultern, beugte sich hinunter und küßte ihn. Er seufzte leise und zog sie auf seine Knie. Bald löste sich sein Mund von dem ihren, um ihre bemalte Brustwarze zu suchen. So vieles hat sich geändert, Amenhotep, aber dieses nicht, sagte sie im stillen, während sie regungslos in seinen Armen lag. Trotz allem liebe und verehre ich dich immer noch. «Nofretête?» flüsterte sie, dann schrie sie leise auf, als er sie biß. «Wenn du willst», erwiderte er mit einem leisen Lachen. Er zog ihr die Perücke vom Kopf und vergrub beide Hände in ihren eigenen langen Haaren.

 

Er schlief ruhig und friedlich, für ein paar Stunden frei von Schmerzen, als sie ihn kurz vor dem Morgengrauen verließ. Sie wollte bleiben und ihm leise etwas vorsingen, ihn in die Arme schließen und ihn wiegen, aber statt dessen hob sie ihre Perücke auf, legte die Kette mit der Sphinx um den Hals, ging hinaus und schloß leise die Tür hinter sich. Surero und ihr Herold schliefen, der eine vornübergeneigt auf dem Schemel, der andere gegen die Wand gelehnt. Die Fackeln, die den langen Korridor säumten, waren ausgegangen, und die Wachen hatten gewechselt; die neuen Gesichter waren schwer vor Müdigkeit, aber mit wachsamen Augen. In die kurzlebige Kühle der Sommernacht drang ein schwaches graues Licht. Teje hatte gerade den Fuß gehoben, um ihren Herold zu wecken, da hörte sie eine Bewegung und drehte sich um.

Sitamun war auf den Korridor getreten und stand, in weißes Leinen gehüllt, einen hauchdünnen, plissierten Umhang um die schmalen Schultern, unschlüssig da. Sie war ohne Perücke, ihre eigenen braunen Locken umrahmten ihr Gesicht, und ein silbernes Diadem schmückte ihre Stirn. Amulette aus Silber umschlossen ihre Arme, und silberne Skarabäen und Sphinxe hingen auf ihrer Brust. Teje, erschöpft und gesättigt, hatte den erschreckenden Eindruck, daß sie über die Jahre hinweg auf ein Bild ihrer selbst zurückblickte, und eine Sekunde lang war sie gelähmt vor Angst und schmerzhafter Sehnsucht nach dem, was gewesen war, was nie wieder kommen würde. Dann ging sie auf ihre Tochter zu. «Er braucht dich heute nacht nicht, Sitamun», rief sie, und beim Klang ihrer Stimme stand ihr Herold hastig auf. «Er schläft jetzt.»

Als sie Eifersucht und Enttäuschung über das Gesicht ihrer Tochter ziehen sah, unterdrückte Teje rasch ein Gefühl von rein weiblichem Triumph. Es ist meiner nicht würdig, daß ich Vergnügen daran finde, Sitamun entgegenzuarbeiten, sagte sie sich reumütig, während die junge Frau zögernd dastand. Solch eine Kleinlichkeit paßt zu alternden Konkubinen in großen Harems, nicht zu einer Großen Königsgemahlin. Sie lächelte liebevoll. Sitamun reagierte nicht. Nach einer Weile verneigte sie sich steif und verschwand im schläfrigen Halbdunkel.

Wieder in ihren Gemächern angelangt, aß Teje zur Musik der Lauten- und Harfenspieler, die sie jeden Morgen weckte, und dann schickte sie nach Neb-Amun. Er hatte darauf gewartet, daß sie ihn rief, und kam sofort, ein rundlicher, leichtfüßiger Mann in einem langen Schreibergewand, den Kopf kahl geschoren, das Gesicht tadellos geschminkt. Er legte seine Schriftrollen nieder und verneigte sich mit ausgestreckten Armen.

«Ich grüße dich, Neb-Amun», sagte sie. «Es ist zu heiß, dich auf meinem Thron zu empfangen; deshalb werde ich mich niederlegen.» Sie tat es und legte den Nacken auf die kühle Rundung ihrer Kopfstütze aus Elfenbein, während Piha sie mit einem Laken zudeckte und ihr Fächerträger anfing, die blauen Federn über ihr hin und her zu bewegen. «Ich werde auch die Augen schließen, aber meine Ohren bleiben offen. Setz dich.»

Er setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett, und Piha zog sich in ihre Ecke zurück. «Es gibt nicht viel, was deiner Aufmerksamkeit bedarf, Majestät», sagte Neb-Amun, während er seine Papiere durchsah. «Aus Arzana die üblichen Beschwerden über die Chattis, und natürlich ein Brief von den Chattis, die gegen einen Raubzug Arzanas über die gemeinsame Grenze protestieren. Das kann ich selbst beantworten. Aus Karduniasch nach den üblichen Grüßen eine Bitte um mehr Gold. Ich rate dem Großen Horus, ihnen nichts mehr zu schicken. Sie haben bereits viel von uns erhalten, und hinter ihren Forderungen stehen verschleierte Drohungen, daß sie Verträge entweder mit den Kassiten oder den Assyrern schließen werden, wenn Pharao ihnen nicht auch weiterhin seine Freundschaft beweist.»

«Pharao wird Vorkehrungen für Heeresmanöver im Osten treffen», murmelte Teje. «Das müßte genügen. Gibt es irgend etwas aus Mitanni?»

«Ja. Tuschratta hält die Mitgift zurück, bis die Stadt Misrianne offiziell ihm gehört, das heißt, bis ihn die Schriftrolle mit der Bestätigung seines Eigentumsrechts erreicht. Er hat das Gold und Silber erhalten. Prinzessin Taduchipa ist in Memphis eingetroffen. Die Nachricht kam heute morgen.»

Tejes Augen öffneten sich weit, dann schlossen sie sich wieder. «Also wird es tatsächlich einen Zuwachs zum Harem geben», murmelte sie. «Nach all dem Feilschen und der Entführung von Gesandten, den leeren Versprechungen und Beleidigungen ist die kleine Taduchipa in Ägypten.» Ich möchte Mitanni nur einmal sehen, dachte sie plötzlich. Die Heimat meiner Vorfahren. Wer weiß, vielleicht ist dieser neue König, Tuschratta, ein entfernter Verwandter von mir. Wie seltsam! «Gibt es sonst noch etwas?»

