Professor Zamorra 1181 - Oliver Müller - E-Book

Professor Zamorra 1181 E-Book

Oliver Müller

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Beschreibung

Wächter der Geisterstadt

Der Tod ist etwas Endgültiges für jedes Lebewesen. Oder er sollte es sein.
Er ist sozusagen eine einmalige Angelegenheit.
Doch nicht für jeden.
Bei einigen Wesen gibt es einen Riss im bis dahin stabilen Kontinuum von Raum und Zeit. Die Kräfte, die frei werden, spalten die Seele oder den Geist ab.
Manche Entitäten verändert er auch nur, und ein ungewisses Schicksal entlässt sie zurück ins Leben, obwohl sie das dunkle Reich besser nie mehr verlassen sollten ...

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Seitenzahl: 136

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Inhalt

Cover

Impressum

Wächter der Geisterstadt

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Dream Ideas/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8482-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wächter der Geisterstadt

von Oliver Müller & Manfred H. Rückert

Das verlassene Haus hatte sie magisch angezogen.

»Jake?«

Lindas Stimme klang seltsam, fand Jake. Irgendwie … er suchte nach dem passenden Wort. Eingeschüchtert, ja, das war es.

Er ging hinüber zu ihr in das andere Zimmer und sah sie an. Linda hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen.

»Was ist denn? Ist dir kalt?«

Anstelle einer Antwort rieb sie sich die Oberarme. Er erkannte, dass sie eine Gänsehaut hatte. Das kam bei ihr nur sehr selten vor.

»Fühlst du es nicht auch?«, fragte sie mit eigenartig hohler Stimme.

»Des Menschen größter Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich sowenig als möglich von ihnen bestimmen lässt.«

Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter und Naturforscher (1749 – 1832)

Prolog

Irgendwo im Nirgendwo

Vernichtet. Tot. Ihre Körper waren zerstört. Zerfallen. Von ihnen waren nicht mehr als zwei Häufchen grauweißer Staub geblieben. Im Augenblick des Todes waren sie sich wieder so nahe gewesen, wie in ihrem ersten Leben auch.

Füße scharrten in ihren Überresten. Wind kam auf, wirbelte sie durcheinander, vermischte sie und nahm sie mit sich fort. Ihre Reise war noch nicht zu Ende, und sie setzten sie gemeinsam fort, wie schon die erste Phase ihres Lebens.

Kurz vor ihrem ersten Tod hatte sich das geändert. Sie schlugen getrennte Richtungen ein und teilten doch ein gemeinsames Schicksal.

Für die nächsten Jahrhunderte waren sie getrennt. Bis sie in einer für sie fernen Zukunft wieder aufeinandertrafen und ihr Schicksal sich wiederholte. Zum zweiten Mal starben sie Seite an Seite. Nichts konnte sie trennen. Dieses Mal blieben sie vereint.

Enger, als sie es sich jemals hätten vorstellen können.

Enger, als sie es jemals wollten.

Das Wesen, das zwei Namen besaß und doch keinen eigenen mehr trug, war getrennt von den Menschen und trotzdem nicht allein. Um das Wesen herum existierten Schatten, namenlos wie es selbst.

Die Schatten konnten ihnen nicht weiterhelfen. Doch es gab einen Menschen, der es konnte. Der es musste! Einen Menschen, den eine von ihnen hasste. Den sie vernichten wollte. Einen Menschen, der die Erinnerungen der anderen in sich trug.

Sein Name war Brik Simon.

Kapitel 1

Sutherland, South Carolina

Jake Bresnik ließ den Wagen ausrollen und stellte den Motor ab. »Wir sind da«, sagte er überflüssigerweise und warf einen Blick durch die Windschutzscheibe in Richtung der Ansammlung weniger Häuser, die zusammen den Namen Sutherland trugen.

Seine Freundin Linda Kent antwortete nicht, sondern öffnete bereits die Tür und stieg aus. Sie machte die ersten Schritte auf ihr Ziel zu.

