Prima, fein gemacht! - Martina Brandl - E-Book

Prima, fein gemacht! E-Book

Martina Brandl

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Beschreibung

Wenn Sie schon immer wissen wollten, was ein Fisch­brötchen denkt, worüber eine Auto­bahn­brücke am liebs­ten spricht und warum vom Hund lernen lügen lernen heißt, dann sollten Sie Marti­na Brandl lesen. Nach ihrem Mega-Bestseller "Halbnackte Bauarbeiter" und wei­teren Erfolgs­romanen vereint dieser Sammelband selbst­iro­­ni­sche Storys, ihre beliebten Hundekolumnen aus dem Ma­ga­zin und Interviews mit unmög­li­chen Gesprächspart­nern. Lustig und klug beschreibt die Kabarettistin, Sängerin und Autorin ihren Alltag mit jungem Pudel, zerstört Begriffe wie »Frauenkabarett«, entlarvt Social-Media-Lügen und dis­ku­­tiert mit einer rosaroten Brille über Eskapismus. Bei Martina Brandl treffen lakonische Alltagsbetrach­tun­gen auf skurrile Dialoge, die sich so wohl nur ausdenken kann, wer mit einer überbordenden Fantasie und einer langen Erfahrung als Humoristin gesegnet ist. »Es macht einfach Spaß, Martina Brandls Texte zu lesen. Immer originell, immer klug, immer lustig.« Horst Evers »Martina Brandl nimmt Sprache wört­lich und seziert damit insbesondere ihre eigene Persönlichkeit so gnaden­los ehrlich, damit wir uns hinterher nicht mehr so alleine und seltsam füh­­len. Sie gibt Antworten auf Fra­gen, die wir nie stellen wollten. Eben das berühmte bisschen zu viel an In­for­mation. Woher sie die hat? Das weiß nur Martina Brandl, Welpen­bumm­lerin aus Leidenschaft, und zum Glück großzügig genug, ihr Wissen mit uns zu teilen. Also, greifen wir doch gerne zu!« Ruth Moschner »Martina Brandl schreibt originell und witzig.« Ingrid Noll

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Seitenzahl: 167

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Martina Brandl

PRIMA, FEIN GEMACHT!

Geschichten, Kolumnen und rätselhafte Interviews

Martina Brandl

ist Kabarettistin, Musikerin und Schriftstellerin. Ihr erster Roman Halbnackte Bauarbeiter stand 22 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Es folgten die Bestseller Glatte runde Dinger und Schwarze Orangen. Sie schreibt regelmäßig für die Frankfurter Rundschau und ist Kolumnistin bei Das Magazin.

Mit ihren Soloprogrammen tourt sie durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und tritt im Fernsehen auf. Mit dem Komponisten Martin Rosengarten betreibt sie den Podcast »Drückste mal record?«.

Martina Brandl wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Prix Pantheon und dem Kleinkunstpreis des Landes Baden-Württemberg.

Nach zwanzig Jahren in Berlin lebt sie wieder in Süddeutschland.

»Es macht einfach Spaß, Martina Brandls Texte zu lesen. Immer originell, immer klug, immer lustig.«

Horst Evers

»Martina Brandl nimmt Sprache wörtlich und seziert damit insbesondere ihre eigene Persönlichkeit so gnadenlos ehrlich, damit wir uns hinterher nicht mehr so alleine und seltsam fühlen. Sie gibt Antworten auf Fragen, die wir nie stellen wollten. Eben das berühmte bisschen zu viel an Information. Woher sie die hat? Das weiß nur Martina Brandl, Welpenbummlerin aus Leidenschaft, und zum Glück großzügig genug, ihr Wissen mit uns zu teilen. Also, greifen wir doch gerne zu!«

Ruth Moschner

Die Hunde-Kolumnen in diesem Buch erschienen erstmalig in Das Magazin, die Interviews mit unmöglichen Gesprächspartnern in der Wochenendbeilage der Frankfurter Rundschau FR7. Für die Buchveröffentlichung wurden sie von der Autorin überarbeitet. Die Autorin dankt herzlich den Redaktionen von Das Magazin und der FR7.

