Pilgerreise zur seligen Ewigkeit - John Bunyan - E-Book

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit E-Book

Bunyan John

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Beschreibung

Zu Anfang des Jahres 1688 wurde Bunyan von einer heftigen Krankheit ergriffen, erholte sich aber wieder so weit, daß er noch ein besonderes Liebeswerk auszurichten imstande war, das freilich sein letztes auf Erden sein sollte. Einer seiner Freunde nämlich, der in der Stadt Reading wohnte, hatte gedroht, seinen eigenen Sohn zu enterben, und schon nahte sein Ende, ohne daß  eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn zustande gekommen war.

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Johann Bunyan.

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit

von Johann Bunyan.

1922.

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782385741648

 

 

 

 

 

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit

Erster Teil: Der Pilger.

Erstes Kapitel. Der Weg zur engen Pforte.

Zweites Kapitel. Der Weg zum Frieden.

Drittes Kapitel. Der Weg der Beschwerde.

Viertes Kapitel. Das Tal der Demut und der Todesschatten.

Fünftes Kapitel. Ein treuer Gefährte und ein frömmelnder Schwätzer.

Sechstes Kapitel. Der Markt der Eitelkeit und die Treue bis in den Tod.

Siebtes Kapitel. Ein neuer Begleiter und die Gefahren an der Silbergrube.

Achtes Kapitel. Nach großer Freude eine schwere Verirrung.

Neuntes Kapitel. Bei den Hirten auf den lieblichen Bergen.

Zehntes Kapitel. Die Geschichte von Kleinglaube.

Elftes Kapitel. Durch einen falschen Apostel betört. Über den bezauberten Grund.

Zwölftes Kapitel. Durch die Fluten der letzten Trübsal und Eingang in die himmlische Stadt.

Zweiter Teil: Die Pilgerin.

Erstes Kapitel. Christin schickt sich zur Pilgerreise an.

Zweites Kapitel. Wer da anklopft, dem wird aufgetan.

Drittes Kapitel. In Anfechtung und im Hause des Auslegers.

Viertes Kapitel. Belehrungen und Erfahrungen unter dem Geleit eines treuen Führers.

Fünftes Kapitel. Der Aufenthalt im Palast Prachtvoll.

Sechstes Kapitel. Im Tal der Demut und der Todesschatten.

Siebentes Kapitel. Redlich, ein treuer Mitpilger.

Achtes Kapitel. In der Herberge des Gajus und auf dem Eitelkeitsmarkt.

Neuntes Kapitel. Die Zerstörung der Zweifelsburg und auf den lieblichen Bergen.

Zehntes Kapitel. Über den bezauberten Grund und der Abruf aus dieser Welt.

Aus Bunyans Leben.

Das Jahr 1628, in dem Johann Bunyan geboren wurde, war ein sehr bewegtes. Während auf dem Festland katholische und protestantische Fürsten und Völker einander bekämpften, begann in England eine Bewegung der strengprotestantischen und republikanischen Partei gegen das Staatskirchentum, das noch viel Katholisches beibehalten hatte, und gegen die königliche Willkürherrschaft. Die Wellen dieser kirchlichen und politischen Stürme werden wir im folgenden auch in Bunyans Lebensschifflein schlagen sehen. Die Revolution und ihre Folgen spiegeln sich gewissermaßen in den Stürmen seines innern und äußern Lebens wider.

Johann Bunyan war der Sohn sehr armer Eltern. Sein Vater, Thomas Bunyan, war ein herumziehender Kesselflicker und Pfannenschmied, bewohnte jedoch in dem Dörfchen Elstow, unweit der Stadt Bedford im Herzen von England, eine armselige Hütte. Die Mutter hieß Margarete geb. Bentley und stammte ebenfalls aus Elstow. Von seinen Brüdern ist uns nichts Näheres aufbehalten. Eine sorgfältige Erziehung hat Johann nicht genossen; doch erkennt es der Sohn dankbar an, daß seine Eltern ihn nach Bedford zur Schule schickten, damit er lesen und schreiben lernte, um später dem Vater in seinem Handwerk behilflich zu sein. Im übrigen wuchs er auf in der Ausgelassenheit und Roheit einer zuchtlosen Jugend, wobei das in der Schule Gelernte bald vergessen wurde. In dieser Zeit scheint er nicht nur der Verführte, sondern der Rädelsführer seiner Altersgenossen in allen tollen Streichen, wie Beraubung der Obstgärten und Wilddieberei, gewesen zu sein, die ihm öffentliche Strafe zuzogen. Er selbst schildert sein damaliges Leben mit folgenden Worten: „Was mein natürliches Leben angeht, so war es in jener Zeit, da ich ohne Gott in der Welt lebte, in der Tat nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens. Es war meine Freude, vom Teufel gefangen zu sein zu seinem Willen. Ich war voll aller Ungerechtigkeit, welche auch so kräftig wirkte, beides, in meinem Herzen und Leben, daß ich von Kind auf nur wenige meinesgleichen im Fluchen, Schwören, Lügen und Lästern des heiligen Namens Gottes hatte.“

Doch auch in dieser Zeit der größten Entfernung von Gott waren religiöse Gefühle in ihm nicht ganz erstorben, und seine Sünden bereiteten ihm je und je Gewissensbisse. Schon in seinem zehnten Lebensjahr wurde er von schreckhaften Träumen und von dem Gedanken an die Qualen der Hölle beängstigt. Diese Bilder beunruhigten ihn oft mitten in seinen Spielen und unter seinen Kameraden so sehr, daß er ganz niedergeschlagen war. Zu einer Sinnesänderung kam es indessen nicht, im Gegenteil suchte er diese Eindrücke zu betäuben und sich nur noch mehr seinen Lustbarkeiten hinzugeben. — Wie er sich in dieser Zeit zum Worte Gottes verhielt, sagt er selbst: „In diesen Tagen waren mir die Gedanken an geistliche Dinge sehr verdrießlich. Ich konnte es selbst nicht leiden noch ertragen, daß andre sie hegten. Sah ich Leute in christlichen Büchern lesen, so fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft wie in einem Gefängnis.“

An Bewahrungen, die ihn aus seinem Schlummer hätten aufwecken sollen, ließ es Gott auch nicht fehlen. Zweimal war er dem Ertrinken nahe, das eine Mal im Ousefluß bei Bedford, das andre Mal in einer Meeresbucht. In seiner Tollkühnheit schlug er eines Tages eine Otter, die über den Weg glitt; da sie nun betäubt war, riß er ihr mit dem Stock den Rachen auf und brach ihr mit bloßer Hand die Giftzähne aus, ohne eine Verletzung davonzutragen. Diese Barmherzigkeit Gottes machte damals zwar wenig Eindruck auf ihn, weckte jedoch in ihm das Gefühl, daß er nicht völlig von Gott dahingegeben sei.

Mit ungefähr 17 Jahren ließ er sich als Soldat anwerben und diente, wie es scheint, in der Parlamentsarmee, die im Kampfe stand gegen Karl I. aus dem Geschlecht der Stuart. Bei der Belagerung von Leicester durfte er wieder offensichtlich die schützende Hand Gottes über sich erfahren. Er sollte nämlich eines Tages an einer gefahrvollen Stelle Schildwache stehen, da bat ihn ein Kamerad dringend, an seiner Statt den Posten beziehen zu dürfen, und kurz nach der Ablösung wurde dieser von einer Kugel getötet. Aber auch diese wunderbare Erhaltung seines Lebens ließ den jungen Bunyan damals noch gleichgültig und kalt.

Bald darauf trat er aus dem Heeresdienst aus und kehrte in seine Heimat zurück, ohne im geringsten sein Leben zu ändern. Vielmehr vernachlässigte er seinen Beruf und kam nach und nach in drückende Armut. Um diese Zeit, er war nun etwa 20 Jahre alt, verheiratete er sich auf den Rat seiner Freunde, welche meinten, daß diese Veränderung eine günstige Wirkung auf seinen bisherigen Lebenswandel ausüben würde. Seine Frau war ein armes Waisenmädchen, so arm, daß sie ihm an irdischem Gut nichts weiter ins Haus brachte als eine Schüssel und einen Löffel. Doch besaß sie auch noch zwei Bücher: „Des gemeinen Mannes Fußpfad zum Himmel“ und „Die Übung in der Gottseligkeit“, welche ihr gottseliger Vater ihr bei seinem Tode hinterlassen hatte. In diesen beiden Büchern pflegte er dann und wann mit ihr zu lesen und fand darin manches, was ihm wohlgefiel. Seine Frau erzählte ihm auch oft von ihrem frommen Vater und wie er das Laster sowohl in seinem Hause als unter seinen Nachbarn getadelt und andre davor gewarnt habe und wie heilig und rechtschaffen er in Worten und Werken gewesen sei.