Jake sah ihr nach und musterte ihren schlanken, sportlichen Körper. Die langen, blonden Haare wurden von einem leichten Wind bewegt, der genau aus Richtung der kleinen Siedlung auf sie zuwehte. Kurz überlegte Jake, ob er sie von hinten vor den leerstehenden Häusern fotografieren sollte. Das wäre ein starkes Motiv. Dann entschied er sich dagegen. Linda mochte es gar nicht, wenn man ohne ihre Erlaubnis Bilder von ihr knipste. In diesem Fall war ein Streit schon vorprogrammiert.

Trotzdem schnappte er sich die Kamera und hängte sie sich um, bevor er ihr folgte. Er würde sie brauchen, denn genau dafür waren sie hierhergekommen. Um Fotos zu machen. Sutherland war die perfekte Kulisse für ein paar tolle Aufnahmen. Eine Geisterstadt, wie sie im Buche stand. Die Fans ihrer lost places-Seite würden mit Lob und Likes sicher nicht sparen.

Linda blieb dicht vor dem ersten Haus stehen und wartete auf ihn. Er trat an ihre Seite.

»Es ist perfekt, was?«, sagte sie und blickte ihn voller Stolz an, als er neben ihr stand.

»Absolut. Du hattest eine tolle Idee, es hier zu probieren.«

»Ich bin ja auch der Kopf unserer Unternehmung«, antwortete sie lachend und kassierte dafür einen leichten Knuff in die Rippen, den sie mit einem gespielten Stöhnen quittierte. »Du Ungeheuer!«

Er zog sie zu sich heran und gab ihr einen Kuss, den sie erwiderte.

»Wollen wir sofort mit den Aufnahmen beginnen?«, fragte er und hob die Kamera an.

»Ja. Lass uns die Zeit nutzen, solange die Sonne noch scheint«, antwortete sie und löste sich aus seiner Umarmung.

»Und das Zelt?«

»Bauen wir später auf. Komm.«

Sie gingen die Straße entlang, die einmal die Hauptstraße von Sutherland gewesen sein musste, auch wenn sie den hochtrabenden Namen für einen solch kleinen Ort kaum verdiente. Zwei Autos passten hier gut nebeneinander, obwohl zu der Zeit, in der Sutherland erbaut wurde, noch niemand an motorisierte Fortbewegung gedacht hatte. Eine Pferdekarre war damals schon das Höchste der Gefühle gewesen.

Jake glaubte, einen Hauch aus der Vergangenheit zu spüren, als er seinen Blick über die alten Häuser gleiten ließ. An allen hatte der Zahn der Zeit genagt, aber manche waren noch gut erhalten. Und das, obwohl seit zwei Jahren niemand mehr hier war, der sie pflegte und reinigte. Bei den meisten aber glotzten ihn leere Fenster an wie tote Augen.

Was für ein absurder Vergleich, dachte er und schüttelte den Kopf.

Er hatte jetzt schon so viele Orte gesehen, die verlassen und von der Zeit vergessen zu sein schienen. Doch hier lag es etwas anders. Er konnte nicht sagen, was es war, aber ein leichter Schauer lief ihm über den Rücken. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und hob die Kamera an.

Der Blick durch die Linse veränderte alles. Es war das gleiche Phänomen, dass auch Kriegsberichterstatter kannten. Wenn sie die brutalen Szenen durch das Objektiv sahen, schuf das eine gewisse Distanz zur Realität. So als wären sie nicht Teil davon, sondern als würden sie nur aus der Ferne beobachten.

Jake fotografierte wild drauflos. Die Aufnahmen würde er zu Hause sichten und sortieren. Schlechte Bilder konnte er ja einfach wieder löschen. Er war kein gelernter Fotograf und wartete nicht auf den besonderen Moment oder das bestimmte Gefühl, das ihm sagte, dass es Zeit war, jetzt den Auslöser zu betätigen.

Trotzdem ging er voll in seiner Tätigkeit auf. Darum fiel ihm auch nicht auf, dass Linda sich von ihm entfernt hatte. Erst als sie nach ihm rief, bemerkte er, dass sie eins der Häuser betreten hatte. Sie stand im Türrahmen eines zweistöckigen Hauses und winkte ihm zu. »Komm mal her, Jake!«, rief sie.

