Philosophische Schriften - Adam Smith - E-Book

Philosophische Schriften E-Book

Adam Smith

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Beschreibung

Der schottische Philosoph und Aufklärer Adam Smith (1723-1790) ist vor allem als Autor von The Wealth of Nations und damit als Wegbereiter der Ökonomie bekannt. Als Philosoph steht er dagegen bis heute im Schatten seines Freundes David Hume. Anlässlich seines 300. Geburtstags rückt der Band Smiths philosophisches Denken in den Mittelpunkt. Er enthält neben seinen bekannten ökonomischen Texten Auszüge der zentralen philosophischen Schriften zu Moral, Politik, Recht und Ästhetik – einige davon erstmals in deutscher Übersetzung – und erlaubt so, ihn als Philosoph neu zu entdecken. Smiths ökonomische Theorie erweist sich so als Teil seines philosophischen Denkens.

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Cover

Titel

3Adam Smith

Philosophische Schriften

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Norbert Paulo

Suhrkamp

Impressum

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2023

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eISBN 978-3-518-77665-0

www.suhrkamp.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Die Prinzipien, welche philosophische Untersuchungen leiten und lenken, illustriert durch: Die Geschichte der Astronomie

Theorie der moralischen Gefühle

Vorlesungen über Jurisprudenz

Untersuchung über Wesen und Ursache des Reichtums der Völker

Von der Natur der Nachahmung in den nachahmenden Künsten

Norbert Paulo

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Nachwort

Zeittafel

Chronologische Übersicht über die Werke von Adam Smith

Von Smith veröffentlichte Werke

Posthum publizierte Werke

Literaturhinweise

Ausgaben der Werke von Adam Smith

Biographien und Übersichtswerke

Ausgewählte Sekundärliteratur

Editorische Notiz

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7Die Prinzipien, welche philosophische Untersuchungen leiten und lenken, illustriert durch: Die Geschichte der Astronomie

[33] Staunen [wonder], Überraschung [surprise] und Bewunderung [admiration] sind Worte, die zwar oft verwechselt werden, aber in unserer Sprache Gefühle bezeichnen, die zwar miteinander verwandt, aber in mancher Hinsicht auch verschieden und voneinander unabhängig sind. Was neu und einzigartig ist, erregt jenes Gefühl, das man mit Recht Staunen nennt; was unerwartet ist, nennt man Überraschung; und was groß oder schön ist, Bewunderung.

Wir staunen über alle außergewöhnlichen und seltenen Gegenstände, über alle seltenen Phänomene der Natur, über Meteore, Kometen, Eklipsen, über besondere Pflanzen und Tiere – also über alles, was wir bisher nur wenig oder gar nicht kannten, und wir staunen auch dann noch, wenn wir auf das, was wir sehen werden, vorbereitet sind.

Wir sind überrascht von Dingen, die wir schon oft gesehen haben, von denen wir aber am wenigsten erwartet haben, sie an dem Ort anzutreffen, an dem wir sie finden; wir sind überrascht vom plötzlichen Erscheinen eines Freundes, den wir schon tausendmal gesehen haben, von dem wir aber nicht glaubten, dass wir ihn jetzt sehen würden.

Wir bewundern die Schönheit einer Ebene oder die Größe eines Berges, obwohl wir beides schon oft gesehen haben und obwohl uns in beiden nichts anderes erscheint als das, was wir mit Sicherheit zu sehen erwartet haben.

[…]

[34] […] Wie alle anderen unterstützen und beleben sich auch diese Gefühle gegenseitig, wenn sie durch ein und denselben Gegenstand angeregt werden: Ein Gegenstand, den wir recht gut kennen und täglich sehen, erzeugt, obwohl er groß und schön ist, nur eine geringe Wirkung auf uns. Unsere Bewunderung wird schließlich weder durch Staunen noch durch Überraschung unterstützt; und wenn wir eine sehr genaue Beschreibung eines Ungeheuers gehört haben, wird unser Erstaunen umso geringer ausfallen, wenn 8wir es sehen, weil unsere frühere Kenntnis davon unser Staunen in großem Maße einschränken wird.

Ziel dieses Aufsatzes ist es, insbesondere das Wesen und die Ursachen jedes dieser Gefühle zu untersuchen, deren Einfluss weitaus größer ist, als wir uns bei oberflächlicher Betrachtung vorstellen können. Ich werde mit der Überraschung beginnen.

Abschnitt I: Vom Effekt des Unerwartetseins oder über die Überraschung

Wenn sich ein Gegenstand zeigt, den man schon seit einiger Zeit erwartet und vorausgesehen hat, muss das Gemüt darauf vorbereitet gewesen sein und den Gegenstand sogar in gewissem Maße vorher erdacht haben. Denn die Vorstellung des Gegenstandes, die ihm schon so lange vor Augen stand, muss vorher einen gewissen Grad der gleichen Emotion erregt haben, die der Gegenstand selbst erregen würde, worin auch immer diese Emotion bestehen mag: Die Veränderung, die durch seine Gegenwart hervorgerufen wird, wird daher weniger stark sein, und die Emotion oder die Leidenschaft, die er erregt, gleitet allmählich und leicht in das Herz, ohne Gewalt, Schmerz oder Schwierigkeiten.

Aber das Gegenteil des Ganzen geschieht, wenn der Gegenstand unerwartet auftaucht. Dann ergießt sich die Leidenschaft auf einmal über das Herz, das, wenn es sich um eine starke Leidenschaft handelt, in die gewaltigsten und heftigsten Erschütterungen gerät, die manchmal sogar den plötzlichen Tod verursachen. Durch die Plötzlichkeit des Ausbruchs kann sogar der Rahmen der Vorstellungskraft gesprengt werden, so dass sie danach nie wieder zu ihrem früheren Grundton und ihrer Gelassenheit zurückzukehren vermag, sondern entweder in eine Raserei oder in gewohnheitsmäßigen Wahnsinn verfällt. Es führt [35] fast immer zu einem vorübergehenden Verlust der Vernunft oder der Aufmerksamkeit für andere Dinge, die die Situation oder unsere Pflicht erfordern.

Wie sehr wir die Wirkungen der heftigeren Leidenschaften fürchten, wenn sie plötzlich über das Gemüt kommen, geht aus den Vorbereitungen hervor, die alle Menschen für notwendig halten, 9wenn sie jemandem etwas mitteilen wollen, was diesen zu erregen vermag. Wer würde es vorziehen, seinem Freund auf einmal ein außerordentliches Unglück mitzuteilen, das ihm widerfahren ist, ohne vorher dafür Sorge zu tragen, ihn mit einer unbestimmten Angst zu erschrecken, um ihm, wenn man so sagen darf, sein Unglück anzukündigen und ihn dadurch auf den Empfang der Nachricht vorzubereiten und einzustellen?

[…]

Die Überraschung ist also nicht als eine ursprüngliche Emotion zu betrachten, die sich von allen anderen unterscheidet. Die heftige und plötzliche Veränderung, die das Gemüt erfährt, wenn irgendeine Emotion plötzlich auf es einwirkt, macht die ganze Natur der Überraschung aus.

[…]

[37] […]

Hierauf beruhen in hohem Maße einige der Wirkungen von Gewohnheit und Brauch. Es ist bekannt, dass die Gewohnheit die Lebendigkeit sowohl des Schmerzes als auch des Vergnügens abtötet, den Kummer dämpft, den wir für das eine empfinden, und die Freude mindert, die wir aus dem anderen ziehen sollten. Der Schmerz wird ohne Qual ertragen und die Freude ohne Entzücken genossen, weil die Gewohnheit und die häufige Wiederholung eines Gegenstandes schließlich das Gemüt oder den Körper in die gewohnheitsmäßige Stimmung und Veranlagung bringt, die sie für die Aufnahme des Eindrucks geeignet machen, ohne dass sie eine sehr heftige Veränderung erfahren.

Abschnitt II: Vom Staunen oder über die Effekte der Neuheit

Es ist offensichtlich, dass der Verstand Freude daran hat, die Ähnlichkeiten zu beobachten, die zwischen verschiedenen Objekten zu entdecken sind. Durch solche [38] Beobachtungen bemüht er sich, alle seine Ideen zu ordnen und zu systematisieren und sie in richtige Klassen und Sortierungen einzuteilen. Wo er nur eine einzige Eigenschaft beobachten kann, die einer großen Vielfalt von sonst sehr verschiedenen Gegenständen gemeinsam ist, genügt ihm dieser eine Umstand, um sie alle miteinander zu verbinden, sie in eine 10gemeinsame Klasse einzuteilen und sie mit einem allgemeinen Namen zu bezeichnen. So werden alle Dinge, die sich selbst bewegen können – Tiere, Vögel, Fische, Insekten –, unter dem allgemeinen Namen Tier zusammengefasst; und diese wiederum, zusammen mit denen, denen diese Kraft fehlt, unter dem noch allgemeineren Wort Substanz: Und dies ist der Ursprung jener Zusammenstellungen von Gegenständen und Ideen, die in den Schulen Gattungen und Arten genannt werden, und jener abstrakten und allgemeinen Namen, die in allen Sprachen benutzt werden, um sie auszudrücken.

