Polly Schlottermotz 1: Polly Schlottermotz - Lucy Astner - E-Book

Polly Schlottermotz 1: Polly Schlottermotz E-Book

Lucy Astner

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Beschreibung

Potzblitz! Seit Polly den neuen Eckzahn hat, weiß sie von einem lange gehüteten Familiengeheimnis – und das stellt ihr Leben ganz schön auf den Kopf! Es ist zwar super, dass sie plötzlich den fiesen Marvin wie einen Pillepallepopel durch die Luft schnipsen kann, trotzdem ist da diese Prüfung vor dem Siebenschläferrat, die sie erst bestehen muss, bevor sie wieder bei ihrer Familie leben darf. Und so verlässt Polly schweren Herzens ihr geliebtes Zuhause, um sich bei Tante Winnie auf die Prüfung vorzubereiten. Zum Glück gibt es den sprechenden Fledermäuserich Adlerauge. Der ist zwar blind wie ein Maulwurf, öffnet Polly aber die Augen: Manchmal ist es ziemlich cool, ein bisschen anders zu sein ...
Der erste Band von Polly Schlottermotz.

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Buchinfo

Potzblitz! Seit Polly den neuen Eckzahn hat, weiß sie von einem lange gehüteten Familiengeheimnis – und das stellt ihr Leben ganz schön auf den Kopf! Es ist zwar super, dass sie plötzlich den fiesen Marvin wie einen Pillepallepopel durch die Luft schnipsen kann, trotzdem ist da diese Prüfung vor dem Siebenschläferrat, die sie erst bestehen muss, bevor sie wieder bei ihrer Familie leben darf. Und so verlässt Polly schweren Herzens ihr geliebtes Zuhause, um sich bei Tante Winnie auf die Prüfung vorzubereiten. Zum Glück gibt es den sprechenden Fledermäuserich Adlerauge. Der ist zwar blind wie ein Maulwurf, öffnet Polly aber die Augen: Manchmal ist es ziemlich cool, ein bisschen anders zu sein …

Autorenvita

© Philipp Astner

Lucy Astner wurde 1982 in Hamburg geboren. Sie mag Schokolade essen, Trampolin springen und lachen, bis der Bauch wehtut. Und eben weil sie selbst so gerne lacht, hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und schreibt Drehbücher für Kinofilme, mit denen sie viele andere Menschen zum Lachen bringt. Mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann lebt sie heute mitten in Hamburg-Eimsbüttel. Hier sind ihr nicht nur Kanalpiraten und Großstadtfeen begegnet, sondern auch ein kleines Mädchen mit potzblitzstarken Zauberzähnen: POLLY SCHLOTTERMOTZ. Und diesem Abenteuer konnte Lucy sich einfach nicht entziehen …

Für Leni und Lotti – ihr seid der Zauber in meiner Welt

»Potzblitz!« Egal wie fest Polly drückte und zog, der blöde Zahn ließ sich einfach nicht zurückschieben! Verärgert warf sie Mamas Spiegel ins Stroh und vergrub das Gesicht in den Händen. »Wenn dieser Monsterzahn nicht bald wieder verschwindet, kann ich ja gleich mit dem Kopf im Komposthaufen abtauchen!«

Leni sah ihre Freundin besorgt an. Arme Polly! Den ganzen Tag schon hatte sie sich im Stall verkrochen und fluchend in ihrem Mund herumgedrückt. Nicht mal die Ponys hatten sie heute ablenken können.

»Also ich finde, man sieht ihn fast gar nicht!« Entschlossen legte Leni die Bürste, mit der sie Gulasch und Suppe gestriegelt hatte, in den Korb zurück und kletterte zu Polly auf den Heuhaufen.

»Machst du Witze?« Polly sah auf und schob ihre Lippe so weit nach oben, als wollte sie sie an der Nasenspitze festkleben. »Das Ding ist größer als der Eisberg, der die Titanic versenkt hat!«

Leni musste lachen. Aber Polly hatte recht: Der neue Eckzahn in ihrem Mund war wirklich ziemlich groß! Groß und spitz!

Seufzend ließ Polly den Kopf hängen.

