Politik und Liebe machen - Laura de Weck - E-Book

Politik und Liebe machen E-Book

Laura de Weck

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Beschreibung

Laura de Wecks erfolgreiche Kolumnen aus ›Tages-Anzeiger‹ und ›Bund‹ bringen in treffsicheren kleinen Dialogen große Themen auf den Punkt. Egal, ob es um Familie, Frauenquote, Stadtentwicklung, Gender, digitales Leben, Migration oder Steuern geht – das politische beeinflusst das private Leben unweigerlich. Ein vielstimmiges Panorama zum aktuellen Leben, Lieben und Politisieren in der Schweiz und in Europa. Ein heiter abgründiges Alltagsbuch.

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EPUB

Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Laura de Weck

Politik und Liebe machen

Kleine Dialoge

Danke, Fanny!

{7}Liebesspiele

REGISSEUR

SCHAUSPIELERIN

REGISSEUR

Hey, die Besetzungsliste ist fertig. Du wirst in Kabale und Liebe die Hauptrolle spielen!

SCHAUSPIELERIN

Die Luise?

REGISSEUR

Ja! Freust du dich denn nicht?

SCHAUSPIELERIN

Doch, doch …

REGISSEUR

Luise ist so eine großartige Figur. Sie kämpft gegen Adel und Bürgertum …

SCHAUSPIELERIN

… für ihre Liebe.

REGISSEUR

Ja! Und davor hast du ja auch schon die Julia gespielt, die sich über ihre Familienfehde hinwegsetzt …

SCHAUSPIELERIN

… um bei ihrer Liebe zu sein.

REGISSEUR

In Zukunft seh ich dich auch als Königin der Amazonen, die im Kampf ihren Achill …

SCHAUSPIELERIN

… aus Liebe tötet.

REGISSEUR

Oder Ophelia …

SCHAUSPIELERIN

… die sich aus Liebe umbringt.

REGISSEUR

Gretchen …

SCHAUSPIELERIN

… die aus Liebe wahnsinnig wird.

REGISSEUR

Solveig …

{8}SCHAUSPIELERIN

… die ein Leben lang auf ihre Liebe wartet.

REGISSEUR

Stella, Fräulein Julie oder Sara Sampson, du kannst einfach alles spielen!

SCHAUSPIELERIN

Alles? Ich darf nur glücklich verliebt oder unglücklich verliebt oder wahnsinnig verliebt oder enttäuscht verliebt oder rasend verliebt spielen. Das ist doch nicht alles, sondern nur verliebt.

REGISSEUR

Das liegt vielleicht an deinem Spielalter …

SCHAUSPIELERIN

Das liegt überhaupt nicht am Alter. Nach all diesen jungen Liebesrollen gibt es für mein Alter nämlich erst mal gar nichts zu spielen. Erst viel später kommen die Frauenfiguren wieder, die glücklich, unglücklich, enttäuscht oder rasend lieben, und zwar diesmal ihre Kinder. Und diese Frauen sind auf der Bühne meistens alt, weil Frauen während der Schwangerschaft und bei der Geburt im Theater, im Film und überhaupt in der ganzen Weltliteratur so gut wie gar nicht auf‌tauchen, außer in Ratgeberbüchern. Also kommen Frauenfiguren erst dann wieder vor, wenn sie abermals dramatisch lieben können wie Mutter Courage, die ihre Kinder an den Krieg verliert, Medea, die ihre Kinder umbringt, Nora, die ihre Kinder verlässt, oder Martha, die ein Kind erfindet.

REGISSEUR

Das sind doch alles hochkomplexe und emanzipierte Figuren.

SCHAUSPIELERIN

Und später kommen die alten Liebesfrustrierten wie Lady Milford, Marquise de Merteuil …

{9}REGISSEUR

… die Literaturgeschichte geschrieben haben.

SCHAUSPIELERIN

Ja, aber nur Geschichten um die Liebe der Frauen herum. Und das Glück all dieser Figuren ist davon abhängig, ob es mit der Partner- oder Kinderliebe klappt. Ich würde so gern mal eine Frau spielen, die die Welt rettet, ohne sich nebenbei zu verlieben, die an die Macht will ohne Mann an ihrer Seite, eine Frau, die an ihrem Beruf und nicht an ihrer Liebe scheitert, eine Frau, die ab und zu mit einem Typen ins Bett geht, wie James Bond, aber am Schluss als Single aus ihren Taten glücklich und erfüllt dem Sonnenuntergang entgegenschreitet.