Neb-Amun schwieg einen Augenblick, dann sagte er: «Es gibt noch keine offizielle Bestätigung, Majestät, aber es heißt, daß ein neuer Prinz im Land der Chattis aufgetaucht sei, der die Leute um sich schart. Es scheint, daß die Chattis sich am Ende doch von der Plünderung von Hattusa erholen werden.»

«Vielleicht, obgleich ein Feind, der bis zur Hauptstadt eines Landes vordringen kann, vermutlich nicht leicht zurückzuschlagen ist. Besonders wenn er heimlich mit Waffen und Lebensmitteln versorgt wird.» Teje wandte den Kopf und sah Neb-Amun an. Sie runzelte die Stirn. «Wir wissen, daß Tuschratta sich das Chaos unter den Chattis zunutze gemacht hat, um seine eigene Position zu stärken, indem er den aufständischen Vasallenstaaten der Chattis half. Das Gleichgewicht der Macht zwischen Mitanni, Ägypten und den Chattis war prekär, und jetzt ist es gestört.»

«Chatti ist jetzt sehr schwach.»

«Und ein schwaches Chatti bedeutet ein viel stärkeres Mitanni. Wir müssen die Situation sorgfältig beobachten. Wir können nicht zulassen, daß Mitanni zu stark wird, aber wir dürfen auch die Chattis nicht zu anmaßend werden lassen. Haben wir Verträge mit den Chattis?»

Neb-Amun nickte. «Ja, aber sie sind alt.»

«Nun, wir können sie, wenn nötig, wieder hervorholen. Weiß man irgend etwas Näheres über diesen Prinzen? Wie heißt er?»

«Die Wüstenpolizei sagt, er sei jung und kraftvoll und verwegen genug, die Risiken einzugehen, die notwendig sind, um Herrscher über Chatti zu werden. Er hat eine Palastrevolte siegreich beendet, Majestät. Er heißt Suppiluliuma.»

Teje lachte. «Ein Barbar! Ägypten wird, wenn nötig, leicht mit ihm fertig werden. Natürlich auf diplomatischem Weg. Was noch?»

Es gab wenig anderes an diesem Tag. Eine Schiffsladung aus Alaschia, neue Ochsen aus Asien, Gold aus den nubischen Minen und eine Sendung Vasen aus Keftiu. «Schick mir eine. Ich möchte die Qualität sehen», sagte Teje. «Du kannst jetzt gehen, Neb-Amun. Pharao wird sich um das Versiegeln der Schriftrollen kümmern.» Er nahm sofort seine Papiere auf und ging in gebückter Haltung rückwärts hinaus.

Nachdem Teje gebadet und in frisches Leinen gekleidet war, schickte sie nach einem Herold. «Ruf meine Wache. Wir gehen in den Harem.»

Sie kamen unter dem hohen Dach der Terrasse des Palasts heraus, Teje mit Soldaten vor und hinter sich, ihre Fächer- und Wedelträger zu beiden Seiten. Trotz der frühen Stunde wimmelte es im Vorhof bereits von Kindern, die in den Wasserbecken planschten. Sklaven und Diener, die Teje vorbeigehen sahen, warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Auf dem breiten, gepflasterten Platz, der zu Amenhoteps öffentlichem Audienzsaal führte, drängten sich die Angehörigen der ausländischen Gesandtschaften, deren Unterkünfte auf dem Palastgelände lagen und die geduldig den Zeitpunkt abwarteten, wo Pharao oder seine Minister sie empfangen würden. Auch sie vernahmen den Ruf des Herolds und verneigten sich ehrfurchtsvoll, als Teje durch ihre Mitte schritt. Sobald sich die streng bewachte Tür zwischen dem öffentlichen Bereich und den Stufen des Harems geschlossen hatte, ließ der Lärm nach. Als die kleine Gruppe unter dem mit Säulen geschmückten Eingang nach links zu den Frauengemächern abbog, kam Cheruef, Tejes oberster Haushofmeister und Hüter der Haremstür, auf sie zu; sein kurzer Leinenschurz flatterte in dem Zugwind, der durch die offene Gartentür an der Rückseite des Gebäudes drang. Teje hielt ihm die Hand hin.

«Du wirst neue Räumlichkeiten herrichten und weitere Sklaven kaufen müssen», sagte sie, während er ihre Fingerspitzen küßte. «Die ausländische Prinzessin Taduchipa trifft binnen weniger Tage hier ein.»

Cheruef lächelte höflich. «Prinzessin Gilupchipa wird sich sehr freuen, Majestät. Seit der Ermordung ihres Vaters und dem Aufstieg ihres Bruders zur Macht hat sie verzweifelt auf Nachricht aus Mitanni gewartet. Taduchipa ist ihre Nichte und wird einen Hauch von Vertrautheit in Gilupchipas Gemächer bringen.»

«Wenn ich bedenke, daß Gilupchipa schon fast so lange wie ich Königsgemahlin ist, scheint es mir unbegreiflich, daß sie sich immer noch nach den Unbequemlichkeiten und Gefahren eines unzivilisierten Landes sehnt», bemerkte Teje trocken. «Aber ich will nicht über Pharaos Mitanni-Frauen sprechen. Ich bin gekommen, um den Prinzen zu besuchen.»

«Er ist gerade aufgestanden und ist unten am See, Majestät.»

«Gut. Sorge dafür, daß wir nicht gestört werden.»

Als Cheruef fort war, ging Teje allein durch die köstliche Kühle des Korridors. Zu ihrer Rechten und Linken standen die Türen offen. Sie durchquerte die kleinen Empfangshallen, wo die Frauen ihre Verwalter und Familienangehörigen empfingen, und die kleineren, intimeren Räume, wo sie sich an Winterabenden um die flachen Kohlenpfannen scharten, um zu plaudern. Von dem breiten Hauptgang zweigten andere Korridore ab, die mit granitenen Statuen von Mut, Hathor, Sachmet und Ta-Urt gesäumt waren, den Göttinnen, vor denen die Frauen zu stehen pflegten, Weihrauch opferten und um Schönheit, Fruchtbarkeit, das Fortdauern ihrer Jugend und die Gesundheit ihrer Kinder beteten. Diese Korridore führten zu den Gemächern von Pharaos Ehefrauen, die in demselben Flügel tief im Inneren des Palasts wohnten. Die Konkubinen hatten ihre Räumlichkeiten in dem ausgedehnten Harem selbst, und als Teje dort hindurchging, spürte sie mit Unbehagen eine seltsam drückende Atmosphäre. Schrilles Lachen und Geschwätz hallten ringsum wider. Da klirrten bronzene Fußringe, klingelte silberner Schmuck, leuchtete gelbes, scharlachrotes und blaues Leinen auf und verschwand um eine Ecke herum. Irgendwo am Ende des Korridors, der zu den Kinderzimmern führte, weinte ein krankes Kind. Weihrauch wogte Teje plötzlich aus einer halbgeschlossenen Tür entgegen, und mit ihm kam der rhythmische Tonfall von ausländischen, vielleicht syrischen oder babylonischen Gebeten. Durch eine andere Tür sah sie einen nackten Körper mit ausgestreckten Armen und hörte den klagenden Ton einer Flöte.