»Ich versteh das einfach nicht: Gestern Abend ist der alte Zahn erst ausgefallen! Und heute Morgen ist da schon dieser Riesenbeißer in meinem Mund! So was gibt es doch gar nicht!«

Tatsächlich hatte Polly eher mit einer Überraschung der Zahnfee unter dem Kopfkissen gerechnet. Einer neuen Haarspange zum Beispiel. Oder diesem Pferdebleistift, den sie neulich in ihrer Lieblingszeitschrift gesehen hatte. Stattdessen hatte an diesem Morgen nur eine Überraschung auf sie gewartet – und zwar in ihrem Mund: weiß, spitz und riesengroß. Der neue Eckzahn war eine böse Überraschung!

»Mit dem Ding seh ich total bescheuert aus! Potzblitzbescheuert!«

Traurig zog Polly ihre Knie an den Körper und schlang die Arme darum.

»Unsinn!«, erwiderte Leni. »Du siehst kein bisschen bescheuert aus!«

Polly hob den Blick und sah ihre Freundin skeptisch an.

Ein freches Grinsen breitete sich auf Lenis Gesicht aus. »Und selbst wenn dir noch zwanzig spitze Zähne wachsen und du hässliche, popelgrüne Warzen bekommst: Für mich wirst du immer die schönste und liebste und beste Freundin der Welt bleiben! Das schwöre ich dir, Polly Schlottermotz!« Kichernd schloss sie Polly in ihre Arme und dann kugelten sie gemeinsam den Heuhaufen hinab. Polly konnte gar nicht anders als mitzulachen.

Leni war wirklich die weltallerbeste Freundin! Mit ihren kinnlangen, braunen Haaren und den braun-grünen Augen sah sie zwar ganz anders aus als die blonde, sommersprossige Polly, aber insgeheim waren sich die zwei Mädchen sicher, dass sie eigentlich Zwillinge waren. Beide hatten nämlich am 14. März Geburtstag. Und beide konnten Rosenkohl nicht ausstehen. Und Jungs! Igittigitt! Spätestens aber seit sie vor einem Jahr die Ponys Gulasch und Suppe aus dem brennenden Stall von Horst Rottlaus gerettet hatten, waren Polly und Leni unzertrennlich. Weil der fiese Rottlaus seinen Stall absichtlich angezündet hatte, um Geld von der Versicherung zu ergaunern, durften die Freundinnen die beiden Ponys hinterher behalten. Als Belohnung sozusagen.

Nun standen Gulasch und Suppe in einem alten Stall auf dem Bauernhof, den Pollys Eltern vor ein paar Jahren gekauft und renoviert hatten – im schönen Örtchen Kalifornien, direkt an der Ostsee!

Natürlich wäre es nur gerecht gewesen, wenn eines der Ponys bei Leni gewohnt hätte – und die Freundinnen hatten es auch wirklich versucht! Aber Leni lebte mit ihren Eltern in einer kleinen Wohnung im Nachbarort Schönberg, und als Polly und Leni den dicken Gulasch durch das schmale Treppenhaus in den zweiten Stock hochschoben, verlor das Pony vor Aufregung zwei riesige, dampfende Pferdeäpfel. Mitten auf der neuen Fußmatte von Frau Kraushaar! Und als Gulasch dann auch noch die Sonntagszeitung von Herrn Hosenbein aus dem Postschlitz fraß, war der Spaß endgültig vorbei. Lenis Eltern wollten Gulasch nicht in der Wohnung haben. Und Frau Kraushaar nagelte sogar ein Schild unten an die Haustür:

Deshalb standen nun beide Ponys bei Polly auf dem Hof und Leni kam jeden Nachmittag vorbei, um mit ihrer Freundin die Tiere zu versorgen. Und natürlich, um zu reiten!

»Hast du dir schon überlegt, was du den Kindern am Montag alles zeigen willst?« Leni reichte Gulasch eine Handvoll Stroh durchs Gatter.