Je mehr wir in unserem Wissen und in unserer Erfahrung vorankommen, desto mehr Einteilungen und Untergliederungen der Gattungen und Arten sind wir geneigt und gezwungen, vorzunehmen. Wir beobachten eine größere Vielfalt von Besonderheiten unter den Dingen, die eine grobe Ähnlichkeit haben, und nachdem wir sie entsprechend diesen neu beobachteten Besonderheiten neu eingeteilt haben, sind wir nicht mehr damit zufrieden, einen Gegenstand einer entfernten Gattung oder einer sehr allgemeinen Klasse von Dingen zuordnen zu können, mit denen er nur eine lose und unvollkommene Ähnlichkeit hat. Eine Person, die mit der Botanik nicht vertraut ist, kann vielleicht erwarten, dass sie Ihre Neugier befriedigt, indem sie Ihnen sagt, dass ein bestimmtes Gemüse ein Wildkraut ist oder, vielleicht noch allgemeiner, dass es eine Pflanze ist. Aber ein Botaniker wird eine solche Antwort weder geben noch akzeptieren. Er hat die große Klasse von Gegenständen in eine Reihe von untergeordneten Kategorien unterteilt, entsprechend den Variationen, die seine Erfahrung unter ihnen entdeckt hat; und er will jede einzelne Pflanze einem Stamm von Gemüsen zuordnen, mit denen sie eine genauere Ähnlichkeit aufweist als mit vielen Dingen, die unter der umfassenden Gattung der Pflanzen zusammengefasst sind. Ein Kind bildet sich ein, dass es eine befriedigende Antwort gibt, wenn es sagt, dass ein Gegenstand, dessen Namen es nicht kennt, ein Ding ist, und es bildet sich ein, dass es Ihnen etwas mitteilt, wenn es auf diese Weise feststellt, zu welcher der beiden naheliegendsten und umfassendsten Klassen von Gegenständen ein bestimmter Eindruck zu rechnen ist: zu der Klasse der Realitäten oder festen Substanzen, die es Dinge nennt, oder zu der der Erscheinungen, die es Nicht-Dinge nennt.

Kurz gesagt, was immer uns begegnet, beziehen wir gern auf ir11gendeine Art oder Klasse von Dingen, mit denen es eine fast exakte Ähnlichkeit hat; und obwohl wir oft nicht mehr über Letztere wissen als über [39] Ersteres, neigen wir doch dazu, uns einzubilden, dass wir dadurch, dass wir dazu in der Lage sind, zeigen, dass wir es besser kennen und einen tieferen Einblick in seine Natur haben. Aber wenn uns etwas ganz Neues und Einzigartiges begegnet, fühlen wir uns außerstande, dies zu tun. Das Gedächtnis kann aus seinem gesamten Vorrat kein Bild hervorbringen, das dieser fremden Erscheinung auch nur annähernd ähnelt. Wenn es durch einige seiner Eigenschaften einer Art, die wir zuvor kennengelernt haben, zu ähneln und mit ihr verbunden zu sein scheint, so ist es durch andere Eigenschaften davon getrennt und unabhängig, ebenso wie von allen anderen Gruppierungen von Dingen, die wir bisher zu treffen vermochten. Es steht allein und für sich in der Vorstellung und weigert sich, mit irgendeiner Gruppe von Gegenständen gruppiert oder verwechselt zu werden. Die Vorstellungskraft und das Gedächtnis bemühen sich vergeblich und suchen erfolglos in all ihren Kategorien von Ideen, eine zu finden, unter die es eingeordnet werden kann. Sie schwanken ziellos von Gedanke zu Gedanke, und wir bleiben weiterhin unsicher und unschlüssig, wo wir es einordnen oder was wir von ihm halten sollen. Dieses Schwanken und vergebliche Erinnern, zusammen mit der Emotion oder Bewegung des Geistes, die sie hervorrufen, machen jenes Gefühl aus, das man eigentlich Staunen nennt. Sie verursachen jenes Starren und manchmal das Rollen der Augen, das Anhalten des Atems und das Anschwellen des Herzens, das wir alle bei uns selbst und bei anderen beobachten können, wenn wir über einen neuen Gegenstand staunen. Sie sind die natürlichen Symptome eines unsicheren und unschlüssigen Denkens. Was für ein Ding kann das sein? Welcher Art ist es? Das sind die Fragen, die wir uns bei einer solchen Gelegenheit ganz natürlich stellen. Wenn wir uns an viele solcher Gegenstände erinnern können, die dieser neuen Erscheinung genau ähneln und die sich der Vorstellungskraft auf natürliche Weise und gleichsam von selbst präsentieren, kommt unser Staunen vollständig ans Ende. Wenn wir uns nur an einige wenige erinnern können und es uns einige Mühe kostet, sie uns ins Gedächtnis zu rufen, so ist unser Staunen zwar geschmälert, aber nicht gänzlich aufgehoben. Wenn wir uns an gar nichts erinnern können, sondern ganz ratlos sind, dann hat unser Staunen das größte Ausmaß.

12Mit welch gespannter Aufmerksamkeit untersucht ein Naturforscher eine einzelne Pflanze oder ein einzelnes Fossil, das ihm vorgelegt wird? Er ist durchaus in der Lage, sie der allgemeinen Gattung der Pflanzen oder Fossilien zuzuordnen; aber das befriedigt ihn nicht, und wenn er alle verschiedenen Stämme oder Arten der beiden betrachtet, die er bisher kennengelernt hat, weigern sich seiner Meinung nach alle, das neue Objekt unter sich aufzunehmen. Es steht in seiner Vorstellung allein [40] und gleichsam losgelöst von allen anderen Arten der Gattung, zu der es gehört. Er bemüht sich jedoch, es mit der einen oder anderen Art in Verbindung zu bringen. Manchmal meint er, es könne in diese, manchmal in jene andere Kategorie eingeordnet werden; und er ist nie zufrieden, bis er sich für eine entschieden hat, der es in den meisten seiner Eigenschaften ähnelt. Kann er das nicht, so erweitert er, wenn ich so sagen darf, die Grenzen einer Art, um ihm Platz zu machen, oder er schafft eine neue Art, um es aufzunehmen, und nennt es ein Schauspiel der Natur oder gibt ihm irgendeine andere Bezeichnung, unter der er alle Merkwürdigkeiten zusammenfasst, mit denen er sonst nichts anzufangen weiß. Aber zu irgendeiner Klasse von bekannten Gegenständen muss er es in Beziehung setzen, und zwischen ihm und ihnen muss er irgendeine Ähnlichkeit herausfinden, bevor er dieses Staunen, diese Ungewissheit und besorgte Neugierde loswerden kann, die durch sein eigenartiges Aussehen und durch seine Unähnlichkeit mit allen Gegenständen, die er bisher beobachtet hatte, erregt wurde.

Wie einzelne und individuelle Gegenstände unser Staunen erregen, wenn sie uns durch ihre ungewöhnlichen Eigenschaften und ihr einzigartiges Aussehen unsicher machen, welcher Art von Dingen wir sie zuordnen sollen, so wird eine Reihe von Gegenständen, die in einer ungewöhnlichen Abfolge auftreten, dieselbe Wirkung hervorrufen, obwohl keiner von ihnen für sich genommen etwas Besonderes ist.

Wenn ein gewohnter Gegenstand nach einem anderen auftritt, auf den er gewöhnlich nicht folgt, erregt er zuerst durch die Unerwartetheit das Gefühl, das man zu Recht Überraschung nennt, und danach, durch die Einzigartigkeit des Zeitpunkts oder der Reihenfolge seines Erscheinens, das Gefühl, das man zu Recht Staunen nennt. Erst sind wir überrascht, dass es da ist, und dann wundern wir uns, wie es dorthin gekommen ist. Die Bewegung eines kleinen Eisenstücks auf einem glatten Tisch ist an sich nichts Außer13gewöhnliches, doch wer sie das erste Mal ohne sichtbaren Anstoß als Folge der Bewegung eines in einiger Entfernung davon befindlichen Magnetiten beginnen sah, konnte sie nicht ohne die größte Überraschung betrachten; und wenn diese momentane Erregung vorüber war, würde er sich immer noch wundern, wie sie mit einem Ereignis zusammenkam, mit dem er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kaum einen Zusammenhang vermuten konnte.