Diese Bücher und die Ermahnungen seiner Frau wirkten doch so weit auf sein Herz, daß er sich bemühte, wenigstens die äußern Gebräuche der Religion zu beobachten. Daher ging er Sonntags zweimal in die Kirche und konnte auch ganz andächtig singen und beten, wie es die andern taten. Kaum war aber der Gottesdienst vorbei, so nahmen ihn die Spiele auf dem Rasenplatz wieder völlig in Anspruch. Unter den lustigen Gesellen war er bei Tanz und Spiel wie immer der erste.

Nachdrücklicher schlug an sein Gewissen eine Predigt über die Sonntagsfeier und Sonntagsentheiligung. Es kam ihm vor, als ob der Geistliche gerade gegen ihn gepredigt hätte. Noch nie hatte er so deutlich gefühlt, was Sündenschuld ist; er ging aus der Predigt nach Hause mit einer schweren Last auf dem Gemüt. Doch auch dieser Eindruck ging bald vorüber und wurde von seinem alten Leichtsinn verdrängt. Noch am selben Tag wurde er aus demselben aufgeschreckt, denn eine Stimme vom Himmel schien ihm zuzurufen: „Willst du deine Sünden verlassen und in den Himmel oder deine Sünden behalten und in die Hölle fahren?“ Hierüber außerordentlich erstaunt, blickte er zum Himmel empor, und es war ihm, wie er selbst berichtet, als ob der Herr Jesus sehr unwillig auf ihn herniederschaute. Aber Bunyan verschloß seine Augen dem Licht, und nachdem er zu dem Schluß gekommen war, für ihn sei die Gnadenzeit vorbei, entschloß er sich, das Glück dieser Welt und die Lust der Sünde in vollen Zügen weiter zu genießen.

So finden wir ihn denn etwa einen Monat später fluchend und schwörend an dem Fenster einer Nachbarin. Diese Frau, die selbst in einem schlechten Ruf stand, wies ihn ernstlich darüber zurecht und sagte, er fluche so fürchterlich, daß sie zittere, ihn anzuhören; er sei der gottloseste Flucher, den sie in ihrem Leben gesehen habe, und er werde noch die ganze Jugend des Dorfes verderben. — Was viele Predigten nicht vermocht hätten, das bewirkte die Strafrede dieser Frau. Tief beschämt schlug er die Augen nieder; er wünschte wieder ein kleines Kind zu werden, daß sein Vater ihn reden lehren könnte, ohne zu fluchen. Von dieser Zeit an hörte er auf zu fluchen. Bald darauf wurde er mit einem frommen Mann bekannt, der ihn auf die Heilige Schrift hinwies. Bunyan fing nun an, die Bibel zu lesen, in welcher ihn hauptsächlich das Geschichtliche anzog, während z. B. die apostolischen Briefe für sein Verständnis noch ein Buch waren mit sieben Siegeln.

So begann er denn wirklich, sein Leben zu bessern und nach den Geboten Gottes zu leben, und es tat ihm leid, wenn er es nicht getan. Selbst das Tanzen, von jeher sein Lieblingsvergnügen, vermochte er nach und nach aufzugeben. Auf diese Weise beruhigte er sich und glaubte Gott zu gefallen. Die Veränderung in Bunyans Leben fiel auch den Nachbarn auf. Sie hielten ihn für einen wahrhaft frommen Menschen. Dieses Urteil der Leute schmeichelte ihm, und er war stolz auf seine Frömmigkeit.

Bunyan nähert sich den Frauen, um zuzuhören.

Während Bunyan in diesem selbstzufriedenen und selbstgerechten Sinn dahinlebte, führte ihn eines Tages sein Beruf nach Bedford; da sah er in einer der Straßen dieser Stadt drei oder vier Frauen, welche sich über göttliche Dinge unterhielten. Er, der gern über religiöse Dinge schwatzte, aber wohl auch von einem unbewußten Bedürfnis getrieben, näherte sich diesen Frauen, um zuzuhören. Sie sprachen von dem Werk Gottes in ihren Herzen, von der neuen Geburt und wie sie von ihrem natürlichen Elend überzeugt worden seien. Sie erzählten einander, wie der Herr ihre Seelen heimgesucht, mit welchen Trostesworten und Verheißungen Er sie erfrischt habe. Sie sagten auch, welche Anfechtungen des Teufels sie erfahren und wie sie unter seinen Anläufen erhalten geblieben seien. Sie sprachen von dem noch immer in ihrem Herzen steckenden Kleinglauben und sündlichen Wesen, von dem Hang zur Eigengerechtigkeit, welche sie als unzulänglich und unrein verwarfen. — Dies waren nun freilich für unsern Bunyan unbekannte Dinge. Aber ein Stachel davon blieb in seinem Herzen zurück. Es ward ihm bewußt, daß ihm bei aller seiner vermeintlichen und gutgemeinten Frömmigkeit die Notwendigkeit, von neuem geboren zu werden, nie eingefallen war und daß er weder von dem Troste Gottes noch von der Betrüglichkeit seines eigenen Herzens etwas wußte. Er ging wieder an sein Geschäft. Die Worte jener Frauen gingen ihm so sehr zu Herzen, weil sie ihn nicht nur davon überzeugten, daß ihm die Merkmale eines wahrhaft frommen Menschen fehlten, sondern weil er erkannte, wie glückselig der Zustand desjenigen sein müsse, der diese Merkmale habe. Es ward ihm daher Bedürfnis, seine Schritte wieder dorthin zu lenken, und je mehr er dies tat, desto klarer wurde er sich über seinen wirklichen Seelenzustand. Mit einer wahren Begierde las er nun die Bibel. Besonders waren es die Briefe des Apostels Paulus, die Gegenstand seines eifrigsten Forschens wurden. Das vornehmste Ziel, nach dem er strebte, war das Heil seiner Seele. Darauf war sein Sinn so ernstlich gerichtet, daß weder Vergnügungen noch Vorteile noch Überredungen oder Drohungen ihn wieder davon abzuziehen vermochten.

Gerade in dieser Zeit des Suchens nach Licht und Wahrheit geriet er in eine große Gefahr dadurch, daß er mit den Angehörigen einer Sekte, Ranters genannt, in Berührung kam, welche über alles Gesetz und Gebot hinaus zu sein meinten und die Freiheit des Fleisches predigten. Aber Gott erhielt ihn in Seiner Furcht und ließ ihn solche verführerischen Grundsätze nicht annehmen.

Trotz seines ernstlichen Suchens und Betens gingen noch etwa zwei Jahre darüber hin, bis er endlich zum Frieden kam. Doch es würde zu weit führen, über all die Kämpfe und Versuchungen ausführlich zu berichten, die er zu bestehen hatte. Es stiegen Befürchtungen in bezug auf die Gnadenwahl in ihm auf, oder daß der Tag des Heils für ihn schon vorbei sein könnte. Verkehrte Auffassung gewisser Bibelstellen und gotteslästerliche Eingebung des bösen Feindes quälten und verwirrten ihn so sehr, daß er sich zeitweise wie in einem Zustand der Verzweiflung befand.

Auch jetzt wieder waren es jene edlen Frauen, die sich seiner liebreich annahmen und ihn mit ihrem Seelsorger Johann Gifford, dem Baptistenprediger in Bedford, in Verbindung brachten. Gifford war selbst einen ähnlichen Weg von Sünden und Verirrungen und schmerzlichen Kämpfen geführt worden und hatte endlich den Frieden gefunden. Um so mehr war er der Mann, der Bunyan verstehen und ihm als Ratgeber dienen konnte. Was er nebst Gott diesem treuen Zeugen zu danken hatte, das zeigt er uns in seiner „Pilgerreise“, wo er dem christlichen Wandersmann den „Evangelisten“ als Ratgeber und Leiter beigesellt hat.

Noch ein andres Mittel diente zu seiner Aufrichtung: Bunyan hatte ein Verlangen, die Erfahrung irgendeines gottseligen Mannes der Vergangenheit zu lesen. Nun fügte es Gott, daß ihm nach einiger Zeit ein Buch von Martin Luther in die Hände kam; es war seine „Erklärung des Briefes an die Galater“. Bunyan fand in diesem Buch seine eigene Lage und Erfahrung so ausführlich und gründlich behandelt, als ob dasselbe aus seinem Herzen geschrieben worden wäre. Er fand, daß Luther da sehr ernstlich von den Versuchungen und ihrer Entstehung, von Anfechtungen zur Hoffnungslosigkeit, zur Lästerung usw. handle und zeige, wie sowohl das Gesetz Moses als auch der Teufel, der Tod und die Hölle die Hand dabei im Spiel hätten. Dieses Buch dünkte ihn nächst der Heiligen Schrift das passendste für ein angefochtenes Menschenkind zu sein.