Oh nein! Der Klassenausflug! Den hatte Polly bei all dem Ärger um den neuen Zahn glatt vergessen. Das neue Schuljahr hatte gerade erst begonnen und Frau Knoblauch, ihre Klassenlehrerin, hatte gefragt, ob die ganze Klasse auf den Hof nach Kalifornien kommen könnte. In der Schule waren nämlich Projekttage und das Projekt von Pollys Klasse hieß »COWBOYS UND INDIANER«. Da lag es auf der Hand, gemeinsam den Hof der Familie Schlottermotz zu besuchen. Nicht nur wegen der Ponys, sondern auch wegen Pollys Mama. Antonia Schlottermotz war natürlich kein Cowboy – und ein Indianer war sie auch nicht. Pollys Mama war Tischlerin und baute in einem alten Hühnerstall Bühnenbilder für Theaterstücke: riesige Märchenpaläste, uralte Ritterburgen und verzauberte Traumschlösser. Jetzt gerade arbeitete sie an einer Westernstadt für ein Kindertheaterstück. Eine solche Westernstadt mal in echt zu sehen, dürfte man sich nicht entgehen lassen, fand Frau Knoblauch, und deshalb würde am Montag die ganze Klasse nach Kalifornien kommen. Gestern hatte Polly sich noch darauf gefreut, aber heute gefiel ihr die Vorstellung überhaupt nicht mehr. Dieser potzblitzblöde Zahn!

»Papa will Pflaumenkuchen backen«, murmelte Polly schließlich und hielt Suppe eine alte Möhre hin. »Und dann führt Mama uns durch die Werkstatt und die Kinder dürfen reiten.«

Leni runzelte die Stirn. »Marvin etwa auch?«

Bei dem Gedanken an Marvin auf einem ihrer Ponys zog sich Polly der Magen zusammen. Marvin Kowalke war nicht nur der stärkste Junge der Klasse, sondern auch der fieseste! Er hatte Polly schon oft wegen ihrer Sommersprossen gehänselt. Wie würde er erst reagieren, wenn er nun ihren riesigen Zahn sah? Nein, Marvin Kowalke sollte natürlich nicht auf Gulasch oder Suppe reiten. Aber konnten Polly und Leni das überhaupt verhindern?

»Wenn er Gulasch oder Suppe auch nur ein Haar krümmt, dann …« Polly überlegte angestrengt. »Dann bewerfen wir ihn von oben bis unten mit Hühnerkacke!«

»Und Pferdeäpfeln!«, lachte Leni.

»Und Mistkäfern!«, fügte Polly hinzu und die beiden rollten sich kichernd durchs Heu.

»Und wenn gar nichts mehr hilft«, schlug Leni vor, als sie schließlich vor der Stalltür liegen blieben, »dann beißt du ihn einfach mit deinem neuen Zahn!«

Aber diesen Vorschlag fand Polly überhaupt nicht witzig – denn irgendwie hatte sie das ungute Gefühl, dass mit diesem potzblitzbescheuerten Eckzahn nicht zu spaßen war. Nicht mal ein klitzekleines bisschen …

Erbsensuppe! Warum musste es denn schon wieder Erbsensuppe geben? Pollys Papa konnte ganz wunderbar kochen, aber seit er nicht mehr in Schönberg arbeitete, sondern in einer Klinik in Kiel, blieb das Abendessen selbst am Wochenende immer öfter an Mama hängen. Und die konnte so gut kochen, wie ein Regenwurm jonglieren kann.

»Polly!«, rief Mama und stolperte durch das Küchenchaos. »Kannst du mal schnell die Dose öffnen?« Die Dose mit den Erbsen flog schon durch die Luft, bevor Polly antworten konnte, dass sie darauf überhaupt keine Lust hatte. Na toll! Nicht nur, dass Polly Erbsensuppe kein bisschen ausstehen konnte – jetzt sollte sie auch noch bei der Zubereitung helfen!

»Das heißt bitte, Mama!«

»Waaas?« Die Zwiebeln im Topf zischten so laut, dass Mama schreien musste. Polly verdrehte die Augen.

»Kannst du mal bitte die Dose öffnen! Und außerdem heißt es nicht was, sondern wie bitte!«

»Jetzt fang du nicht auch noch an wie dein Vater!«, motzte Mama und warf ihr eine zweite Erbsendose zu.

Pollys Papa Cornelius legte sehr viel Wert auf gepflegte Umgangsformen. Nur weil Polly und ihre kleine Schwester auf einem Bauernhof aufwuchsen, hieß das noch lange nicht, dass sie sich wie Trampeltiere benehmen sollten.

