Professor Zamorra 1139 - Anika Klüver - E-Book

Professor Zamorra 1139 E-Book

Anika Klüver

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Beschreibung

Eigentlich wollte Gryf, der Silbermonddruide, seine Freundin Branwen schon vor einiger Zeit wieder aus der Anderswelt in unsere Realität mitnehmen. Doch sie weigerte sich und blieb lieber bei Arawn, dem Herrscher der Feenwelt. Aber Gryf al Llandrysgryf wäre nicht er selbst, wenn er eine gute Freundin einfach so aufgeben würde!

Der Silbermonddruide setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um Branwen aus der Gefangenschaft zu befreien, in der Arawn sie festhält ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Rabendämmerung

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Susanitah / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5861-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Rabendämmerung

von Anika Klüver

Der Ast schnellte so blitzartig hervor, dass er ihn nicht kommen sah. Professor Zamorra hechtete zur Seite, doch seine Bemühung war vergebens. Das Baumwesen schlang seinen erstaunlich beweglichen Auswuchs um ihn und hielt ihn in seinem Griff wie eine Würgeschlange, die ihre Beute erdrücken wollte.

Zamorras Instinkte schrien ihn an, sich zu wehren, doch er hielt still. Wenn er dagegen ankämpfte, würde er es nur noch schlimmer machen. Stattdessen konzentrierte er seinen Geist und aktivierte mit einem GedankenbefehlMerlins Stern.Das Amulett begann zu glühen, und Zamorra spürte, wie sein Gegner den Griff lockerte.

Und er ergriff seine Chance …

Prolog

Die Schwingen der Raben waren schwärzer als die Nacht. Selbst an dieser Stelle des Waldes, wo die Dunkelheit fast vollkommen war, stahlen sich hier und da noch ein paar schwache Strahlen des Mondlichts durch die dichten Bäume. Deswegen huschten Schatten umher, wann immer sich etwas bewegte. Und manche dieser Schatten waren lebendig.

Die Äste der knorrigen alten Bäume wogten sanft im Wind. Der weiche Waldboden schluckte das Knarren und Rascheln aus dem Unterholz. An einigen Stellen stieg Nebel vom Boden auf und verhüllte das, was darunter lag. Jeder Schritt, den man hier tat, mochte ins Ungewisse führen. Vielleicht trat man auf ein weiches Mooskissen, vielleicht landete man aber auch in einer tiefen Grube und brach sich beim Sturz das Genick – wenn man Glück hatte.

Allerdings war es lange her, dass eine Person diesen Bereich des Waldes betreten hatte. Niemand kam hierher. Es war kein Ort, an dem man sich aufhielt. Wer doch das Pech hatte, hier zu landen, verirrte sich und wanderte bis zu seinem Tod ziellos umher. Hier gab es keine Wege, keinen sicheren Unterschlupf und keine Hilfe. Dieser Teil des Waldes gehörte allein den Raben.

Sie lebten wie Geister zwischen den Wipfeln der Bäume. Ihre Schwingen trugen sie fast lautlos durch die Luft, und meist traten sie nur einzeln oder in Paaren in Erscheinung.

Doch die heutige Nacht war anders. Zuerst war es nur ein einziger Rabe gewesen, ein großes Exemplar mit einem struppigen Kranz aus gräulichen Federn am Hals. Er hatte sich auf einen Ast gesetzt und gewartet. Bald darauf waren die anderen eingetroffen. Zuerst einige einzelne, dann zahlreiche Paare. Sie hatten sich um den ersten geschart und mit ihm gewartet. Nur das Rascheln ihrer Federn und ein gelegentliches unterdrücktes Krächzen hatte die Stille durchbrochen.

Irgendwann waren sie vollzählig gewesen. Der alte Rabe musste sie nicht zählen. Er kannte sein Volk und wusste, dass sie alle gekommen waren. Keiner würde es wagen, der Versammlung fernzubleiben. Nicht in einer Nacht wie dieser.