Ich hasse den Harem, sagte sich Teje zum tausendstenmal, als sie ins blendende Sonnenlicht hinaustrat und auf den See der Frauen zuging. Die Monate, die ich als verängstigtes, entschlossenes Kind von zwölf, als eine Ehefrau wie all die anderen Ehefrauen hier verbracht habe, waren die frustrierendsten meines Lebens. Meine Mutter hier zu haben hat mir auch nicht geholfen. Sie beherrschte die anderen Frauen, wie ein Divisionschef seine Truppen beherrscht, mit einer Peitsche und einem Fluch, und es ärgerte sie, mich frühmorgens nackt, ohne Schminke über diesen Rasen laufen zu sehen, während die anderen Frauen noch tief in ihren parfümierten Träumen lagen. Hätte Amenhotep sich nicht in mich verliebt, ich hätte Gift genommen.

Sie schob diese Gedanken beiseite, denn jetzt sah sie ihn, ihren letzten lebenden Sohn, der, von einem kleinen Sonnendach beschattet, mit gekreuzten Beinen auf einer Papyrusmatte am Rand des Sees saß. Er war allein und hockte regungslos da, die Hände im Schoß seines weißen Schurzes, die Augen auf das ständige weiße Flackern und Tanzen des Lichts auf den kleinen Wellen geheftet. Nicht weit von ihm warf eine Baumgruppe einen gesprenkelten Schatten, aber er hatte es vorgezogen, sich sein Schutzdach im grellen Sonnenlicht aufstellen zu lassen. Teje ging mit raschen Schritten auf ihn zu, aber erst im letzten Augenblick hob er die Augen und sah sie. Er stand auf, warf sich aufs Gras, dann nahm er wieder seine frühere Stellung ein.

Teje ließ sich mit einer anmutigen Bewegung neben ihm nieder. Er sah sie nicht an, sondern schien völlig in sich selbst versunken zu sein, während seine Augen weiterhin auf die Oberfläche des Wassers blickten. Wie immer, wenn sie ihn besuchte, überkam sie auch diesmal ein Gefühl der Verwirrung und Unsicherheit. Sie hatte ihn sich noch nie anders als passiv verhalten sehen, aber sie konnte nach den neunzehn Jahren seines Lebens immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob seine Selbstbeherrschung Ausdruck einer überragenden Arroganz war, ein stoisches Sichabfinden mit seinem Schicksal oder das Merkmal eines arglosen Menschen. Sie wußte, daß die Haremsfrauen ihn mit einer Mischung aus Zuneigung und Geringschätzung behandelten, wie einen unerwünschten jungen Hund, und sie hatte sich im Laufe der Jahre mehr als einmal gefragt, ob ihr Mann wohl wußte, wie verderblich solch ein Einfluß auf die Dauer für den jungen Mann sein konnte. Aber natürlich wußte er es. Die Entwürdigung von Menschen war für ihn ein gut geplantes, vertrautes Verfahren.

«Amenhotep?»

Er wandte ihr langsam seine sanften, klaren Augen zu, und seine dicken Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das für einen Augenblick die abfallende Linie seines vorspringenden, unnatürlich langen Kinns ein wenig verkürzte. Er war kein gutaussehender Mann. Nur seine schmale, leicht gebogene Nase bewahrte ihn vor absoluter Häßlichkeit.

«Mutter? Du siehst müde aus. Alle sehen heute müde aus. Das macht die Hitze.» Seine Stimme war hoch und hell wie die eines Kindes.

Sie wollte nicht unnötig schwatzen, aber sie war vorübergehend beeindruckt von der Nachricht, die sie ihm brachte, daß sie nicht die richtigen Worte fand, um es ihm sanft beizubringen. Nach kurzem Zögern sagte sie: «Jahrelang habe ich davon geträumt, dir dies zu sagen. Ich möchte, daß du deinen Haushofmeister und deine Diener beauftragst, alles einzupacken, was du mitnehmen willst. Du verläßt den Harem.»

Das Lächeln verschwand nicht, aber die langen braunen Finger, die auf dem schimmernden Leinen lagen, strafften sich. «Wohin gehe ich?»

«Nach Memphis. Du sollst zum Hohenpriester des Ptah ernannt werden.»

«Ist Pharao tot?» Der Ton war fragend, weiter nichts.

«Nein. Aber er ist krank und weiß, daß er dich zu seinem Erben ernennen muß. Ein Thronfolger dient immer als Hoherpriester in Memphis.»

«Dann liegt er im Sterben.» Er wandte den Blick von ihr ab und sah zum Himmel empor. «Memphis liegt nah bei On, nicht wahr?»

«Ja, ganz nah. Und du wirst die mächtigen Gräber der Vorfahren sehen und die Stadt der Toten in Sakkara, und Memphis selbst ist wundervoll. Du wirst in Pharaos Sommerpalast wohnen. Gefällt dir das?»

«Ja, natürlich. Kann ich meine Musiker und meine Tiere mitnehmen?»

«Alles, was du willst.» Teje war ein wenig enttäuscht über seine schwache Reaktion und sagte sich, daß er vermutlich noch nicht ganz begriffen hatte, wie drastisch sich seine Lage ändern würde. «Ich schlage vor, du räumst deine Gemächer hier», fuhr sie lebhaft fort. «Du wirst nicht dorthin zurückkehren. Im übrigen wirst du als angehender Horus heiraten müssen, und du kannst schwerlich von einer künftigen Königin von Ägypten erwarten, daß sie etwas Geringeres als einen eigenen Palast bewohnt.»

Sie hatte ihn zum erstenmal beeindruckt. Sein Kopf fuhr herum, und eine flüchtige Sekunde lang sah sie einen Schimmer der Befriedigung in seinen Augen. «Werde ich Sitamun bekommen?»

«Nein. Pharao fordert das Recht, sie zu behalten.»