»Was ist jetzt mit der Dose?«, rief Mama durch den Zwiebeldampf. »Wenn die Erbsen nicht gleich kommen, muss ich den Rosenkohl in die Suppe werfen!«

Polly verzog das Gesicht. Mama wusste ganz genau, dass sie Rosenkohl nicht ausstehen konnte!

Missmutig zog Polly die große Küchenschublade auf. Da wo eigentlich der Dosenöffner liegen sollte, lag nun: eine Klobürste.

»Der Dosenöffner ist nicht da, Mama!« Polly hoffte, dass sie nun doch nicht mitkochen musste, aber Mama zuckte nur mit den Schultern.

»Wahrscheinlich hat Lotti die Sachen wieder neu sortiert. Dann musst du halt ein bisschen suchen.«

Pollys Schwester Lotti war zwar gerade erst zwei, aber bereits ganz groß darin, Unruhe zu stiften. Das Beste an einer kleinen Schwester war, dass sie kein kleiner Bruder war, fand Polly. Trotzdem ging Lotti ihr manchmal ganz schön auf die Nerven. Wenn sie zum Beispiel mit ihren kleinen Krümelfingern in Pollys allerliebsten Pferdeheften rumschmierte. Oder wenn sie nachts so lange schrie, dass Mama am nächsten Morgen zu müde war, um mit Polly an der Koppel für Gulasch und Suppe zu arbeiten. Deshalb hatte Polly Mama und Papa an einem schönen Sonntagmorgen vor zwei Monaten einfach mal ausschlafen lassen, hatte sich Klein-Lotti geschnappt und sie im Bollerwagen bis nach Schönberg gezogen.

In Schönberg war nämlich Flohmarkt und Polly war sich sicher gewesen, dass sie einen guten Preis für Lotti erzielen konnte. Leider hatte die dicke Frau Rettich ihr nicht glauben wollen, als sie sagte, ihre Eltern hätten ihr erlaubt, Lotti zu verkaufen. Stattdessen hatte sie gleich Pollys Mama angerufen. Und die war dann wie ein Tasmanischer Teufel von Kalifornien nach Schönberg gerast und hatte Lotti mit dem Auto abgeholt, während Polly den ganzen langen Weg zu Fuß zurückmarschieren musste. Und eine Woche Stallverbot gab’s auch noch obendrauf. So war das eben mit kleinen Schwestern …

Wenn die Klobürste nun also in der Küchenschublade lag, wollte Polly lieber gar nicht wissen, wo sie den Dosenöffner finden würde.

»Wenn die Dose nicht bei DREI offen ist, spül ich den Rosenkohl ab!«, drohte Mama.

Polly verzog das Gesicht. Wie schrecklich konnte dieser Tag denn noch werden? Erst der potzblitzblöde Zahn und jetzt auch noch Rosenkohl!

Der Zahn! Genau! Plötzlich hatte Polly eine Idee. Zu irgendetwas musste dieses Riesending doch gut sein, oder? Und tatsächlich! Ohne große Mühe durchbohrte der neue Eckzahn den Dosendeckel, und noch bevor Mama überhaupt anfangen konnte, bis DREI zu zählen, hatte Polly die Dose einmal rundherum gedreht und der Deckel fiel scheppernd zu Boden.

Der Deckel war aber nicht das Einzige, was schepperte. Denn als Mama sah, wie Polly die Dose öffnete, ließ sie vor Schreck den zischenden Kochtopf fallen. Für die Schweinerei aus muffeliger Zwiebelbrühe, die sich auf dem Küchenboden ausbreitete, hatte Antonia Schlottermotz aber gar keinen Blick, nein. Das, was sie in diesem Moment interessierte, war eine einzelne, riesengroße Kleinigkeit: »Ogottogott, Polly! Seit wann hast du diesen Zahn?«

Das Gute an diesem Abend war, dass es nun doch keine obererbsige Suppe mehr gab, sondern eine Pizza vom lustigen Luigi. Das weniger Gute war, dass Papa wie ein Blitz nach Hause kam und sich für zwei Stunden mit Mama im Stall einschloss, während sich Polly um Lotti kümmern musste. Und die hatte den allergrößten Spaß dabei, die Salami von Luigis Pizza an die Wohnzimmerwand zu kleben!