E-Book-Ausgabe September 2024

© Satyr Verlag Volker Surmann, Berlin 2024

www.satyr-verlag.de

Cover: Katja Weikenmeier, Köln

Korrektorat: Matthias Höhne

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de

Die Marke »Satyr Verlag« ist eingetragen auf den Verlagsgründer Peter Maassen.

ISBN: 978-3-910775-21-3

Inhalt

Gute Unterhosen

Himbeerstecher oder der Stachel im Fleisch des Kunden

Raketenstart

Interview mit einer Schwarzkiefer

Mongolische Ente

Interview mit einer Lebensmittelmotte

Prima, fein gemacht!

Hin und Her

Genusstrinken

Fingerzeig

Interview mit einem Fischbrötchen

Gustl

Herrenkabarett

Zippezappe

Wie der Hund seinen Namen bekam

Geträumtes Interview

Nestbeschmutzerin

Wer sich erinnert, war nicht dabei

Der Sommer war fürn Arsch

Interview mit einer Autobahnbrücke

Vom Hund lernen heißt lügen lernen

Händeschütteln

Interview mit einem Stück Kohle

Hundemädchen

Interview mit einer Wolke

Sie hört nicht

Der Riss in meiner Person

Interview mit einer rosaroten Brille

BHs

Queen of Stöckchen

Interview mit einer Kommode

Geburtstagshund

Prost, Plattitüden!

Interview mit einer Ukulele

Hunde sollten ewig leben

Warum mir Südtirol gesundheitlich überhaupt nicht bekommt

Lichtblicke

Interview mit einem Sympathikus

Häusle, Häusle, Kontostand – wer sind die Ärmsten im ganzen Land?

Wenn’s nicht besser wird, müssen wir Blut abnehmen

Naging on Heaven’s Door

Herrin der Haare

Tourhund

Interview mit einem Leuchtturm

Killen Sie die Hoffnung!

Danke

Gute Unterhosen

Habt ihr auch verschiedene Unterhosen? Ich hab Unterhosen für gut und welche für zu Hause. Wieso macht man das? Du hast ja auch nicht einen Partner, der zwickt und ist hässlich, und dann sagst du: »Für zu Hause geht der noch. Wenn ich ausgeh, nehm ich den schicken mit.«

Eigentlich stimmt das auch nicht. Ich hab nicht nur zwei Sorten von Unterhosen. Es gibt viel mehr Abstufungen:

Ich hab welche für richtig gut – also die passen, sind bequem und sehen super aus. Davon hab ich drei. Dann hab ich ungefähr fünfzehn, die vom Aussehen her okay sind, aber nicht so richtig bequem. Wo der Beinausschnitt so ’n bisschen eng ist. Jetzt nicht schlimm genug, dass man die wegwerfen müsste, aber es reibt halt den ganzen Tag. Das sind die Unterhosen, wo du dreißig Mal am Tag aufs Klo gehst, weil du dich so freust, dass du mal kurz die Unterhose runterziehen kannst.