Er ließ die Kamera sinken und legte die gut fünfzig Meter, die zwischen ihnen lagen, zurück.

»Was ist denn?«, fragte er, als er sie erreicht hatte.

Sie trat zur Seite und deutete ins Innere des Hauses. Hinter der Tür lag ein kurzer Flur, von dem weitere Türen abzweigten. Von hier aus konnte er in zwei weitere Zimmer blicken. Es war zwar dunkler als draußen, aber das einfallende Sonnenlicht reichte aus, um alles klar zu erkennen. Staub tanzte in den hellen Strahlen.

»Ist das nicht fantastisch?«, stieß Linda aus.

Er wusste auf den ersten Blick, was sie meinte. So wie er es sehen konnte, waren die Räume noch möbliert. Gegenüberliegend fiel sein Blick auf ein altes Holzbett. Als er nach rechts sah, entdeckte er einen staubigen Tisch und zwei Stühle, ebenfalls aus Holz.

»Spitze. Genau das, was wir suchen!«

»Ja. Es sieht aus, als wären die Bewohner nur kurz was einkaufen gegangen und kämen gleich zurück, nicht wahr?«

Linda war genauso begeistert wie er. Sie wollte das Schlafzimmer betreten, aber er hielt sie zurück. Zuerst wollte er aus dieser Perspektive noch ein paar Aufnahmen machen.

»Jetzt kannst du gerne weitergehen«, gab er den Weg frei.

»Danke sehr, das lasse ich mir nicht zweimal sagen.« Sie verbeugte sich und grinste ihn an.

Während sie ins Schlafzimmer ging, suchte er die Küche auf. Er öffnete sogar die Schränke, aber sie waren leer. Schade, wenn er noch Geschirr oder sogar Essensreste gefunden hätte, wäre das perfekt gewesen. Aber auch so war er zufrieden.

»Jake?«

Lindas Stimme klang anders, fand er. Irgendwie … er suchte nach dem passenden Wort. Eingeschüchtert, ja, das war es. Seltsam, so kannte er seine vorlaute Freundin gar nicht.

»Ja?«, antwortete er.

»Komm mal, bitte.«

Er ging hinüber zu ihr ins Schlafzimmer und sah sie an. Sie hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen.

»Was ist denn? Ist dir kalt?«

Anstelle einer Antwort rieb sie sich die Oberarme. Er erkannte, dass sie eine Gänsehaut hatte. Das kam bei ihr nur sehr selten vor.

»Fühlst du es nicht auch?«, fragte sie mit eigenartig hohler Stimme.

Er wollte den Kopf schütteln, aber dann unterließ er die Bewegung. Denn im gleichen Moment, als sie davon sprach, bemerkte er es auch. Es war das gleiche Gefühl, das ihn schon draußen beschlichen hatte. So als wäre er nicht alleine, sondern als wäre noch etwas anderes bei ihnen. Oder … jemand anderes? Unwillkürlich sah er sich um, warf einen Blick in jede Richtung. Nichts. Nur Linda, die ihn mit großen Augen ansah.

»Du fühlst es auch, oder?« Ihre Stimme klang heiser.

Er nickte. »Ich habe es vorhin draußen schon gespürt.«

»Du auch?«, fragte sie erstaunt.

Dass sie es auch fühlte, beruhigte ihn auf eine bestimmte Weise, denn es sagte ihm, dass er nicht verrückt war. Andererseits machte es ihm noch mehr Angst. Eigentlich hätte er sich gewünscht, das sie darüber lachte und ihn einen Angsthasen nannte, weil er sich den Unfug nur einbildete. So aber musste mehr dahinter stecken. Sie konnten doch nicht beide demselben Trugschluss aufsitzen.

»Hast du dich schon durch den Raum bewegt?«, fragte er und vollführte eine Bewegung mit der Hand. Weg von sich, zur nächsten Tür und wieder zurück.

Sie nickte.

»Hat sich das Gefühl an einer bestimmten Stelle verstärkt oder wurde es weniger?«

Sie dachte kurz nach, dann zeigte sie auf das Bett, das nicht mehr als ein Holzgestell war. »Dort war es eindeutig am stärksten.«

»Geh noch mal dorthin«, sagte er.