«Aber sie ist eine Schwester mit rein königlichem Blut.» Sein Mund war gespitzt, seine Stirn gerunzelt. Ist er froh oder enttäuscht, daß er sie nicht bekommen kann? fragte sich Teje. «Mein Sohn, die Zeiten, wo die Thronfolge nur einem Mann zustand, der rein königliches Geblüt heiratete, sind vorüber. Jetzt trifft entweder Pharao selbst oder das Orakel des Amun die Wahl.»

Amenhotep lächelte verächtlich. «Ich bin der letzte, den der Sohn des Hapu gewählt hätte. Ein Glück, daß er tot ist. Ich habe ihn gehaßt. Du bist es, Mutter, die Pharao diese Entscheidung aufgezwungen hat, nicht?» Er hob die Hände an den weißen Lederhelm, den er trug, und zog nachdenklich an seinen Flügeln. «Ich will Nofretête.»

Teje war überrascht. «Ich hatte auch an Nofretête gedacht. Sie ist deine Cousine, und sie wird eine gute Gemahlin abgeben.»

«Sie kommt mich manchmal besuchen und bringt mir die Paviane des Onkels. Sie ist für mich in die Bibliothek gegangen und hat mir Schriftrollen zum Studieren gebracht. Wir sprechen über die Götter.»

Nofretête ist schlauer, als ich angenommen hatte, dachte Teje bei sich. «Das war nett von ihr», sagte sie laut. «Du wirst ein Jahr in Memphis dienen. Danach wirst du nach Theben zurückkehren, heiraten und deinen eigenen Hofstaat gründen. Ich werde dir helfen, Amenhotep. Ich weiß, nach so vielen Jahren der Gefangenschaft wird es nicht leicht für dich sein.»

Er griff nach ihrer Hand und streichelte sie. «Ich liebe dich, meine Mutter. Dies verdanke ich dir.» Seine sanften Finger liebkosten ihr Handgelenk. «Wird Pharao mich sehen wollen, ehe ich fortgehe?»

«Ich glaube nicht. Sein Gesundheitszustand ist nicht gut.»

«Aber seine Angst vor mir ist lebendig genug! Nun gut. Wann gehe ich fort?»

«In ein paar Tagen.» Sie stand auf und er mit ihr. Einer plötzlichen Regung folgend, beugte sie sich vor und küßte ihn auf die glatte Wange. «Wird Prinz Amenhotep einen eigenen Harem begründen wollen?»

«Später einmal», erwiderte er ernst. «Aber ich werde mir meine Frauen selbst wählen, wenn ich soweit bin. Ich werde in Memphis sehr beschäftigt sein.»

«Dann verlasse ich dich jetzt, damit du deinen Dienern die nötigen Anweisungen geben kannst. Möge dein Name ewig leben, Amenhotep.»

Er verneigte sich. Als sie sich einen Augenblick später nach ihm umsah, stand er immer noch dort, wo sie ihn verlassen hatte, und sein Ausdruck war unergründlich.

 

Ehe Teje mit der offiziellen Tätigkeit des Nachmittags begann, sandte sie eine Botschaft an ihren Bruder Eje und bat ihn, seine eigenen Pflichten Gehilfen zu überlassen und zu Hause auf sie zu warten. Dann brachte sie so schnell wie möglich zwei Audienzen hinter sich, hörte sich den täglichen Bericht des Aufsehers der Königlichen Schatzkammer an und wies geistesabwesend das Obst zurück, das Piha ihr während einer kurzen Ruhepause anbot. Ihre Gedanken drehten sich um das wechselnde Geschick ihres Sohnes und die neue Last der Verantwortung, die seine Freiheit ihr aufbürden würde, und sie war begierig über all diese Dinge mit Eje zu sprechen. Noch ehe der letzte Minister unter Verbeugungen ihren Audienzraum verlassen hatte, war sie bereits von ihrem Thron aufgestanden und befahl, ihre Sänfte zu bringen.

Das Haus ihres Bruders lag eine Meile flußabwärts vom Palast. Eje wartete bereits auf sie, und als die Träger ihre Sänfte niederstellten und sie in den kühlen Schatten seines Gartens trat, kniete er im Gras nieder. «Bleibt am Tor, bis ich euch rufe», befahl sie ihren Dienern, dann ging sie auf Eje zu, um seinen Kuß auf ihre Füße zu empfangen, ehe sie sich auf den bereitstehenden Stuhl setzte. Eje nahm auf dem seinen Platz.

«Ich weiß, ich sehe müde aus.» Sie lächelte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. «Ich hatte letzte Nacht wenig Gelegenheit zu schlafen. Aber ich werde etwas von diesem verdünnten Wein trinken und mich hier bei dir ausruhen. Dieser Ort ändert sich nie, Eje. Das Haus wird mit Anmut alt, die Blumen, die ich als Kind geliebt habe, blühen immer noch, die Bäume sind so knorrig und krumm wie eh und je. Du und ich, wir haben hier in all diesen Jahren gemeinsam viele Probleme gelöst.»

Auf einen Wink von Eje füllte ein Diener Tejes Becher und zog sich zurück. «Darf ich aus deiner Munterkeit schließen, Majestät, daß du Pharao bei guter Laune angetroffen hast?» fragte er lächelnd.

Teje stellte den Becher wieder auf den Tisch und begegnete seinem Blick. «Es ist geschafft», sagte sie. «Er wird den Prinzen freilassen. Mein endgültiger Sieg über den Sohn des Hapu, möge Sebek seine Knochen zermalmen! Ich kann immer noch nicht glauben, daß er wirklich tot ist. Die meisten Höflinge waren überzeugt, daß er von den Göttern selbst erhalten werde und unsterblich sei.»

Eje nahm seinen mit Juwelen besetzten Wedel zur Hand und begann, nach den Fliegen zu schlagen, die über seiner feuchten Haut schwebten. «Wir beide haben oft genug die Möglichkeit erwogen, ihnen gewaltsam das Gegenteil zu beweisen», murmelte er trocken. «Wann wird Amenhotep freigelassen?»

«So bald wie möglich. Ich möchte, daß du ein Kommando deiner Soldaten von der Division des Ptah bereithältst, damit sie ihn nach Memphis begleiten, wenn ich dir Bescheid gebe. Es wäre wohl das beste, wenn Haremhab den Befehl übernimmt. Er ist jung, aber sehr tüchtig.»