Wenn zwei auch noch so ungleiche Gegenstände oft nacheinander beobachtet wurden und sich den Sinnen ständig in dieser Reihenfolge darboten, werden sie in der Phantasie so miteinander verbunden, dass die Vorstellung des einen die des anderen von selbst hervorzurufen und einzuführen scheint. Beobachtet man die Gegenstände noch immer so, wie sie aufeinander folgen, so wird diese Verbindung oder, wie sie genannt wurde, diese [41] Assoziation ihrer Ideen immer enger, und die Gewohnheit der Einbildungskraft, von der Vorstellung des einen zu der des anderen überzugehen, wird immer stärker gefestigt und bestätigt. Da sich ihre Vorstellungen schneller bewegen als die äußeren Gegenstände, läuft sie ihnen ständig voraus und nimmt daher jedes Ereignis, das nach diesem gewöhnlichen Lauf der Dinge eintritt, vorweg, bevor es geschieht. Wenn die Gegenstände in derselben Reihe aufeinanderfolgen, in der sich die Ideen der Einbildungskraft zu bewegen gewohnt sind, und in der sie, wenn auch nicht durch die den Sinnen dargebotene Kette von Ereignissen geleitet, die Tendenz erworben haben, von selbst fortzuschreiten, erscheinen diese Gegenstände alle eng miteinander verbunden, und der Gedanke fließt leicht mit ihnen, ohne Anstrengung und ohne Unterbrechung. Sie fügen sich in die natürliche Entwicklung der Einbildungskraft ein; und wie die Ideen, die einen solchen Ablauf von Dingen darstellten, sich gegenseitig einzuladen scheinen, jeder letzte Gedanke durch den vorangehenden aufgerufen wird und den folgenden hervorruft, so scheint, wenn die Gegenstände selbst auftreten, jedes letzte Ereignis auf dieselbe Weise durch das vorangehende eingeleitet zu werden und das folgende einzuleiten. Es gibt keine Unterbrechung, keinen Halt, keine Lücke, kein Intervall. Die durch eine so kohärente Kette von Dingen erregten Ideen scheinen gleichsam von selbst durch den Geist zu schweben, ohne dass er sich bemühen oder irgendeine Anstrengung machen müsste, um von einem von ihnen zum anderen zu gelangen.

14Wenn aber dieser gewohnte Zusammenhang unterbrochen wird, wenn ein oder mehrere Gegenstände in einer ganz anderen Ordnung erscheinen als die, an die sich die Vorstellungskraft gewöhnt hat und auf die sie vorbereitet ist, dann geschieht das Gegenteil von all dem. Wir sind zunächst von der Unerwartetheit der neuen Erscheinung überrascht, und wenn diese momentane Erregung vorüber ist, wundern wir uns immer noch, wie sie an diesem Ort auftreten konnte. Die Vorstellungskraft hat nicht mehr die gewohnte Leichtigkeit, von dem Ereignis, das vorausgeht, zu dem, das danach kommt, überzugehen. Es handelt sich um eine Ordnung oder ein Gesetz der Abfolge, an das sie nicht gewöhnt ist und dem sie deshalb nur schwer folgen oder Beachtung schenken kann. Die Phantasie wird in ihrer natürlichen Bewegung oder Bahn, in der sie sich befand, angehalten und unterbrochen. Die beiden Ereignisse scheinen weit voneinander entfernt zu sein; sie versucht, sie zusammenzubringen, aber sie weigern sich, sich zu vereinigen, und sie fühlt oder meint zumindest, so etwas wie eine Lücke oder ein Intervall zwischen ihnen zu fühlen. Sie zögert natürlicherweise und hält gleichsam am Rande dieses Intervalls inne; sie bemüht sich, [42] etwas zu finden, das die Lücke ausfüllen kann, das wie eine Brücke diese scheinbar entfernten Objekte wenigstens so weit vereinigen kann, dass der Übergang des Gedankens zwischen ihnen glatt und natürlich und leicht wird. Die Annahme einer Kette von dazwischenliegenden, wenn auch unsichtbaren Ereignissen, die in einem Zug aufeinanderfolgen, der dem ähnelt, in dem sich die Einbildungskraft zu bewegen gewohnt ist, und die diese beiden unzusammenhängenden Erscheinungen miteinander verbinden, ist das einzige Mittel, mit dem die Einbildungskraft dieses Intervall ausfüllen kann, ist die einzige Brücke, die, wenn man so sagen darf, ihren Übergang von dem einen Objekt zum anderen erleichtern kann. Wenn wir also die Bewegung des Eisens als Folge der Bewegung des Magnetiten beobachten, starren und zögern wir und fühlen einen Mangel an Verbindung zwischen zwei Ereignissen, die in einer so ungewöhnlichen Reihenfolge auftreten. Wenn wir uns aber mit Descartes vorstellen, dass gewisse unsichtbare Ausströmungen um das eine herum zirkulieren und durch ihre wiederholten Impulse das andere antreiben, sich auf es zuzubewegen und seiner Bewegung zu folgen, füllen wir das Intervall zwischen ihnen aus, verbinden sie durch eine Art Brücke und beseitigen so das 15Zögern und die Schwierigkeit, die die Einbildung beim Übergang vom einen zum anderen empfand. Dass sich das Eisen nach dem Magnetit bewegt, scheint nach dieser Hypothese in gewisser Weise dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu entsprechen. Die Bewegung nach dem Impuls ist eine Abfolge, mit der wir von allen Dingen am meisten vertraut sind. Zwei Gegenstände, die auf diese Weise miteinander verbunden sind, scheinen nicht mehr voneinander getrennt zu sein, und die Phantasie fließt sanft und leicht mit ihnen.

Dies ist die Natur dieser zweiten Art des Staunens, die durch eine ungewöhnliche Abfolge von Dingen entsteht. Der Stillstand, den der Lauf der Einbildungskraft dadurch erfährt, die Schwierigkeit, die die Einbildungskraft beim Übergang zwischen derart unzusammenhängenden Objekten empfindet, und der Eindruck, dass zwischen ihnen so etwas wie eine Lücke oder ein Intervall liegt, machen das ganze Wesen dieser Emotion aus. Sobald eine verbindende Kette von Zwischenereignissen entdeckt wird, verschwindet sie gänzlich. Das, was die Bewegung der Phantasie behindert hat, ist dann beseitigt. Wer wundert sich über die Maschinerie des Opernhauses, wenn er einmal hinter die Kulissen schauen durfte? Bei den Wundern der Natur kommt es jedoch selten vor, dass wir diese Verbindungskette so deutlich entdecken können. Bei einigen wenigen [43] scheint es so, als seien wir wirklich hinter die Kulissen gelassen worden, und unser Staunen ist damit völlig am Ende. So scheinen die Sonnen- und Mondfinsternisse, die einst mehr als alle anderen Himmelserscheinungen die Menschheit in Schrecken und Erstaunen versetzten, heute nicht mehr wundersam zu sein, da man die verbindende Kette gefunden hat, die sie mit dem gewöhnlichen Lauf der Dinge verknüpft. Sogar die vagen Hypothesen von Descartes und die noch unbestimmteren Vorstellungen von Aristoteles sowie die Schüler der beiden haben in den Fällen, in denen wir weniger erfolgreich waren, dazu beigetragen, den Erscheinungen der Natur einen gewissen Zusammenhang zu geben, um so das Staunen zu verringern, wenn auch nicht zu beseitigen. Wenn sie das Intervall zwischen den beiden unzusammenhängenden Objekten auch nicht vollständig ausfüllten, so verliehen sie ihnen doch eine Art von loser Verbindung, die ihnen vorher fehlte.

[....]

[45] […] Philosophen […] haben sich in gleicher Weise bemüht, durch eine ähnliche Verbindungskette die Schwerkraft, die Elastizi16tät und sogar den inneren Zusammenhalt der natürlichen Körper mit einigen ihrer anderen Eigenschaften zu verbinden. Es handelt sich dabei aber durchweg um Kombinationen von Ereignissen, die der Einbildungskraft des größten Teils der Menschheit keinen Einhalt gebieten, weil sie weder Staunen hervorrufen noch die Einsicht bringen, dass es an dem strengsten Zusammenhang zwischen ihnen fehlt. Aber wie das feinere Ohr eines Musikers in den Tönen, die dem größten Teil der Menschen in Bezug auf Takt und Harmonie vollkommen angenehm erscheinen, einen Mangel sowohl am präzisesten Tempo als auch an der vollkommensten Gleichmäßigkeit entdecken wird, so wird das geübtere Denken eines Philosophen, der sein ganzes Leben mit dem Studium der verbindenden Prinzipien der Natur verbracht hat, oft einen Abstand zwischen zwei Gegenständen empfinden, die dem unbedachteren Beobachter sehr eng miteinander verbunden erscheinen. Indem er alle Verbindungen, die sich seiner Beobachtung jemals dargeboten haben, lange betrachtet und oft miteinander verglichen hat, hat er sich, wie der Musiker, sozusagen ein feineres Ohr und ein sensibleres Gefühl für Dinge dieser Art angeeignet. Und wie dem einen jene Musik als Dissonanz erscheint, die hinter der vollkommensten Harmonie zurückbleibt, so erscheinen dem anderen jene Ereignisse völlig getrennt und unzusammenhängend, die hinter dem strengsten und vollkommensten Zusammenhang zurückbleiben.