Das Krächzen wurde lauter und kam nun aus allen Richtungen. Manche Äste neigten sich unter dem Gewicht der schwarzen Vögel, und an vielen Stellen war kaum noch zu erkennen, was Baum und was Rabe war.

Dann herrschte schlagartig Stille. Es gab kein Signal und keinen Befehl. Alle Raben schwiegen, weil sie wussten, dass der Zeitpunkt gekommen war.

Der alte Rabe schüttelte kurz sein Gefieder aus und begann dann ohne Umschweife zu sprechen. Er äußerte sich in der Sprache der Raben. Natürlich beherrschte er auch die Sprache der Menschen, so wie alle Raben, aber er benutzte sie nur, wenn es nötig war.

»Auf uns kommen dunkle Zeiten zu«, sagte er. »Wir werden sie überdauern, aber die Welt um uns herum wird sich verändern.«

»Die Welt hat sich schon immer verändert«, sagte ein anderer Rabe, der in seiner Nähe saß. »Wir sahen viele Reiche untergehen und andere neu entstehen.«

»Dieses Mal sind auch wir davon betroffen. Wir können die Ereignisse beeinflussen und müssen bald eine Entscheidung treffen.«

Unruhe machte sich unter den Raben breit. Überall schlugen Flügel in der Dunkelheit, und scharfe Schnäbel klapperten nervös. Das Volk der Raben mischte sich nur selten ein.

»Wir haben die weiße Königin verloren«, fuhr der alte Rabe fort. »Sie, die einst weiß war, ist nun schwarz.«

»Schwarz wie alle Raben«, krächzte es aus einer anderen Richtung.

»Ihre Dunkelheit ist nicht nur äußerlich«, mahnte der weiseste der Vögel. »Sie reicht tief in ihr Innerstes und hat ihre Seele ergriffen. Und mit jedem Tag, der vergeht, entgleitet sie der Welt ein wenig mehr. Der Herrscher hat sie in seinem Griff. Seine Klauen sind gierig und packen alles, wovon er sich Macht verspricht. Sein Einfluss hat sie blind gemacht. Sie sieht die Welt durch einen Schleier. Den Unterschied zwischen Gut und Böse kennt sie nicht mehr.«

»Den kennen viele Menschen nicht«, gab ein anderer Rabe zu bedenken, der ebenfalls schon recht alt war.

»Sie ist nun kein Mensch mehr«, sagte der Älteste. »Dieses Band wurde durchtrennt.«

»Kann es wiederhergestellt werden?«

»Das königliche Blut, das sie seit jeher in sich trägt, bestimmt nun ihr Dasein. Veränderungen sind immer möglich. Aber in ihr altes Leben kann sie nicht zurückkehren.«

»Was können wir tun?«, meldete sich ein sehr junger Rabe zu Wort. In seinen schwarzen Augen schimmerte der Tatendrang der Jugend.

»Die Frage ist, ob wir etwas tun sollten«, mischte sich sofort ein anderer ein. »Wir sind Beobachter. Wir lenken die Geschicke der Welt nicht, wir bewahren nur das, was übrig bleibt.«

Der alte Rabe schwieg eine ganze Weile lang. Wieder durchbrach nur das leise Rascheln von Federn die Stille des Waldes. »Auch wenn wir eingreifen, ist der Ausgang ungewiss«, sagte er schließlich. »Doch die Königin entstammt der Linie der Raben. Es mag lange her sein, und die Welt mag es vergessen haben. Aber Zeit spielte für uns noch nie eine Rolle. Daher werden wir einen Boten entsenden. Auf manche werden die Veränderungen mehr Einfluss haben als auf andere. Die Betroffenen müssen davon erfahren. Wenn sie das Wissen haben, müssen sie selbst entscheiden, wie sie damit umgehen.«

»Was ist, wenn sie scheitern?«, fragte der junge Rabe und zuckte aufgeregt mit den Flügeln.