Bei alledem war er von seinen schweren Anfechtungen noch nicht frei, und wenn er auch eine Zeitlang den Frieden Gottes in seinem Herzen empfand, so glich doch dieses bald darauf wieder einem bewegten Meer. Aber zuletzt ging alles vorüber, und die Sonne der Gerechtigkeit ging in seiner Seele auf. Jetzt fielen die Fesseln in Wirklichkeit von seinen Füßen; er war von seiner Trübsal und von seinen Ketten erlöst; seine Versuchungen verloren sich ebenfalls. Nun ging er frohlockend seinen Weg, indem er sich der Gnade und Liebe Gottes erfreute.

Bald darauf schloß er sich der Baptistengemeinde in Bedford an. Das war etwa ums Jahr 1653, als er ungefähr 25 Jahre alt war. Um diese Zeit besserte sich auch Bunyans äußeres Fortkommen; er war nicht mehr in Gefahr, für einen Zigeuner gehalten zu werden, sondern stand bald in großer Achtung bei seinen Mitbürgern. Seinen Wohnsitz hatte er noch in seinem mit Stroh bedeckten Häuschen in Elstow, wo ihm Gott zwei Kinder beschert hatte: Marie, seine blinde Tochter, die er zärtlich liebte, und Elisabeth, die eine im Jahr 1650, die andre im Jahr 1654. In Johann Gifford besaß er einen geistesverwandten und einsichtsvollen Lehrer, und das war gut, denn seine Seelenkämpfe hatten noch nicht ihr volles Ende erreicht. Geistliche und leibliche Anfechtungen stürmten immer wieder auf ihn ein. Indessen behielt die Glaubenszuversicht endlich die Oberhand.

Der Gemeinde kam es bald zum Bewußtsein, daß Bunyan Gaben besitze, durch die er seinen Mitmenschen zum Segen werden könnte, und sie ernannte ihn zu ihrem Diakon oder Armenpfleger. Nicht lange nachher wurde er von der Gemeinde zum Prediger oder Evangelisten bestimmt. Mit der Übernahme dieses Amtes (1655) vollzog sich auch seine Übersiedlung nach Bedford.

Wie gering aber Bunyan damals von sich selbst hielt, sagte er mit folgenden Worten: „Ich konnte im Anfang gar nicht glauben, daß es möglich sei, daß Gott durch mich zu dem Herzen eines Menschen reden werde.“ — In den ersten Zeiten seines Predigtamts sprach er hauptsächlich von dem Verderben und dem Fluch der Sünde. Dies konnte er um so besser, als damals noch vielfach die Schrecken des Gesetzes und seine Sündenschuld schwer auf seinem Gewissen ruhten. Er bekennt selbst: „Ich kann mit Wahrheit und ohne Verstellung sagen, daß wenn ich hinging zu predigen, so ging ich voll Schuldgefühl und Schrecken, selbst bis zur Kanzeltür, und da erst wurde mir die Last abgenommen, so daß ich so lange im Gemüt frei war, bis ich mein Amt ausgerichtet hatte.“ — So fuhr er etwa zwei Jahre lang fort. Danach wurde er mit dauerndem Trost und Frieden erfüllt. Darum predigte er nun nicht mehr so sehr von den Schrecken der Sünde und des Gesetzes, sondern suchte Jesus Christus in dem Reichtum Seiner erlösenden Wirksamkeit und in Seinen Segnungen zu schildern; denn „ich predigte immer, was ich erfahren hatte“. Später ward er besonders von dem Geheimnis der Vereinigung mit Christus überzeugt, darum erklärte er seinen Zuhörern auch diesen Teil der evangelischen Wahrheit.

Sein Ruf als Prediger erscholl bald in die umliegenden Ortschaften, so daß von allen Seiten Hunderte herbeiströmten, um ihn zu hören. Nebenbei setzte er sein Handwerk als Kesselflicker mit großem Fleiß fort und war zu diesem Zweck nicht selten auf der Wanderschaft begriffen. Dabei predigte er, wo ihm Gelegenheit geboten wurde: in Wäldern, Scheunen oder auf Rasenplätzen, zuweilen auch in einer Kirche. Was für eine Macht von seiner Predigt ausging, zeigt uns folgendes Beispiel: Eines Tages sollte er in einer Dorfkirche bei Cambridge predigen. Unter Cromwells Protektorat durften auch die Baptisten die öffentlichen Kirchen benützen. Eine große Schar Zuhörer hatte sich schon auf dem Kirchhof versammelt. Da ritt eben ein Student vorüber. Er sieht die Menschenmenge und fragt, was es da gebe. Man teilt ihm mit, die Leute wollten einen gewissen Bunyan, einen Kesselflicker, predigen hören. Das ist dem Studenten interessant. Er steigt vom Pferd, gibt einem Knaben sechs Kreuzer, daß er ihm das Pferd halte, und sagt, er müsse des Kesselflickers Gewäsche auch hören, das gebe ja einen köstlichen Spaß. Er geht in die Kirche. Aber das Wort Gottes aus dem Munde des Kesselflickers ergriff den jungen Studenten so, daß er von da an jede Gelegenheit benützte, Bunyan zu hören, und später ein gesegneter Prediger des Evangeliums wurde.

Ernennung zum Prediger.

Fünf Jahre lang hatte Bunyan als Laienprediger gewirkt. Unter der Herrschaft Oliver Cromwells und seines Sohnes Richard hatte es für ihn als Baptist keine Gefahr, zu predigen, wenn er auch die Feindschaft mancher Geistlichen reichlich zu fühlen bekam, die mit bitterm Neid verächtlich auf den neuen eifrigen Prediger herabsahen und es ihrerseits an Verleumdungen der schwärzesten Art nicht fehlen ließen.

In diese Zeit fällt auch der Anfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Durch sein erstes Büchlein, das er schrieb: „Beleuchtung einiger evangelischen Wahrheiten“ geriet er jedoch in lange Streitigkeiten mit den Quäkern, die sich auch in Bedford angesiedelt hatten.

Am 29. Mai 1660 zog Karl II., der sich nach der Enthauptung seines Vaters, des unglücklichen Karl I., nach Frankreich geflüchtet hatte, wieder als König in London ein. Noch während seiner Verbannung zu Breda in Holland hatte er eine Proklamation an das englische Volk erlassen, worin er versprach, daß „die schwachen und zarten Gewissen volle Freiheit in der Religionsübung haben sollten und daß man niemand beunruhigen oder zur Rede stellen werde wegen seiner von der Staatskirche abweichenden Religionsmeinungen, sofern dieselben nicht den Reichsfrieden stören“. Aber die Hoffnungen von religiöser Freiheit, welche manche auf die Wiederherstellung der Monarchie gesetzt haben mochten, gingen nicht in Erfüllung. Die alten Strafgesetze gegen alle, die sich nicht zur bischöflichen Kirche hielten, traten wieder in Kraft, ja, sie wurden sogar noch verschärft und durch neue vermehrt. So konnten die Versammlungen der Baptisten nur noch im geheimen stattfinden, und zwar oft in den Stunden der Nacht und an abgelegenen Orten. Auch Johann Bunyan setzte mit großer Treue seine gesegnete Tätigkeit fort. Einmal soll er, um nicht entdeckt zu werden, als Fuhrmann verkleidet in weißem Kittel mit der Peitsche in der Hand nach einem Dorf gefahren sein, um in einer abgelegenen Scheune das Evangelium zu verkündigen. Eine Zeitlang entgingen Bunyan und seine Freunde dem wachsamen Auge der Polizei.

Gefängnis zu Bedford.