Die Philosophie ist die Wissenschaft von den verbindenden Prinzipien der Natur. Die Natur scheint nach aller Erfahrung, die die gewöhnliche Beobachtung machen kann, reich an Ereignissen zu sein, die einzeln und unzusammenhängend mit allem, was ihnen vorausgeht, erscheinen, die daher die leichte Bewegung der Einbildungskraft stören, die ihre Ideen durch unregelmäßige Anfänge und Sprünge aufeinanderfolgen lassen, wenn man so sagen darf, und die so in gewissem Maße dazu neigen, jene Verwirrungen und Ablenkungen einzuführen, die wir zuvor erwähnt haben. Die Philosophie versucht, durch die Darstellung der unsichtbaren Ketten, die all diese unzusammenhängenden Gegenstände zusammenbinden, Ordnung in dieses Chaos von aufeinanderprallenden und [46] unharmonischen Erscheinungen zu bringen, diesen Tumult der Einbildungskraft zu beschwichtigen und, wenn sie die großen Abläufe im Universum überblickt, die Dinge zu jenem Klang der Ruhe und Gelassenheit zurückzuführen, der sowohl in sich selbst am angenehmsten ist, als auch ihrer Natur am meisten entspricht. Die Philosophie kann daher als eine jener Künste betrachtet werden, die sich an die Vorstellungskraft wenden, und deren Theorie und Geschichte aus diesem Grund in den Bereich unseres Themas fallen. Versuchen wir, sie von ihren ersten Anfängen bis zu jenem Gipfel der Vollkommenheit zu verfolgen, von dem man gegenwärtig meint, dass sie ihn erreicht hat, und von dem man auch in fast allen früheren Zeiten angenommen hat, ihn erreicht zu haben. Sie ist die erhabenste der schönen Künste, und ihre Revolutionen waren die größten, die häufigsten und die bedeutendsten unter allen, die in der literarischen Welt stattgefunden haben. Ihre Geschichte muss daher in jeder Hinsicht die unterhaltsamste und lehrreichste sein. Untersuchen wir also alle verschiedenen Natursysteme, die in diesen westlichen Teilen der Welt, den einzigen Teilen, von deren Geschichte wir etwas wissen, nacheinander von den Gelehrten und Erfindern angenommen wurden, und zwar ohne ihre Absurdität oder Wahrscheinlichkeit oder ihre Übereinstimmung oder Unvereinbarkeit mit der Wahrheit und Wirklichkeit zu betrachten. Betrachten wir sie nur unter dem besonderen Gesichtspunkt, der zu unserem Thema gehört, und begnügen wir uns mit der Frage, inwieweit jede von ihnen geeignet war, die Einbildungskraft zu beruhigen und das Theater der Natur zu einem kohärenteren und daher prächtigeren Schauspiel zu machen, als es sonst zu sein schien. So wie sie daran gescheitert sind oder es geschafft haben, so sind sie auch stets daran gescheitert oder haben es geschafft, ihren Verfassern Ruhm und Ansehen zu bescheren. Dies wird sich als der Anhaltspunkt erweisen, der am besten geeignet ist, uns durch alle Labyrinthe der philosophischen Geschichte zu führen: Denn in der Zwischenzeit wird er dazu dienen, das Vorangegangene zu bestätigen und Licht auf das Nachfolgende zu werfen, wenn wir im Allgemeinen feststellen, dass kein System, wie gut es auch in anderer Hinsicht gestützt wurde, jemals in der Lage war, allgemeine Anerkennung in der Welt zu erlangen, dessen verbindende Prinzipien nicht solche waren, die der ganzen Menschheit vertraut waren. Warum ist die chemische Philosophie in allen Zeitaltern in der Dunkelheit dahingeschlichen und von der allgemeinen Menschheit so wenig beachtet worden, während andere Systeme, die weniger nützlich und nicht angenehmer für die Erfahrung sind, durch ganze Jahrhunderte hindurch allgemeine Bewunderung genossen 18haben? Die verbindenden Prinzipien der chemischen Philosophie sind solche, von denen die Allgemeinheit der Menschen nichts weiß, die sie selten gesehen hat und [47] mit denen sie nie vertraut war und die daher für sie nicht in der Lage sind, den Übergang der Phantasie zwischen zwei scheinbar unzusammenhängenden Objekten zu glätten. Salze, Schwefel und Quecksilber, Säuren und Laugen sind Prinzipien, die nur denen, die am Ofen leben, die Dinge klären können, deren häufigste Vorgänge aber dem größten Teil der Menschheit so unzusammenhängend erscheinen wie zwei Ereignisse, die die Chemiker durch sie miteinander verbinden würden. Diese Künstler aber erklärten sich die Dinge auf natürliche Weise durch Prinzipien, die ihnen selbst vertraut waren. So bemerkt Aristoteles, dass die frühen Pythagoräer, die zuerst die Arithmetik untersuchten, alle Dinge durch die Eigenschaften der Zahlen erklärten; und Cicero sagt uns, dass Aristoxenos, der Musiker, die Natur der Seele in der Harmonie fand. In gleicher Weise hat ein gelehrter Arzt kürzlich ein System der Moralphilosophie nach den Grundsätzen seiner eigenen Kunst gegeben, in dem Weisheit und Tugend der gesunde Zustand der Seele waren, die verschiedenen Laster und Torheiten, die verschiedenen Krankheiten, denen sie unterworfen war, in dem die Ursachen und Symptome dieser Krankheiten festgestellt wurden und in der gleichen medizinischen Richtung eine angemessene Heilmethode vorgeschrieben wurde. Auf dieselbe Weise haben andere auch Parallelen von Malerei und Poesie, von Poesie und Musik, von Musik und Architektur, von Schönheit und Tugend, von allen schönen Künsten geschrieben; Systeme, die allgemein ihren Ursprung den Erleuchtungen derer verdanken, die mit der einen Kunst vertraut waren, aber von der anderen nichts wussten; die sich daher die Phänomene dessen, was ihnen fremd war, durch jene erklärten, die ihnen vertraut waren; und bei denen aus diesem Grund die Analogie, die bei anderen Schriftstellern Anlass zu einigen raffinierten Vergleichen gibt, das große Scharnier wurde, um das sich alles drehte.

19[48]

Abschnitt III: Vom Ursprung der Philosophie

In den frühen Zeitaltern der Gesellschaft, vor der Etablierung von Recht, Ordnung und Sicherheit, ist die Menschheit wenig daran interessiert, die verborgenen Ketten von Ereignissen zu entdecken, die die scheinbar unzusammenhängenden Erscheinungen der Natur miteinander verbinden. Ein Wilder, dessen Subsistenz prekär ist, dessen Leben jeden Tag den elementarsten Gefahren ausgesetzt ist, hat keine Neigung, sich mit der Erforschung dessen zu beschäftigen, was, wenn es entdeckt wird, keinem anderen Zweck zu dienen scheint, als das Theater der Natur zu einem zusammenhängenderen Spektakel für seine Phantasie zu machen. Viele dieser kleinen Unstimmigkeiten, die gewöhnlich die Philosophen verwirren, entgehen seiner Aufmerksamkeit völlig. Die größeren Unregelmäßigkeiten, deren Erhabenheit er nicht übersehen kann, rufen sein Erstaunen hervor. Kometen, Finsternisse, Donner, Blitze und Meteore überwältigen ihn naturgemäß durch ihre Größe, und er betrachtet sie mit einer Ehrfurcht, die an Angst grenzt. Seine Unerfahrenheit und Ungewissheit in Bezug auf alles, was sie betrifft – wie sie entstanden sind, wie sie verlaufen werden, was ihnen vorausging und was nach ihnen kommen wird –, versetzen ihn in Angst und Schrecken. Aber wie Pater Malbranche bemerkt, rechtfertigen sich unsere Leidenschaften selbst, das heißt, sie suggerieren uns Meinungen, die sie bestätigen. Da diese Erscheinungen ihn also erschrecken, ist er geneigt, alles zu glauben, was sie noch mehr zu Objekten seines Schreckens machen kann. Dass sie von einer intelligenten, wenn auch unsichtbaren Ursache ausgehen, von deren Rache und Missfallen sie entweder die Zeichen oder die Wirkungen sind, ist unter allen anderen diejenige Vorstellung, die am ehesten geeignet ist, diese Neigung zu verstärken, und ist daher diejenige, die er am ehesten anzunehmen geneigt ist. Dazu trägt auch die Feigheit und Kleinmütigkeit bei, die dem Menschen in seinem unzivilisierten Zustand so natürlich ist; ungeschützt durch die Gesetze der Gesellschaft, ausgesetzt, schutzlos, fühlt er sich bei jeder Gelegenheit schwach, bei keiner stark und sicher.