Habt ihr mal Männerunterhosen getragen? Boah, dieser Rand! So weich, so rund, so kuschelig und in der Mitte ist richtig viel Platz. Ich frage mich, für wen Wäschehersteller ihre Frauenunterhosen designen? Für Barbie, bei der im Schritt zwischen den kontaktlosen Oberschenkeln nichts als ein gerades Stück Plastik hängt? Es ist doch nicht so, dass wir Frauen nichts zwischen den Beinen haben. Die im wahrsten Sinne des Wortes unbequeme Wahrheit ist: Auch wir haben ein teilweise raumgreifendes Päckchen zu tragen. Und das wird den ganzen Tag plattgedrückt. Falls das jemand liest von Triumph, Sloggi, Mey, Schiessermichtot: Warum designt ihr Frauenslips mit hartem, ribbeligem Zackelrand? Warum? Das tut weh! Diese Hosen haben am Bein einen vierfach genähten Gummibandrand, der so fest ist, dass man damit das Großsegel an der Gorch Fock hochziehen könnte. Aber der darf sich unter der Kleidung nicht abzeichnen. Deswegen musst du drüber, also über dem einschneidenden Zackelrand und unter der Oberbekleidung, noch Shapewear, also Formkleidung tragen, weil: »Dein Körper ist nicht gut genug. Wir müssen ihn formen!« Und warum? Damit sich nichts abzeichnet! Warum? Dürfen Männer nicht wissen, dass Frauen Unterhosen tragen? Ist das ein Geheimnis? Ist das ein Flirtkiller, wenn der Mann durch die Kleidung durch sieht: »Oaaah … die Drecksau trägt ja ’ne Unterhose! Widerlich!« Ja? Echt? Dann möcht ich mal sehen, wie erotisch dieser Mann das findet, wenn ein laues Lüftchen das leichte Sommerkleidchen hochweht und drunter der hautfarbene Popostrumpf zum Vorschein kommt. Männer: Ich verrat euch jetzt was. Wenn frau mal ’ne bequeme Unterhose gefunden hat, dann lässt sie die nie wieder los. Manche von meinen Unterhosen sind so alt, da kannst du Zeitung durch lesen. Und die losen Gummifäden hängen an den Rändern raus wie chinesische Glasnudeln. Die zieh ich an, wenn ich weiß, dass ich an dem Tag auf gar keinen Fall mehr das Haus verlassen werde. Wenn ich an so einem Tag einen Schlaganfall kriege und ins Krankenhaus muss, sterbe ich wahrscheinlich vor Scham.

Es gibt aber noch eine schlimmere Sorte. Ich nenne sie die Terrorslips: Die sind megaschick, brandneu und waren superteuer. Die sind nicht für den Alltag. Die hol ich raus, wenn ich Luxus auf der Haut spüren und mich wie eine Gewinnerin fühlen möchte. Dann streif ich die über und wenn ich die zehn Meter vom Schlafzimmer bis ins Bad gelaufen bin, hat dieser enge, einschneidende Rand am Beinloch und am Bauch schon so tiefe rote Furchen hinterlassen, dass ich sie hektisch wieder runterrolle. Weil ich die gekauft hab, als ich fünf Kilo leichter war und dachte: »Ich nehm ja noch ab.« Das ist ein Tag, der mit Scheitern beginnt. Das wird kein guter Tag. Ich meine, nicht mal die Unterhosen passen noch! Wie soll ich jemals mein Leben auf die Reihe kriegen, wenn ich’s nicht mal schaffe, die passende Unterhose auszuwählen? Wie komm ich denn darauf, dass die mir hätte passen können? Sehe ich nicht, wie ich aussehe? Bin ich überhaupt in der Lage, irgendetwas realistisch einzuschätzen? Wie kann ich daran denken, ein zweistündiges Kabarettprogramm zu schreiben, eine Tour zu planen, einen neuen Dreihundert-Seiten-Roman zu schreiben, wenn ich nicht mal die richtige Unterhose auswählen kann? Und was noch schlimmer ist: Wird diese Unterhose, diese neue, wunderbare, ungetragene Unterhose mir jemals passen? Oder werde ich sie am Ende meines Lebens wegwerfen als endgültiges Zeugnis meines Scheiterns? Ich hasse diese Unterhose. Und ich hebe sie sorgsam vom Boden auf, leg sie wieder ordentlich zusammen und bette sie vorsichtig in die hinterste Ecke vom Schrank. Ich bewahre sie auf. Sie ist zwar unbequem, aber schließlich neu.

Was ich auch nicht wegwerfen kann, sind die Unterhosen, die beides sind: unbequem und alt. Schon hör ich euch fragen: »Warum denn nicht? Die sind doch unbequem und alt?« Ja, aber die haben kein Loch. Also darf ich sie auch nicht wegwerfen. Die zieh ich als Bestrafung an. Wenn ich verkatert aufwache. Wenn der Alkohol und die Drogen meine ganzen Endorphine verbraucht haben, der Rausch vorbei ist und ich morgens in den Schrank gucke, und als Erstes sehe ich ganz hinten im Schrank die Terrorslips, die mich verachten. Weil ich ein schlechter Mensch bin. Undiszipliniert und selbstzerstörerisch. Ich habe keine bessere Unterhose verdient. Der Tag ist eh im Eimer, da kann ich auch die unbequeme Unterhose auftragen. Irgendwann muss es ja mal sein, oder? Sonst geht die doch nie kaputt!