Anfang Oktober 1660 erließ die in Bedford versammelte Behörde den Befehl, daß beim öffentlichen Gottesdienst die Liturgie der Kirche Englands gelesen werden müsse. Bunyan, als ihr nicht angehörig, dachte nicht daran, daß dieser Erlaß auch ihn angehe; es lag ihm fern, demselben Folge zu leisten. Da fand sich ein Verräter, der ihn bei der Regierung anzeigte. Es war am 12. November, da war er ersucht worden, in dem benachbarten Dorfe Samsell zu predigen, und er war im Begriff, über das Wort zu sprechen: Glaubst du an den Sohn Gottes? (Joh. 9, 35.) Ein benachbarter Friedensrichter hatte aber schon von der Versammlung gehört, welche da abgehalten werden sollte. Bunyans Freunde, welche es vernommen, rieten ihm, die Zeit zu benützen und zu entfliehen. Bunyan aber dachte: „Wenn ich fliehe, was werden meine glaubensschwachen Brüder sagen? Werden sie nicht gleicherweise die Flucht ergreifen? Werden sie nicht sagen, ich habe ihnen bloße Worte ohne Werke gepredigt?“ — So war er denn entschlossen zu bleiben und sein Amt auszurichten. Kaum aber hatte der Gottesdienst begonnen, so traten die Gerichtsdiener herein mit dem Haftbefehl. Auf seine Bitte durfte Bunyan noch einige Worte an die Gemeinde richten, und dann wurde er ins Gefängnis nach Bedford abgeführt. Im Januar 1661 fanden die vierteljährlichen Sitzungen des Gerichtshofes statt. Die Anklageakten, welche hierauf gegen Bunyan verfaßt und ihm vorgelesen wurden, lauteten also: „Daß Johann Bunyan aus Bedford, Landmann, seit einiger Zeit teuflischer- und verderblicherweise sich vom öffentlichen Gottesdienst ferngehalten und dagegen ein gesetzwidriger Versammlungshalter sei, zur großen Zertrennung und Zerstörung der guten Untertanen dieses Königreichs, entgegen dem Gesetz unsers souveränen Herrn und Königs“ usw. Das Verhör bewegte sich um die Verpflichtung zum Besuch des staatskirchlichen Gottesdienstes, um die englische Liturgie und um Bunyans Befugnis zum Predigen. Der Angeklagte gab zu, daß er Versammlungen gehalten habe, um zu beten und zu ermahnen, weigerte sich jedoch entschieden, das Versprechen abzulegen, daß er, wenn in Freiheit gesetzt, nicht mehr predigen wolle. Der Richter drang mit allerlei Vorstellungen in ihn, um ihn dazu zu bewegen, aber umsonst. „Nun denn,“ sagte der Richter, „so höre dein Urteil: Du mußt wieder zurück in dein Gefängnis und dort noch weitere drei Monate liegen; und dann, wenn du dich weigerst, in die Kirche (d i. die bischöfliche Staatskirche) zu gehen und dem Gottesdienst derselben beizuwohnen, wie auch dein Predigen zu lassen, so steht dir Landesverweisung in Aussicht; und solltest du dich dann ohne besondere Erlaubnis des Königs im Lande wieder sehen lassen, so geht’s dir an den Hals.“ Bunyan antwortete: „Ich habe nichts weiter zu sagen; wenn ich heute aus dem Gefängnis käme, so würde ich morgen wieder das Evangelium predigen mit Gottes Hilfe.“

Nach Ablauf der drei Monate war Bunyan nun sehr gespannt, zu erfahren, was aus ihm werden würde. Er hatte schon die Predigt vorbereitet, die er bei seiner Hinrichtung vor versammeltem Volk zu halten gedachte. Es kam jedoch nicht so weit. Ebensowenig wagte man es, ihn in die Verbannung zu schicken; aber zwölf Jahre hindurch wurde er gefangengehalten. Das Gefängnis stand auf der Brücke, welche über den Fluß bei Bedford führte. Es war eine unwirtliche Behausung, ein Ort, welchen Bunyan selbst zu Anfang seiner „Pilgerreise des Christen“ eine „Höhle“ nennt. Aber eben dieses Gefängnis ward durch Bunyan ein Haus der Ermahnung und des Trostes. Außer ihm waren noch viele andre um ihres Bekenntnisses willen hier eingekerkert, und er versäumte es nicht, sie zu unterweisen und mit ihnen zu beten. Außer den Mitgefangenen kamen noch viele aus der ganzen Umgegend herbei, um ihn zu besuchen und sich von ihm in ihren Zweifeln und mancherlei Gewissensfragen geistlichen Rat zu holen. — Mochte auch seine Haft keine strenge sein, so drückte ihn doch die Trennung von seiner zweiten Gattin und seinen vier Kindern besonders schwer. Seine erste Frau war nach schwerer Krankheit vor seiner Verhaftung gestorben. Nicht imstande, durch sein Handwerk etwas zu verdienen, lernte er Litzen häkeln, Schnüre und Schnürgeflechte verfertigen, die er an der Tür seines Gefängnisses verkaufen durfte, wobei oft seine geliebte blinde Tochter an seiner Seite stand.

Die Stille seiner Zelle benützte er auch, um sich vollends in Wort und Geist der Heiligen Schrift zu vertiefen; von hier aus sind seine wichtigsten Schriften hervorgegangen. Seine dichterischen Gefängnisbetrachtungen, seine unter dem Titel: „Überschwengliche Gnade“ verfaßte Lebensbeschreibung, sein Glaubensbekenntnis und insonderheit „Die Pilgerreise des Christen“ haben diesen Ursprung. Viele andre Bücher wurden von Bunyan während seiner Gefangenschaft geschrieben, und alle seine schriftstellerischen Werke zusammen umfassen nicht weniger als 60 größere und kleinere Bände. Auf diese Weise konnte er als Gefangener eine viel weitere Wirksamkeit gewinnen, als er vorher in seiner Freiheit durch sein Predigen hatte ausüben können.

Bunyan als Schriftsteller im Gefängnis zu Bedford.

Der Herr gab ihm auch solche Gunst in den Augen des Gefängniswärters, daß dieser ihm eine Zeitlang viel Freiheit ließ. Er durfte bei seiner Familie sein und zuweilen sogar in den umliegenden Dörfern und Wäldern predigen. Man sagt, daß viele der Baptistengemeinden in der Umgegend von Bedford ihre Entstehung seinen damaligen mitternächtlichen Predigten verdanken. Im Jahr 1666 kam er, da er für kurze Zeit in Freiheit gesetzt ward, bis nach London. Aber eines Tages wurde er, eben im Begriff, eine Versammlung zu halten, als ein Gegner der Staatskirche wiederum festgenommen und in strengere Haft zurückgeführt. Diese Strenge aber ließ allmählich wieder nach, so daß er Monate hindurch regelmäßig die Versammlungen seiner Brüder in Bedford besuchen konnte, ja er wurde sogar im Oktober 1671, da er noch im Gefängnis war, zum Prediger der Baptistenkirche in Bedford gewählt. Seine öftere Abwesenheit kam indes zu den Ohren der ihn verfolgenden Geistlichen. Von London wurde ein Beamter nach Bedford entsandt, der sich von der Wahrheit jener Gerüchte überzeugen sollte. Mitten in der Nacht meldete sich dieser beim Gefängniswärter, um seine Untersuchung vorzunehmen. In derselben Nacht befand sich Bunyan bei seiner Familie, war aber so unruhig, daß er nicht schlafen konnte, und sagte deshalb zu seiner Frau, er müsse sogleich zurückkehren. Er tat es auch, und der Kerkermeister war sehr unzufrieden, daß er zu einer solch ungelegenen Zeit zurückkam. Kurz darauf erschien der Beamte und fragte: „Sind alle Gefangenen gut verwahrt?“ „Ja.“ „Ist Johann Bunyan in seiner Zelle?“ „Ja.“ „Ich wünsche ihn zu sehen.“ Er wurde gerufen, erschien, und alles war recht. Nachdem der Beamte das Gefängnis verlassen hatte, sagte der Wärter zu Bunyan: „Ihr möget ausgehen, wann es Euch beliebt, denn Ihr wißt besser, wann Ihr zurückkommen müßt, als ich es Euch sagen kann.“

Endlich erließ Karl II. im Jahr 1672 die sogenannte Indulgenzakte, welche den Dissenters Befreiung aus dem Gefängnis und für ihre Privatversammlungen Duldung gewährte. Die nähern Umstände, denen Bunyan seine Freiheit verdankte, sind erst in neuerer Zeit bekannt geworden. In der Schlacht bei Worcester, in welcher das schottische Heer durch Cromwell beinahe aufgerieben worden und Karl II., damals noch Kronprätendent, in persönliche Lebensgefahr geraten war, hatte derselbe nach vierzigtägiger Flucht endlich einen Mann gefunden, der ihn auf den Schultern in ein Boot rettete; dies war ein Quäker. Zwanzig Jahre später erschien dieser Quäker vor dem König, der ihn sogleich wieder erkannte und ihm seine Verwunderung bezeugte, daß er niemals bei ihm um eine Belohnung eingekommen sei. Der Quäker gedachte der Tausende seiner Glaubensgenossen, die in den Gefängnissen schmachteten, und bat für sie; doch nicht für sie allein, sondern auch für die andern, die um ihres Gewissens willen verfolgt waren. Der Name Bunyan wurde mit genannt. Karl II., welcher bei all seinen Fehlern doch ein dankbares Herz hatte, ließ eine Verordnung ausgehen, durch welche die gefangenen Dissenters, welche sich keiner politischen Vergehen schuldig gemacht hatten, in Freiheit gesetzt wurden. Diese Verordnung trug das Datum vom 15. März 1672.