»Dann scheitern sie. Wir sind die Boten. Sein eigenes Schicksal bestimmt jeder selbst.«

»Können wir denn nicht mehr tun?«

»Du bist kaum dem Nest entstiegen und musst noch viel lernen, mein junger Freund. Ich denke, du solltest der Bote sein. Das wird deine erste Aufgabe sein. Erfülle sie gewissenhaft und nach Art der Raben.«

Der junge Rabe senkte den Kopf. »Wie lautet die Botschaft?«

Der alte Rabe nannte sie ihm.

Kapitel 1

Die feinen Glieder der Kette glitten wie Mondlicht über Arawns lange Finger. Er lächelte versonnen, während er mit dem silbernen Schmuckstück spielte. In seinen Gemächern herrschte ein angenehmes Zwielicht. Er saß auf einem bequemen Stuhl und genoss die Stille. Diesen Teil des Tages mochte er am liebsten. Die Geschäfte des Hofes waren zu seiner Zufriedenheit erledigt, und der Abend verwandelte sich langsam in die Nacht. In diesen Augenblicken spürte er sein ganzes Reich wie einen Teil seines Körpers. Und dieser Teil war endlich wieder mit ihm vereint.

Er hatte die Herrschaft vermisst, das musste er zugeben. Für eine Weile war es recht amüsant gewesen, den zurückhaltenden Berater im Hintergrund zu spielen – auch wenn er das nie gewesen war. Doch nun hatte er wieder die Position, die ihm zustand, und das fühlte sich gut an.

Und er hatte noch viel mehr als das. Die kürzlichen Ereignisse hatten sich als außerordentlich gewinnbringend herausgestellt. Er schloss die Faust um die dünne Silberkette und spürte, wie ihre Energie in seiner Handfläche kribbelte und sich von dort durch seinen ganzen Körper ausbreitete.

»So ein kleines Ding«, murmelte er. »Und doch steckt so viel Macht darin.«

Die Kette hatte einst der Menschenfrau Nicole Duval gehört. Sie war mit ihrem Gefährten Zamorra und deren Freund Gryf ap Llandrysgryf in sein Reich gekommen, weil sie Branwen zurückgewinnen wollten. Und es wäre ihnen auch beinahe gelungen. Doch Branwen hatte in einem unbedachten Moment einen Fehler begangen, der Arawn sogar noch mehr Einfluss verschafft hatte, als er sich ursprünglich erhofft hatte.

Nicole hatte sich auf einen Tauschhandel eingelassen. So etwas war stets gefährlich, aber oft die einzige Möglichkeit, um in Annwn zu bekommen, was man wollte. Sie hatte ihre Kette gegen das silberne Herz eingetauscht, einen Talisman, der Branwens Menschlichkeit enthielt. Als Branwen wieder damit vereint gewesen war, hatte sie entschieden, in die Welt der Menschen zurückzukehren. Und Arawn hatte sie ziehen lassen. Denn er hatte gewusst, dass er sie jederzeit zu sich zurückholen konnte. Sie gehörte ihm, denn sie hatte sich aus freien Stücken an ihn gebunden.

Vielleicht sollte ich lieber hierbleiben und Arawns Frau werden. Dann könnten wir das Land gemeinsam regieren. So hatten ihre Worte gelautet. Zugegeben, sie hatte sie ihrem Freund Gryf gegenüber in einem Anfall von Trotz ausgesprochen. Aber zumindest ein Teil von ihr hatte es ernst gemeint. Ernst genug, um Arawn die Möglichkeit zu geben, das Versprechen zu besiegeln. Er hatte dreimal um ihre Hand angehalten. Und beim dritten Mal war sie für einen kurzen Augenblick absolut überzeugt gewesen, dass eine Ehe mit ihm tatsächlich die beste Lösung für alle Beteiligten war. Also hatte er sie zu sich geholt und sie zu seiner Frau gemacht.