Aber nicht alle Unregelmäßigkeiten der Natur sind von dieser schrecklichen oder furchtbaren Art. Einige von ihnen sind durch20aus schön und angenehm. Diese würde man daher aus derselben Impotenz des Verstandes heraus mit Liebe und Wohlgefallen, ja sogar mit Dankbarkeit betrachten; denn was immer die Ursache der Freude ist, erregt natürlich unsere Dankbarkeit. Ein [49] Kind geht zärtlich mit der Frucht um, die es mag, aber es zerschmettert den Stein, der ihm wehtut. Die Vorstellungen der Wilden sind davon nicht sehr verschieden. Die alten Athener, die die Axt, die versehentlich den Tod eines Menschen verursacht hatte, feierlich bestraften, errichteten Altäre und opferten dem Regenbogen. Gefühle, die diesen nicht unähnlich sind, können manchmal bei solchen Gelegenheiten sogar in der Brust der zivilisiertesten Menschen auftreten, werden aber bald durch die Einsicht gebremst, dass diese Dinge nicht ihr eigentlicher Gegenstand sind. Aber ein Wilder, dessen Vorstellungen ganz von der wilden Natur und der Leidenschaft geleitet werden, wartet auf keinen anderen Beweis dafür, dass eine Sache der richtige Gegenstand eines Gefühls ist, als dass sie es hervorruft. Die Ehrfurcht und Dankbarkeit, mit der ihn manche Erscheinungen der Natur erfüllen, überzeugen ihn davon, dass sie die angemessenen Objekte der Ehrfurcht und Dankbarkeit sind und daher von intelligenten Wesen stammen, die am Ausdruck dieser Empfindungen Gefallen finden. Er nimmt daher an, dass jeder Gegenstand der Natur, der durch seine Schönheit oder Größe, seinen Nutzen oder seine Schädlichkeit groß genug ist, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und dessen Vorgänge nicht vollkommen regelmäßig sind, unter der Leitung einer unsichtbaren und planenden Macht steht. […] Daher der Ursprung des Polytheismus und jenes vulgären Aberglaubens, der alle unregelmäßigen Naturereignisse der Gunst oder dem Missfallen intelligenter, wenn auch unsichtbarer Wesen, Göttern, Dämonen, Hexen, Geistern und Feen zuschreibt. Denn es ist zu beobachten, dass in allen polytheistischen Religionen, sowohl bei den Wilden als auch in den frühen Zeiten des heidnischen Altertums, nur die unregelmäßigen Ereignisse der Natur dem Wirken und der Macht ihrer Götter zugeschrieben werden. Feuer brennt und Wasser erfrischt, schwere Körper sinken herab und leichtere Substanzen fliegen nach oben – all dies geschieht durch die Notwendigkeit ihrer je eigenen Natur. Nie wurde angenommen, dass die unsichtbare Hand Jupiters in diesen Dingen tätig sei. Aber [50] Donner und Blitz, Stürme und Sonnenschein, diese eher unregelmäßigen Ereignisse, wurden 21seiner Gunst oder seinem Zorn zugeschrieben. Der Mensch, die einzige gestaltende Kraft, die sie kannten, handelt nie ohne die Absicht, den natürlichen Lauf der Natur aufzuhalten oder zu ändern. Die anderen intelligenten Wesen, die sie sich vorstellten, aber nicht kannten, sollten natürlich auf dieselbe Weise handeln: nicht um den gewöhnlichen Lauf der Dinge zu unterstützen, der von selbst weiterging, sondern um ihn aufzuhalten, zu vereiteln und zu stören. Und so trat in den ersten Zeitaltern der Welt der niedrigste und kleinmütigste Aberglaube an die Stelle der Philosophie.

Aber wenn das Recht Ordnung und Sicherheit geschaffen hat und die Subsistenz nicht mehr prekär ist, steigt die Neugier der Menschen, und ihre Ängste nehmen ab. Die Muße, die sie dann genießen, macht sie aufmerksamer für die Erscheinungen der Natur, aufmerksamer für ihre kleinsten Unregelmäßigkeiten und begieriger danach zu wissen, was die Kette ist, die sie alle miteinander verbindet. Dass eine solche Kette zwischen all ihren scheinbar unzusammenhängenden Erscheinungen besteht, müssen sie notwendigerweise vermuten; und jener Großmut und jene Heiterkeit, die sich alle großzügigen Naturen aneignen, die in zivilisierten Gesellschaften aufgewachsen sind, wo sie so wenige Anlässe haben, ihre Schwäche zu spüren, und so viele, um sich ihrer Stärke und Sicherheit bewusst zu werden, lässt sie weniger geneigt sein, für diese verbindende Kette jene unsichtbaren Wesen heranzuziehen, die die Furcht und Unwissenheit ihrer rauen Vorväter hervorgebracht hatten. Diejenigen, die über ein gewisses Vermögen verfügen und deren Aufmerksamkeit weder mit Geschäften noch mit Vergnügungen beschäftigt ist, können die Leere ihrer Vorstellungskraft, die auf diese Weise von den gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens losgelöst ist, auf keine andere Weise ausfüllen, als indem sie sich mit der Abfolge der Ereignisse beschäftigen, die sie umgeben. Während die großen Gegenstände der Natur so vor ihnen vorbeiziehen, geschieht vieles in einer Ordnung, an die sie nicht gewöhnt sind. Ihre Vorstellungskraft, die mit Leichtigkeit und Freude den regelmäßigen Ablauf der Natur begleitet, wird durch diese scheinbaren Ungereimtheiten aufgehalten und in Verlegenheit gebracht; sie erregen ihr Staunen und scheinen einer Kette von Zwischenereignissen zu bedürfen, die, indem sie sie mit etwas Vorangegangenem verbindet, den [51] ganzen Lauf des Universums kohärent und aus einem Guss erscheinen lassen kann. Das Staunen also und nicht die Erwartung 22eines Vorteils aus ihren Entdeckungen ist das erste Prinzip, das die Menschen zum Studium der Philosophie antreibt, dieser Wissenschaft, die vorgibt, die verborgenen Zusammenhänge aufzudecken, die die verschiedenen Erscheinungen der Natur vereinen; und sie verfolgen dieses Studium um seiner selbst willen, als ein ursprüngliches Vergnügen oder Gut an sich, ohne seine Tendenz zu betrachten, ihnen die Mittel für viele andere Vergnügen zu verschaffen.

Griechenland und die griechischen Kolonien in Sizilien, Italien und Kleinasien waren die ersten Länder, die in diesen westlichen Teilen der Welt einen Zustand der zivilisierten Gesellschaft erreichten. In ihnen traten daher die ersten Philosophen auf, über deren Lehre wir etwas Genaues wissen. Recht und Ordnung scheinen in der Tat in den großen Monarchien Asiens und Ägyptens eingeführt worden zu sein, lange bevor sie in Griechenland Fuß fassten. Doch nach allem, was über die Gelehrsamkeit der Chaldäer und Ägypter gesagt wurde, ist die Frage, ob es in diesen Völkern jemals etwas gab, das den Namen Wissenschaft verdiente, oder ob jener Despotismus, der Sicherheit und Muße noch mehr zerstört als die Anarchie selbst, und der im ganzen Osten herrschte, das Wachstum der Philosophie verhinderte, eine Frage, die mangels entsprechender Zeugnisse nicht mit Bestimmtheit entschieden werden kann.

Da die griechischen Kolonien inmitten von Nationen angesiedelt wurden, die entweder ganz und gar barbarisch oder ganz und gar unkriegerisch waren und über die sie daher bald eine sehr große Autorität erlangten, scheinen sie aus diesem Grund einen beträchtlichen Grad an Einfluss und Wohlstand erreicht zu haben, bevor irgendein Staat im Mutterland jene extreme Armut überwunden hatte, die, da sie keinen Raum für eine offensichtliche Unterscheidung der Ränge lässt, notwendigerweise mit der Unordnung und Misswirtschaft einhergeht, die aus dem Fehlen jeglicher regelmäßigen Unterordnung resultiert. Da die griechischen Inseln vor der Invasion von Land- oder auch Seestreitkräften, die es zu jener Zeit kaum gab, sicher waren, scheinen sie auch aus diesem Grund dem Kontinent in jeder Hinsicht an Zivilisiertheit und Vervollkommnung voraus gewesen zu sein. Die ersten Philosophen wie auch die ersten Dichter scheinen also alle Eingeborene entweder der Kolonien oder der [52] Inseln gewesen zu sein. Von dort stammten Homer, Archilochos, Stesichoros, Simonides, Sappho und Anakreon. Thales und Pythagoras, die Begründer der beiden frühesten Schulen der Phi23losophie, entstammten einer asiatischen Kolonie beziehungsweise einer Insel. Keiner von ihnen gründete seine Schule im Mutterland.