«Er wird hocherfreut sein, nach Memphis zurückzukehren. Das wäre jeder. Theben ist ein stinkendes Loch voller Bettler, Bauern und Diebe. Zu dieser Zeit des Jahres zieht der Gestank von der anderen Seite des Flusses an meinen Sykomoren vorbei und läßt die Blumen welken. Gut, Teje, ich werde die Männer sorgsam auswählen. Ich bin sehr zufrieden. Die Welt wartet darauf, deinem Sohn zu huldigen.»

«Mögen die Götter ihm eine Entschädigung für die verlorenen Jahre gewähren», sagte sie leise. «Pharao ist auch bereit, den Ehevertrag zwischen Amenhotep und Nofretête zu besiegeln. Er will Sitamun nicht aufgeben. Das habe ich auch nicht erwartet, und es ist nicht wichtig. Ich habe meine Verpflichtung gegenüber der Familie erfüllt. Ich habe unseren Einfluß aufrechterhalten, und deine Tochter und mein Sohn werden das gleiche tun. Für die Brut eines Maryannu-Kriegers aus Mitanni, der von Osiris Thutmosis III. als Kriegsbeute nach Ägypten gebracht wurde, ist es uns nicht schlecht ergangen.»

Sie saßen eine Weile schweigend da. In den Tagen ihrer Kindheit, als man sie Pharao versprochen, aber noch nicht übergeben hatte, war Eje ihr Mentor gewesen, hatte sie gelehrt, was sie tragen mußte, was sie sagen mußte, wie sie das Interesse des Jungen wachhalten konnte, der ihr Gemahl werden sollte. Er sagte ihr, was der König gern hatte und was nicht, sprach zu ihr von seinen Schwächen, seinem Geschmack, was Frauen betraf, und erinnerte sie Tag und Nacht daran, daß sie nicht hoffen konnte, mit ihrem Körper allein einen Mann zu fesseln. Die Kette mußte aus Intelligenz und Humor, einem scharfen Geist und einem klugen Herzen geschmiedet sein. Als sie im Alter von zwölf schließlich vor Amenhotep stand, mit Perücke und geschminkt, hatte sie in seine schwarzen Augen geblickt und etwas darin entdeckt, was ihr Bruder nicht in seine Berechnungen mit einbezogen hatte: Sie hatten sich verliebt. Amenhotep hatte sie in den Rang der Großen Königsgemahlin erhoben, und nachdem er schon längst aufgehört hatte, nur sie allein in sein Bett zu nehmen, blieb das Band zwischen ihnen bestehen. Und sie hatte ihn nicht enttäuscht. Sie stammte aus einem robusten Geschlecht, erfüllt von einem Verlangen nach Macht und Herrschaft, das über Generationen hinweg nie nachgelassen hatte, so daß ihre Familie, Bürgerliche ohne einen Tropfen königlichen Blutes, es fertiggebracht hatte, seit der Zeit von Osiris Thutmosis III. zur wahren Macht hinter jedem Herrscher zu werden. Seither hatte die Familie jeden Pharao sorgfältig abgeschätzt, seine Stärken erprobt, seine Schwächen aufgewogen und ausgenutzt. Tejes eigener Vater war Verwalter des Wagenparks, Oberstallmeister und Erster Instruktor des jungen Amenhotep in der Kriegskunst gewesen, eine Aufgabe, die er dazu benutzte, den Jungen an sich zu binden. Ihre Mutter war eine Vertraute von Mutemwija, der Königin, gewesen und Erste Dame des Harems des Amun. Ländereien, Reichtum und Prestige hatten sich Jahr um Jahr vermehrt wie die Ablagerungen von fettem Nilschlamm, aber solche Privilegien konnten weggefegt werden, um sie alle zitternd im kalten Wind von Armut und königlicher Ungnade zurückzulassen. Deshalb wurde nichts als selbstverständlich angesehen, und jeder Schritt bedurfte einer sorgfältigen Prüfung.

«Nofretête ist mürrisch, ruhelos und sehr eigensinnig», sagte Eje nach einer Weile. «Aber niemand bemerkt ihre Fehler, weil sie so ungewöhnlich schön ist, und sie ist von allen verwöhnt worden, von ihren Kindermädchen und Erziehern bis zu meinen Kavallerieoffizieren. Ob sie auch ehrgeizig ist, bleibt abzuwarten. Sie wirft mir mit achtzehn vor, daß sie nicht schon verheiratet und Mutter ist.»

«Du kannst ihr sagen, daß sie bald beides sein wird. Sicherlich legt sie sich jetzt mit allen an, weil sie gelangweilt und beunruhigt ist. Sie wird im Palast sehr schnell Disziplin lernen.»

«Erwarte nicht zuviel», sagte Eje kurz angebunden. «Sie ist meine Tochter, und ich liebe sie, aber meine Liebe ist nicht blind. Vielleicht wenn ihre Mutter noch lebte, wenn ich nicht so beschäftigt gewesen wäre …»

«Es ist nicht wichtig», unterbrach Teje ihn. «Die Fehler einer Königin werden durch Schminke, Juwelen und das Protokoll verborgen.» Sie hob das feuchte, salzige Leinen von ihrer Haut und fing an, sich zu fächeln. «Wenn Isis nicht bald zu weinen beginnt, sterbe ich noch an dieser Hitze. Ich bin eine Göttin. Sicherlich kann ich einen Priester zu ihrem Schrein schicken, um ihr zu drohen.»

Das leise Klatschen von nackten Füßen auf den kühlen Fliesen der Terrasse unterbrach sie, und sie drehte sich um. Mutnodjme, Ejes jüngere Tochter und Nofretêtes Halbschwester, tauchte aus der Dunkelheit der Empfangshalle ihres Vaters auf und kam auf sie zugeschlendert. Sie war nackt, abgesehen von einem goldenen Reif um den Hals und einem scharlachroten Band, das aus ihrer Jugendlocke herabhing. In einer Hand hielt sie eine blaue Weintraube und in der anderen eine kleine Peitsche. Hinter ihr trippelten ihre zwei Zwerge, ebenfalls nackt, einer Handtücher hinter sich herziehend, der andere einen roten Straußenfächer. Sie blieben stehen, als sie die Königin sahen, und fingen an, erregt miteinander zu murmeln und Grimassen zu schneiden. Mutnodjme kam auf Teje zu und warf sich zu Boden, dann stand sie auf und gab Eje einen lässigen Kuß auf die Wange.