Sie sah ihn an, als hätte er vorgeschlagen, dass sie dem Papst einen Heiratsantrag machen solle. »Warum?«

»Ich will etwas testen. Mach schon. Es kann dir nichts passieren, wir sind ja zusammen.«

Es sah nicht so aus, als hätten seine Worte sie beruhigt. Trotzdem ging sie langsam auf das Bett zu, bis sie mit den Knien gegen den Rand stieß. »Und jetzt?«

»Was fühlst du?«

»Hier ist es eindeutig kälter. Ich kann nicht schätzen, wie viel Grad, aber man fühlt es deutlich.« Sie fröstelte.

»Setz dich bitte auf den Rand.«

Da er die Kamera anhob, musste er ihr nicht sagen, was er vorhatte. Er schoss ein paar Fotos von ihr.

»Reicht das?«, fragte sie und blickte sich ständig um. »Ehrlich, Jake, ich fühle mich hier mehr als unwohl.«

Er nickte. »Ich mich auch. Komm, lass uns rausgehen. Die Sonnenstrahlen werden uns guttun.«

Auch das Sonnenlicht hatte nicht geholfen, um die düstere Atmosphäre zu vertreiben. Als sie das Haus verlassen hatten, wirkte es auf Jake, als würde ein dunkler Schatten über der Geisterstadt liegen. Dennoch erkundeten sie den Rest des Ortes und auch weitere Häuser. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, blieb, aber an keinem Platz war es noch einmal so stark wie in dem Schlafzimmer des ersten Hauses.

Als der Abend kam, verließen sie Sutherland und gingen zurück zu ihrem Auto. Sie bauten ihr Zelt daneben auf und machten sich noch eine Kleinigkeit zu essen. Danach gingen sie ins Zelt.

Jake holte die Speicherkarte aus der Kamera und steckte sie ins Lesegerät, um die Aufnahmen auf den mitgebrachten Laptop zu übertragen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann hatte er sie auf der Festplatte gesichert. Er öffnete den Ordner und begann, die Fotos zu betrachten.

Die ersten Bilder zeigten den Ortsrand von Sutherland. Jake hatte sie ziemlich zu Beginn gemacht. Er stutzte. Irgendwie waren die Bilder unscharf. Das passierte ihm doch sonst nicht. Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen.

Linda bemerkte seine Reaktion. »Was ist los?«

Er deutete auf den Laptop. »Schau doch, die Bilder sind irgendwie verschwommen. Da sind so … Flecken.«

Sie kam näher und betrachtete das Bild. »Verwackelt halt«, sagte sie und zuckte mit den Schultern.

Er lachte auf. »Klar, kann mal passieren. Sogar mir. Einmal vielleicht. Aber nicht zweimal.« Er klickte ein Bild weiter. »Oder gleich dreimal.« Noch ein Klick.

Alle Bilder, die er aufrief, zeigten an derselben Stelle, direkt vor der Hauswand des ersten Hauses auf der linken Seite, einen verwaschenen Fleck.

Linda kniff die Augen zusammen. »Seltsam«, sagte sie. »Vielleicht ein technischer Fehler? Oder einfach ein Fettfinger auf der Linse?«

Er sah sie vorwurfsvoll an. »Ich bin kein Anfänger mehr. Natürlich hab ich darauf geachtet. Und das Gerät habe ich überprüft, da ist nichts kaputt.«

»Sicher?«

»Sicher. Schau hier.«

Er öffnete ein neues Bild. »Denn wenn das so wäre, dann müsste der Fleck doch an derselben Stelle sein, oder?«

Sie nickte und sah dann, was er meinte. Auch auf diesem Foto gab es eine verschwommene Stelle. Nein, sogar zwei, erkannte sie bei längerem Hinsehen. Das Foto zeigte die Straße, links und rechts von Häusern gesäumt. Auf der rechten Seite war das Haus zu sehen, in dem sie sich so unwohl gefühlt hatten. Und genau dort war einer der beiden Flecke. Der andere war ein Stück die Straße entlang auszumachen.