Als Bunyan das Gefängnis von Bedford verließ, war er 44 Jahre alt. Zum ersten, was er nach seiner Befreiung tat, gehörte ein Gesuch an die Behörde um ungehinderte Predigt und freie Versammlungsstätten in der Grafschaft Bedford und den benachbarten Grafschaften. Seinen Bemühungen verdankten 25 Prediger ihre Anstellung, 31 Versammlungsstätten ihre ungestörte Benützung. Als Seelsorger ging er unermüdlich den einzelnen nach und hielt hin und her Erbauungsstunden. Auch seine Feder war bald wieder in voller Tätigkeit, und er schrieb Werke, durch die sein Gedächtnis im Segen bleibt. Überhaupt suchte er das Reich Christi zu fördern, soviel er nur vermochte, und von den Baptistengemeinden seiner Gegend, deren Leiter er nun eigentlich war, erhielt er den Ehrennamen „Bischof Bunyan“. Dieser Bischof hielt es nicht unter seiner Würde, sein früheres Handwerk bis an sein Lebensende fortzuführen. Er blieb auch in seiner bescheidenen Wohnung. Sein Studierzimmer war kaum größer als seine Gefängniszelle. Ein Schuppen hinter dem Haus diente ihm als Werkstatt.

Bunyans Ruf nahm immer zu. Auf seinen Wanderpredigten kam er auch jährlich einmal nach London. Dort wurden seine Predigten so hoch geschätzt, daß zu einer Morgenandacht um 7 Uhr sich einmal an einem Werktag mitten im Winter mehr als 1200 Zuhörer einstellten. Ein andermal, an einem Sonntag, hatten sich mehr als 3000 Personen eingefunden; viele mußten wegen Platzmangel wieder umkehren. Unter denen, die zu seinen Predigten herbeiströmten, fand man Hohe und Niedrige, Gelehrte und Ungelehrte. Der berühmte Theologe Dr. Johann Owen, der schon unter Cromwell in hohem Ansehen gestanden hatte, setzte sich, sooft er Gelegenheit hatte, gern zu den Füßen des ungelehrten, aber beredten Kesselflickers, um seinen glühenden, herzergreifenden Ansprachen zu lauschen. Als König Karl II. dies hörte, fragte er den gelehrten Doktor, wie doch ein Mann von seiner hohen Bildung und großen Gelehrsamkeit sich herablassen könne, einen Kesselflicker predigen zu hören. Darauf erwiderte Owen: „Königliche Majestät, wenn ich des Kesselflickers Predigtgabe bekommen könnte, wollte ich gern all meine Gelehrsamkeit dagegen eintauschen.“

Mehr als einmal wurde Bunyan gebeten, sich in der Weltstadt dauernd niederzulassen. Doch weder die Aussicht auf ein größeres Arbeitsfeld noch viel weniger auf ein höheres Einkommen konnten ihn bestimmen, seine Bedforder Gemeinde zu verlassen.

Nach Jahr und Tag regten sich auch die alten Feinde wieder. Ja, sie brachten es dahin, daß Bunyan noch einmal ins Gefängnis mußte; diesmal jedoch nur auf sechs Monate. Durch Vermittlung angesehener Männer, des Dr. Owen, des berühmten Kaplans Cromwell und des Bischofs von Lincoln, wurde er befreit. Ob Bunyan den 1. Teil seiner „Pilgerreise“ während dieser oder der 12jährigen Gefangenschaft geschrieben hat, ist ungewiß; in Druck kam er erst im Jahr 1678, während der 2. Teil sieben Jahre später, zu Anfang des Jahres 1685, erschien.

Im Jahr 1682 hatte Bunyans Gemeinde zu Bedford wiederum viel Verfolgung zu leiden. Eine Zeitlang wurde sie aus ihrem Versammlungshaus vertrieben und mußte unter freiem Himmel zusammenkommen. In demselben Jahr war es, daß er sein treffliches Büchlein: „Der heilige Krieg“ herausgab, worin er den Kampf des Christen gegen Sünde, Welt und Teufel sinnbildlich darzustellen versucht. Als nach Karls II. Tod (3. Februar 1685) König Jakob II., welcher die protestantische Kirche Englands mit Gewalt wieder katholisch machen wollte, den Thron bestieg, wurden die Verfolgungen wieder besonders heftig. Bunyan entkam oft nur mit knapper Not der äußersten Lebensgefahr. Er wurde von seinen Feinden überall scharf bewacht; doch rettete ihn der Herr diesmal aus aller Gefahr, nur daß ihm hie und da wilde Rotten ins Haus brachen und ihn seiner sauer erworbenen Habe teilweise beraubten.

Bunyans Grabmal in London.

Zu Anfang des Jahres 1688 wurde Bunyan von einer heftigen Krankheit ergriffen, erholte sich aber wieder so weit, daß er noch ein besonderes Liebeswerk auszurichten imstande war, das freilich sein letztes auf Erden sein sollte. Einer seiner Freunde nämlich, der in der Stadt Reading wohnte, hatte gedroht, seinen eigenen Sohn zu enterben, und schon nahte sein Ende, ohne daß eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn zustande gekommen war. Der Sohn war darüber sehr bekümmert und bat Bunyan, sich für ihn bei seinem Vater zu verwenden und eine Versöhnung zu bewirken. Da unternahm der treue Knecht Gottes bereitwillig die weite Reise nach Reading zu Pferd, und es gelang ihm, die Liebe zwischen Vater und Sohn wieder herzustellen. Darauf ritt er nach London zurück. Allein unterwegs wurde er von heftigem Regen befallen und völlig durchnäßt. Ganz durchfroren und erstarrt von Nässe kam er in dem Hause eines Freundes in London an. Hier predigte er zwar noch am Sonntag, dem 19. August, aber schon am Dienstag wurde er von heftigem Fieber ergriffen. Zehn Tage später, am 31. August 1688, durfte dieser treue Zeuge seines Herrn nach einem vielbewegten Leben eingehen in die Ruhe des Volkes Gottes. Seine letzten Worte waren: „Weinet nicht über mich, sondern über euch selbst. Ich gehe zu dem Vater unsers Herrn Jesus Christus, der mich, ob ich gleich ein großer Sünder bin, durch die Mittlerschaft Seines geliebten Sohnes aufnehmen wird; dort werden wir, hoffe ich, bald wieder zusammenkommen, um das neue Lied zu singen und in alle Ewigkeit selig zu sein.“ Er stand im 60. Jahr seines Lebens. Auch von ihm kann mit Recht gesagt werden: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben; sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach“ (Offenb. 14, 13).

Seine sterbliche Hülle wurde auf dem Friedhof in Finsbury (dem Bunhillkirchhof) beigesetzt, wo auch Watt, Owen und Wesley ruhen. Ein würdiges Denkmal mit seinem Bildnis bezeichnet heute noch seine Grabstätte, und durch die vor uns liegende „Pilgerreise“ redet er noch zu uns, wiewohl er gestorben ist.

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit.

Erster Teil:Der Pilger.

 

Erstes Kapitel.Der Weg zur engen Pforte.

ls ich durch die Wüste dieser Welt wanderte, kam ich an einen Ort, wo eine Höhle war[1]; ich legte mich daselbst zum Schlafen nieder und hatte nun, als ich schlief, einen Traum. Siehe, ich sah an einem Ort einen Mann stehen in einem unflätigen und zerrissenen Kleid[2], sein Antlitz von seinem Hause abgewandt[3], mit einem Buch in der Hand und einer großen Last auf seinem Rücken[4]. Ich sah zu und ward gewahr, daß er das Buch öffnete und darin las, und während er las, weinte und zitterte er, und da er sich nicht länger halten konnte, brach er in den Angstschrei aus: „Was soll ich tun?“ (Apostelg. 2, 37; 9, 6.)

In diesem Zustand ging er nach Hause und suchte die Angst seines Herzens solange als möglich vor seiner Familie zu verbergen. Aber er konnte nicht lange schweigen, denn seine Unruhe zwang ihn, vor Frau und Kindern sein Herz auszuschütten, indem er sagte: „Ach meine liebe Frau und ihr, meine teuren Kinder, ich bin verloren, denn eine schwere Bürde lastet auf mir! Überdies wurde mir auch für gewiß berichtet, daß Feuer vom Himmel diese unsre Stadt[5] verzehren wird (2. Petr. 3, 7). Dabei werden wir alle, ich, du, meine teure Frau, und ihr, meine süßen Kindlein, elendiglich umkommen, wenn wir nicht beizeiten einen Weg zu unsrer Rettung finden.“

Durch diese Rede wurden die Seinen sehr bestürzt, nicht weil sie glaubten, daß das wahr sei, was er sagte, sondern weil sie dachten, es seien ihm verrückte Gedanken in den Kopf gestiegen. Da gerade die Nacht hereinbrach und sie hofften, der Schlaf werde ihn wieder zu sich selber bringen, drängten sie ihn, sich zur Ruhe zu begeben. Allein die Nacht war so unruhig für ihn wie der Tag; statt zu schlafen, brachte er sie mit Seufzen und Weinen zu. Als ihn nun die Seinen am Morgen fragten, wie es ihm gehe, antwortete er: „Ach, es wird nur ärger, immer ärger!“ und fing aufs neue an, zu ihnen zu reden wie tags zuvor; aber er fand kein Gehör. In der Meinung, seine Seelenangst durch barsches und mürrisches Wesen vertreiben zu können, spotteten sie sein und schalten ihn einen Toren; dann wieder bekümmerten sie sich gar nicht um ihn. Er zog sich daher in sein Kämmerlein zurück, um für sie inbrünstig zu beten und sein eigenes Elend zu beklagen. Er ging auch bisweilen hinaus in die Felder und las oder betete dabei und verbrachte auf diese Weise einige Tage. So sah ich ihn eines Tages im Feld umhergehen, seiner Gewohnheit nach in seinem Buche lesend, während er in tiefer Bekümmernis wie zuvor ausrief: „Was soll ich tun, daß ich selig werde?“ (Apostelg. 16, 30.)