«Der Nachmittag ist weit fortgeschritten», schalt Teje, als sie die geschwollenen Lider und das gerötete Gesicht des Mädchens bemerkte. «Hast du den ganzen Morgen geschlafen?»

Mutnodjme hob die Trauben an die Lippen, biß hinein und wischte mit dem Rücken ihrer mit Henna gefärbten Hand den Saft aus den Mundwinkeln. «Es gab gestern abend eine Gesellschaft im Haus von Meje und Werel, und danach sind wir rudern gegangen, und danach haben wir Fackeln und Sänften genommen und sind durch Theben gestreift. Ehe ich wußte, was geschah, war das Morgengrauen da.» Sie kaute nachdenklich. «Die Huren auf der Straße der Bordelle haben angefangen, Halsketten aus vielen kleinen Tonringen in verschiedenen Farben zu tragen. Ich nehme an, das wird die nächste Mode bei Hof sein. Ich muß mir welche machen lassen. Geht es dir gut, Majestät Tante?»

«Ja, danke», sagte Teje, bemüht, ihre Belustigung zu verbergen.

«Dann hat Ägypten Glück. Ich gehe baden, ehe meine Haut in dieser Hitze zu Leder wird. Götter! Rê ist diesen Sommer erbarmungslos!» Sie warf den Rest der Trauben auf den Tisch, gab den Zwergen einen leichten Klaps mit der Peitsche und ging fort. Teje beobachtete, wie die Muskeln unter ihren geschwungenen Hüften spielten, als sie vom Schatten in den grellen Sonnenschein trat. Die Zwerge trotteten laut schwatzend hinter ihr her.

«Ich bemitleide den Mann, der diese hier heiratet», bemerkte Teje. «Er wird eine feste Hand haben müssen.»

«Sie sollte eigentlich schon verheiratet sein», erwiderte Eje. «Auf jeden Fall, wenn Nofretête den Erben heiratet, wird Mutnodjme dem Thron zu nahe sein, als daß man sie jemandem geben kann, dessen Treue der Familie gegenüber fraglich wäre. Ihre eigene Loyalität gilt jedem, der sie zu unterhalten versteht.»

«Haremhab wäre imstande, sie sehr gut im Zaum zu halten», sagte Teje nachdenklich. «Ich frage mich, ob man ihn veranlassen könnte, sie zu heiraten. Es widerstrebt mir, ihn zu zwingen. Er ist ein guter Kommandant, und er nimmt seine Bestechungsgelder nicht heimlich, sondern offen, wie es sich für einen Minister der Krone gehört.»

«Es wäre besser, sie in Reserve zu halten, bis Nofretête und der Prinz verheiratet sind», wandte Eje ein. «Da ist noch Sitamun, ich weiß, aber die läßt Pharao erst gehen, wenn er tot ist. Sie ist für ihn das Bindeglied zu Thutmosis, seinem Sohn, und zu seiner eigenen Vergangenheit.»

Teje bewunderte im stillen seinen Scharfsinn und seine Härte. «Du sprichst zu respektlos von meinem Gemahl», schalt sie ihn leise.

Er entschuldigte sich nicht. «Ich spreche ohne Bosheit von einer politischen Notwendigkeit», erwiderte er. «Wir wissen beide, wenn man es zuließe, daß der Prinz Sitamun an Stelle von Nofretête zur Hauptgemahlin macht, würde Sitamuns Eifersucht auf dich und ihr Mangel an politischem Scharfsinn dich nach Pharaos Tod in die einflußlose Stellung einer Königinwitwe verweisen. Sitamun würde dich nicht in die Nähe der Minister lassen und würde sich selbst auch nicht mit ihnen befassen. Wenn Amenhotep später seine Schwester heiraten will, soll er es tun, aber erst, wenn Nofretête die Hauptgemahlin ist.»

Sie schwiegen eine Weile, während Teje über seine Worte nachdachte. Sie und Eje hatten diese Frage schon oft erörtert, und es war ihr immer wie eine Geistesübung erschienen, ein Schutz gegen die Langeweile von brennendheißen Sommernachmittagen. Aber jetzt waren die Erwägungen nur allzu real und die Alternativen lebenswichtig. Sie beobachtete Ejes Paviane, die in dem trockenen Gras am anderen Ende des Gartens hockten. Sie gähnten, schwatzten lustlos miteinander, kratzten sich unter ihren mit Juwelen besetzten Halsbändern oder suchten sich gegenseitig das Fell nach Läusen ab.

Schließlich sagte Teje: «Falls Nofretête irgend etwas widerfahren sollte, ehe ein Heiratsvertrag besiegelt ist, würde ich lieber Mutnodjme als Sitamun an ihrer Stelle sehen. Aber wir werden abwarten und versuchen, uns keine Sorgen zu machen. Ich wünschte, du könntest sie überreden, ihre Jugendlocke zu entfernen und ihre Haare wachsen zu lassen. Sie ist jetzt schon seit vier Jahren eine junge Frau.»

Eje lächelte kläglich. «Ich habe den Kampf aufgegeben. Mutnodjme will anders sein. Es macht ihr Spaß, ihre Untergebenen zu schockieren und ihresgleichen in Staunen zu versetzen. Sie ist tonangebend in allem, was in Theben Mode ist.»

«Und solange sie sich mit Mode befaßt, wird sie keine gefährlicheren Spiele spielen.» Teje stand auf und klatschte in die Hände, und Eje sprang sofort ebenfalls auf. Eine Schar von Dienern strömte aus dem stillen Halbdunkel des Hauses. Teje nahm die Huldigung ihres Bruders entgegen und hielt ihm beide Hände zum Kuß hin. «Ich werde Cheruef zu dir schicken, wenn ich bereit bin. Möge dein Name ewig leben, Eje.»

«Auch der deine, Majestät.»

Trotz der Zuversicht, die ich nach außen hin immer gezeigt habe, habe ich nicht wirklich geglaubt, daß dieser Tag jemals kommen würde, dachte Teje bei sich, als sie zum Tor ging, wo ihre Sänftenträger aufstanden, um sich vor ihr zu verneigen. Amenhotep ist frei. Ägypten hat einen Kronprinzen, und das übrige sind Nebensächlichkeiten. Dies ist mein größter Sieg, und ich bin glücklich.