Nun herrschten sie gemeinsam über Annwn. Sie war seine Königin und gehörte ihm mit Leib und Seele. Er traf die Entscheidungen, und sie unterstützte ihn darin. Und die Verbindung mit ihr stärkte seine Macht auf berauschende Weise.

Und bald würde er dieser Macht noch eine weitere Komponente hinzufügen. Er ließ die Silberkette mit dem Anhänger von einem Finger baumeln und lächelte. Nicole Duval mochte nur ein Mensch sein. Aber sie verfügte über beeindruckende Fähigkeiten und großes Wissen. Sie würde sich ihm zweifellos als nützlich erweisen.

Nachdem er Branwen zu sich zurückgeholt hatte, war er zur Grotte des Llŷr gereist. Dort hatte er mit dem Wächter verhandelt und schließlich die silberne Kette der Menschenfrau bekommen. Der Preis dafür war hoch gewesen. Auch der Herrscher von Annwn musste sich den Regeln seiner Welt fügen. Er hatte dem Wächter einen Gefallen versprechen müssen, was er nur ungern getan hatte. So etwas brachte immer eine gewisse Unvorhersehbarkeit mit sich, und das gefiel ihm nicht. Aber letztendlich hatte es ihm den Vorteil verschafft, auf den er aus gewesen war.

Kaum hatte er die Kette in der Hand gehalten, hatte er ihre Bedeutung gespürt. Sie war ein Geschenk gewesen. Aus Liebe. Ein seltsam menschliches Konzept, das Arawn nie ganz begriffen hatte. Ihm war klar, was es damit auf sich hatte, aber er konnte diese Empfindung nicht nachvollziehen. Man ging Allianzen ein. Man verband sich auf körperlicher Ebene mit anderen Wesen. Aber ging es dabei letztendlich nicht immer um den eigenen Vorteil?

Das, was er in dieser zierlichen Kette spürte, war mehr als das. Es war selbstlos und gütig und voller Wärme. Und diese seltsamen Eigenschaften waren hier in Annwn einzigartig.

Und nun, da er sie besaß, hatte er auch Kontrolle über die Person, die mit diesen Gefühlen in Verbindung stand. Nicole Duval gehörte ihm. Sie wusste es nicht – noch nicht. Aber sie stand unter seiner Kontrolle. Stück für Stück zog er sie immer weiter in seine Welt und sorgte dafür, dass ihre menschlichen Empfindungen aus ihr heraussickerten wie Blut aus einer offenen Wunde. Und wenn der richtige Augenblick kam, würde er sie für sich beanspruchen und sie sich untertan machen.

Hin und wieder sah er sie in seinen Träumen. Ihr schöner Körper – ungewöhnlich schön für einen Menschen – würde ihm ebenso gehören wie ihr Verstand. Genau wie Branwen würde sie zu seiner Marionette werden. Seiner Königin gestattete er zwar die Illusion, eigene Entscheidungen treffen zu können, doch in Wahrheit stand sie so sehr unter seinem Einfluss, dass sie kaum mehr als eine Bedienstete war. Und sie diente ihm voller Leidenschaft.

Wie aufs Stichwort erklang eine Stimme aus Richtung des Schlafgemachs.

»Liebster?«

Arawn drehte langsam den Kopf. Das schwache Licht, das durch die Buntglasfenster fiel, tauchte den Durchgang in einen Wirbel aus Farben. Und dann trat sie in das bunte Chaos. Die Lichtflecken fielen auf ihren Körper und ihr Haar, das tiefschwarz war. Arawn gefiel es so viel besser. Das goldblonde Haar hatte sie immer so kindlich wirken lassen, also hatte er ihr aufgetragen, es zu ändern. Er mochte den harschen Kontrast, den das Schwarz zu ihrer blassen Haut darstellte. Das kühle Äußere ließ ihre Leidenschaft nur noch heißer brennen.