Ich sah auch, daß er bald hierhin, bald dorthin blickte, als wollte er davonlaufen; er blieb jedoch stehen, ungewiß, wie mir schien, welchen Weg er einschlagen solle. Ich sah dann, daß ein Mann namens Evangelist sich ihm näherte und ihn fragte, warum er denn so schreie. „Ach Herr,“ antwortete er, „ich ersehe aus dem Buch in meiner Hand, daß ich verurteilt bin zu sterben und danach vor Gericht zu erscheinen (Hebr. 9, 27), und finde nun, daß ich weder zu dem ersten willig, noch zu dem andern geschickt bin[6].“

Hierauf sprach der Evangelist: „Warum bist du denn nicht willig zu sterben, da doch dieses Leben von so vielen Übeln und Plagen begleitet ist?“ — „Weil ich fürchte,“ antwortete der Mann, „die auf meinem Rücken liegende Last werde mich noch tiefer hinabdrücken als in das Grab, ja mich in die Hölle hinunterstoßen, und, Herr, wenn ich nicht einmal geschickt bin, ins Gefängnis zu gehen, so werde ich noch viel weniger geschickt sein, vor dem Richter zu erscheinen und die Vollziehung der Strafe zu ertragen. Daran dachte ich und mußte deshalb so sehr weinen und rufen.“

 

„Wenn es so mit dir steht,“ sagte der Evangelist, „warum bleibst du denn hier stehen?“ — „Ach,“ erwiderte er, „ich weiß ja nicht, wohin ich mich wenden soll!“ Der Evangelist gab ihm hierauf ein Blatt Papier, auf welchem geschrieben stand: „Entfliehe dem zukünftigen Zorn!“ (Matth. 3, 7) Der Mann las diese Worte, und den Evangelisten ängstlich anblickend, fragte er: „Wohin soll ich denn fliehen?“ Der Evangelist wies mit dem Finger über ein sehr weites Feld hin und sprach: „Siehst du dort jene kleine enge Pforte[7]?“ — „Nein,“ antwortete der Mann. „Siehst du auch nicht jenes scheinende Licht[8]?“ fragte der andre. Er sagte: „Ich meine, ich sehe es.“ — „Gut,“ fuhr der Evangelist fort, „behalte nun jenes Licht im Auge und gehe geradeswegs darauf zu, so wirst du bald die Pforte finden. Wenn du dort anklopfen wirst, wird man dir sagen, was du weiter zu tun hast.“

Ich sah nun, daß der Mann zu laufen anfing. Als er aber nahe an seinem Hause vorbeikam und seine Frau und Kinder ihn sahen, riefen sie ihm nach, er solle wieder umkehren; allein er hielt sich die Ohren zu und lief weiter[9], indem er ausrief: „Leben, Leben, ewiges Leben!“ Er sah auch nicht einmal hinter sich[10], sondern eilte geradezu durch die Ebene hin.

Nun kamen auch die Nachbarn herbei, und als diese ihn so laufen sahen, ließen die einen ihren Spott über ihn aus, andre drohten ihm, und etliche schrien ihm nach, er solle wieder zurückkehren. Unter diesen Leuten waren ihrer zwei, die entschlossen sich, ihm nachzulaufen und ihn mit Gewalt zurückzuholen, der eine hieß Störrig, der andre Willig. Der Mann war ihnen zwar schon eine gute Strecke voraus, allein da sie sich einmal vorgenommen hatten, ihm nachzusetzen, führten sie ihren Vorsatz auch aus und hatten ihn in kurzer Zeit eingeholt. Da sprach der Mann: „Liebe Nachbarn, warum kommt ihr mir nach?“ Sie erwiderten: „Dich zu bewegen, mit uns wieder umzukehren.“ Er aber antwortete: „Das kann auf keinen Fall geschehen. Ihr wohnt in der Stadt Verderben, die ja auch mein Geburtsort ist; ich weiß aber gewiß, wenn ihr dort sterbet, es sei früher oder später, so werdet ihr tiefer hinabsinken als in das Grab, in einen Ort, der mit Feuer und Schwefel brennt. Darum besinnt euch nicht lang, liebe Nachbarn, und geht mit mir!“

Störrig. Was sagst du? Wir sollten mit dir gehen und allen unsern Freunden und Vergnügungen den Rücken kehren?

„Ja,“ erwiderte Christ — denn so hieß er — „deshalb, weil alles, was ihr verlassen werdet, nicht wert ist, mit dem Geringsten verglichen zu werden, was mir in Aussicht steht[11]. Wollt ihr nun mit mir gehen, werdet ihr alles dessen gleicherweise auch teilhaftig werden; denn wo ich hingehe, da ist kein Mangel, sondern volle Genüge[12]. Kommt, und ihr werdet finden, daß ich wahr geredet habe.“

Störrig. Was für Güter sind es denn eigentlich, die du suchst und um derentwillen du die ganze Welt verlässest, sie zu erlangen?

Christ. Ich suche ein unvergängliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das behalten wird im Himmel (1. Petr. 1, 4), welches denen ganz gewiß zufallen wird, die ernstlich danach trachten[13]. Hier ist ein Buch; überzeugt euch selbst, wenn ihr wollt!

Störrig. Ach, geh weg mit deinem Buch! Willst du mit uns zurück oder nicht?

Christ. Daran ist nicht zu denken, da ich nun einmal meine Hand an den Pflug gelegt habe[14].

Störrig. So komm denn, Nachbar Willig, und laß uns ohne ihn wieder nach Hause gehen; es gibt eben eine Art verschrobener Köpfe, die, wenn sie einmal einen tollen Gedanken gefaßt haben, sich damit weiser dünken denn sieben, die da Sitten lehren (Spr. 26, 16).

Willig. Behandle diese Sache nur nicht so geringschätzig, mein Freund! Wenn dem so ist, wie der gute Christ da sagt, so sind die Güter, wonach er trachtet, besser als die, die wir besitzen. Ich bin daher willens, mit meinem Nachbar zu ziehen.

Siehst du dort jene kleine enge Pforte?“ (S. 27.) 

 

Störrig. Was sagst du? Noch ein Narr mehr? Ich rate dir, wieder mit mir umzukehren. Wer weiß, wohin dich dieser hirnkranke Mensch noch führen wird! Kehr um, kehr um und sei gescheit!

Christ. Nein, geselle dich nur zu mir, Nachbar Willig! All das Gute, von dem ich euch sagte, werden wir dort antreffen und noch viel Herrlicheres dazu. Glaubst du mir nicht, so lies doch selbst einmal in diesem Buch, und siehe, die Wahrheit alles darin Gesagten[15] ist mit dem Blute dessen bekräftigt, der es gemacht hat (Hebr. 9, 17-22).

Willig. Wohlan, Nachbar Störrig, mein Entschluß steht also fest; ich will mit diesem guten Mann gehen, und sein Los soll das meine sein. Aber, mein lieber Freund Christ, weißt du auch sicher den Weg zu dem Ort, auf dem wir hinzukommen trachten?

Christ. Durch einen Mann, namens Evangelist, bin ich belehrt worden, daß ich nach einer kleinen Pforte, die vor uns liegt, hineilen soll. Dort werden wir weitere Anweisung über den Weg bekommen.

Willig. Komm denn, mein lieber Nachbar, wir wollen gehen! — So gingen die beiden miteinander.

Störrig. Und ich will wieder nach Hause gehen, denn mit solchen verrückten Schwärmern will ich mich nicht aufhalten.

Ich sah dann in meinem Traum, nachdem Störrig weggegangen war, daß Christ und Willig über die Ebene hingingen. Dabei entspann sich folgendes Gespräch unter ihnen:

Christ. Nun, lieber Nachbar, wie steht’s mit dir? Ich bin froh, daß du dich hast bewegen lassen, mit mir zu gehen. Hätte Störrig die Macht und den Schrecken der Dinge, die noch unsichtbar sind, auch so gefühlt wie ich, er würde uns nicht so leichthin den Rücken gekehrt haben.