2

TEJES BEFEHLE WIRBELTEN WIE EIN WÜSTENWIND durch den Palast und die Kaserne, so daß ihr Sohn bereits drei Tage, nachdem sie ihm die Nachricht von seiner Freilassung überbracht hatte, mit der ganzen Prachtentfaltung, die einem Thronfolger gebührte, nach Memphis aufbrechen konnte. Während dieser drei Tage hatten die Männer, die den Wasserstand maßen, ein leises Ansteigen des Flusses gemeldet, und es war eine sowohl erleichterte als auch erregte Menge, die sich an der Anlegestelle des Palastes versammelte, um den Prinzen zu sehen, der wie ein lebendig gewordenes Gerücht unter ihnen erscheinen sollte. Teje saß, von dem mit Juwelen besetzten Sonnendach geschützt, auf ihrem Thron aus Ebenholz. Sitamun saß neben ihr. Sie war in Gelb gekleidet, und die Federkrone, die sie als Erste Gemahlin zu tragen berechtigt war, zitterte bei jedem Atemzug. Eje schritt unruhig auf und ab zwischen dem vergoldeten Boot ‹Aton glänzt› und den Soldaten, die schwitzend in Reih und Glied standen und darauf warteten, daß der Prinz an Bord ging. Mutnodjme, in weißes Leinen gehüllt und stark geschminkt, um sich gegen die Sonne zu schützen, schlug gelangweilt mit der Peitsche nach den Dattelpalmen über ihr, während ihre Zwerge, zu erhitzt, um sich zu streiten, keuchend zu ihren Füßen hockten.

Eine kleine Gruppe von Priestern aus Karnak, von Si-Mut, Amuns Zweitem Propheten angeführt, stand mit Weihrauch und Sistren bereit, um den Prinzen mit Gebeten zu verabschieden. Teje, die aus dem Augenwinkel auf das ernste, schweißbedeckte Gesicht von Si-Mut blickte, fühlte plötzlich eine schmerzhafte Sehnsucht nach ihrem Bruder Anen, der noch vor einem Jahr, ehe das Fieber ihn verzehrte, Amuns Zweiter Prophet gewesen war. «Gib mir den Wedel», befahl sie ihrem Wedelträger und begann gereizt nach den Fliegen zu schlagen, die über ihren feuchten Hals krochen und versuchten, das Salz um ihren Mund und ihre geschminkten Augen aufzusaugen.

Eje kam zu ihr und verneigte sich. «Majestät, ich habe Haremhab angewiesen, dem Prinzen sein Haus in Memphis zu öffnen, bis jeder Diener und Beamte dort im Palast untersucht worden ist. Es ist jetzt, da Pharao diesen Schritt offiziell verfügt hat, nicht sehr wahrscheinlich, aber es könnte doch immer noch Menschen geben, die ihm einen Gefallen tun wollen, indem sie versuchen, Amenhotep aus dem Weg zu räumen.»

«Oder er selbst könnte seinen Entschluß bereuen», erwiderte sie leise. «Ich werde keine Ruhe haben, bis das gesetzlich vorgeschriebene Jahr vorüber ist und ich meinen Sohn wieder hier in Malkatta unter meiner Aufsicht habe. Tritt zur Seite, Eje.»

Einem erregten Stimmengemurmel folgte tiefe Stille, als die Soldaten und ihr Schutzbefohlener sich näherten. Haremhab kam mit langen Schritten auf den Thron zu. Die silbernen Armreifen, die ihn als Kommandanten einer Hundertschaft auswiesen, blitzten bei jeder Bewegung, der blaue Helm, den er als Wagenlenker zu tragen berechtigt war, umrahmte ein edles Gesicht, das, obgleich jung, bereits von der frühen Reife gezeichnet war, die ihm die gewählte Laufbahn aufgezwungen hatte. Als Ejes Schützling war er dazu bestimmt, es im Heer und bei Hof weit zu bringen, und das wußte er; aber er hatte sich nicht auf die Gunst seines Mentors allein verlassen. Die Männer, die unter ihm dienten, hatten gelernt, daß seine Disziplin zwar streng, sein Urteil aber gerecht war. Er kniete nieder, um der Königin die Füße zu küssen.

«Du weißt, wie groß diesmal deine Verantwortung ist, Haremhab», sagte Teje, während sie ihm mit einem Wink bedeutete, daß er aufstehen sollte. «Ich erwarte deutliche und regelmäßige Berichte von dir.»

Er neigte den Kopf, erwiderte jedoch nichts.

Sie sah sich nach ihrem Sohn um, und als sie die Stufen hinunterstieg, um ihn zu umarmen, bemerkte sie zu ihrer Überraschung, daß Nofretête neben ihm stand, hochgewachsen und fraulich in einem gelben Gewand, die hüftlangen Locken ihrer Perücke mit Vergißmeinnicht aus Lapislazuli, der Farbe des Haares der Götter, umwickelt. «Schick mir sooft du kannst Nachricht, wie es dir geht», sagte Teje, während sie die Arme um Amenhotep legte. Er nickte an ihrer Wange, dann löste er sich lächelnd von ihr, und Teje sah, wie sein Blick über ihre Schulter zum Palast schweifte. Plötzlich schien sich eine Maske über seine langen, bläßlichen Züge zu legen, und er wandte sich abrupt ab. Teje blickte verstohlen nach hinten. Halb verdeckt durch eine der kannelierten Lotossäulen an der Vorderseite der Empfangshalle und nur von seinem persönlichen Diener begleitet, stand dort ihr Mann und beobachtete die Szene. Ein überraschtes Murmeln ging durch die Menge, und als Teje sich wieder umdrehte, sah sie, wie ihr Sohn die Lippen auf Nofretêtes scharlachroten Mund preßte. «Möge dein Name ewig leben, Cousine», sagte er laut und ließ eine schimmernde Locke durch seine Finger gleiten, während sie, gegen die Sonne blinzelnd, ihn anlächelte. «Komm mich besuchen, wenn dein Vater es erlaubt. Ich werde unsere Unterhaltungen vermissen.» Empört über diesen Verstoß gegen die guten Sitten, sah Teje ihren Bruder mit funkelnden Augen an.

«Mögen die Sohlen deiner Füße fest sein, Prinz», antwortete Nofretête keck, und er wandte sich ab, ging die Rampe hinauf und verschwand im Halbdunkel der kleinen Kajüte. Haremhab gab einen Befehl, und die Leinen wurden losgemacht. Si-Mut begann mit monotoner Stimme zu singen, der Weihrauch stieg empor, und die Soldaten nahmen ihre Positionen längs der Reling ein. Die Ruder wurden ausgefahren; das Galaboot mit seinen kleinen blauen und weißen Wimpeln entfernte sich rasch von den Stufen und steuerte quer über den See auf den Kanal und die Freiheit des Flusses zu.