Sie trug ein langes Nachtgewand, doch sie hätte ebenso gut darauf verzichten können. Es war fast durchsichtig und schimmerte, als wäre es aus Nebel und Spinnfäden gewebt.

»Was machst du hier so allein?«, fragte sie. Ihre Stimme klang tief und samtweich. Sie kam auf ihn zu. Er bemerkte wohlwollend, wie sich ihr Körper unter dem durchscheinenden Stoff bewegte.

»Ich denke nach, meine Königin«, antwortete er.

»Hast du heute nicht schon genug nachgedacht? Willst du mir nicht lieber ein wenig Gesellschaft leisten?«

»Der Verstand eines Herrschers ruht nie«, erwiderte er. »Aber keine Sorge, ich werde mich auch noch um dich kümmern.«

Sie verzog die Lippen zu einem gierigen Lächeln. Der Anblick gefiel Arawn. Gier stand ihr so viel besser als Güte. Als sie ihn erreichte, griff er nach ihrer Hand und zog sie zu sich heran. Sie glitt auf seinen Schoß und schmiegte sich an ihn.

»Weißt du, was das ist?«, fragte er und hielt mit der freien Hand die Silberkette hoch.

»Ein Geschenk für mich?«, entgegnete sie und streckte die Hände danach aus.

»Nein«, sagte er und bewegte die Kette aus ihrer Reichweite. »Dieses kleine Ding wird mir große Macht verleihen. Es wird mir dabei helfen, mein Eigentum zu schützen und Vergeltung zu üben.«

»Vergeltung an wem?«, wollte wissen.

»An den Leuten, die mich einst um meine Krone gebracht haben.« Auch wenn sich die Ereignisse letztendlich zu seinem Vorteil entwickelt hatten, hatte Arawn nicht vergessen, dass ihn Zamorra und seine Freunde vor einiger Zeit übervorteilt hatten. Branwen hatte dabei eine wichtige Rolle gespielt, und sie hatte er bereits in seiner Gewalt. Nun würde er sich um die anderen kümmern. Er würde dafür sorgen, dass sie ihm nie wieder in die Quere kommen konnten.

»Das spielt doch keine Rolle. Du warst und bist der einzig wahre Herrscher über Annwn. Niemand wird das anzweifeln.«

Mit einem trägen Finger fuhr Branwen an seinem Kinn entlang und über seinen Hals. Dabei räkelte sie sich auf höchst angenehme Weise auf seinem Schoß.

»Das ist richtig. Aber ich will auch dafür sorgen, dass du endgültig in Sicherheit bist. Dieser Abschaum wird weiterhin versuchen, dich mir wegzunehmen.«

Branwen verzog das hübsche Gesicht.

»Keine Sorge, meine Liebe. Ich habe einen Plan und werde ihnen zuvorkommen. Sie werden keine Gelegenheit mehr haben, sich in unser Leben einzumischen.«

»Und was genau hast du vor?« Das erwartungsvolle Zittern in Branwens Stimme verriet ihm, dass sie auf ein blutiges Ende für ihre Feinde hoffte. Sie war wirklich entzückend, wenn sie ihrer inneren Wildheit freien Lauf ließ. Es war bedauerlich, dass er heute Nacht keinen Gebrauch davon machen konnte.

»Das ist eine Überraschung«, erwiderte er. »Aber es wird dir gefallen. Und es wird ein wenig Chaos stiften und mir damit ebenfalls großes Vergnügen bereiten.«

»Ich wüsste auch etwas, das dir großes Vergnügen bereiten würde«, schnurrte sie. Dann stand sie in einer fließenden Bewegung von seinem Schoß auf, umfasste seine Hand und zog ihn auf die Füße.

Er lächelte und verstaute die Kette in einer Tasche seiner Kleidung. Er wusste, dass er schon in wenigen Augenblicken keine Kleidung mehr tragen würde, wenn es nach Branwen ginge, doch er hatte andere Pläne. Trotzdem ließ er sich von seiner Königin ins Schlafgemach leiten. Sie zog ihn zu sich heran, und er gewährte ihr einen Kuss. Wie immer wirkte sie dabei ausgehungert, als könnte sie nicht genug von ihm bekommen. Nun, dieses Mal würde sie sich noch ein wenig gedulden müssen. Er umfasste ihre Schultern und schob sie von sich.