REGISSEUR

Aber solche Frauenfiguren gibt es doch, wo ja jetzt auch die Frauen schreiben.

SCHAUSPIELERIN

Zähl mir drei auf.

REGISSEUR

Pippi Langstrumpf?

SCHAUSPIELERIN

Ich bin doch kein Kind!

REGISSEUR

Die aus Kill Bill?

SCHAUSPIELERIN

Die wird aus Liebe zur Killerin.

REGISSEUR

Na ja, vielleicht ist es ja wirklich so, dass für euch Frauen die Liebe eben viel zu eurem Glück oder Unglück beiträgt.

SCHAUSPIELERIN

Aber vielleicht ist es ja auch so, dass für euch Männer die Liebe genauso viel zu eurem Glück oder Unglück beiträgt.

REGISSEUR

Ja, vielleicht …

SCHAUSPIELERIN

Also, besorg mir ne ordentliche liebesunabhängige Rolle oder besetz die inzwischen mit ner anderen.

{10}REGISSEUR

Nein, bitte geh nicht!

SCHAUSPIELERIN

Warum?

REGISSEUR

Ich liebe dich.

{11}Denken und Reden

HANS-UELI

URSI

Hans-Ueli und Ursi sitzen im Wald auf einer Bank.

HANS-UELI denkt nach

Jeden Tag sitz ich hier und denk, jetzt wär es eigentlich schön, wenn ich öppis sagen würde. Öppis, worüber wir dann schwätzen könnten, die Ursi und ich. Öppis, worüber die Ursi und ich lang und angeregt schwätzen könnten. Aber es fällt mir nie öppis ein, und dann sitzen wir da und sagen nichts. Und die Leut, die vorbeijoggen, die gucken uns an und sagen: Schau, da sitzen sie, die Alten, und haben sich nichts mehr zu sagen. Und die Leut schwätzen dann über uns, dass wir eben nichts zu schwätzen hätten, und sind wahrscheinlich selber froh, dass sie was zum Schwätzen gefunden haben.

Ich hab mal gelesen, dass eine Psychologin herausgefunden hat, dass Liebespaare vor der Hochzeit ganz viel miteinander reden und dass es nach der Hochzeit stetig abnehmen würde und im Alter nur ganz wenig geschwätzt würde. Aber die Psychologin hat auch gesagt, dass das gar nicht so schlimm sei, wenn {12}Alte nichts mehr miteinander zu besprechen hätten, weil man sich dann blind verstehen würde. Da müsse man den Partner nur angucken und wisse schon, was der denkt.

Hans-Ueli guckt Ursi an.

Ob die Ursi jetzt wohl weiß, was ich denke? Und was sie jetzt wohl selber denkt? Das weiß ich beim besten Willen nicht. Ja, es ist schon traurig: Die Ursi und ich schwätzen nicht miteinander und denken nicht miteinander.

Aber ich hab die Ursi immer noch gern und schweige lieber mit ihr als mit irgendeiner anderen. Und wenn ich so richtig nachdenke, dann hab ich auch schon früher als junger Mann nicht viel geschwätzt. Da stand ich auch schon auf den Feiern und Feten und hab nicht gewusst, worüber ich mich mit den Kollegen unterhalten soll, und habe mich gewundert, was die anderen sich wohl erzählen. Und als ich dann gelauscht habe, worüber die so wild berichteten, da hab ich gedacht: Ja nu, da hätten die genauso gut auch den ganzen Abend schweigen können.

Ich hab mal ein Buch gelesen von dem Schriftsteller Schlink, da hat der Mann in der Geschichte gesagt: »Ich kann nicht leicht über Schweres und nicht schwer über Leichtes reden.« Und da war ich schon sehr stolz, dass es mir genauso geht wie der Figur in dem Buch.