Während das Boot allmählich aus ihrem Blickfeld verschwand, hielt Teje den Fliegenwedel fest umklammert. Sie hätte ihn ihrer Nichte in das blumengleiche kleine Gesicht schlagen mögen, schlug ihn aber statt dessen energisch gegen ihre eigenen Beine. Noch ehe das Mädchen sich davonschleichen konnte, faßte sie einen raschen Entschluß. «Nofretête, du wirst so bald wie möglich deine Habseligkeiten einpacken und in meinen Palast bringen lassen», sagte sie kurz angebunden. «Laß deine Dienerschaft bei deinem Vater oder schick sie nach Achmin oder verkauf sie, es ist mir egal. Ich werde dir Dienerinnen besorgen. Es ist Zeit, daß du lernst, dich wie eine Gemahlin und nicht wie eine einfältig lächelnde Konkubine zu benehmen.»

«Ich bin noch keines von beidem, Majestät Tante», erwiderte Nofretête unerschrocken. «Amenhotep hat mich geküßt. Ich habe ihn nicht geküßt.»

«Du weißt sehr wohl, daß du einen Schritt zurücktreten und auf ein Knie hättest sinken sollen, um zu zeigen, daß du dich geehrt fühltest durch seine Aufmerksamkeit und gleichzeitig peinlich berührt von seiner öffentlichen Zurschaustellung. Was ist los mit dir?» Und was ist los mit mir? fragte sie sich im stillen. Warum bin ich so ärgerlich über diesen kleinen Fauxpas meines Sohnes, der heute sicherlich von einem Jubel erfüllt ist, den er schwer unterdrücken kann? Fürchte ich, daß mein Einfluß auf Amenhotep nachlassen wird, weil er nicht mehr ausschließlich auf mich angewiesen ist, wenn er Zuneigung braucht? Sie lächelte Nofretête kühl zu und fühlte, wie die Eifersucht verschwand.

«Ich weiß, was ich hätte tun sollen», erwiderte Nofretête halb trotzig, halb schuldbewußt, «aber mein Vetter hat mich überrascht. Er hat mir mit dieser Geste seine Gunst bewiesen, und ich fühle mich geehrt.»

Die Priester hatten sich zum Rand des Sees begeben, und Si-Mut warf Blumen auf das Wasser, während die Menge sich zu zerstreuen begann. Mutnodjme hatte sich zu Teje gesellt und hörte sich interessiert das Gespräch an.

«Das solltest du auch», sagte Teje verdrießlich. «Wir wollen die Angelegenheit vergessen. Du könntest ruhig anfangen, einige der Pflichten einer Prinzessin zu übernehmen, Nofretête. Gesandte von diesem emporgekommenen Prinzen aus Chatti sind gestern eingetroffen, und Pharao gibt ihnen heute abend eine Probe von ägyptischer Gastfreundschaft. Er erwartet, daß ihr alle zugegen seid. Ein Jammer, daß Tiê noch in Achmin ist. Ich möchte sie sehen.»

«Mutter kann Theben im Sommer nicht ertragen, Majestät Tante», mischte sich Mutnodjme ein. «Sie hält sich am liebsten auf dem alten Landsitz der Familie auf. Aber ich werde da sein. Dürfen Nofretête und ich jetzt gehen?»

Teje nickte, und die beiden Mädchen verneigten sich. Mutnodjmes Peitsche knallte über den Köpfen der schläfrigen Zwerge, und sie sprangen unter zornigem Gezeter auf. Das Mädchen fuhr sich mit der Handfläche über ihren kahlgeschorenen Kopf, warf ihre mit Bändern geschmückte Jugendlocke über die Schulter und entfernte sich in Richtung von Ejes Boot, das unter den Sykomoren am anderen Ende der Anlegestelle festgemacht war. Nofretête gab ihren Dienerinnen ein Zeichen und folgte ihr. Als sich Teje mit einem unhörbaren Seufzer wieder dem Palast zuwandte, sah sie, daß an der Säule, hinter der sich die schweigende Gestalt ihres Mannes verborgen hatte, jetzt niemand mehr stand.

 

Die Erregung, die Amenhoteps Abreise verursacht hatte, wurde bald von der Ankunft Prinzessin Taduchipas überschattet. Der Fluß war inzwischen gestiegen, floß wie ein unlenksames Pferd an seinen Ufern zerrend, schnell dahin, und obwohl er noch nicht angefangen hatte, auf die ausgedörrten Felder überzulaufen, waren die dornigen Akazien, deren Wurzeln jetzt im Wasser hingen, bereits mit einem Hauch von Grün überzogen. Die Luft war nicht kühler geworden. Das Atmen erforderte eine fast bewußte Anstrengung, und jede Arbeit wurde durch die enervierende Atmosphäre erschwert. Krankheiten waren unter den Kindern im Harem ausgebrochen.

Teje saß neben Pharao auf ihrem Ebenholzthron und wartete auf die Ankunft der Prinzessin. Obgleich ihr Schutzdach einen dünnen Schatten warf und Fächer aus scharlachroten Straußenfedern sich unaufhörlich über ihrem Kopf bewegten, war ihr Leinengewand in Schweiß getränkt, und das schwarzrosa Marmorpflaster unter ihren Füßen brannte durch ihre weichen Sandalen hindurch. Amenhotep saß, Krummstab, Flegel und Krummsäbel auf dem Schoß, regungslos da; der Schweiß sammelte sich unter dem Rand seiner Doppelkrone und tropfte ihm über die Schläfen hinunter. Teje nahm an, daß er schlief. Unmittelbar vor ihr plätscherte kühles, dunkles Wasser verführerisch gegen die Stufen. Der Lärm von Theben auf der anderen Seite des Flusses war gedämpft, und die Tausende, die das Ostufer säumten, schienen in der flimmernden Hitze zu einer einzigen Fata Morgana zu verschmelzen. Rings um Teje herum warteten Pharaos Höflinge mit ihren glänzenden Perücken und schneeweißen Leinenröcken, schlugen müßig mit ihren juwelenbesetzten Wedeln und wechselten hin und wieder ein paar Worte. Teje fühlte sich schwach und schwindlig. Zu ihrer Linken drängten sich Ptahhotep, Si-Mut und die anderen Priester aus Karnak unter ihrem eigenen Schutzdach,