»Das gibt es doch gar nicht!«, rief sie aus. Als Jake nichts antwortete, stieß sie ihn an. »Sag doch was.«

»Was soll ich denn sagen?« Er zog die Schultern nach oben.

»Keine Ahnung. Irgendetwas, dass das hier erklärt.« Sie zeigte mit beiden Händen auf die vermeintlichen Flecke.

Er lachte heiser auf. »Sorry, da hab ich leider nichts in petto. Nur …«

»Nur was?«

»Weißt du, an was diese Flecken mich erinnern?«

»Sag schon.« Sie funkelte ihn an, weil er nicht gleich mit seiner Vermutung herausrückte.

»Das sind Umrisse.«

»Von was?«

Er zögerte mit der Antwort, denn er kam sich lächerlich vor, sie auszusprechen. »Von Menschen.«

»Du spinnst doch!«

»Sicher? Dann schau mal genau hin.«

Er wählte ein neues Foto aus. Hier war der Fleck größer und – obwohl es eigentlich ein Widerspruch war – deutlicher zu erkennen. Zweifellos zeichneten sich Arme und ein Kopf ab, wenn auch nur die Konturen. Ein Gesicht gab es nicht.

Linda stieß zischend die Luft aus. »Hast du dir schon alle Fotos angesehen?«, fragte sie.

»Nein.«

»Dann lass uns das jetzt tun.«

Sie rückte dicht an ihn heran, als würde sie seinen Schutz suchen. Aber auch ihm war wohler, als er seine Freundin neben sich hatte. Erst dann klickte er weiter. Auf fast allen Fotografien wiederholte sich das Phänomen. Dann kamen die Bilder, die er im Schlafzimmer des Hauses geknipst hatte, in dem sie sich am unwohlsten gefühlt hatten.

Schon beim ersten Foto zuckte Jake zusammen. Auch Linda erschrak. »Das kann nicht sein …«, flüsterte sie, ihre Augen weiteten sich.

Aber es war die Wahrheit. Das Bild war gestochen scharf. Linda saß darauf auf dem Rand des Holzbetts. Direkt neben ihr war das Phänomen zu sehen, das sie von den anderen Aufnahmen kannten. Nur dass es diesmal nicht so verschwommen war.

Jake erkannte eindeutig die Umrisse eines Menschen. Man konnte sogar klar ausmachen, dass sie einer Frau gehörten. Nicht nur das, weitere Einzelheiten waren sichtbar. So sah er, dass ihr Kopf sowohl von rotbraunen als auch von blonden Haaren umrahmt war.

Das Gesicht war unscharf, aber es lag nicht daran, dass es verschwommen war. Dafür gab es einen anderen Grund. Es schien zwei Menschen zu gehören, die sich aus irgendeinem Grund überlappten. Die linke Seite war hassverzerrt, das Auge schien sie von dem Bildschirm aus förmlich anzufunkeln.

Die andere Seite war entspannt, ein beinahe gütig zu nennender Blick fiel auf Jake.

»Unglaublich«, flüsterte er, dann schüttelte er den Kopf.

»Wer ist das?«, fragte Linda. Sie hielt kurz den Atem an.

»Keine Ahnung«, gestand Jake. »Sieht unheimlich aus, nicht?«

»Allerdings. Verdammt, ich fühle mich hier echt nicht mehr sicher. Am liebsten würde ich abhauen.«

»Im Ernst?«

»Jake, da hat ein Geist oder so etwas in der Art neben mir gesessen. Das finde ich nicht besonders cool.« Ihre Stimme war durch die Aufregung automatisch höher geworden.

»Und du hast nichts von ihrer Anwesenheit bemerkt, als du da gesessen hast?«

»Nein. Nur dass dort die kälteste Stelle im Raum war.«

Jake betrachtete wieder den Monitor. Halb verängstigt, halb fasziniert starrte er auf den Bildschirm. Abwechselnd blickte er in die so unterschiedlichen Augen der geheimnisvollen Frau. Sie hatten eine fast hypnotische Wirkung auf ihn. Es kostete ihn große Anstrengung, sich davon loszureißen.