Das Denken fällt mir eben leichter als das Schwätzen. Denn es ist ja nicht so, dass ich nicht über öppis {13}nachdenken würde. Ich denk schon über unsere Welt und unsere Schweiz und unsere Parteien nach. Die Leut sagen zum Beispiel, dass die Schweizer Volkspartei endlich das ausschwätzen würde, was alle nur denken würden. Aber ich glaube, das ist alles nur blödes Geschwätz. Und darin liegt eben das große Problem unseres Landes: Die, die schwätzen können, denken nicht, und die, die denken können, schwätzen nicht.

Ich glaub, ich wähle das nächste Mal die Piraten-Partei, die jetzt langsam auch zu uns kommt. Die sind wie ich, die können nicht gut reden, und drum versteh ich auch nicht, was die wollen. Ich versteh das sowieso nicht, wo ich doch nie ins Internet gehe. Ich versteh nur, dass es wichtig ist, dass sich jetzt Leut um das kümmern, was man in meinem Alter nicht mehr versteht, denn das ist die Zukunft.

Ich könnt die Ursi eigentlich mal fragen, was sie von der Piraten-Partei denkt. Die geht ja jeden Tag da rein, ins Internet, und schwätzt dort mit den Leut, stundenlang. Dort kann sie schwätzen, aber hier nicht. Worüber sie wohl redet im Internet und mit wem?

Hans-Ueli guckt Ursi an.

Aber es wäre jetzt schon sehr komisch, wenn wir über Politik schwätzen würden. Das haben wir ja noch nie getan, obwohl wir beide zum Zmorge die Zeitung lesen. Aber wenn ich sie jetzt nach dreiundfünfzig Jahren öppis über die Politik fragen würd, würd sie mich wahrscheinlich ganz entgeistert anschauen und {14}denken, es sei etwas Komisches passiert in meinem Grind. Also bleib ich lieber still. Die Zeit ist jetzt so oder so um, und jetzt kommen sowieso die einzigen zwei Sätze, die wir hier immer schwätzen.

URSI

Gehen wir heim?

HANS-UELI

Ja, gehen wir heim.

{15}Forever

LENI

MUTTER

VATER

Die Familie sitzt in der Badi.

VATER

Leni, du wirst bald achtzehn.

MUTTER

O Gott …

VATER

Volljährig, Leni, du kannst alle Entscheidungen selber treffen.

MUTTER

… und übernimmst jetzt auch die Verantwortung.

VATER

Du bist ein großes Mädchen.

MUTTER

Weißt du denn schon, was du dir zu deinem Geburtstag wünschst, Liebes?

LENI

Klar, ein Tattoo.

MUTTER

Was?

VATER

Das kommt nicht in Frage. Ich bezahl doch nicht dafür, dass du entstellt wirst.

LENI

Na gut, dann kann ich mir eben den Profistecher nicht leisten, aber ein Anfänger kann das auch.

MUTTER

Leni, warum willst du ein Tattoo?

VATER

Weil sie nicht in die Zukunft denken kann!

{16}MUTTER

Jetzt flipp doch nicht gleich aus, Jan. Ich kann Leni verstehen. In dieser flüchtigen Welt heute ist nichts mehr von Bestand. Der Job, die Beziehung, Europa, alles kann morgen wieder verschwinden. Da kann ich schon verstehen, dass man sich etwas wünscht, das bleibt, das für immer da ist.

VATER

Ein Tattoo kannst du heute genauso aus der Haut lasern wie Griechenland aus Europa. Das kostet einfach viel Zeit und Geld.

LENI

Ich will es doch gar nicht weglasern. Das bleibt für immer.

VATER

Liebes, nichts bleibt für immer, glaub mir, nichts. Es gibt etliche Dinge, von denen man vor zwanzig Jahren dachte, das wird sich nie und nimmer ändern, und jetzt ist es schon so weit: offene Grenzen in Europa, Homo-Ehe in Amerika, gelüftetes Bankgeheimnis in der Schweiz. Was heute noch sattelfest ist, wird morgen schon hinterfragt!

MUTTER

Jetzt übertreib nicht, Jan, das hat doch mit ihrem Tattoo nichts zu tun.