Was das besondere System dieser beiden Philosophen war, oder ob ihre Lehre so methodisch war, dass sie den Namen eines Systems verdiente, lässt sich aufgrund der Unvollkommenheit sowie der Unklarheit der Traditionen, die uns über sie überliefert sind, nicht feststellen. Die Schule des Pythagoras scheint jedoch in der Erforschung der verbindenden Prinzipien der Natur weiter fortgeschritten zu sein als die des ionischen Philosophen. Die Berichte, die von Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras und Archelaus, den Nachfolgern von Thales, gegeben werden, stellen die Lehren dieser Weisen als voll von unentwirrbaren Konfusionen dar. […] [53] […] In der Schule des Sokrates jedoch, bei Platon und Aristoteles, erhielt die Philosophie zum ersten Mal die Form, die sie, wenn man so sagen darf, in die allgemeine Bekanntschaft der Welt einführte. Von ihnen aus beginnen wir also, ihre Geschichte in allen Einzelheiten zu schildern. Was immer in den früheren Systemen wertvoll war, was mit ihren allgemeinen Prinzipien übereinstimmte, scheinen sie zu ihrem Eigenen gemacht zu haben. […]

Abschnitt IV: Die Geschichte der Astronomie

Von allen Phänomenen der Natur sind die himmlischen Erscheinungen durch ihre Größe und Schönheit die universellsten Objekte der Neugierde der Menschheit. Wer den Himmel auch nur mit der geringsten Aufmerksamkeit betrachtete, konnte darin notwendigerweise drei Arten von Objekten unterscheiden: die Sonne, den Mond und die Sterne. Diese drei Objekte, die immer in der gleichen Lage und im gleichen Abstand zueinander erschienen und sich jeden Tag in parallelen Kreisen um die Erde zu drehen schienen, die sich von den Polen zum Äquator hin allmählich erweiterten, erweckten natürlich den Eindruck, als wären sie wie Edelsteine an der konkaven Seite des Firmaments befestigt und als würden sie durch die täglichen Umdrehungen dieses festen Körpers bewegt: Denn der azurblaue Himmel, in dem die Sterne anscheinend schweben, wurde aufgrund der Gleichförmigkeit ihrer scheinbaren 24Bewegungen ohne weiteres als fester Körper angesehen, als Dach oder Außenwand des Universums, an dessen Innenseite all diese kleinen funkelnden Objekte befestigt waren.

Da Sonne und Mond häufig ihren Abstand und ihre Lage zu den anderen Himmelskörpern ändern, konnte man nicht davon ausgehen, dass sie mit diesen auf derselben Sphäre befestigt sind. Sie wiesen daher jedem von ihnen eine eigene Sphäre zu, sie nahmen also an, dass jeder von ihnen an der konkaven Seite eines festen und durchsichtigen Körpers befestigt sei, durch dessen Umdrehungen sie um die Erde getragen würden. […] [55]

[…]

Dies ist das System der konzentrischen Sphären, das erste echte System der Astronomie, das die Welt gesehen hat, wie es in der italienischen Schule gelehrt wurde, bevor Aristoteles und seine beiden Zeitgenossen, Eudoxos und Kallippus, ihm all die Vollkommenheit verliehen haben, derer es fähig ist. Obwohl grob und wenig kunstvoll, vermag es [56] in der Vorstellung die großartigsten und scheinbar unzusammenhängendsten Erscheinungen des Himmels miteinander zu verbinden. Die Bewegungen der bemerkenswertesten Objekte in den Himmelsregionen, der Sonne, des Mondes und der Fixsterne, sind durch diese Hypothese ausreichend miteinander verbunden. Die Verfinsterungen dieser beiden großen Gestirne sind zwar nicht so leicht zu berechnen, aber nach diesem antiken System ebenso leicht zu erklären wie nach dem modernen. Als diese frühen Philosophen ihren Schülern die sehr einfachen Ursachen dieser schrecklichen Phänomene erklärten, geschah dies unter dem Siegel der heiligsten Geheimhaltung, um den Zorn des Volkes zu vermeiden und sich nicht dem Vorwurf der Pietätlosigkeit auszusetzen, wenn sie auf diese Weise den Göttern die Steuerung der Ereignisse abnahmen, die als die schrecklichsten Zeichen ihrer bevorstehenden Rache angesehen wurden. Die Schiefe der Ekliptik, die sich daraus ergebenden Veränderungen der Jahreszeiten, der Wechsel von Tag und Nacht und die unterschiedliche Länge der Tage und Nächte in den verschiedenen Jahreszeiten entsprechen ebenfalls ziemlich genau dieser antiken Lehre. Und wenn es außer der Sonne, dem Mond und den Fixsternen keine anderen Himmelskörper zu entdecken gegeben hätte, hätte diese alte Hypothese der Prüfung aller Zeiten standgehalten und wäre triumphierend bis in die fernste Nachwelt überliefert worden.

25Wenn es den Glauben der Menschen durch seine Plausibilität gewann, erregte es ihr Staunen und ihre Bewunderung – Gefühle, die durch die Neuheit und Schönheit dieses Blicks auf die Natur, die es der Phantasie präsentierte, ihren Glauben noch mehr bestätigten. Bevor dieses System in der Welt gelehrt wurde, betrachtete man die Erde so, wie sie dem Auge erscheint, als eine weite, raue und unregelmäßige Ebene, die Grundlage und das Fundament des Universums, die auf allen Seiten vom Ozean umgeben ist und deren Wurzeln sich durch die gesamte unendliche Tiefe erstrecken, die sich unter ihr befindet. Der Himmel wurde als eine feste Halbkugel betrachtet, die die Erde bedeckte und sich am äußersten Horizont mit dem Ozean vereinigte. Die Sonne, der Mond und alle Himmelskörper stiegen aus dem östlichen Ozean auf, kletterten die konvexe Seite des Himmels hinauf, stiegen wieder in den westlichen Ozean hinab und kehrten von dort aus durch einige unterirdische Gänge in ihre ersten Gehäuse im Osten zurück. Diese Vorstellung war auch nicht auf das Volk beschränkt: Sie wurde von Xenophanes vertreten, dem Begründer der eleatischen Philosophie, welche nach der ionischen und der italienischen Schule die früheste Philosophie war, die in Griechenland aufkam. Auch Thales von Milet, der Aristoteles zufolge die Erde als auf einem riesigen Ozean aus Wasser schwimmend darstellte, mag fast dieselbe Meinung vertreten haben, ungeachtet [57] dessen, was uns Plutarch und Apuleius über seine astronomischen Entdeckungen erzählen, die alle eindeutig viel später entstanden sein müssen. Jenen, die keine andere Vorstellung von der Natur hatten als die, die sie aus einer so verworrenen Darstellung der Dinge ableiteten, muss jenes System als ansprechend erschienen sein, das die Erde als in Land und Wasser unterteilt darstellte, in sich ausgeglichen und im Zentrum des Universums schwebend, umgeben von den Elementen der Luft und des Äthers und bedeckt von acht glänzenden und kristallinen Sphären, von denen sich jede durch einen oder mehrere schöne und leuchtende Körper auszeichnete und die sich alle um ihr gemeinsames Zentrum drehten, mit unterschiedlichen, aber gleichmäßigen und ausgewogenen Bewegungen. Es scheint die Schönheit dieses Systems gewesen zu sein, die Platon die Vorstellung von so etwas wie einer harmonischen Proportion gab, die in den Bewegungen und Abständen der Himmelskörper zu entdecken sei, und die den früheren Pythagoräern die berühmte Vorstellung von der Musik 26der Sphären nahelegte: eine wilde und romantische Idee, die jedoch nicht schlecht mit der Bewunderung übereinstimmt, die ein so schönes System, das auch durch die Gunst der Neuheit empfohlen wird, zu wecken vermag.

Was auch immer die Mängel sind, unter denen diese Darstellung der Dinge leidet, sie sind derart, dass sie den ersten Beobachtern des Himmels nicht ohne weiteres auffallen konnten. Wenn auch nicht alle Bewegungen der fünf Planeten, so kann doch der größte Teil von ihnen leicht durch diese Darstellung verbunden werden. Sie und alle ihre Bewegungen sind die am wenigsten bemerkenswerten Objekte des Himmels; der größte Teil der Menschheit nimmt überhaupt keine Notiz von ihnen; und ein System, dessen einziger Fehler in der Erklärung liegt, die es von ihnen gibt, kann dadurch in ihren Augen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Wenn auch einige der Erscheinungen der Sonne und des Mondes, etwa die manchmal beschleunigten und dann wieder verzögerten Bewegungen dieser Gestirne, nur schlecht mit der Erklärung übereinstimmen, so sind auch diese Erscheinungen derart, dass sie nur durch die genaueste Beobachtung entdeckt werden können, und man darf sich daher nicht wundern, dass die Phantasie der ersten Forscher, wenn man so sagen darf, darüber hinweggeht und wenig Notiz davon nimmt.