Wieso macht man das? Wieso gönnt man sich nicht immer eine gute, bequeme, schöne Unterhose, jeden Tag? Sollte man den Spruch »Lebe jeden Tag so, als wär er dein letzter« nicht umwandeln? Ja, liebe Leser*innen, das ist meine Botschaft an euch: »Zieht jeden Tag ’ne Unterhose an, als wär es eure letzte!«

Ganz bestimmt wäre das das Erste, das ich bereute, läge ich halb tot im Straßengraben in einem brennenden Autowrack: Wieso hab ich an meinem letzten Tag auf Erden diese scheißunbequeme Unterhose angezogen? Und, was fast noch wichtiger ist: Was soll der Notarzt von mir denken?

Himbeerstecher oder der Stachel im Fleisch des Kunden

Als ich an diesem herrlichen Frühsommertag in der Gärtnerei stehe, weiß ich wieder, wieso mich Verkäufer oft an Spielautomaten erinnern, die in dunklen Eckkneipen an der Wand hängen. Man wirft Geld ein und glaubt, durch das Drücken der Stopp-Taste die Abfolge von Zahlen und Obstbildern beeinflussen zu können. In Wahrheit spulen diese Automaten einfach ihr Programm ab.

»Irgendein böses Insekt frisst an meinen Rosen die Knospen ab«, sage ich, »vielleicht der sogenannte Himbeerstecher.«

Der Gärtnereifachverkäufer antwortet: »Das kann nicht sein. Himbeerstecher gehen nur an Himbeeren.«

Zaghaft wende ich ein: »Im Internet steht, die gibt’s auch bei Rosen.«

»Die gehen nur an Himbeeren«, wiederholt er.

Ich lasse das so stehen, weil ich nicht an seiner Fachverkäuferehre kratzen will. Er lässt es auch so stehen und schweigt. Damit es irgendwie weitergeht, sage ich: »Vielleicht ist es ja auch ein anderer Käfer. Ich hab mal einen hellgrünen gesehen.«

»Himbeerstecher sind schwarz«, sagt er.

»Ich weiß. Irgendwas knipst jedenfalls meine Rosenknospen ab. Kann ich was dagegen tun?«

»Klar«, antwortet er prompt und stellt eine Flasche Himbeerstecher-Tod auf den Tresen. Hier hätte das Verkaufsgespräch eigentlich enden sollen.

Aber er kann es nicht gut sein lassen und ruft nach hinten: »Elli, hast du schon mal was von Himbeerstechern an Rosen gehört?«

»Die gehen doch nur an Himbeeren!«, schreit Elli zurück. »Sind so kleine schwarze Käfer mit Rüssel!«

»Ihrer war hellgrün!«, brüllt er.

Ein etwa zehnjähriges Kind betritt den Laden und sagt: »Der Himbeerstecher ist aber schwarz.«

»Ich weiß«, antworte ich.

Nun holt der Verkäufer einen Fresszettel aus der Schublade und zeichnet die Umrisse eines kleinen Käfers mit Rüssel. Dann füllt er die Umrisse schwarz aus und triumphiert: »So sieht der Himbeerstecher aus!«

»Weiß ich doch«, jammere ich, »mir ist auch egal, wer meine Rosen ruiniert. Ich will es einfach nur töten. Hilft denn dieses Mittel nur gegen Himbeerstecher?«

»Nein«, sagt er lapidar, »das können Sie gegen alle Schädlinge einsetzen.«

Wortlos kaufe ich die Flasche und ziehe weiter ins Sportgeschäft, um einen Heimtrainer zu kaufen. Der junge Mann preist ein Modell mit Pulsmesser an. Ich sag: »Ich brauch keinen Pulsmesser.« Der sei aber essenziell für ein effektives Training, belehrt er mich. »Wissen Sie, ich seh hier jeden Tag Leute reinkommen, die einen Heimtrainer kaufen, weil sie ein paar Kilos loswerden möchten. Nach acht Wochen kommen die wieder und sind total enttäuscht. Weil sie nicht im richtigen Pulsbereich trainieren.«