Als Mama und Papa endlich aus dem Stall kamen, bemerkten sie die Salamidekoration nicht einmal. Mama war ganz bleich im Gesicht und Papas Haare sahen aus, als hätte ein Vogel darin sein Nest gebaut. Während Lotti mit Luigis Tomatensoße ein Nashorn an die Wand schmierte, saßen die beiden vor Pollys offenem Mund und betrachteten ihren Zahn.

Papa schluckte.

»Wie schlimm ist es, Antonia?«

»Sieht man doch!«, seufzte Mama. »Er ist ziemlich groß.«

»Größer als der von Winifred?«

»Viel größer …«

Papa stöhnte und vergrub sein Gesicht in den Händen. Die Sache wurde Polly langsam unheimlich. Sie wusste ja, dass dieser Zahn alles andere als toll war, aber für Mama und Papa war er offenbar eine Katastrophe! Und was bitte sollte Tante Winnie damit zu tun haben?

Tante Winifred war eigentlich gar nicht Pollys Tante, sondern die Schwester ihrer Oma und somit Pollys Großtante. Weil man sich bei einer Großtante aber eine alte Frau mit Schrumpelfüßen vorstellt, wurde Winifred von allen nur »Tante Winnie« genannt. Das passte auch viel besser zu ihr. Polly mochte Tante Winnie, keine Frage. Aber was sie mit diesem potzblitzbescheuerten Zahn zu tun haben sollte, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Papa seufzte. »Sagst du es ihr, Antonia?«

Mama blickte ihn empört an. »Ich? Wieso ich? Sie ist schließlich auch deine Tochter!«

»Aber das Problem liegt ganz eindeutig in deiner Familie! Oder ist Winifred etwa meine Tante?«

»Fangt jetzt bloß nicht wieder an zu streiten!«, fuhr Polly wütend dazwischen. Langsam wurde ihr die Sache zu blöd. »Es ist doch nur ein doofer Zahn! Und Tante Winnie hat damit rein gar nichts zu tun!«

Mama und Papa wechselten einen Blick. Dann griff Mama nach Pollys Hand.

»Polly, ich weiß wirklich nicht, wie ich es dir sagen soll, aber …« Sie seufzte.

Jetzt bekam Polly tatsächlich Angst. Wenn Mama keine Worte fand, dann musste es etwas sehr, sehr Schreckliches sein!

»Aber was?«, hakte Polly nach. Ihre Kehle war staubtrocken.

Mama und Papa sahen sich noch einmal hilflos an, dann fasste sich Mama ein Herz.

»Tante Winnie ist ein Vampir.«

»Ein Vampir?!« Polly musste laut lachen. Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber sicher nicht mit einem dummen Scherz. »Klar, Mama!«, kicherte sie übermütig. »Und du bist die Kaiserin von Nimmerland und Papa ist ein Seeräuberkönig und ich, ich bin die Prinzessin auf der Erbse!«

»Nein, Polly-Schatz«, sagte Papa ernst. Er lachte nicht mal ein klitzekleines bisschen. »Du bist wahrscheinlich auch ein Vampir. Genau wie Winifred.«

»Ich bin auch ein Vampir?« Polly starrte ihre Eltern ungläubig an und wartete darauf, dass sie endlich in ein herzhaftes Lachen ausbrechen würden. Aber Antonia und Cornelius Schlottermotz sahen ihre Tochter nur betroffen an und nickten gleichzeitig mit den Köpfen wie zwei traurige Wackeldackel.

Polly konnte es einfach nicht glauben. Das hier musste ein Scherz sein!

»Habt ihr vielleicht Fieber? Es gibt keine Vampire! Nicht in echt!«

»Doch, in Mamas Familie gibt es sehr wohl Vampire.« Papa warf Mama einen vorwurfsvollen Blick zu.