Um diese Mängel zu beheben, hielt es Eudoxos, der Freund und Schüler Platons, für nötig, die Zahl der Himmelssphären zu erhöhen. Jeder Planet wird manchmal beobachtet, wie er sich in der ihm eigenen östlichen Richtung vorwärtsbewegt, manchmal, wie er sich zurückbewegt, und manchmal, wie er stehen bleibt. Anzunehmen, [58] dass die Planetensphäre durch ihre eigene Bewegung, wenn man so sagen darf, manchmal vorwärts, manchmal rückwärts rollt und manchmal weder das eine noch das andere tut, widerspricht allen natürlichen Neigungen der Einbildungskraft, die mit Leichtigkeit und Freude jede regelmäßige und geordnete Bewegung mitmacht, sich aber ständig gestoppt und unterbrochen fühlt, wenn sie sich bemüht, einer so unbeständigen und ungewissen Bewegung zu folgen. Sie würde natürlicherweise und aus eigenem Antrieb der direkten oder fortschreitenden Bewegung der Sphäre folgen, wird aber von Zeit zu Zeit, wenn man so sagen darf, durch die rückläufigen und stationären Erscheinungen des Planeten erschüttert und gewaltsam aus ihrer natürlichen Bahn geworfen. Zwischen der ungewissen und ihrer gewöhnlichen Bewegung 27empfindet die Phantasie einen Mangel an Verbindung, eine Lücke oder ein Intervall, das sie nicht ausfüllen kann, außer durch die Annahme einer Kette von Zwischenereignissen, die sie verbinden. Die Hypothese einer Reihe von anderen Sphären, die sich im Himmel drehen, und zwar neben denen, in denen die leuchtenden Körper selbst eingebettet sind, war die Kette, mit der Eudoxos versuchte, sie zu füllen. Jedem der fünf Planeten wies er vier dieser Sphären zu, eine, in der sich der leuchtende Körper selbst drehte, und drei weitere über ihm. Jede dieser Sphären hatte eine regelmäßige und konstante, aber eigentümliche Bewegung, die sie auf die eigentliche Planetensphäre übertrug und so die Vielfalt der Bewegungen bewirkte, die man bei diesen Körpern beobachten kann. Eine dieser Sphären hatte zum Beispiel eine oszillierende Bewegung, wie das Kreispendel einer Uhr. Wenn man eine Uhr wie eine Sphäre um ihre Achse dreht, wird das Pendel, während es mit ihr gedreht wird, weiterhin schwingen und dem Körper, der in ihm enthalten ist, sowohl seine eigenen Schwingungen als auch die Kreisbewegung der Uhr mitteilen; so dass diese oszillierende Sphäre, die selbst durch die Bewegung der Sphäre über ihr gedreht wird, der Sphäre unter ihr sowohl die kreisförmige als auch ihre eigene oszillierende Bewegung mitteilt. Durch die eine werden die täglichen Umdrehungen erzeugt, durch die andere die direkten, stationären und rückläufigen Erscheinungen des Planeten, der von einer dritten Sphäre die Umdrehung erhält, durch die er seine jährliche Periode vollzieht. Die Bewegungen all dieser Sphären waren an sich konstant und gleichmäßig, so dass die Vorstellungskraft sie leicht wahrnehmen und verfolgen konnte, und sie verbanden die sonst unzusammenhängende Vielfalt der Bewegungen, die auf der Planetensphäre zu beobachten waren. Da die Bewegungen der Sonne und des Mondes regelmäßiger sind als die der fünf Planeten, glaubte Eudoxos, die ganze Vielfalt der Bewegungen, die man in beiden entdecken konnte, miteinander verbinden zu können, indem er beiden je drei Sphären zuwies. [59] Da die Bewegung der Fixsterne vollkommen regelmäßig ist, hielt er eine Sphäre als für alle ausreichend. So belief sich die Gesamtzahl der Himmelssphären nach dieser Rechnung auf siebenundzwanzig. Kallippus, der etwas jüngere Zeitgenosse des Eudoxos, fand, dass selbst diese Zahl nicht ausreichte, um die große Vielfalt der Bewegungen, die er in diesen Körpern entdeckte, zusammenzufassen, und erhöhte sie deshalb auf vierunddreißig. 28Aristoteles fand bei noch aufmerksamerer Beobachtung, dass selbst diese Anzahl nicht ausreichen würde, und fügte daher zweiundzwanzig weitere hinzu, was ihre Zahl auf sechsundfünfzig erhöhte. Spätere Beobachter entdeckten noch neue Bewegungen und neue Unregelmäßigkeiten in den Himmeln. Daher wurden dem System immer noch neue Sphären hinzugefügt, und einige von ihnen wurden sogar über das System der Fixsterne gestellt. Im sechzehnten Jahrhundert versuchte Fracostorio, begeistert von der Eloquenz von Platon und Aristoteles und von der Regelmäßigkeit und Harmonie ihres Systems, das selbst wunderschön ist, auch wenn es nur ungenau mit den Phänomenen übereinstimmt, diese antike Astronomie wiederzubeleben, die seit Langem durch die von Ptolemäus und Hipparchos ersetzt worden war. Er hielt es für nötig, die Anzahl der Himmelskugeln auf zweiundsiebzig zu vervielfachen; aber auch das war nicht genug.

Dieses System war nun ebenso kompliziert und komplex geworden wie die Erscheinungen selbst, zu deren einheitlicher und kohärenter Beschreibung es erfunden worden war. Die Einbildungskraft fand sich daher durch eine so verworrene Darstellung der Dinge nur wenig aus der Not befreit, in die die Erscheinungen sie gebracht hatten. Aus diesem Grund wurde nicht lange nach den Tagen des Aristoteles von Apollonios ein anderes System erfunden, das später von Hipparchos vervollkommnet und uns seither von Ptolemäus überliefert wurde, nämlich das kunstvollere System der exzentrischen Sphären und Epizykel.

In diesem System unterschieden sie zunächst zwischen der tatsächlichen und der [60] scheinbaren Bewegung der Himmelskörper. Diese, so stellten sie fest, müssen aufgrund ihrer immensen Entfernung notwendigerweise den Anschein erwecken, als würden sie sich in Kreisen drehen, die konzentrisch zur Erdkugel und zueinander sind; doch können wir demnach nicht sicher sein, dass sie sich wirklich in Kreisen drehen, denn wenn dies nicht der Fall wäre, sähen sie doch genauso aus. Sie glaubten, die rückläufigen und stationären Erscheinungen dieser höchst unregelmäßigen Himmelskörper erklären zu können, indem man annimmt, dass in der festen Hülle der Sphäre jedes der fünf Planeten eine weitere kleine Sphäre gebildet wurde, die Epizykel genannt wird und die sich um ihren eigenen Mittelpunkt dreht, während sie gleichzeitig durch die Drehung der großen Sphäre, zwischen deren konkaven und konvexen 29Seiten sie eingeschlossen ist, um den Mittelpunkt der Erde getragen wird; ganz so, wie man sich ein kleines Rad vorstellt, das im äußeren Kreis eines großen Rades eingeschlossen ist und sich mehrmals um seine eigene Achse dreht, während sein Zentrum um die Achse des großen Rades getragen wird. Der Planet, so vermuteten sie, war am Umkreis befestigt und wirbelte um das Zentrum dieser kleinen Kugel, während er gleichzeitig durch die Bewegung der großen Sphäre um die Erde getragen wurde. Die Umdrehung dieser kleinen Sphäre oder des Epizykels war so, dass der Planet, wenn er sich im oberen Teil befand, das heißt, wenn er am weitesten entfernt und für das Auge am wenigsten wahrnehmbar war, in der gleichen Richtung wie das Zentrum des Epizykels oder wie die Sphäre, in der der Epizykel eingeschlossen war, umhergetragen wurde: Aber im unteren Teil, das heißt, wenn er dem Auge am nächsten und am deutlichsten wahrnehmbar war, wurde er in einer Richtung getragen, die der des Zentrums des Epizykels entgegengesetzt war: in der gleichen Weise, wie jeder Punkt im oberen Teil des äußeren Kreises eines Wagenrads sich vorwärts in der selben Richtung wie die Achse dreht, während jeder Punkt im unteren Teil sich rückwärts in einer zur Achse entgegengesetzten Richtung dreht. Die Bewegung des Planeten erschien daher von der Erde aus gesehen direkt, wenn er sich im oberen Teil des Epizykels befand, und rückläufig, wenn er sich im unteren Teil befand, oder er stieg vom unteren zum oberen Teil auf und erschien notwendigerweise stillstehend.