»Wissen Sie«, gebe ich zurück, »ich sehe jeden Tag Leute, die einfach zu viel essen. Da nützt das Pulsmessen wenig. Um die Sache abzukürzen: Ich will nicht abnehmen. Ich will keinen Pulsmesser.«

Danach zeigt er mir noch vier Geräte, nicht ohne bei jedem einzelnen lobend hervorzuheben, dass es einen Pulsmesser hat. Ich ertappe mich dabei, mit den Augen zu rollen. Er zischt: »Ich weiß, Sie wollen das nicht, aber das ist halt ein Qualitätsmerkmal.«

Wenn sie nicht weiterwissen, verwenden Verkäufer gern absurde Argumente und ich argumentiere dann sinnfrei zurück. So sagte neulich eine Drogistin zu mir: »Sie haben ja eine ganz empfindliche Haut.«

»Nö, gar nicht«, erwiderte ich und sie konterte: »Wissen Sie, ich bin Kosmetikerin.«

»Wissen Sie, ich bin Komikerin und frühstücke jeden Morgen einen Clown«, gab ich zurück. »Da hätten Sie auch Ausschlag.«

Anscheinend lernen Verkäufer in der Berufsschule: »Egal, was der Kunde sagt: Widersprich!« Besonders häufig erlebe ich das in Schuhgeschäften:

»Und? Passen die Schuhe?«

»Ja, aber die sind mir vorn zu spitz.«

»Die sind aber nicht sehr spitz.«

»Also, ich finde die ziemlich spitz.«

»Die sind nicht spitz.«

»Schön, aber sie sind unbequem.«

»Die werden aber viel verkauft.«

Ich gebe auf und gehe zum Bioladen, weil ich dringend einen Schokoriegel brauche. Drinnen fällt mir ein, dass meine Ärztin mir geraten hat, mal fruktosemäßig etwas kürzer zu treten. Und Fruktose ist auch in ganz normalem Haushaltszucker. Eigentlich fast überall. Außer in Reissirup. Den gibt es hier flüssig und als Pulver. Ich frage die Bioladenfrau: »Was is denn da der Unterschied?«

»Keine Ahnung«, antwortet sie emotionslos. Sie schaut abwechselnd auf die Plastikflasche und den Pappbehälter und sagt: »Das eine ist flüssig, das andere ein Pulver, würd ich sagen. Ich kenn mich nicht aus mit dem Biozeugs.«

»Das is doch mal ’ne Antwort!«, denke ich und kaufe zweimal zehn Stück.

Raketenstart

Jetzt schläft sie. Ich versuche, zu schreiben, solange sie schläft. Nein, ich habe kein Baby. Ich habe eine Welpin. Seitdem formuliere ich meine Sätze kurz. Sie kann jeden Moment aufwachen. Und dann muss ich schnell sein. Ihr neuer Name ist »Kacky Luke«. Sie scheißt schneller als ihr Schatten. Im Internet steht: »Sehr schnell werden Sie die kleinen Zeichen erkennen«, und dann müsse man nur rechtzeitig mit ihr rausgehen. Sie macht keine Zeichen. Sie pinkelt en passant. Nach dem Fressen, nach dem Saufen, nach dem Spielen, nach dem Aufwachen und wenn sie unruhig wird, gehe ich mit ihr raus. Dann springt sie eine Weile fröhlich umher und versucht, sich im Garten mit der Nase nach Australien durchzugraben. Das kann sie stundenlang. Besonders nachts und bei Graupelschauer macht das besonders viel Spaß. Wenn die Leine an meinen blaugefrorenen Fingern festgefroren ist, gehen wir wieder rein. Während ich die Finger zum Auftauen in die Hosentasche stecke, rennt sie zu ihrer Schmusedecke und pinkelt schön in die Mitte. Mein Hund hat jetzt keine Schmusedecke mehr.

