Play. Repeat - Marcel Maas - E-Book

Play. Repeat E-Book

Marcel Maas

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Beschreibung

Vier Freunde, denen es so scheint, als habe jemand die Höhen aus der Wirklichkeit genommen. Die Welt rieselt ihnen zwischen den Fingern hindurch, alles rauscht, nichts bleibt. Carlos, Marlene, Lilly und der Erzähler durchstreifen die Großstadt, sind eingelegt im Abwasser ihrer Jugend. Zuflucht gibt ihnen nur noch die Musik, die die einzelnen Momente zusammenhält. Ihre Realität verfließt, Fiktionen verwirklichen sich, und in der Nacht lösen Rave und Alkohol alles in eines auf. Das Verlorensein danach, das Tagkrank-Sein, die Trauerarbeit nach der Party. Unter dem Stroboskop der Nacht wagen die vier Freunde den Versuch, die Haut der frühen Jugend abzustreifen, sich zu befreien von mittleren Träumen und Gefühlen, von einer Sprache, die nicht die ihre ist. Sie wollen alles, und sie wollen es jetzt. Carlos bringt die Drogen, Lilly trauert, Marlene hat noch Hoffnungen und der Ich-Erzähler glaubt an ein großes Wir, das langsam auseinander bricht. Doch bleibt ihr Trip nicht ohne Konsequenzen. Dieses Debüt pumpt Beats und Bilder in die Sinneswelt des Lesers. In einer Sprache, die sich vom Gestrigen löst, so klangstark wie rhythmisch, erzählt Marcel Maas vom Dilemma der Jugend im neuen Jahrtausend.

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Seitenzahl: 94

Veröffentlichungsjahr: 2010

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BLOSSES

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[Play. Repeat.]

Fade in.

Wir tanzen als Blut

Plasma

Bildschirm.

Wir tanzen und sehen der Welt beim Wachsen zu.

Das ist das Erste und das ist das Zweite und das ist das Dritte.

Niemand erklärt uns.

Fade out.

Fade in.

Es klingen

Herz

Muskel

Schwund.

Das ist ein Echo und das ist ein Echo und das ist ein Echo.

Und niemand spielt uns.

Wir sind viele aufgehobene Orte,

ausgewrungene Nächte,

wir sind wie gesampelt,

automatische feelings, überall

Das ist der Hit und das ist der Hit und das ist der Hit. Wir checken die playlist und verklären uns. Dazwischen sehen wir die Welt erwachsen.

Fade out.

Fade in.

Sinuskurven beschreiben unseren Schritt.

Und unsere Verständigung im Umbruch,

Teile,

die wir schmeißen.

Wir sind

Island,

Cleptomania,

Las Vegas.

Die Freiheit jagt uns hinterher mit großen bescheuerten Augen. Ein Stalker, wenn wir Interrail oder Billigflüge oder Tagestrip oder mitfahrgelegenheit.de. Dass man uns sucht.

Danach gibt es nichts mehr und danach gibt es nichts mehr und danach gibt es nichts mehr.

Unsere Augen und Ohren bilden das riesige Google, in dem wir uns fortbewegen.

Fade.

Fade.

Fade out.

#

1

WEISSES

#

Wassertreten in der Badewanne am Duschvorhang klammern Radio hören Schauma Shampoo Green Apple smells so good like tropfe Tropfen Schauma Shampoo Schaum auf meine (mother)tongue feels like coming like coming anywhere.

Zu mir kommen.

Ich selbst und die anderen friends, das sind Marlene, Lilly und Carlos.

Bleiben ist die größere Kunst.

[Play. Tuner.]

Verkehrsnachrichten: Stauschau Flitzerblitzer Neuronen, ein Falschfahrer unterwegs, also passt auf, wo ihr hinfahrt. Autobahnkreuz, ein Schwertransporter, der nicht überholt werden kann, Tiere Kinder Leichen auf der Fahrbahn, und die Straßen haben sich umgedreht, auf den Rücken gelegt, zum Sterben, zum Nachdenken, und Synapsen in deinem Kopf, alle Spuren sechsundzwanzig Stunden gesperrt.