»Und warum ist Mama dann bitte kein Vampir?«

Mama stieß einen Seufzer aus. »Diese Vampirsache ist kompliziert. Bisher gab es in jeder Schlottermotz-Generation einen Vampir. Aber weil bei mir und meinen Cousinen keiner dabei war, dachten wir, es sei vorbei.«

Papa beugte sich vor und schob vorsichtig Pollys Oberlippe hoch. »Offenbar hat sich deine Mutter geirrt …«

Jetzt reichte es aber! Verärgert sprang Polly auf und schlug Papas Hand von ihrem Mund. »Ich will kein Vampir sein! Und ich bin auch kein Vampir! Ich bin ein ganz normales Mädchen! Potzblitz!«

Bevor Mama und Papa etwas erwidern konnten, stampfte Polly aus dem Wohnzimmer. Sie war so zornig, dass sie das Gefühl hatte, die Wände würden bei jedem Schritt beben. Und tatsächlich fielen Lottis Salamischeiben reihenweise von der Wand. Doch als Polly eindrucksvoll mit der Tür knallen wollte, um Mama und Papa zu zeigen, wie wütend sie dieser Blödsinn machte, geschah etwas noch Merkwürdigeres: Plötzlich hielt sie die Tür in der Hand! Nicht nur den kleinen Türknauf, nein, die ganze Tür! Am Stück! Mit den Scharnieren! Irgendwie musste Polly sie aus dem Türrahmen gerissen haben …

Mama und Papa waren viel zu sprachlos, um zu schimpfen. Sie starrten nur die große, schwere Eichentür an, die Polly mühelos mit der rechten Hand über ihrem Kopf in die Luft hielt.

Und das war der Moment, in dem auch Polly klar wurde, dass sie wohl doch kein ganz normales Mädchen war …

Ein Traum! Das alles war einfach nur ein großer, potzblitzbescheuerter Albtraum!

Als Polly am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war sie sich sicher, dass sie alles, was gestern passiert war, nur geträumt hatte. Vampire? Pah! Die gab es höchstens in den Comic-Heften, die Onkel Hugo unter seiner Couch versteckte. Doch als Polly sich verschlafen an den Mund fasste, zuckte sie zusammen: Der neue Zahn war immer noch da! Riesig groß und sehr, sehr spitz! Polly seufzte. Kein Traum also …

Zum Glück war heute Sonntag. Das bedeutete, dass sie noch einen ganzen Tag Zeit hatte, um zu überlegen, wie sie ihr Geheimnis vor ihren Klassenkameraden verbergen konnte. Vielleicht konnte man den Zahn ja ein bisschen kürzer sägen? Mama hatte schließlich alle möglichen Werkzeuge in ihrer Scheune.

Aufgeregt schwang Polly die Beine aus dem Bett. Aber kaum hatte sie einen Fuß vor den anderen gesetzt, begann sich der Boden zu drehen. Plötzlich klebte der Teppich an der Zimmerdecke und die Pferdelampe leuchtete zwischen ihren Füßen. Was war hier bloß los? Polly brauchte einen Augenblick, bis sie das Schwanken im Griff hatte. Dann torkelte sie wie ein betrunkener Seemann in die Küche.

Lotti saß bereits in ihrem Hochstuhl am Küchentisch und verfolgte mit glänzenden Augen, wie Papa verzweifelt versuchte, Mama beizubringen, einen Pfannkuchen in der Luft zu wenden.

Als Cornelius Schlottermotz seine älteste Tochter in der Küchentür entdeckte, schlug er sich erschrocken die Hände vors Gesicht. »Mein Gott, Polly! Du bist ja ganz grün im Gesicht!«

Genau in dem Moment, in dem Mama ihren fetten Pfannkuchen mit Schwung in die Höhe warf, drehte sie sich zu Polly um und der Pfannkuchen landete mit einem saftigen PLATSCH auf Papas Kopf! Klein-Lotti klatschte begeistert in die Hände und gluckste vor Freude wie ein Schweinchen, das seine Schnauze in eine große Schüssel Schokoladenpudding stecken durfte!

Und obwohl Polly an diesem Morgen eigentlich überhaupt nicht nach Lachen zumute war, prustete auch sie los. »Hutta schuck, Pipi!«

»Was hast du gesagt?«

Mama und Papa sahen Polly an, als hätte sie Chinesisch gesprochen. Und irgendwie hatte sie das ja auch. Eigentlich wollte sie nämlich »Schicker Hut, Papa!« sagen.

Doch als sie nun zu einem neuen Versuch ansetzte, klang das so: »Pupser Hub, Schicka!« Irritiert schielte sie zu ihrer Zunge hinab.

Lotti kicherte natürlich sofort los und wiederholte trällernd, was sie verstanden hatte: »Schicka Pups! Schicka Pups!«