Im Internet steht: »Laufen Sie Ihrem Welpen nicht ständig hinterher. Das würde die Mutterhündin auch nicht tun.« Und dann steht da noch: »Beobachten Sie Ihren Welpen genau, um die kleinen Anzeichen zu registrieren.« Ich sitze also reglos auf dem Stuhl und versuche, während ich Zeitung lese, den Hund mit einem kleinen Taschenspiegel, den ich mir auf die Brille montiert habe, zu beobachten. Sie kackt im toten Winkel. Im Internet steht, man müsse den so befleckten Boden unbedingt mit Essigreiniger putzen, weil der Hund wegen des Geruchs da sonst immer wieder hinmacht. Mein Hund liebt die Abwechslung. Er bedenkt alle Stellen in der Wohnung gleichermaßen. Nachdem der Kassierer im Supermarkt gesagt hat, meine Menge an Papierküchentüchern übersteige die erlaubte Abgabe an Personenhaushalte, steht jetzt in jedem Zimmer ein Wischmopp.

Gestern waren wir bei der Tierärztin. Im Wartezimmer las ich wieder Erziehungstipps im Internet nach: »Nehmen Sie ein Leckerli, führen Sie es langsam dicht über den Kopf ihres Welpen und sagen Sie: ›Sitz‹. Er wird es mit den Augen verfolgen und sich dann setzen. Stehen Sie dabei unbedingt aufrecht. Hunde werten es als Bedrohung, wenn man sich über sie beugt. Wenn sich Ihr Welpe nicht setzt, halten Sie das Leckerli etwas tiefer über seinen Kopf.«

Mein Welpe reicht mir gerade so über den Knöchel. Ich fürchte, ich werde mir 1,50 Meter lange Arme wachsen lassen müssen. Besser noch wären bodenlange Arme. Dann könnte ich mit ihr spielen, ohne mich bücken oder mit den morschen Knien auf dem Boden rumrobben zu müssen.

Ein Freund von mir antwortete auf meine Ankündigung, mir einen Hund anschaffen zu wollen: »Du bist alt. Hol dir ’ne Katze.« Vielleicht hatte er recht. Ein anderer erwiderte entgeistert: »Warum?« Und es gab in den vierzehn Tagen, seit Rocket bei uns eingezogen ist, dreimal siebenundsiebzig Momente, in denen ich mich dasselbe gefragt habe. Sie stinkt, sie kackt, sie pisst, ich habe seit zwei Wochen nicht mehr durchgeschlafen und ich muss ihr meinen kompletten Alltag unterordnen. Im Internet steht: »Der Welpe ist wie ein Baby.« Ein Baby hält dich auch nachts wach, aber es kackt in der warmen Stube in Windeln und du liebst es, sobald es da ist, weil es in dir gewachsen ist.

Ich hatte nicht sofort Milcheinschuss. Ich musste mich erst an sie gewöhnen. An dieses fremde, fellige Wesen, das plötzlich vierundzwanzig Stunden bei mir sein will. Denn sie hat sich sofort an mich gewöhnt. Hat nicht geweint, als sie ihr Zuhause verlassen musste, legte sich in meinen Arm und hat meine Hand abgeleckt. Seit sie bei mir ist, bin ich ihr mit meinen achtzig Kilo dreimal auf ihre winzige Pfote getreten. Sie hat mir das nicht übel genommen.

Fünf Kilo mehr, nämlich fünfundachtzig Kilo wog der irische Wolfshund, der jetzt das Wartezimmer der Tierarztpraxis betrat. Irgendwo hing da auch ein Frauchen dran, aber sie war so gut wie unsichtbar hinter dem ponygroßen grauen Fabelwesen, das quasi den ganzen Platz in dem kleinen Wartezimmer einnahm. Ich nahm Rocket sicherheitshalber auf den Schoß, als sein kalbskopfgroßer Schädel sich mir auf Augenhöhe näherte. Er schnüffelte ein bisschen und sie saß seelenruhig da. Sie fühlte sich sicher auf meinem Schoß. Früher hatte ich große Angst vor Hunden. Irische Wolfshunde sind die größten Hunde der Welt. Die Dinge ändern sich. Das ist etwas Gutes. Obwohl ich schon so viel gelebt habe, wird jetzt vieles anders. Etwas Neues beginnt. Bislang kann ich drei Dinge mit Sicherheit sagen: Erstens: Wir tun uns gut, Rocket und ich. Zweitens: Man gewöhnt sich an alles. Drittens: Scheiß aufs Internet.