Nachrichten aus der Gegenwart verweilender Möbel, nicht sprechen über im vorhinein festgelegte darauffolgende. An diesem Vorabend, das Neonleuchten die Fliesen entlang, Handtuch, Spiegel, die Möglichkeit, das hier aufzunehmen.

Von den alten Platten, zum Gebirge zusammengeschoben, erinnere ich

radio reminds me of my home far away.

Erinnere

should have been home yesterday.

Ich sage: yesterday is now.

Ich sage: yesterday never happened.

Ich sage: yesterday in your face.

Ich sage: Zeit für neue Styles.

Wie der Duschvorhang sich an mir reibt, wie eine läufige Katze an meinen weißen, bleichen Beinen entlang, kleben bleibt, sich mit Absicht anfühlt, wie gerade frisch gehäutet, noch nicht freigekämpft.

Der Spiegel zeigt mir die Vollsperrung, mein Gesicht, nur Dampf wie verdampft, ich ziehe Linien, umrande streiche verstreiche durchstreiche es, finde mich um den Mund herum, in den Haaren in Poren Falten Wunden Rissen in Löchern, die sich öffnen und wieder schließen, wie Collagen, die man querliest.

Hairstyling Bodystyling Lifestyling

Product Placement

Garnier Blue Fructies Steel Hugo After Surf Hair Super Dark Ocean Iceberg Clean Corps Peeling For Gel Pure Sport Challenge Style Pour Homme

Mexx

Fly

High

Man.

Bitch Yourself Up.

Bitch Dich Auf.

Begleiche das Untertagewerk, die übergewachsene Haut als angehäufte Schulden, und überstreiche die Bruchstellen, eine Kruste, die die Jahre sammelt, die man zu fassen kriegt wie mit überdeutlichen Hinweisen ausgespuckte Antworten.

Zwischen den Augen Lippen Strähnen Nasen, zwischen den Flügeln und um die Sinne herum, klärt sich das Gesicht auf in Schwaden, aus dem Grau und der Ungewissheit hinein ins Spiegel-Ich wie in den Träumen, den hellen und den dunklen, vor und nach dem Zeug.

Die Träume hängen halb verschmiert hinter den Lidern, an jedem Morgen, legen einen öligen Film auf die Netzhaut, auf jede Haut, die man tragen kann, die man geborgt haben kann, die neugewachsen ausgelebt, wie die Abdrücke von Marlene, die ich schmecken kann like Death Valley Tears.

[Play. Skip.]

Wie in den Träumen, die Ärzte, die keine sein können, so ganz ohne Gesichter, mit Klemmbrettern und Stiften, zum Notieren meiner Auffälligkeiten, ich falle nicht auf, keinesfalls falle ich auf, sage ich dann, sie nicken, wir nicken, sie notieren, ich höre auf zu atmen, das fällt auf.

[Play. Skip.]

Wie in den Träumen, wenn ich meine Faust in den Mund stecke und fast ersticke, trotzdem versuche, mich selbst zu verschlucken, zwei, drei Finger ausstrecke, mir den Rachen streichle, zärtlich, würge, mich selbst zweimal schmecke, während die andere Hand nachschiebt, ich niemals satt werden kann.

[Play. Skip.]

Wie in den Träumen, wenn ich aufwache, oft hintereinander und das Bett sieht immer gleich aus, keine Chance, das zu erkennen: das Wirkliche. Und manchmal die Hände von Freunden in meinen finde, manchmal nichts.

Oder wenn die Ärzte wieder, mit einer Untersuchung an mir, und mein Körper streckt sich dem entgegen, bitte untersucht mich, während ich betrachte, Kittel und Kragen und Krawatte und Hals und dann: eine graue Fläche.