Willig. Hör, Nachbar Christ, da wir nun beide hier ganz allein sind, so erzähle mir doch weiter, was für Güter es eigentlich sind, die wir suchen, und wie wir derselben teilhaftig werden können.

Christ. Es sind himmlische Güter, die kann man besser im Herzen begreifen, als mit der Zunge davon reden; doch weil du ein so großes Verlangen danach hast, sie kennenzulernen, so will ich dir davon aus meinem Buch vorlesen.

Willig. Glaubst du denn, daß die Worte, die in deinem Buch stehen, auch gewißlich wahr sind?

Christ. Ja gewiß, denn es kommt von dem, der nicht lügen kann[16].

Willig. Nun, das ist gut. Was sind’s aber für Güter?

Christ. Es ist ein ewigwährendes Königreich, in dem wir immerdar wohnen sollen[17], und ein ewiges Leben, das wir ererben können[18].

Willig. Das ist köstlich; und was noch mehr?

Christ. Dort empfangen wir Kronen der Ehren[19] und Kleider[20], darin wir leuchten wie die Sonne des Himmels[21].

Willig. O wie herrlich! Und was noch mehr?

Christ. Da wird kein Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr sein, denn der König dieses Ortes wird abwischen alle Tränen von unsern Augen (Offenb. 21, 4).

Willig. Und was werden wir allda für Gesellschaft finden?

Christ. Wir werden dort umgeben sein von den Seraphim und Cherubim, so herrlichen Geschöpfen, bei deren Anblick unsre Augen wie geblendet sein werden. Auch werden wir dort zusammenkommen mit Tausenden und aber Tausenden, die alle vor uns zu diesem Ort eingegangen sind. Da ist keiner unter ihnen, der noch Übels tut, sondern alle gehen einher in Liebe und Heiligkeit; sie wandeln im Lichte des Angesichtes Gottes und stehen in Seiner Gegenwart, Seines ewigen Wohlgefallens sich erfreuend. Mit einem Wort: Dort werden wir schauen die Ältesten mit ihren goldenen Kronen (Offenb. 4, 4), die reinen Jungfrauen mit ihren goldenen Harfen (Offenb. 14, 1-5), all die Märtyrer, die aus Liebe zu dem Herrn jenes Ortes und um der Wahrheit willen sich von der Welt entzweisägen, auf dem Scheiterhaufen verbrennen, von wilden Tieren zerreißen und in die Tiefe des Meeres werfen ließen (Hebr. 11, 33-40) — nun sind sie alle glückselig und überkleidet mit Unsterblichkeit gleichwie mit einem Gewand (2. Kor. 5, 2-4).

Willig. Man wird schon entzückt, wenn man von diesen Dingen nur hört; allein, wenn man diese Herrlichkeiten wirklich erlangen kann, wie können wir ihrer teilhaftig werden?

Christ. Das hat der Herr, der Herrscher dieses Landes, in diesem Buch gesagt; und wenn wir wahrhaftig danach Verlangen tragen, so wird uns das alles aus Gnaden und umsonst zuteil werden[22].

Willig. Ich freue mich, mein lieber Reisegefährte, von alledem zu hören; komm, wir wollen unsre Schritte beschleunigen!

Christ. Ich kann nicht so rasch gehen, wie ich wohl möchte, denn die Last, die ich auf dem Rücken habe, hindert mich daran.

Hierauf sah ich in meinem Traum, daß, nachdem sie miteinander zu reden aufgehört, sie zu einem morastigen Sumpf kamen, der mitten in der Ebene war, und wie sie beide, da sie darauf nicht achthatten, plötzlich hineinfielen. Der Name des Sumpfes war Verzagtheit. Nachdem sie nun eine Weile darin umhergewatet und vom Schlamm schon über und über beschmutzt waren, fing Christ an, wegen seiner Last auf dem Rücken zu versinken.

„Ach, Nachbar Christ,“ rief Willig, „wo bist du denn nun?“

Christ erwiderte: „Wahrlich, ich weiß es nicht!“

Da wurde Willig sehr aufgebracht und sagte in ärgerlichem Ton zu seinem Gefährten: „Ist dies die Glückseligkeit, von der du mir so viel vorgeredet hast? Haben wir am Anfang unsrer Reise schon so viel Unglück, was haben wir noch ferner zu erwarten, bis wir am Ende unsres Weges sind? Komme ich hier noch mit dem Leben davon, so magst du meinetwegen jenes schöne Land allein in Besitz nehmen.“ Und hiermit setzte er ein- oder zweimal alle Kraft ein und arbeitete sich so mit großer Mühe aus dem Schlamm heraus, und zwar an der Seite des Sumpfes, die seinem Hause am nächsten lag, und machte sich eiligst davon. Christ sah ihn nie wieder.

So lag nun Christ allein im Sumpf der Verzagtheit und wälzte sich hin und her. Er arbeitete mit aller Macht, aus dem Morast herauszukriechen, und zwar nach der Seite zu, die seinem Hause abgekehrt und der engen Pforte zunächst lag. Wegen der schweren Last auf seinem Rücken gelang es ihm jedoch nicht ganz, festen Boden zu gewinnen. Doch ich sah in meinem Traum, wie ein Mann namens Beistand zu ihm kam und ihn fragte, was er denn da mache.

„Herr,“ sagte Christ, „ein Mann namens Evangelist hieß mich diesen Weg gehen und wies mich nach der engen Pforte dort, um dem zukünftigen Zorn zu entrinnen; nun bin ich auf dem Weg dahin hier hereingefallen.“

Beistand. „Warum gabst du nicht acht auf die Fußtapfen[23]?“

Christ antwortete: „Mich überkam solche Furcht, daß ich den nächsten Weg einschlug, und so geriet ich in den Sumpf.“

„Nun, so gib mir deine Hand!“ sagte Beistand. Christ tat es, und er zog ihn heraus; danach stellte er ihn auf einen festen Grund und hieß ihn seines Weges weitergehen[24].

Ich selbst trat nun zu dem, der ihn herausgezogen, und sprach zu ihm: „Herr, weshalb wird wohl dieser Sumpf, der auf dem Weg von der Stadt Verderben zu jener Pforte liegt, nicht wegsam gemacht, damit die armen Reisenden um so sicherer dahin gelangen könnten?“

Er antwortete: „Dieser sumpfige Pfuhl ist ein Ort, der nie ausgeräumt werden kann, denn er ist der Abflußort, in welchen der Abschaum und Unflat, der durch die Erkenntnis der Sünde entsteht, beständig abfließt; darum heißt er auch der Sumpf der Verzagtheit. Denn wenn dem Sünder über seinen verlorenen Zustand die Augen aufgehen, so steigen in seiner Seele viel Furcht und viele Zweifel und allerlei beängstigende Sorgen auf. Die fließen nun alle an dieser Stelle zusammen. Und das ist die Ursache, weshalb dieser Boden so schlecht ist.

 

Es ist aber des Königs Wille nicht, daß dieser Ort so bleibe[25]. Seine Arbeiter sind auch unter Anleitung königlicher Feldmesser schon seit mehr als 1900 Jahren damit beschäftigt, um dies Stück Land wegsam zu machen. Ja, soviel ich weiß,“ sagte er, „sind hier wohl schon zum wenigsten 20000, ja Millionen Karren voll der besten Unterweisungen zu allen Zeiten und aus allen Orten des Königreiches herbeigeschafft und eingefüllt worden, um womöglich diese Stelle zu bessern. (Die Sachverständigen sagen nämlich, daß dies die besten Materialien seien, dem Ort einen guten Grund zu geben.) Allein er ist immer noch der Sumpf der Verzagtheit und wird es bleiben, wenn sie auch alles getan haben, was sie konnten.

Es sind zwar unter Anleitung des Gesetzgebers gute und sichere Fußtapfen sogar mitten durch den Pfuhl gelegt worden; aber um die Zeit, in der dieser Ort seinen Unflat und seine bösen Dünste am meisten aufsteigen läßt, was bei eintretendem Witterungswechsel zu geschehen pflegt, so sind diese Spuren kaum sichtbar. Und wenn sie auch wahrgenommen werden, so werden die Leute oft von Schwindel ergriffen und tun Fehltritte. Die Folge davon ist, daß sie sehr beschmutzt werden. Doch der Weg ist gut, wenn man einmal durch die enge Pforte eingegangen ist.“

Ich sah nun, daß Willig mittlerweile wieder zu Hause angelangt war und daß seine Nachbarn ihn bald besuchten. Einige nannten ihn einen verständigen Mann, weil er wieder umgekehrt sei; andre hießen ihn einen Toren, weil er sich mit Christ in Gefahr begeben habe; etliche aber spotteten seiner als über einen Feigling und sprachen: „Hätten wir wie du dieses Wagestück einmal unternommen, dann würden wir’s um einiger Schwierigkeiten willen wahrlich nicht so schnell aufgegeben haben.“ — So saß denn Willig ganz kleinlaut unter ihnen. Endlich aber faßte er sich doch wieder ein Herz, da ließen sie denn auch von ihm ab und fingen an, ihren Spott über den armen Christ loszulassen und sich hinter seinem Rücken über ihn lustig zu machen. Soviel, was Willig betrifft.