[61] Aber obwohl sie durch die Exzentrizität der großen Sphäre in gewissem Maße in der Lage waren, die ungleichen Geschwindigkeiten der Himmelskörper und durch die Umdrehungen der kleinen Sphäre die direkten, stationären und rückläufigen Erscheinungen der Planeten miteinander zu verbinden, gab es noch eine weitere Schwierigkeit, die bestehen blieb. Weder der Mond noch die drei wichtigsten Planeten erscheinen immer in demselben Teil des Himmels, wenn sie sich in ihren Phasen der verlangsamten Bewegung befinden oder wenn man annimmt, dass sie sich in der größten Entfernung von der Erde befinden. Das Apogäum oder der Punkt der größten Entfernung von der Erde in den Sphären eines jeden dieser Körper muss daher eine eigene Bewegung haben, die ihn nacheinander durch alle verschiedenen Punkte der Ekliptik führen kann. Sie nahmen daher an, dass, während die große exzentrische Sphäre sich ostwärts um ihren Mittelpunkt drehte, auch ihr 30Mittelpunkt sich westwärts in einem eigenen Kreis um den Mittelpunkt der Erde drehte und so sein Apogäum durch alle verschiedenen Punkte der Ekliptik trägt.

Aber obwohl die Befürworter dieses Systems mit all seinen kombinierten und verworrenen Kreisen in der Lage waren, den wirklichen Ausrichtungen der Planeten einen gewissen Grad an Einheitlichkeit zu geben, fanden sie es unmöglich, die Geschwindigkeiten dieser angeblichen Sphären so an die Phänomene anzupassen, dass die Umdrehung einer von ihnen, wenn sie von ihrem eigenen Zentrum aus betrachtet wird, vollkommen gleichmäßig und einheitlich erscheinen sollte. Von diesem Punkt aus, dem einzigen Punkt, von dem aus die Geschwindigkeit dessen, was sich in einem Kreis bewegt, wirklich beurteilt werden kann, würden sie immer noch unregelmäßig und unbeständig erscheinen und somit die Phantasie in Verlegenheit bringen und irritieren. Sie erfanden daher für jede von ihnen einen neuen Kreis, den sogenannten Ausgleichskreis, von dessen Mittelpunkt aus sie alle vollkommen gleichmäßig erscheinen sollten: Das heißt, sie stellten die Geschwindigkeiten dieser Sphären so ein, dass die Umdrehung einer jeden von ihnen zwar unregelmäßig erscheinen würde, wenn man sie von ihrem eigenen Mittelpunkt aus betrachtet, dass es jedoch einen Punkt innerhalb seines Umfangs geben sollte, von dem aus ihre Bewegungen in gleichen Zeiten gleiche Teile des Kreises abzuschneiden scheinen, dessen Mittelpunkt dieser Punkt war.

Nichts kann deutlicher zeigen, wie sehr die Ruhe und Gelassenheit der Vorstellungskraft das höchste Ziel der Philosophie ist, als die Erfindung dieses Ausgleichskreises. Die Bewegungen der Himmelskörper erschienen unbeständig und unregelmäßig, sowohl in ihren Geschwindigkeiten als auch in ihren Bewegungsrichtungen. Sie waren daher so beschaffen, dass sie die Vorstellungskraft in Verlegenheit brachten und verwirrten, wann immer sie versuchte, sie nachzuvollziehen. Die Erfindung der exzentrischen Sphären, der Epizykel und der Bewegung der Zentren der exzentrischen Sphären neigte dazu, diese Verwirrung zu lindern, die unzusammenhängenden Erscheinungen miteinander zu verbinden und Harmonie und Ordnung in die Vorstellung des Verstandes [62] von den Bewegungen dieser Körper zu bringen. Dies geschah jedoch nur unvollkommen; es führte Gleichförmigkeit und Kohärenz in ihre tatsächlichen Ausrichtungen ein, aber ihre Geschwindigkeiten, wenn sie 31von dem einzigen Punkt aus gemessen wurden, von dem aus die Geschwindigkeit dessen, was sich in einem Kreis bewegt, wirklich beurteilt werden kann, nämlich dem Mittelpunkt dieses Kreises, blieben nach wie vor in gewissem Maße inkonstant und brachten daher die Vorstellungskraft in Verlegenheit. Der Verstand fand sich etwas von dieser Verlegenheit befreit, als er sich vorstellte, dass, wie unregelmäßig auch immer die Bewegungen jedes dieser Kreise erscheinen mochten, wenn man sie von ihrem eigenen Zentrum aus betrachtete, es doch in jedem von ihnen einen Punkt gab, von dem aus ihre Umdrehung vollkommen gleichmäßig und gleichförmig erscheinen würde und dem die Vorstellungskraft leicht folgen konnte. Die Philosophen versetzten sich in ihrer Phantasie in die Zentren dieser imaginären Kreise und erfreuten sich daran, von dort aus all die phantastischen Bewegungen zu betrachten, die gemäß der Harmonie und Ordnung angeordnet waren, die letztendlich das Ziel all ihrer Forschungen war. Hier genossen sie endlich jene Ruhe und Gelassenheit, die sie in allen Labyrinthen dieser verwickelten Hypothese gesucht hatten; und hier sahen sie diesen schönsten und prächtigsten Teil des großen Theaters der Natur, so angeordnet und konstruiert, dass sie mit Leichtigkeit und Freude allen Entwicklungen und Veränderungen beiwohnen konnten, die sich in ihm vollzogen.

[…]

32Theorie der moralischen Gefühle

Vorwort des Verfassers

[3] Seit der ersten Veröffentlichung der Theorie der moralischen Gefühle, die bis in den Anfang des Jahres 1759 zurückliegt, sind mir mehrere Verbesserungen und eine große Zahl von Erläuterungen zu den Lehren, die in diesem Buch enthalten sind, eingefallen. Aber die mancherlei Beschäftigungen, welche das Leben mit all seinen Zufällen mir aufgezwungen hat, haben bis jetzt verhindert, dieses Werk mit jener Sorgfalt und Aufmerksamkeit wieder durchzusehen, wie ich es immer beabsichtigt hatte. […]

Im letzten Absatz des vorliegenden Werks habe ich in der ersten Auflage gesagt, dass ich in einer anderen Abhandlung versuchen werde, eine Darstellung der allgemeinen Prinzipien des Rechts und der Regierung zu geben sowie der verschiedenen Umwälzungen, welche diese in den verschiedenen Zeitaltern und Entwicklungsabschnitten der Gesellschaft durchgemacht haben, nicht nur soweit es sich um die Rechtspflege handelt, sondern auch was die Verwaltung, die Staatseinkünfte, das Militärwesen und alle anderen Gegenstände der Gesetzgebung anbelangt. In der Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker habe ich dieses Versprechen zum Teil eingelöst, wenigstens insofern es sich um Verwaltung, Staatseinkünfte und Militärwesen handelt. Das auszuführen, was noch übrigbleibt – nämlich eine Theorie des Rechts, welche ich lange Zeit geplant habe –, daran bin ich bisher durch ebendie Beschäftigungen verhindert worden, die mich auch davon abgehalten haben, das vorliegende Werk einer Revision zu unterziehen. Mein bereits sehr vorgerücktes Alter lässt mir, wie ich wohl weiß, zwar sehr wenig Hoffnung, dass ich noch jemals imstande sein werde, dieses große Werk so, wie ich es wünschen würde, auszuführen; da ich aber die Absicht dazu doch noch nicht ganz aufgegeben habe und da ich immer noch den Wunsch hege, auch ferner zu tun, was ich vermag, um die übernommene Verpflichtung zu erfüllen, so habe ich den Absatz so stehen lassen, wie er vor mehr als dreißig Jahren veröffentlicht wurde, als ich noch keinen Zweifel daran hegen konnte, dass ich imstande sein werde, alles auszuführen, was er verspricht.

33Erster Teil: Über die Angemessenheit von Handlungen

Erster Abschnitt: Über das Gefühl für das Angemessene

Erstes Kapitel: Über Sympathie

[9] Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein. Ein Prinzip dieser Art ist das Erbarmen oder das Mitleid, das Gefühl, das wir für das Elend anderer empfinden, sobald wir dieses entweder selbst sehen oder sobald es uns so lebhaft geschildert wird, dass wir es nachfühlen können. Dass wir oft darum Kummer empfinden, weil andere Menschen von Kummer erfüllt sind, ist eine Tatsache, die zu augenfällig ist, als dass es irgendwelcher Beispiele bedürfte, um sie zu beweisen; denn diese Empfindung ist wie alle anderen ursprünglichen Affekte der menschlichen Natur keineswegs auf die Tugendhaften und human Empfindenden beschränkt, obgleich diese sie vielleicht mit der höchsten Feinfühligkeit erleben mögen, sondern selbst der ärgste Grobian, der verhärtetste Verächter gesellschaftlicher Regeln ist nicht vollständig dieses Gefühls bar.