[Play. Skip.]

Wie in den Träumen. Sie kommen.

Die Träume sind groß und böse. Die Träume sind Trümmer am Horizont oder was man wie nennt, die Träume, wenn ich mich spreize, über jeden Winkel hinaus, ein kreisrundes Loch hinterlasse, ein Symptom.

[Play. Skip.]

Die Träume lassen sich nicht befrieden, nicht beschwören, nicht bestechen, nicht verarschen, nicht betäuben.

Like: on every white you always see the red

Die Träume kommen vor und nach dem Zeug, und manchmal ist das Vor der Grund, manchmal das Nach, das ist kaum mehr zu sagen, unmöglich fast, um mich herum eine tote Sprache, jeden Morgen, jedes Mal das Wortefinden, das Verknüpfen verkraften, und die Schreie haben nur mich geweckt, glaube oder empfinde ich, aber wie sehr, und wie weit reicht die Beobachtung, das hinterher greifende nachfassende Schauen, und beides, das Vor und das Nach und die aufgeweichte Dokumentation der Nacht, die gleichgesinnt.

Und das Zeug liegt da in Haufen. Unsere Finger greifen, schlenkern Skisprungschanzen hinein, landen sicher, so sicher wie geht. Lilly sagte mal, es sei unmöglich eigentlich, aber trotzdem: Es gebe keine Schneeflocke, die einer zweiten Schneeflocke bis aufs Letzte gleiche. Carlos meinte dazu, kein Abend mit oder ohne komme je wieder, obwohl alle zu einem langen, viel zu langen Bild verschwimmen würden, like steam like mirrors like steam on mirrors.

Die Nachrichten sagen mir, wann die anderen kommen, wann der Abend beginnt, wann, frage ich und bekomme keine Antwort. Und was ich höre und was ich sehe, und dann der Abgleich. Und was nennen wir hier Crew oder Gang oder Freundschaft, was nennen wir hier wack. Und darin werden die Friends durch Informationsvergabe:

Von Marlene erzählt das Radio mir

nur Geschichten,

von Begehren und von Nachgeben, von Stop-and-go, von Schrittgeschwindigkeit, von weiträumig umfahren, von Umleitungen, überall nur Umleitungen, von Anhalten.

Von Carlos erzählt das Radio mir nur Märchen,

wie wir einmal und wie wir zweimal und wie wir dreimal geraucht haben und gequalmt und geburnt und geascht und gelöscht und gebrannt. Und aus. Gebrannt.

Und von Lilly zählt das Radio mir nur Fakten auf,

sie steht entfernt, hundertsiebenundsechzig Zentimeter, mittelblond, manchmal auch schwarz, mittelblau bei schrägem Lichteinfall, mittel bis wenig grün, ein paar Tänze auf Motorhauben, mag Toast mit Pesto, große Hunde und amerikanische Augenaufschläge, evangelisch getauft, ein paar Jahre zu früh erwachsen.

Daraus wird die Gruppe durch Informationsaufgabe:

Wir messen den Raum als geschlossene Anstalt der Verständigung, als System mit vier Achsen, und Marlene geht in die Länge und Lilly geht in die Tiefe und Carlos geht in die Breite und ich, ich bin die Zeit, die nur so vorbeirauscht. Die Nachrichten wissen alles: wenn Krieg ist und wenn Frieden ist und wenn die Natur und die Menschen dagegen und dann die Natur und die Bedrängten und Verfolgten und die Täter und Opfer vermischt und die Motive immer wieder die Motive und wie alles zappelt und fordert und mehr will und weniger hat und wer schreit und wer weint und wer sich auf wen beruft und stürzt und abstürzt und wieder erwacht oder noch nie geschlafen hat. Wie die Welt aussieht, wenn ich abschalte.

Die Frage ist nicht mehr,

ob jemand den Knopf drückt.