VATER

Natürlich. Schau dich hier in der Badi um, Leni. Nach den Ankern und Pin-ups hatten alle Anfang der Neunziger verschlungene Tribal-Symbole an Arsch und Arm, wie der Typ da drüben. Dann sah man an jedem Bein asiatische Schriftzeichen, von denen nicht mal der Tätowierte wusste, was es bedeutet. Seit 2000 liest du auf allen Körpern Gedichte und Lebensweisheiten. Danach kamen die ganz kleinen Sternchen, Delphine und Herzchen an versteckten Orten, die überhaupt nicht versteckt sind, wie man bei der Frau {17}da hinten sieht. Und jetzt muss man wieder klotzen, um in der Badi aufzufallen. Am besten gleich den ganzen Arm oder den ganzen Rücken, großflächig, farbig, Natur, Tiere, Verwandte, detailliert, voll künstlerisch, voll anders als alle anderen. Ich kann’s nicht mehr sehen. Liebes, was du jetzt schön und wichtig findest, gefällt dir in fünf Jahren nicht mehr, glaub mir. Lass dir von jemandem sagen, der älter ist: Alles verändert sich, alles, auch der Geschmack.

LENI

Meins wird mir immer gefallen.

VATER

Du kannst dir das jetzt vielleicht nicht vorstellen, aber auch deine Haut wird mal schrumpelig.

LENI

Na und? Das, was auf dem Tattoo steht, bleibt für immer.

MUTTER

Was? Was steht denn auf dem Tattoo, Liebes? Was bleibt für immer?

LENI

Die Liebe.

VATER

Nein, nein, nein! Ich hab’s kommen sehen, meine Tochter hat sich in einen Spießer verliebt, der meint, er sei ganz besonders verrucht, mutig und geheimnisvoll, weil er das macht, was alle anderen machen, ein Tattoo! Ein Paar-Tattoo, Leni, niemals! Die Liebe ist noch schlimmer als die Politik, die verändert sich ständig!

MUTTER

Das stimmt doch nicht, Jan!

VATER

Mit achtzehn schon …

MUTTER

Willst du dir Tobis Namen tätowieren lassen?

LENI

So ähnlich.

VATER

Leni, ich gebe dir tausend Franken, wenn du dich nicht tätowieren lässt.

{18}MUTTER

Jetzt wirst du völlig wahnsinnig, Jan. Wenn Leni sich von Tobi trennt, kann sie immer noch ihren Hund Tobi taufen.

VATER

Nein, nein, nein. Leni, ich verbiete dir, ein Tattoo zu machen!

LENI

Vielleicht hast du recht, Papa, vielleicht ändern sich doch Dinge, von denen man dachte, die bleiben für immer.

MUTTER

Leni, was wolltest du dir tätowieren lassen?

LENI

I love mom and dad.

{19}Investment

ROBERT

SARA

FLAVIA

1. Szene

Robert und Sara haben ein Blind Date im Restaurant. Robert kommt an Saras Tisch.

ROBERT

Du bist sogar noch schöner als auf dem Foto, das du mir gemailt hast.

SARA

Oh … Bist du Robert?

ROBERT

Ich hab uns schon zwei Cüpli mitgebracht. Aber keine Angst, ich bin nicht Kellner.

SARA

Nein? Sondern?

ROBERT

Ich arbeite auf einer Bank. Investment. Es ist ein harter Job, aber ich arbeite gern mit Zahlen. Prost!

SARA

Das macht dir Spaß?

ROBERT

Was?

SARA

Den ganzen Tag nichts anderes zu tun als aus einem Franken einen Franken zwanzig zu machen?

ROBERT

Na ja, eher einen Franken fünfzig.

SARA

Und das, ohne ein Produkt herzustellen?

ROBERT

Na ja …

{20}SARA

Und dabei Diktatoren zu helfen, ihr blutiges Geld zu verstecken? Und Millionären zu helfen, ihre Steuern zu hinterziehen? Und den Nahrungsmittelpreis in die Höhe zu treiben, damit die Weltbevölkerung schrumpf‌t? Das macht dir Spaß?

ROBERT

Ich … ähm …

SARA

Und dafür kassierst du dann die fetten Boni ein, weil du ja so viel Verantwortung hast. Aber wenn du Scheiße baust, dann muss der Staat für dich einspringen? Wo ist denn da plötzlich die Verantwortung, von der du dir die Jacht kaufst?

ROBERT

Ich?

SARA

Und mit der Jacht willst du dann Mädchen wie mich beeindrucken? Das funktioniert heute nicht mehr.