Sofort flackerte Unmut in ihren Augen auf. Doch ein Blick von ihm genügte, um sie in ihre Schranken zu weisen. Sie mochte die Königin sein. Aber er war der Herrscher über ganz Annwn und damit zählte auch sie zu seinen Untertanen.

»Es tut mir leid, meine Liebe«, sagte er freundlich, schließlich wollte sie nur sein Bestes. »Du wirst die heutige Nacht allein verbringen müssen. Ich muss mich auf den Weg machen.«

»Wo willst du denn hin?«, fragte sie und konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

»In die Welt der Menschen.«

Der Ausdruck, der sich daraufhin auf ihr Gesicht stahl, war seltsam. Fast hätte man von Sehnsucht sprechen können. Doch Arawn wusste, dass das nicht sein konnte. Branwen hatte die Welt der Menschen für immer hinter sich gelassen. Sie gehörte nun ihm und hatte keinerlei Verbindungen mehr zu ihrem alten Leben. Nun ja, beinahe keine mehr. Eine Kleinigkeit gab es da noch, aber darum würde er sich schon bald kümmern. Und wenn auch dieser letzte dünne Faden gekappt war, würde ihm niemand mehr seine Besitzansprüche streitig machen.

Er küsste sie auf die Stirn und machte dann kehrt, um seine Gemächer zu verlassen.

»Warte, Liebster!«, rief sie ihm hinterher. Als er sich daraufhin umdrehte, grinste sie durchtrieben. Wie so oft hatte die Gier alle anderen Emotionen ersetzt. »Bringst du mir etwas mit?«

Nun grinste auch Arawn. »Darauf kannst du dich verlassen, meine Königin.«

Er deutete eine Verbeugung an und verschwand durch die Tür.

Kapitel 2

Irgendwas müffelt hier.

Gryf ap Llandrysgryf fuhr sich mit der Hand durchs strähnige Haar und seufzte, als ihm klar wurde, dass er selbst die Quelle des unangenehmen Geruchs war. Wann hatte er zum letzten Mal geduscht oder sich wenigstens notdürftig gewaschen? Er konnte sich nicht erinnern. War das vorgestern gewesen? Nein, es musste länger her sein. Sein ohnehin schon wirres Haar glich einem benutzten Wischmopp, und das T-Shirt und die Jeans, die er trug, waren fleckig und mussten dringend in die Wäsche.

Doch für solche Belanglosigkeiten hatte er keine Zeit. Er hatte sich in einen alten Text verbissen, von dem er sich Hinweise versprach, die ihn zu Branwen führen mochten. Seit Tagen saß er nun schon in seiner Hütte und brütete fast ununterbrochen über den Schriften. Hin und wieder schlief er ein, nur um dann hochzuschrecken und sich dafür zu verfluchen, dass er wertvolle Zeit verloren hatte. Dabei wusste er nicht einmal, ob Zeit eine Rolle spielte. Branwen war nun schon seit einer ganzen Weile verschwunden – schon wieder –, und Gryf hatte keine Ahnung, ob es nicht längst zu spät war und er sie vielleicht niemals wiederfinden würde.

Aber er musste es versuchen. Er konnte nicht einfach weitermachen wie immer und so tun, als hätte es Branwen nie gegeben. Vieles sprach dafür, dass sie wieder in der Anderswelt war. Dass Arawn sie entführt hatte und dort festhielt. Doch die Wege nach Annwn, die Gryf bekannt waren, blieben ihm versperrt. Er hatte mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, versucht, sich Zugang zu dieser Parallelwelt zu verschaffen. Bislang waren all seine Bemühungen vergebens gewesen.