 

Als Christ nun einsam weiterwanderte, ward er in der Ferne jemand gewahr, der quer über das Feld schreitend auf ihn zukam. Sie trafen gerade da zusammen, als jeder des andern Weg überschreiten wollte. Es war ein Herr mit Namen Weltklug aus der Stadt Fleischesklugheit, einer sehr großen Stadt, nahe bei dem Ort gelegen, da Christ herkam. Dieser Mann, mit dem Christ zusammentraf, hatte bereits von ihm gehört. Christs Abreise aus der Stadt Verderben hatte nämlich in der ganzen Gegend Aufsehen erregt und war nicht nur in der Stadt, da er gewohnt, sondern auch in andern Orten zum Stadtgespräch geworden. Da Herr Weltklug in diesem schwer beladenen, tiefgebeugten Wanderer Christ zu erkennen glaubte, redete er ihn also an:

„Ei, wohin, mein Freund, mit dieser schweren Last?“

Christ. Ja, schwer ist sie, so schwer, als nur jemals ein armes Geschöpf eine getragen hat. Und weil du mich fragst: Wohin? so will ich dir sagen, daß ich nach der engen Pforte dort wandere, denn dort soll mir, wie ich belehrt bin, ein Weg gezeigt werden, auf dem ich meine schwere Bürde loswerde.

Weltklug. Hast du nicht Frau und Kinder?

Christ. Ja, ich bin aber mit dieser Bürde so beladen, daß ich jetzt die Freude, die ich früher an ihnen hatte, nicht mehr haben kann. Ich habe wohl Frau und Kinder, doch ist es mir, als hätte ich keine (1. Kor. 7, 29).

Weltklug. Willst du mir folgen, wenn ich dir einen Rat gebe?

Christ. Sehr gerne, wenn er gut ist! Denn guter Rat ist’s gerade, was ich nötig habe.

Weltklug. So will ich dir denn raten, daß du dich selbst von deiner Bürde sogleich losmachst; denn eher hast du keine Ruhe im Herzen, keine Freude über die Güter, mit denen Gott dich gesegnet hat.

Christ. Das ist es eben, was ich suche. Ich möchte dieser Bürde los sein, aber ich selbst vermag das nicht, und in der ganzen Gegend kann mich niemand davon erlösen, darum habe ich auch den Weg nach der engen Pforte eingeschlagen.

Weltklug. Wer hat dir diesen Weg gewiesen?

Christ. Ein edler, würdiger Mann; sein Name ist, wie ich mich erinnere, Evangelist.

 

Weltklug. Verwünsche ihn für seinen Rat! Gibt es doch in der ganzen, weiten Welt keinen beschwerlichern und gefährlichern Weg als diesen; das wirst du finden, wenn du seinem Rat weiter folgst. Du hast, wie ich merke, schon etwas davon erfahren; denn ich sehe die Spuren vom Sumpf der Verzagtheit noch an dir. Doch ist dies nur der Anfang von den Trübsalen dieses Weges, welche derer warten, die ihn gehen. Höre auf mich, ich bin älter als du. Auf diesem Weg, den du nun gehst, wirst du nichts als Beschwerden, Schmerzen, Hunger, Blöße, Schwert, Löwen, Drachen, Finsternis, kurz, den Tod selbst und wer weiß was noch alles antreffen. Daß es sich so verhält, das haben viele bezeugt. Da es dir noch an Erfahrung fehlt, solltest du auf den Rat älterer Männer hören und dich nicht durch einen Fremden verführen lassen.

Christ. Ach Herr, diese Bürde auf meinem Rücken ist für mich viel schrecklicher als alles, was du genannt hast. Wahrlich, was mir auch begegnen mag, es soll mich nicht kümmern, wenn ich nur dieser Bürde loswerde.

Weltklug. Wie kamst du denn zu dieser Last?

Christ. Durch das Lesen dieses Buches.

Weltklug. Hab’ mir’s doch gedacht! Es ist dir eben gegangen wie andern schwachen Menschen auch, die sich mit zu hohen Dingen abgeben und dann in solchen verzweifelten Zustand geraten. Die Verwirrung treibt diese Leute, wie auch dich, solche verzweifelte Abenteuer zu unternehmen, um — sie wissen selbst nicht was, zu erlangen.

Christ. Ich weiß wohl, was ich erlangen möchte: Erleichterung von meiner schweren Bürde.

Weltklug. Aber warum suchst du Erleichterung auf diesem Weg, der augenscheinlich mit so vielen Gefahren verbunden ist, besonders da ich dich (wenn du mich nur geduldig anhören wolltest) anweisen könnte, wie du das, wonach du verlangst, erreichen kannst, ohne dich den Gefahren auszusetzen, denen du auf diesem Wege selbst in die Arme läufst? Die Hilfe ist ganz nahe zu haben; und überdies will ich noch das hinzufügen, daß du anstatt Ungemach Ruhe und Frieden und viele Freunde finden wirst.

Christ. O entdecke mir bitte dieses Geheimnis!

Weltklug. Gewiß! Dort in jener Stadt — sie heißt Sittsamkeit — wohnt ein Herr namens Gesetzlich, ein sehr erfahrener und berühmter Mann, der die Kunst besitzt, die Leute von solchen Bürden wie die deine zu befreien. Ich kann dir versichern, daß er auf diese Weise schon viel Gutes gestiftet hat; ja überhaupt hat er die Geschicklichkeit, auch die zu heilen, die durch ihre Last schon ein wenig im Kopf gelitten haben. Geh zu ihm, er wird dir schnell helfen. Sein Haus ist kaum ein Büchsenschuß weit von hier. Solltest du ihn selbst aber nicht zu Hause antreffen, so ist doch sein Sohn Höflich da, ein zuvorkommender junger Mann, ebenso geschickt wie der alte Herr selbst. Dort, sage ich dir, kannst du von deiner Last befreit werden. Und solltest du dann nicht gern in deinen Geburtsort zurückkehren, wozu ich dir allerdings auch nicht raten würde, so magst du deine Familie in diese Stadt kommen lassen, wo du um einen mäßigen Preis eines der leerstehenden Häuser kaufen kannst. Auch die Lebensmittel sind dort gut und wohlfeil, und was deinen Aufenthalt noch angenehmer gestalten wird, ist, daß du bei ehrbaren Nachbarn in gutem Ruf und Ansehen stehen wirst.

Christ dachte ob dieser Rede eine Weile nach, kam aber bald zu dem Entschluß: Wenn das wahr ist, was dieser Herr sagt, so tue ich am besten daran, seinem Rat zu folgen; so fragte er: „Und welcher Weg führt mich zu dieses trefflichen Mannes Haus?“

Weltklug. Siehst du dort jenen Berg[26]?

Christ. Jawohl, ganz gut!

Weltklug. Dahin mußt du deinen Weg nehmen; das erste Haus, zu dem du gelangst, ist das seine.

Christ kehrte sich nun von seinem Weg ab und begab sich nach dem Hause des Herrn Gesetzlich, daß ihm allda geholfen werden möchte. Aber je näher er dem Berg kam, desto höher erschien er ihm, ja gewaltige Felsen hingen so drohend über den Weg her, daß Christ, ihren Einsturz befürchtend, nicht weiterzugehen wagte. Seine Bürde erschien ihm jetzt drückender, als da er noch auf seinem ersten Wege war. Dazu brachen Feuerflammen aus dem Berg hervor[27], daß Christ bange war, er möchte davon verzehrt werden. Er zagte und bebte vor Furcht, und Reue stieg in ihm auf, Herrn Weltklugs Rat befolgt zu haben.

Als er nun so dastand, sah er den Evangelisten ihm entgegenkommen; bei dessen Anblick wurde er schamrot. Der Evangelist kam immer näher, sah ihn mit zorniger und ernster Miene an und begann also mit ihm zu reden:

„Was tust du hier, Christ?“ Zitternd stand Christ vor ihm, ohne ein Wort zu erwidern.

„Bist du nicht der Mann,“ fuhr der Evangelist fort, „den ich vor der der Stadt Verderben in Jammer stehend fand?“

Christ. Ja, Herr, ich bin es.

Evangelist. Habe ich dir nicht den Weg zur engen Pforte gewiesen?

Christ. Jawohl, werter Herr.

Evangelist. Wie kommt es denn, daß du so bald abgewichen bist? Du bist ja nicht mehr auf diesem Weg.