ROBERT

Bist du von Occupy Paradeplatz?

SARA

Hau ab, und geh auf den Golfplatz. Du machst unsere Welt kaputt. Prost!

Sara leert das Cüpli und rennt weg.

2. Szene

Eine Woche später. Zweites Date. Robert kommt an Flavias Tisch.

ROBERT

Ich hab uns schon zwei Cüpli mitgebracht, aber keine Angst, ich bin nicht Kellner.

FLAVIA

Sondern?

ROBERT

Lass uns nicht über Berufe reden.

{21}FLAVIA

Ach komm, hast du Angst zu sagen, was du machst?

ROBERT

Nein, nein … Gar nicht … Ich … Ich bin Schauspieler.

FLAVIA

Oh, toll.

ROBERT

Ja, ich muss immer wahnsinnig viel Text auswendig lernen, aber das kann ich sehr gut. Und was machst du?

FLAVIA

Ach, was furchtbar Langweiliges, nicht so aufregend wie du. Ich bin Bankerin. Investment.

ROBERT

Oh …

FLAVIA

Findest du das schlimm?

ROBERT

Nein, nein …

FLAVIA

Seit der Krise muss ich mich dauernd für diesen Beruf rechtfertigen. Noch vor zehn Jahren hätte ich Parship gar nicht genutzt, da sind mir die Männer nur so hinterhergelaufen. Aber jetzt bin ich anscheinend der Teufel in Person, und alle stellen die Gewissensfrage.

ROBERT

Und was antwortest du, wenn …?

FLAVIA

Ich sag ihnen, dass sie nicht so moralisch tun sollen, weil sie auch vom Erfolg des Finanzplatzes Schweiz profitieren. Sogar ein Schauspieler wie du. Was glaubst du, wer im Abo-Publikum hockt? Wir sitzen alle im gleichen Boot.

ROBERT

Genau, stimmt.

FLAVIA

Und ich erklär ihnen, dass sie keine Ahnung haben, was ich wirklich mache. Es kann ja sein, dass ich in ein junges ökologisches Unternehmen investiere und nicht in eine Bananenrepublik.

{22}ROBERT

Super Antwort, das muss ich mir merken.

FLAVIA

Für was?

ROBERT

Für … Damit ich … ähm … Für eine Rolle. Ich spiele gerade einen Banker.

FLAVIA

Wetten, du spielst ein grausames Arschloch, das schuld daran ist, dass es allen anderen schlechtgeht?

ROBERT

Ähm … Ja.

FLAVIA

Was ist es denn für ein Stück?

ROBERT

Die Sechsrappenoper.

FLAVIA

Ich kenn nur die Dreigroschenoper.

ROBERT

Ja, die meine ich ja.

FLAVIA

Aber in dem Stück kommt doch gar kein Banker vor?

ROBERT

Ich … Ganz ehrlich gesagt, bin ich gar nicht Schauspieler … Ich arbeite auch in deinem Segment.

FLAVIA

Scheiße. Du bist von der deutschen Steuerfahndung, stimmt’s?

Flavia leert das Cüpli und rennt weg.

{23}Curiosity

AMÖBE1

AMÖBE2

Zwei Amöben auf dem Mars.

AMÖBE 1

Seit Tausenden von Jahren …

AMÖBE 2

… gucken wir denen auf der Erde zu.

AMÖBE 1

Hier ein Stamm.

AMÖBE 2

Dort ein Stamm.

AMÖBE 1

Der eine Stamm will mehr Land.

AMÖBE 2

Krieg.

AMÖBE 1

Der Stamm kriegt einen Chef.

AMÖBE 2

Der Chef kriegt ein Heer.

AMÖBE 1

Der Chef will ein Gewässer.

AMÖBE 2

Vertreibung, Besetzung.

AMÖBE 1

Krieg.

AMÖBE 2

Der eine baut eine Stadt.

AMÖBE 1

Die Stadt beherrscht das Land.

AMÖBE 2

Vormundschaft, Tyrannei.

AMÖBE 1

Nichts kapiert.

AMÖBE 2

Krieg.

AMÖBE 1

Kaiser, Könige, sogar die Geistlichen …

AMÖBE 2

… sind größenwahnsinnig.