Wir liegen im Folgenden, bepackt mit einander, in Sofaecken und Sitzgelegenheiten, eingelegt im Abwasser unserer Jugend, eingetunkt in einen Haufen umliegender Städte. Durchlöchertes Ruhrgebiet, dessen Oberfläche wir erst kürzlich, und eingemacht von den alternden Händen unserer Mütter, unter dem kritischen Blick unserer Väter,

finden wir zur Musik

wie auch das Zeug und wie wir zum Zeug und wie es uns findet und wie wir gesucht haben und Carlos es aufspürt, etwas klärt jedes Mal.

[Play. Repeat. Loud.]

Die Beats, zu denen wir uns wenden, strategisch chaotisch ausgehungert und jetzt schlagen wir zurück:

Erlend Oye New Young Pony Club These Cocaine New Puritans Architecture In Helsinki The Faint Busy P Hot Chip Speed Death From Above 1979 The Violets Be Your Own Acid Shitdisco Pet Turbofunk Late Of The Pier Jack Penate Junior Boys Chrystal Cocaine Castles Hans-A-Plast The Wombats Foals Interpol CSS Klaxons The Maccabees The Knife The Fratellis The Rapture The Presets The Cribs The Whip The Pigeon Detectives The Whitest Heroine Cocaine Boy Alive Good Shoes Bromheads Jacket.

Marlene sagt, you smell like green apple, ich sage, you smell like white nights. Carlos überdreht das Volume, übertüncht unsere Lippen und unsere Sounds, welcher Song ist das, und Lilly findet das Fenster wie einen vergrabenen Schatz tief in der Erde und wirft Tortilla Chips in den Hinterhof, und ihr Durst überragt uns um mehrere Köpfe. Wir blicken hinein in den kilometerlangen Schatten ihrer Trockenheit, der sich abzeichnet gegen das billige Stroboskop unter den Augen und uns in Dunkelheit packt.

Immer sind wir später.

Wie sagt man, wenn man meint, wie meint sie das meint er das, wie sind die Möglichkeiten der Erklärung, zu schnell aufgebraucht wie ausgetauscht gegen leere Augenhöhlen und Marlene

[Play. Stop.]

wie sagst du

was sagst du

wie machst du

und wohin und, Marlene, mit welchem Recht.

Ich meine, antworte doch. Irgendwas.

Carlos kommt nur langsam zur mir hinab, gleitet, setzt auf, blickt sich um, kommt auf mich zu. Marlene, fragt er, wo ist Marlene. Da, sage ich und zeige: unter uns, auf dem Boden, wir bücken uns über sie, hocken uns neben ihr Gesicht, treten auf ein paar Haare, kommen ganz nah ganz like close like way too close like close shot eyes closed beyond it’s like zapping like splitscreens like roadmovie blockbuster like the straight story from dusk la strada till now dawn spotlight more spotlight on curtain rises take two tracking shot.

Mach die Augen auf.

Carlos sagt, die ist nur betäubt, kommt gleich wieder, kein Problem, alles klar, und wie findest du ihr Brustbein, ist es nicht schön und denkst du nicht manchmal auch an.

Und ich sage, es ist verrutscht, zeigt mir zu sehr Oberfläche, das Verhältnis zwischen realem und fiktivem Körper hat sich zu Marlenes Ungunsten verschoben.

Und Carlos legt den Kopf schief, kurz weichen die Pupillen nach außen hin aus, dann fangen sie sich und nehmen mich wieder mittig, wie gerichtet, und schade, sagt er, schade, aber du bist trotz Zuwendung von Körpern mehrerer Menschen unbestreitbar verloren gegangen.

Und ich verstehe nicht, die Wirkung von allem, die Wirkung des Einzelnen. Ich zögere,

keinen Spruch auf den Lippen.

Und Carlos fragt, du hast doch schon mal, oder. Ich meine, du hast doch schon mal mit einer. Oder.