Interview mit einer Schwarzkiefer

Brandl: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen.

Schwarzkiefer: Keine Ursache. Ich bin eigentlich ganz dankbar für ’ne Abwechslung.

Brandl: Ja, so richtig viel los ist hier nicht.

Schwarzkiefer: Och, die Bank hinter mir wird schon viel frequentiert. Hauptsächlich von jungen Liebespaaren. Aber die reden nicht viel, sind mit Knutschen beschäftigt. Das macht es ein bisschen langweilig.

Brandl: Was würden Sie sich denn von Ihrem Standort wünschen?

Schwarzkiefer(zieht ein wenig die Nadeln zusammen): Na ja, in der Baumschule hat man mir erzählt, ein Standort mit Bank wär sozusagen der Jackpot. Dort würden sich Menschen treffen, lachen, singen und um den Stamm tanzen.

Brandl: Also, das mit dem Um-den-Stamm-Tanzen ist schon ziemlich lange her. Heutzutage werden Bäume eher umstrickt.

Schwarzkiefer: Umstrickt?

Brandl: Ja, in manchen Gegenden stricken die Menschen bunte Lappen und wickeln die dann um die Stämme.

Schwarzkiefer(rauscht empört): Ich dachte, so was macht nur der Eichenprozessionsspinner. Mir hat man gesagt, Menschen würden sich auf Bänke setzen, um zu reden.

Brandl: Das stimmt auch. Zumindest bei älteren Herrschaften.

Schwarzkiefer: Tja, hier kommen nur junge Leute her. Und wenn es mal ältere sind, kommen sie allein und gucken aufs Handy.

Brandl: Was ist denn mit Vögeln? Erzählen die nichts Interessantes?

Schwarzkiefer: Haben Sie schon mal den Begriff »Spatzenhirn« gehört? Es gibt nichts Eintönigeres als Vogelgespräche. Entweder sie schreien den ganzen Tag: »Sieh her! Ich bin’s!« oder: »Hau ab! Mein Revier!« Immerhin singen sie schön. Viel schlimmer sind diese hektischen Eichhörnchen. Das sind mal richtig hohle Nüsse.

Brandl: Vielleicht wird es ja noch besser. Sie sind ja ganz frisch eingepflanzt.

Schwarzkiefer: Das will ich hoffen. Wenn alles glattgeht, hab ich noch achthundert Jahre vor mir. Bei meiner Vorgängerin lief es ja nicht so gut.

Brandl: Sie sprechen von der Fichte, die vorher hier stand?

Schwarzkiefer: Ja. Hat hier auf der Anhöhe vierzig Jahre gestanden, bei Wind und Wetter. An Weihnachten wurde sie mit Lichterketten geschmückt und die Leute haben sich jedes Silvester um sie versammelt und sich zugeprostet. Und dann ist sie innerhalb von zwei Jahren vertrocknet und wurde abgehackt. Ohne Abschied, ohne letzten Gruß. (Schüttelt fröstelnd die Äste.)

Brandl: Immerhin hat eine Bürgerin 1.500 Euro ausgegeben, um einen neuen Baum zu stiften. Das muss Sie doch ein bisschen stolz machen?

Schwarzkiefer: Schon, aber der Druck ist enorm. Ein junger Baum wie ich braucht knapp 200 Liter Wasser pro Woche, um gut anzuwachsen, und es hat schon seit drei Wochen nicht geregnet. Ich bemühe mich, so gut ich kann, meine Pfahlwurzeln unter Hockdruck nach unten zu schieben, aber mehr als wachsen kann ich nicht.

Brandl: Na, dann wünsche ich Ihnen, dass der Klimawandel nicht schneller voranschreitet als Ihre Verwurzelung.

Schwarzkiefer