{24}AMÖBE 1

Expansion.

AMÖBE 2

Vertreibung.

AMÖBE 1

Besetzung.

AMÖBE 2

Krieg.

AMÖBE 1

Nationalstaaten, Armeen.

AMÖBE 2

Manchmal Hoffnung.

AMÖBE 1

Dann wieder nichts kapiert.

AMÖBE 2

Land entdeckt.

AMÖBE 1

Fahne reingesteckt.

AMÖBE 2

Vertreibung, Besetzung.

AMÖBE 1

Versklavung.

AMÖBE 2

Und nochmals:

AMÖBE 1

Land entdeckt.

AMÖBE 2

Vertreibung, bla, bla …

AMÖBE 1

Weltkriege.

AMÖBE 2

Bürgerkriege.

AMÖBE 1

Biologische Waffen.

AMÖBE 2

Chemische Waffen.

AMÖBE 1

Präzisionswaffen.

AMÖBE 2

Plünderung, Gemetzel, Folter, Tod und Vergewaltigungen wegen …

AMÖBE 1

… Land, Land und noch mehr Land.

AMÖBE 2

Weil im Land Geld oder Glaube steckt.

AMÖBE 1

Glauben die.

AMÖBE 2

Und jetzt.

AMÖBE 1

Kommen die zu uns.

AMÖBE 2

Nichts kapiert.

AMÖBE 1

Gar nichts.

AMÖBE 2

Vielleicht wollen wir nämlich gar nicht, dass die kommen.

{25}AMÖBE 1

Vielleicht sind wir ganz glücklich, so wie wir jetzt sind.

AMÖBE 2

Vielleicht wollen wir gar nicht von oben bis unten analysiert werden.

AMÖBE 1

Von ihrer neugierigen Curiosity-Maschine.

AMÖBE 2

Weil, wenn die Curiosity erst sieht, was wir hier haben.

AMÖBE 1

Und wenn es bei denen erst mal nichts mehr gibt.

AMÖBE 2

Dann kommen die rüber.

AMÖBE 1

Und wollen unsere Energie, unser Wasser und unser Geheimnis.

AMÖBE 2

Und wandern massenhaft ein.

AMÖBE 1

Aber wem gehört der Mars?

AMÖBE 2

Den Amerikanern?

AMÖBE 1

Der Erde?

AMÖBE 2

Uns Amöben?

AMÖBE 1

Und dann führen sie Steuern ein.

AMÖBE 2

Damit sie uns Straßen und Schulen bauen können.

AMÖBE 1

Und führen Geld ein.

AMÖBE 2

Damit wir uns auch was kaufen können.

AMÖBE 1

Und führen Technologie ein.

AMÖBE 2

Damit wir auch mal einen anderen Planeten erforschen können.

AMÖBE 1

Und führen Gott ein.

AMÖBE 2

Damit uns jemand tröstet, weil das alles unerträglich geworden ist.

AMÖBE 1

Und was ist, wenn wir rüber zur Erde fliehen wollen?

{26}AMÖBE 2

Dann lassen sie uns nicht rein.

AMÖBE 1

Und bauen eine Mauer im All …

AMÖBE 2

… wo nur sie rein, aber wir nicht raus.

AMÖBE 1

Und was glaubst du, was kriegen wir?

AMÖBE 2

Kapitalismus oder Kommunismus? Beide sind in der Krise.

AMÖBE 1

Vielleicht lassen sie uns auch abstimmen.

AMÖBE 2

Stimmt, Demokratie, vielleicht begegnen sie uns sogar mit Respekt.

AMÖBE 1

Stimmt, vielleicht fühlen sie sich endlich weniger einsam, weil sie nicht das einzige Leben im All sind.

AMÖBE 2

Stimmt, vielleicht sind sie ja im Innersten ganz nett.

AMÖBE 1

Stimmt, vielleicht wollen sie uns ja wirklich nur aus Neugierde kennenlernen. Vielleicht sind sie nur so wahnsinnig neugierig, mehr nicht.

AMÖBE 1+2

Ha, ha, ha.

Aus dem Greifarm der Curiosity kommt ein Reagenzglas hervor, das in die Erde sticht und Amöbe 2 mit sich reißt.